Cacau besucht "Champions ohne Grenzen"

Vor etwas mehr als einem Jahr beendete Cacau nach 16 Spielzeiten in Nürnberg, Stuttgart und am Ende in Osaka seine Karriere und erklärte noch am selben Tag, dass er sich fortan einer ganz neuen Aufgabe widmen wolle. Der heute 36-jährige wurde Integrationsbeauftragter des Deutschen Fußball-Bundes (DFB). Seitdem tourte Cacau durchs Land, etwas mehr als 40 Termine sind es im ersten Jahr geworden.

Höchste Zeit also, dass der bei Sao Paulo geborene ehemalige deutsche Nationalspieler die "Champions ohne Grenzen" besuchte, ein wegweisendes Fußballprojekt für Geflüchtete. Nun war es soweit. Beim FV Hansa 07 auf einem an der Wrangelstraße im Berliner Stadtteil Kreuzberg zwischen einer Schule und grauen Wohnmansarden eher schmucklos gelegenen Kunstrasenplatz leitete der 23-malige Nationalspieler eine Trainingseinheit mit geflüchteten Menschen aus Syrien und Afghanistan.

"Es freut mich, hier selbst vor Ort zu sein", sagte Cacau. "Die Leiterin Caro Gaffron habe ich schon mehrfach auf Konferenzen und Preisverleihungen getroffen. Heute ist es für mich beeindruckend, selbst zu erleben, wie das vor Ort funktioniert. Die Champions laden frisch nach Deutschland gekommene Menschen zu sich ein. Man redet miteinander, man spielt zusammen Fußball. Damit ist schon viel erreicht."

DFB-Integrationspreis 2015 für die "Champions"

Der Kulturwissenschaftlerin Carolin Gaffron kam 2012 die Idee, die weltweite Beliebtheit des Fußballs zu nutzen und eine wirksame Begegnungsstätte für Flüchtlinge zu schaffen, auch um darauf aufbauend die Fußballer durch Sprachkurse oder Jobtrainings zu unterstützen. Aber auch um sie in Schieflagen, etwa im Falle einer Traumatisierung, bei ihrem Ankommen im neuen Land zu begleiten. Zuerst ein offenes Fußballtraining, dann eine Nachspielzeit, schließlich so viel mehr: Qualifizierung, Beratung, Vermittlung, Stadttouren, gemeinsames Kochen, gemeinsame Freizeit. Gaffron nannte ihr Projekt "Champions ohne Grenzen".

Seitdem hat "ChoG" nationale Anerkennung erfahren. Daniela Schadt, damals "First Lady" der Bundesrepublik, kam an die Wrangelstraße. "ChoG" kooperierte mit Hertha BSC und wurde eines von 21 Willkommensbündnissen in Deutschland, die von der Bundesliga-Stiftung und Aydan Özoğuz, der Bundesbeauftragten für Migration, Flüchtlinge und Integration, gefördert werden. U 21-Europameister Mitchell Weiser kam zum Kicken. Der Autor Ronny Blaschke widmete den Champions in seinem Buch "Gesellschaftsspielchen" ein Kapitel. 2015 wurde "ChoG" mit dem DFB- und Mercedes-Benz Integrationspreis ausgezeichnet.

"Das Geld hat uns geholfen, keine Frage" sagt die 35-jährige Gaffron. "Wir betreuen jede Woche rund 100 Erwachsene und noch mal 100 Kinder. Gerade im Aufbau ist ein Frauenteam, unsere Lady-Champions. Wir veranstalten Trainings auf sieben Plätzen in ganz Berlin. Überall kooperieren wir mit kleinen Amateurklubs, auch mit dem Ansatz, dass unsere Leute sich irgendwann im Klub anmelden."

"Wir wurden nie angefeindet"

Vor knapp sechs Jahren hat sie angefangen, seitdem ist "ChoG" immer weiter gewachsen. Die Flüchtlinge genießen die frische Luft, dass sie mal rauskommen aus der Enge der Unterkünfte. Wer häufiger vorbeischaut und Rat erfragt, bekommt den auch. Die Zwanglosigkeit ist ein Erfolgsfaktor. Wer aufs Amt muss oder einen anderen wichtigen Termin hat, muss sich nicht abmelden. Die Champions sind immer die, die auf dem Platz stehen.

