"Krasser Scheiß": Marburg gewinnt Blindenfußball-Finale

Selbst im Blindenfußball, immerhin eine Sportart, die meist deutlich unterhalb des Radarschirms medialer Wahrnehmung stattfindet, gibt es unerwartete Helden. "Unlikely heroes", heißt’s im Englischen, Dustin Hoffmann hat seine Filmkarriere darauf aufgebaut. Eher unscheinbar wirkende Mitspieler also, die plötzlich Großes, Entscheidendes, eben Heroisches leisten, ohne das es jemand von ihnen erwartet hätte. Im letzten Spiel der Saison der Blindenfußball-Bundesliga, das aufgrund der Tabellenkonstellation finale Bedeutung hatte, war Niclas Schubert dieser unerwartete Held. Der? Tatsächlich der! Schubert schoss vier Minuten vor Schluss das 1:0 für Blista Marburg und damit die Hessen auf dem Freiburger Münsterplatz bei strahlendem Sonnenschein und vor guter Kulisse zu ihrem dritten Titelgewinn. Wenige Sekunden zuvor hatte Marburgs Trainer Peter Gößmann Schubert für den überragenden Taeme Kuttig eingewechselt. "Ich hatte einfach richtig Bock. Ich dresche das Ding jetzt rein, das habe ich gedacht, als ich eingewechselt wurde", sagte Schubert.

Blau-Gelb Marburg feierte damit seine dritte Meisterschaft, während Rekordmeister Stuttgart nur auf dem dritten Platz landet. Zum fünften Mal bereits stand bei der letzten Saisonpaarung zwischen Marburg und Stuttgart der Titel auf dem Spiel. Vor dem Münchner Olympiastadion 2012 hatten zuletzt die Marburger gesiegt. Den zweiten Platz belegte der Chemnitzer FC, und damit noch ein unerwarteter Held. Immerhin hatten die Sachsen die ersten vier Jahre der Liga den letzten Tabellenplatz abonniert.

Der neue Meister Marburg bestach in der Saison vor allem offensiv, allen voran Alican Pektas, der mit 13 Treffern Torschützenkönig wurde, obwohl er die letzten beiden Spieltage mit einem Kreuzbandriss pausieren musste. Auch der 25-jährige Kuttig ist eminent torgefährlich. Doch Pektas war verletzt und Kuttig japste, das man es wahrscheinlich bis auf die Spitze des gegenüberliegenden Freiburger Münsters gehört hat. Also wechselte Gößmann aus, brachte Schubert. "Ich hab’ ihm vorher gesagt, er soll das Tor machen. Aber das habe ich schon oft gesagt", lachte Gößmann am Ende, als DFB-Direktor Willi Hink die Meisterschale an die Marburger überreichte.

Der 25-jährige Schütze des entscheidenden Tors kann sehen. Weil allen Spielern die Augen abgeklebt und zusätzlich noch Augenklappen aufgesetzt werden, dürfen auch Sehende mitspielen beim Blindenfußball, das damit vorbildlich inklusiv funktioniert. Die Torleute beim Blindenfußball, das fünf gegen fünf auf einem Kleinfeld ausgetragen wird, können ohnehin ungehindert sehen. Bis vergangene Saison hatte Niclas Schubert noch im Tor der Marburger gestanden. "Doch dann wollte er es im Feld probieren, und heute hat er seine Sache ja auch nicht so schlecht gemacht", sagte Meistermacher Gößmann. Erst am Samstag waren die Marburger ins knapp 350 Kilometer entfernte Freiburg gefahren, standen auf der A5 sogar in einer Vollsperrung. "Alles richtig gemacht", feixte Gößmann, "wenn wir hier in Freiburg bis 16 Uhr auf unser Spiel gewartet hätten, hätten wir uns nur verrückt gemacht."

Apropos Konjunktiv: Hätte Schubert vier Minuten vor dem Abpfiff nicht getroffen, und das Spiel wäre folglich torlos ausgegangen, Chemnitz wäre erstmals Deutscher Blindenfußballmeister geworden. Die Sachsen feierten indes auch die Vizemeisterschaft. "Ich sage meinen Spielern immer wieder, das jetzt ist unsere Zeit. Wir sollten sie genießen", sagte Michael Falb, der als Erzieher am Blindenzentrum Chemnitz zum Spiel mit dem Rasselball kam. "Ich finde es toll, dass meine Spieler anderen Menschen demonstrieren, was man alles selbst mit einem Handicap erreichen kann."

Das couragierte Spiel der blinden Fußballer, der kompromisslose Einsatz, die verblüffende Technik, haben auch in dieser Saison viele Menschen begeistert. Den Rekordbesuch von 12.000 Zuschauern zählte die DFB-Stiftung Sepp Herberger als Hauptveranstalter von Europas einzigem nationalem Fußballwettbewerb für blinde Menschen. Bei strahlendem Sonnenschein zwischen Münster und mittelalterlichem Kaufhaus, wo vor vier Jahren noch der Papst gesprochen hatte, lockten die Spiele auch in Freiburg viele junge Zuschauer. Nach einer tollen Aktion Kuttigs spendete eine junge Zuschauerin begeistert höchstes Lob: "Boa, krasser Scheiß". Das Datum für den finalen Spieltag der kommenden Saison steht bereits. Am 10. September trifft man sich in Rostock. Gut möglich, dass dann wieder Marburg und Stuttgart um den Titel spielen werden.

