"Alles daran gesetzt, das Finale zu spielen"

Schüsse ins Schwarze, Sprints im Stockdunkeln. Blindenfußball ist das alles: verblüffend, knochenhart, inspirierend. Am Samstag (ab 17.15 Uhr) treffen auf dem Düsseldorfer Burgplatz die beiden besten Mannschaften Deutschlands aufeinander. Rekordmeister MTV Stuttgart tritt im Endspiel um die Deutsche Meisterschaft gegen Titelverteidiger FC St. Pauli an. DFB.de hat Stuttgarts Trainer Giuseppe Calaciura und St. Paulis Trainer Wolf Schmidt gefragt, worauf es beim Finale zwischen Rhein und Kö ankommen wird.

DFB.de: Herr Calaciura, Alexander Fangmann ist mit neun Treffern der beste Torschütze in der Liga. Ist er am Samstag der beste Spieler auf dem Burgplatz?

Giuseppe Calaciura: In Sachen Torabschluss gibt es jedenfalls keinen besseren. Alexander ist nicht umsonst auch Kapitän der Nationalmannschaft. Lukas Smirek hat aber auch einen gehörigen Anteil an unserem Erfolg. Rechtzeitig stößt jetzt Mulgheta Russom dazu, nach seinem Schienbeinbruch ist er wieder fit geworden. Insgesamt sind wir deutlich erfahrener aufgestellt als der Gegner. St. Pauli ist eine junge Mannschaft, wir nicht. Und für die Musik vorne sorgt Alexander.

DFB.de: Wie kam es zu Russoms Schienbeinbruch?

Calaciura: Das passierte bei einem Trainingszweikampf mit Smirek. Blindenfußball ist eine harte Sportart. Ohne etwas zu sehen, bewegen sich meine Spieler mit hohem Tempo im freien Raum.

DFB.de: Herr Schmidt, im Sport gilt ja, oben ankommen ist schwer, oben bleiben noch schwerer. Stimmt das auch so für den Blindenfußball?

Wolf Schmidt: In der Tat hatte ich manchmal den Eindruck, wir hätten etwas mehr tun können, etwa ernsthafter trainieren. Manchmal war da so ein Gefühl, als hätten wir schon etwas erreicht. Aber vielleicht ist das auch nur mein nerdiger Fanatismus. (lacht)

DFB.de: Das Saisonspiel gegen Stuttgart hat Pauli jedenfalls verloren. Was war passiert?

Schmidt: Wir haben überpaced. Unsere Spieler sind sehr jung, wir gehen mit Einsatz und Leidenschaft ran. Gerade beim Blindenfußball aber behält man Kontrolle durch Kommunikation. Kommunikation unter den Spielern wie auch mit den Guides an der Seitenlinie und hinter dem gegnerischen Tor. Die haben wir damals verloren. Dieses 0:1 am dritten Spieltag hat uns aber motiviert. Wir haben uns geschworen, dass wir alles daransetzen werden, noch mal gegen Stuttgart spielen zu dürfen. Und zwar im Finale. Hat geklappt, wir freuen uns darauf.

DFB.de: Herr Calaciura, Sie haben die Mannschaft 2016 vom langjährigen Stuttgarter und Nationalmannschaftstrainer Uli Pfisterer übernommen. Jetzt stehen Sie mit dem MTV Stuttgart im Endspiel. Läuft gut, oder?

Calaciura: Ich hatte anfangs so meine Schwierigkeiten im Blindenfußball, aber gerade die erfahrenen Spieler beim MTV Stuttgart haben mir dann sehr geholfen. Jetzt bin ich voll dabei. Ich selbst habe in der Landesliga aktiv gespielt. Es sind einfach überragende Menschen, bei uns in der Mannschaft, aber auch überall im Blindenfußball. Es ist doch unglaublich, welches Tempo die Spieler auf den Platz bringen. Jeder meiner Spieler setzt die Vorgaben überragend um. Die Kollisionen sind teils sehr heftig, und trotzdem stehen die Spieler immer sofort wieder auf. Im normalen Fußball, da bleibt der Spieler liegen, dann kommt erst mal der Betreuer auf dem Platz. Bei uns geht's gleich weiter.

DFB.de: Jonathan Tönsing wurde schon mit 16 Jahren Torschützenkönig der Liga. Jetzt ist er nach zwei Bänderrissen im Knöchel wieder fit geworden. Herr Schmidt, wen sollte man aus Ihrer Mannschaft noch kennen?

Schmidt: Rasmus Narjes, ein junger Nationalspieler, zwei Meter groß und dabei mit einer feinen Sensorik. Paul Ruge ist B2, also hat noch einen geringen Rest Sehkraft, und wird deshalb nie Nationalmannschaft spielen dürfen. Wir nennen ihn "El Train", weil er mit einem hohen Tempo übers Feld sprintet. Ruge gibt unserem Spiel immer wieder einen Impuls. Jonathan war sehr klug bei seinem Comeback, jetzt ist er wieder fit.