Fragt man sie, was so richtig schief gelaufen sei, lacht die 35-jährige Gaffron und sagt: "Eigentlich nichts. Wir wurden nie angefeindet, und unter den Flüchtlingen auf dem Fußballplatz wurde es in der ganzen Zeit zweimal rabiat. Da haben wir dann das Trainingsspiel abgebrochen. Ich würde sagen, das ist auch in einem normalen deutschen Fußballklub Schnitt."

"Vereine stellen mit ihrer Arbeit Pöbler und Hetzer ins Abseits"

Auch der Amateurfußball in Deutschland hat darauf reagiert, dass 2015 und 2016 Menschen, viele aus Syrien, Afghanistan, Eritrea und Somalia, ins Land kamen. Bis heute mehr als 3300 Amateurklubs engagieren sich bei den Kampagnen "1:0 für ein Willkommen" und "2:0 für ein Willkommen", die von der DFB-Stiftung Egidius Braun und wiederum der Bundesbeauftragten geleitet und finanziert werden. "Als im Herbst 2015 hunderttausende Menschen kamen, gehörten die Fußballvereine zu den ersten, die ihre Vereinsheime und Mannschaften öffneten und Flüchtlinge unbürokratisch und kreativ integrierten", sagt die Bundesbeauftragte Özoğuz. "Dieses breite Engagement ist unbezahlbar, denn die Vereine sorgen nicht nur für mehr gesellschaftlichen Zusammenhalt, sondern sie stellen mit ihrer Arbeit Pöbler und Hetzer ins Abseits."

Nach knapp zwei Stunden Tee mit Keksen und Mandarinen und einer Trainingseinheit bei kaltem Nieselregen ist dann Schluss in Kreuzberg. Cacau muss weiter, der nächste Termin wartet. Im Tipi gegenüber des Kanzleramts soll er eine Laudatio bei der Verleihung des Deutschen Engagementpreises halten. Pinar Atalay wird moderieren, Ritchy Müller die Laudatio auf den Publikumspreis halten. Die Zeit drängt, noch ein Autogramm, noch ein Selfie, dann steigt Cacau ins Auto. Der Himmel über Kreuzberg wird dunkel. Der Klub hat keine Flutlichtmasten. Die Champions spielen trotzdem noch ein bisschen weiter Fußball.

[th]

Vor etwas mehr als einem Jahr beendete Cacau nach 16 Spielzeiten in Nürnberg, Stuttgart und am Ende in Osaka seine Karriere und erklärte noch am selben Tag, dass er sich fortan einer ganz neuen Aufgabe widmen wolle. Der heute 36-jährige wurde Integrationsbeauftragter des Deutschen Fußball-Bundes (DFB). Seitdem tourte Cacau durchs Land, etwas mehr als 40 Termine sind es im ersten Jahr geworden.

Höchste Zeit also, dass der bei Sao Paulo geborene ehemalige deutsche Nationalspieler die "Champions ohne Grenzen" besuchte, ein wegweisendes Fußballprojekt für Geflüchtete. Nun war es soweit. Beim FV Hansa 07 auf einem an der Wrangelstraße im Berliner Stadtteil Kreuzberg zwischen einer Schule und grauen Wohnmansarden eher schmucklos gelegenen Kunstrasenplatz leitete der 23-malige Nationalspieler eine Trainingseinheit mit geflüchteten Menschen aus Syrien und Afghanistan.

"Es freut mich, hier selbst vor Ort zu sein", sagte Cacau. "Die Leiterin Caro Gaffron habe ich schon mehrfach auf Konferenzen und Preisverleihungen getroffen. Heute ist es für mich beeindruckend, selbst zu erleben, wie das vor Ort funktioniert. Die Champions laden frisch nach Deutschland gekommene Menschen zu sich ein. Man redet miteinander, man spielt zusammen Fußball. Damit ist schon viel erreicht."

DFB-Integrationspreis 2015 für die "Champions"

Der Kulturwissenschaftlerin Carolin Gaffron kam 2012 die Idee, die weltweite Beliebtheit des Fußballs zu nutzen und eine wirksame Begegnungsstätte für Flüchtlinge zu schaffen, auch um darauf aufbauend die Fußballer durch Sprachkurse oder Jobtrainings zu unterstützen. Aber auch um sie in Schieflagen, etwa im Falle einer Traumatisierung, bei ihrem Ankommen im neuen Land zu begleiten. Zuerst ein offenes Fußballtraining, dann eine Nachspielzeit, schließlich so viel mehr: Qualifizierung, Beratung, Vermittlung, Stadttouren, gemeinsames Kochen, gemeinsame Freizeit. Gaffron nannte ihr Projekt "Champions ohne Grenzen".

