Staatsministerin: "Murat oder Moritz - das darf keine Rolle spielen"

Staatsministerin Annette Widmann-Mauz fördert als Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration gemeinsam mit der DFB-Stiftung Egidius Braun die erfolgreiche Initiative "2:0 für ein Willkommen". Mit DFB.de spricht die 52 Jahre alte Politikerin über ihre vielfältigen Aufgaben und den Fußball als treibende Integrationskraft.

DFB.de: Frau Widmann-Mauz, Sie haben seit 2002 fünfmal in Folge Ihren Wahlkreis Tübingen gewonnen, dem Bundestag gehören Sie seit 1998 an, seit einem Jahr beraten Sie die Kanzlerin bei den Themen Migration, Flüchtlinge und Integration. Wo also liegt die Heimat der Integrationsbeauftragten, in Tübingen oder in Berlin?

Annette Widmann-Mauz: Meine Heimat ist Tübingen, Baden-Württemberg und ganz besonders die Region zwischen Neckar und Schwäbischer Alb. Natürlich erfordert es mein Amt als Integrationsbeauftragte und meine Arbeit als Bundestagsabgeordnete, regelmäßig in Berlin zu sein und bundesweit Termine wahrzunehmen. So häufig wie möglich bin ich aber vor Ort im Wahlkreis. Diese Abwechslung, sich die Bodenhaftung zu bewahren und gleichzeitig Politik für ganz Deutschland gestalten zu können, darin liegt für mich der besondere Reiz. Meine Familie lebt in Balingen. Ich habe also immer einen guten Grund, nach Hause zu fahren.

DFB.de: Ist man als Tübingerin zwangsweise Fan des VfB Stuttgart?

Widmann-Mauz: Wir Schwaben sind furchtlos und treu, dem VfB fühle ich mich also ganz besonders verbunden. Aber ich gebe offen zu, am liebsten schaue ich mir die Spiele der Nationalmannschaft an - obwohl das Leid bei der WM ähnlich stark ausgeprägt war wie beim Blick auf die Bundesliga-Tabelle nach der vergangenen Saison. Es ist halt so, im Sport muss man kämpfen.

DFB.de: Wissen Sie noch, wo Sie 2014 das 7:1 gesehen haben?

Widmann-Mauz: In Berlin. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, dass ich kräftig gejubelt habe, aber irgendwann, so nach dem 5:0, habe ich bei aller Freude mit den Brasilianern mitgelitten.

DFB.de: Den Perspektivwechsel müssen Sie auch in der Politik praktizieren. Sie sind die erste Frau für Integration im Land. Sie stehen oft ganz vorne, auch wenn es um polarisierende Fragen geht. Wie schwer ist diese Aufgabe?

Widmann-Mauz: Politik ist keine Schönwetterangelegenheit - ebenso wenig wie Profifußball. Gleichwohl ist es immer bereichernd, für Menschen etwas bewegen zu können und mich für das gute Zusammenleben stark zu machen. Integration ist fraglos eine der größten Aufgaben, vor denen unser Land steht. Und Integration betrifft eine enorme Bandbreite an Themen und nahezu alle Gesellschaftsbereiche. Denn das Zusammenleben spielt sich in der Familie ab, in der Kita, in der Schule, am Arbeitsplatz, in der Nachbarschaft oder auch im Verein.

DFB.de: Besorgt Sie die Polarisierung in der Gesellschaft und wie scharf der Ton gerade bei Ihrem Themenfeld manchmal wird?