[th]

Selbst im Blindenfußball, immerhin eine Sportart, die meist deutlich unterhalb des Radarschirms medialer Wahrnehmung stattfindet, gibt es unerwartete Helden. "Unlikely heroes", heißt’s im Englischen, Dustin Hoffmann hat seine Filmkarriere darauf aufgebaut. Eher unscheinbar wirkende Mitspieler also, die plötzlich Großes, Entscheidendes, eben Heroisches leisten, ohne das es jemand von ihnen erwartet hätte. Im letzten Spiel der Saison der Blindenfußball-Bundesliga, das aufgrund der Tabellenkonstellation finale Bedeutung hatte, war Niclas Schubert dieser unerwartete Held. Der? Tatsächlich der! Schubert schoss vier Minuten vor Schluss das 1:0 für Blista Marburg und damit die Hessen auf dem Freiburger Münsterplatz bei strahlendem Sonnenschein und vor guter Kulisse zu ihrem dritten Titelgewinn. Wenige Sekunden zuvor hatte Marburgs Trainer Peter Gößmann Schubert für den überragenden Taeme Kuttig eingewechselt. "Ich hatte einfach richtig Bock. Ich dresche das Ding jetzt rein, das habe ich gedacht, als ich eingewechselt wurde", sagte Schubert.

Blau-Gelb Marburg feierte damit seine dritte Meisterschaft, während Rekordmeister Stuttgart nur auf dem dritten Platz landet. Zum fünften Mal bereits stand bei der letzten Saisonpaarung zwischen Marburg und Stuttgart der Titel auf dem Spiel. Vor dem Münchner Olympiastadion 2012 hatten zuletzt die Marburger gesiegt. Den zweiten Platz belegte der Chemnitzer FC, und damit noch ein unerwarteter Held. Immerhin hatten die Sachsen die ersten vier Jahre der Liga den letzten Tabellenplatz abonniert.

Der neue Meister Marburg bestach in der Saison vor allem offensiv, allen voran Alican Pektas, der mit 13 Treffern Torschützenkönig wurde, obwohl er die letzten beiden Spieltage mit einem Kreuzbandriss pausieren musste. Auch der 25-jährige Kuttig ist eminent torgefährlich. Doch Pektas war verletzt und Kuttig japste, das man es wahrscheinlich bis auf die Spitze des gegenüberliegenden Freiburger Münsters gehört hat. Also wechselte Gößmann aus, brachte Schubert. "Ich hab’ ihm vorher gesagt, er soll das Tor machen. Aber das habe ich schon oft gesagt", lachte Gößmann am Ende, als DFB-Direktor Willi Hink die Meisterschale an die Marburger überreichte.

Der 25-jährige Schütze des entscheidenden Tors kann sehen. Weil allen Spielern die Augen abgeklebt und zusätzlich noch Augenklappen aufgesetzt werden, dürfen auch Sehende mitspielen beim Blindenfußball, das damit vorbildlich inklusiv funktioniert. Die Torleute beim Blindenfußball, das fünf gegen fünf auf einem Kleinfeld ausgetragen wird, können ohnehin ungehindert sehen. Bis vergangene Saison hatte Niclas Schubert noch im Tor der Marburger gestanden. "Doch dann wollte er es im Feld probieren, und heute hat er seine Sache ja auch nicht so schlecht gemacht", sagte Meistermacher Gößmann. Erst am Samstag waren die Marburger ins knapp 350 Kilometer entfernte Freiburg gefahren, standen auf der A5 sogar in einer Vollsperrung. "Alles richtig gemacht", feixte Gößmann, "wenn wir hier in Freiburg bis 16 Uhr auf unser Spiel gewartet hätten, hätten wir uns nur verrückt gemacht."

Apropos Konjunktiv: Hätte Schubert vier Minuten vor dem Abpfiff nicht getroffen, und das Spiel wäre folglich torlos ausgegangen, Chemnitz wäre erstmals Deutscher Blindenfußballmeister geworden. Die Sachsen feierten indes auch die Vizemeisterschaft. "Ich sage meinen Spielern immer wieder, das jetzt ist unsere Zeit. Wir sollten sie genießen", sagte Michael Falb, der als Erzieher am Blindenzentrum Chemnitz zum Spiel mit dem Rasselball kam. "Ich finde es toll, dass meine Spieler anderen Menschen demonstrieren, was man alles selbst mit einem Handicap erreichen kann."

Das couragierte Spiel der blinden Fußballer, der kompromisslose Einsatz, die verblüffende Technik, haben auch in dieser Saison viele Menschen begeistert. Den Rekordbesuch von 12.000 Zuschauern zählte die DFB-Stiftung Sepp Herberger als Hauptveranstalter von Europas einzigem nationalem Fußballwettbewerb für blinde Menschen. Bei strahlendem Sonnenschein zwischen Münster und mittelalterlichem Kaufhaus, wo vor vier Jahren noch der Papst gesprochen hatte, lockten die Spiele auch in Freiburg viele junge Zuschauer. Nach einer tollen Aktion Kuttigs spendete eine junge Zuschauerin begeistert höchstes Lob: "Boa, krasser Scheiß". Das Datum für den finalen Spieltag der kommenden Saison steht bereits. Am 10. September trifft man sich in Rostock. Gut möglich, dass dann wieder Marburg und Stuttgart um den Titel spielen werden.