Seitdem hat "ChoG" nationale Anerkennung erfahren. Daniela Schadt, damals "First Lady" der Bundesrepublik, kam an die Wrangelstraße. "ChoG" kooperierte mit Hertha BSC und wurde eines von 21 Willkommensbündnissen in Deutschland, die von der Bundesliga-Stiftung und Aydan Özoğuz, der Bundesbeauftragten für Migration, Flüchtlinge und Integration, gefördert werden. U 21-Europameister Mitchell Weiser kam zum Kicken. Der Autor Ronny Blaschke widmete den Champions in seinem Buch "Gesellschaftsspielchen" ein Kapitel. 2015 wurde "ChoG" mit dem DFB- und Mercedes-Benz Integrationspreis ausgezeichnet.

"Das Geld hat uns geholfen, keine Frage" sagt die 35-jährige Gaffron. "Wir betreuen jede Woche rund 100 Erwachsene und noch mal 100 Kinder. Gerade im Aufbau ist ein Frauenteam, unsere Lady-Champions. Wir veranstalten Trainings auf sieben Plätzen in ganz Berlin. Überall kooperieren wir mit kleinen Amateurklubs, auch mit dem Ansatz, dass unsere Leute sich irgendwann im Klub anmelden."

"Wir wurden nie angefeindet"

Vor knapp sechs Jahren hat sie angefangen, seitdem ist "ChoG" immer weiter gewachsen. Die Flüchtlinge genießen die frische Luft, dass sie mal rauskommen aus der Enge der Unterkünfte. Wer häufiger vorbeischaut und Rat erfragt, bekommt den auch. Die Zwanglosigkeit ist ein Erfolgsfaktor. Wer aufs Amt muss oder einen anderen wichtigen Termin hat, muss sich nicht abmelden. Die Champions sind immer die, die auf dem Platz stehen.

Fragt man sie, was so richtig schief gelaufen sei, lacht die 35-jährige Gaffron und sagt: "Eigentlich nichts. Wir wurden nie angefeindet, und unter den Flüchtlingen auf dem Fußballplatz wurde es in der ganzen Zeit zweimal rabiat. Da haben wir dann das Trainingsspiel abgebrochen. Ich würde sagen, das ist auch in einem normalen deutschen Fußballklub Schnitt."

"Vereine stellen mit ihrer Arbeit Pöbler und Hetzer ins Abseits"

Auch der Amateurfußball in Deutschland hat darauf reagiert, dass 2015 und 2016 Menschen, viele aus Syrien, Afghanistan, Eritrea und Somalia, ins Land kamen. Bis heute mehr als 3300 Amateurklubs engagieren sich bei den Kampagnen "1:0 für ein Willkommen" und "2:0 für ein Willkommen", die von der DFB-Stiftung Egidius Braun und wiederum der Bundesbeauftragten geleitet und finanziert werden. "Als im Herbst 2015 hunderttausende Menschen kamen, gehörten die Fußballvereine zu den ersten, die ihre Vereinsheime und Mannschaften öffneten und Flüchtlinge unbürokratisch und kreativ integrierten", sagt die Bundesbeauftragte Özoğuz. "Dieses breite Engagement ist unbezahlbar, denn die Vereine sorgen nicht nur für mehr gesellschaftlichen Zusammenhalt, sondern sie stellen mit ihrer Arbeit Pöbler und Hetzer ins Abseits."

Nach knapp zwei Stunden Tee mit Keksen und Mandarinen und einer Trainingseinheit bei kaltem Nieselregen ist dann Schluss in Kreuzberg. Cacau muss weiter, der nächste Termin wartet. Im Tipi gegenüber des Kanzleramts soll er eine Laudatio bei der Verleihung des Deutschen Engagementpreises halten. Pinar Atalay wird moderieren, Ritchy Müller die Laudatio auf den Publikumspreis halten. Die Zeit drängt, noch ein Autogramm, noch ein Selfie, dann steigt Cacau ins Auto. Der Himmel über Kreuzberg wird dunkel. Der Klub hat keine Flutlichtmasten. Die Champions spielen trotzdem noch ein bisschen weiter Fußball.

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