DFB.de: Herr Calaciura, Herr Schmidt, wie schaut die letzte Vorbereitung aus?

Calaciura: Uns werden einige Unterstützer begleiten, wir fahren mit zwei Bussen nach Düsseldorf. Ich erwarte ein hochklassiges und enges Endspiel. St. Pauli hat eine junge, willige Mannschaft. Die Tagesform wird es entscheiden. Seit zwei Wochen bereiten wir uns intensiv vor, seitdem sind wir auf Pauli fokussiert. Wir fahren nach Düsseldorf mit dem Ziel, die Meisterschale mit nach Stuttgart zu nehmen.

Schmidt: Das Format mit den Platzierungsspielen ist gut. Wir freuen uns auf ein Finale gegen einen starken Gegner. Nachdem wir doch ein paar Jahre im Wechsel mit Chemnitz den letzten Platz in der Liga belegt hatten, konnten wir jetzt erstmals die Saison als Tabellenerster beenden. Ich bin gespannt. Anstoß bei uns ist ja unmittelbar mit dem Bundesligaabpfiff um 17.15 Uhr. Vielleicht kommen ja noch Zuschauer aus der Merkur-Arena rüber auf den Burgplatz.

DFB.de: Wie sehen Sie die Zukunft des Blindenfußballs?

Calaciura: Ich würde mir wünschen, dass sich mehr Mannschaften gründen und wir die Blindenfußball-Bundesliga noch weiter aufstocken können.

Schmidt: Uns begleiten Vizepräsident Carsten Höltkemeyer und Geschäftsführer Andreas Rettig nach Düsseldorf. Diese Unterstützung durch die Spitze des FC St. Pauli ist sehr wohltuend. Unsere Sportart ist in Deutschland immer noch sehr jung. In der Liga haben wir ein gutes Niveau erreicht. Das bedeutet aber auch, dass jetzt wirklich nur noch sehr wenige blinde Menschen auf höchstem Niveau mitspielen können. Aber was ist mit dem sportlichen Mittelbau? Wir müssen aufpassen, dass hier nicht etwas kaputtgeht und wir uns nur noch in einer sehr kleinen Gruppe blinder Menschen bewegen. Dabei ist für mich als Trainer die Leistungsorientierung des Blindenfußballs der wichtigste Inklusionsfaktor. In der Blindenfußball-Bundesliga können sich behinderte Menschen voll und ganz in dieser sportlichen Leistungsgesellschaft einbringen und präsentieren. Das motiviert mich, auch für die Zukunft des Blindenfußballs.

[th]

Schüsse ins Schwarze, Sprints im Stockdunkeln. Blindenfußball ist das alles: verblüffend, knochenhart, inspirierend. Am Samstag (ab 17.15 Uhr) treffen auf dem Düsseldorfer Burgplatz die beiden besten Mannschaften Deutschlands aufeinander. Rekordmeister MTV Stuttgart tritt im Endspiel um die Deutsche Meisterschaft gegen Titelverteidiger FC St. Pauli an. DFB.de hat Stuttgarts Trainer Giuseppe Calaciura und St. Paulis Trainer Wolf Schmidt gefragt, worauf es beim Finale zwischen Rhein und Kö ankommen wird.

DFB.de: Herr Calaciura, Alexander Fangmann ist mit neun Treffern der beste Torschütze in der Liga. Ist er am Samstag der beste Spieler auf dem Burgplatz?

Giuseppe Calaciura: In Sachen Torabschluss gibt es jedenfalls keinen besseren. Alexander ist nicht umsonst auch Kapitän der Nationalmannschaft. Lukas Smirek hat aber auch einen gehörigen Anteil an unserem Erfolg. Rechtzeitig stößt jetzt Mulgheta Russom dazu, nach seinem Schienbeinbruch ist er wieder fit geworden. Insgesamt sind wir deutlich erfahrener aufgestellt als der Gegner. St. Pauli ist eine junge Mannschaft, wir nicht. Und für die Musik vorne sorgt Alexander.

DFB.de: Wie kam es zu Russoms Schienbeinbruch?

Calaciura: Das passierte bei einem Trainingszweikampf mit Smirek. Blindenfußball ist eine harte Sportart. Ohne etwas zu sehen, bewegen sich meine Spieler mit hohem Tempo im freien Raum.

DFB.de: Herr Schmidt, im Sport gilt ja, oben ankommen ist schwer, oben bleiben noch schwerer. Stimmt das auch so für den Blindenfußball?

Wolf Schmidt: In der Tat hatte ich manchmal den Eindruck, wir hätten etwas mehr tun können, etwa ernsthafter trainieren. Manchmal war da so ein Gefühl, als hätten wir schon etwas erreicht. Aber vielleicht ist das auch nur mein nerdiger Fanatismus. (lacht)

DFB.de: Das Saisonspiel gegen Stuttgart hat Pauli jedenfalls verloren. Was war passiert?

Schmidt: Wir haben überpaced. Unsere Spieler sind sehr jung, wir gehen mit Einsatz und Leidenschaft ran. Gerade beim Blindenfußball aber behält man Kontrolle durch Kommunikation. Kommunikation unter den Spielern wie auch mit den Guides an der Seitenlinie und hinter dem gegnerischen Tor. Die haben wir damals verloren. Dieses 0:1 am dritten Spieltag hat uns aber motiviert. Wir haben uns geschworen, dass wir alles daransetzen werden, noch mal gegen Stuttgart spielen zu dürfen. Und zwar im Finale. Hat geklappt, wir freuen uns darauf.

DFB.de: Herr Calaciura, Sie haben die Mannschaft 2016 vom langjährigen Stuttgarter und Nationalmannschaftstrainer Uli Pfisterer übernommen. Jetzt stehen Sie mit dem MTV Stuttgart im Endspiel. Läuft gut, oder?

Calaciura: Ich hatte anfangs so meine Schwierigkeiten im Blindenfußball, aber gerade die erfahrenen Spieler beim MTV Stuttgart haben mir dann sehr geholfen. Jetzt bin ich voll dabei. Ich selbst habe in der Landesliga aktiv gespielt. Es sind einfach überragende Menschen, bei uns in der Mannschaft, aber auch überall im Blindenfußball. Es ist doch unglaublich, welches Tempo die Spieler auf den Platz bringen. Jeder meiner Spieler setzt die Vorgaben überragend um. Die Kollisionen sind teils sehr heftig, und trotzdem stehen die Spieler immer sofort wieder auf. Im normalen Fußball, da bleibt der Spieler liegen, dann kommt erst mal der Betreuer auf dem Platz. Bei uns geht's gleich weiter.

DFB.de: Jonathan Tönsing wurde schon mit 16 Jahren Torschützenkönig der Liga. Jetzt ist er nach zwei Bänderrissen im Knöchel wieder fit geworden. Herr Schmidt, wen sollte man aus Ihrer Mannschaft noch kennen?

Schmidt: Rasmus Narjes, ein junger Nationalspieler, zwei Meter groß und dabei mit einer feinen Sensorik. Paul Ruge ist B2, also hat noch einen geringen Rest Sehkraft, und wird deshalb nie Nationalmannschaft spielen dürfen. Wir nennen ihn "El Train", weil er mit einem hohen Tempo übers Feld sprintet. Ruge gibt unserem Spiel immer wieder einen Impuls. Jonathan war sehr klug bei seinem Comeback, jetzt ist er wieder fit.

DFB.de: Herr Calaciura, Herr Schmidt, wie schaut die letzte Vorbereitung aus?

Calaciura: Uns werden einige Unterstützer begleiten, wir fahren mit zwei Bussen nach Düsseldorf. Ich erwarte ein hochklassiges und enges Endspiel. St. Pauli hat eine junge, willige Mannschaft. Die Tagesform wird es entscheiden. Seit zwei Wochen bereiten wir uns intensiv vor, seitdem sind wir auf Pauli fokussiert. Wir fahren nach Düsseldorf mit dem Ziel, die Meisterschale mit nach Stuttgart zu nehmen.

Schmidt: Das Format mit den Platzierungsspielen ist gut. Wir freuen uns auf ein Finale gegen einen starken Gegner. Nachdem wir doch ein paar Jahre im Wechsel mit Chemnitz den letzten Platz in der Liga belegt hatten, konnten wir jetzt erstmals die Saison als Tabellenerster beenden. Ich bin gespannt. Anstoß bei uns ist ja unmittelbar mit dem Bundesligaabpfiff um 17.15 Uhr. Vielleicht kommen ja noch Zuschauer aus der Merkur-Arena rüber auf den Burgplatz.

DFB.de: Wie sehen Sie die Zukunft des Blindenfußballs?

Calaciura: Ich würde mir wünschen, dass sich mehr Mannschaften gründen und wir die Blindenfußball-Bundesliga noch weiter aufstocken können.

Schmidt: Uns begleiten Vizepräsident Carsten Höltkemeyer und Geschäftsführer Andreas Rettig nach Düsseldorf. Diese Unterstützung durch die Spitze des FC St. Pauli ist sehr wohltuend. Unsere Sportart ist in Deutschland immer noch sehr jung. In der Liga haben wir ein gutes Niveau erreicht. Das bedeutet aber auch, dass jetzt wirklich nur noch sehr wenige blinde Menschen auf höchstem Niveau mitspielen können. Aber was ist mit dem sportlichen Mittelbau? Wir müssen aufpassen, dass hier nicht etwas kaputtgeht und wir uns nur noch in einer sehr kleinen Gruppe blinder Menschen bewegen. Dabei ist für mich als Trainer die Leistungsorientierung des Blindenfußballs der wichtigste Inklusionsfaktor. In der Blindenfußball-Bundesliga können sich behinderte Menschen voll und ganz in dieser sportlichen Leistungsgesellschaft einbringen und präsentieren. Das motiviert mich, auch für die Zukunft des Blindenfußballs.

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