Widmann-Mauz: Die große Kluft zwischen den Erfahrungen, die Menschen im persönlichen Umgang mit Einwanderern machen, und der vermittelten Realität, auf die wir etwa in den sozialen Medien stoßen, ist zum Teil erschreckend. Gerade in den sozialen Medien herrscht ein rauer Ton im Themenfeld Migration. Dort trifft man auf Vorurteile, falsche Behauptungen und zum Teil bewusste Hetze. Wenn Menschen unterschiedlicher Herkunft sich real begegnen, erleben sie auch die Stärken des anderen. Es gehört zu meinen Aufgaben, dieser Kluft zwischen erlebter und vermittelter Realität etwas entgegenzusetzen. Ohne dabei Probleme auszusparen, müssen wir die vielen positiven Geschichten noch sichtbarer machen. Der Fußball ist ein Bereich, in dem man zusammen spielt oder zusammen im Stadion mitfiebert. Und gerade im Fußball können wir erleben, wie wertvoll Vielfalt sein kann. Die unterschiedlichen Talente nutzen der Mannschaft genauso wie insgesamt unserer Volkswirtschaft und Gesellschaft.

DFB.de: Muslimische Mädchen schneiden bei Bildungsstudien immer wieder sehr positiv ab, geflüchtete Menschen schaffen immer häufiger den Sprung in den ersten Arbeitsmarkt, Fatih Akin, einer der besten deutschen Filmregisseure ist Hamburger mit türkischer Herkunft. Es gäbe genügend der von Ihnen angesprochenen positiven Geschichten. Und dennoch scheint es fast Konsens zu sein, dass es mit der Integration nicht so richtig läuft. Wie erklären Sie sich diese fast schon paradoxe Situation?

Widmann-Mauz: Studien - etwa des Sachverständigenrates oder der OECD - zeigen, dass die Stimmung immer dort, wo das Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft persönlich erlebt wird, um ein Vielfaches besser ist. Die digitale Kommunikation - denken Sie an Fake News - trägt auf der anderen Seite zur Polarisierung bei. Gerade in Zeiten, in denen Populisten versuchen, mit Sorgen und Ängsten Stimmung zu machen, ist es umso wichtiger, klar Position zu beziehen und den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken. Integration bietet enorme Chancen, aber es gibt auch Probleme, die wir nicht wegdiskutieren dürfen. Schon in der Aufnahmeeinrichtung müssen wir klar vermitteln, für welche Werte wir in Deutschland einstehen. Und wir müssen die Potenziale der zu uns gekommenen Menschen erkennen und fördern. Bildung und Ausbildung, genauso wie das gute Zusammenleben in der Zivilgesellschaft, etwa im Ehrenamt oder auf dem Sportplatz - das alles ist enorm wichtig.

DFB.de: Was gab für Sie den Ausschlag, die Initiative "2:0 für ein Willkommen" gemeinsam mit der Braun-Stiftung zu finanzieren?

Widmann-Mauz: Mich hat der große Rücklauf überzeugt. Bis heute nehmen mehr als 3600 Vereine daran teil. Für viele Flüchtlinge war und ist es die Chance, in unserer Gesellschaft anzukommen. Fußball bringt Menschen über alle Unterschiede hinweg zusammen, er kann so den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken. Er fördert die Begegnung, schafft Verständigung und baut so auch wechselseitige Vorurteile ab. Was Vereine für soziale Integration in Deutschland schon immer geleistet haben, können wir nun für Flüchtlinge leisten. Das ist enorm.

DFB.de: Sie selbst haben schon Vereine besucht, die bei "2:0 für ein Willkommen" mitmachen?

Widmann-Mauz: Ja, etwa beim SV Rot-Weiss Viktoria Mitte 08 in Berlin, dort war ich mit der Kanzlerin. Der Verein ist sehr aktiv beim Mädchenfußball. Das war eine tolle Erfahrung. Und das sind echte Leuchttürme der Integrationsarbeit. Mich freut die Wirkung von "2:0 für ein Willkommen" in den Breitensport. Die große Anzahl beteiligter Vereine spricht ja für sich.

DFB.de: Auch der DFB-Integrationsbeauftragte Cacau hat Sie und die Kanzlerin damals begleitet.

Widmann-Mauz: Wir Schwaben sind in Berlin ja auch ein wenig Migranten. Da hat's mir natürlich sehr gut gefallen, dass Cacau dabei war. Für den DFB ist es ein Glücksfall, dass Cacau die Aufgabe als Integrationsbeauftragter übernommen hat.

DFB.de: Als Deutschland 2014 Weltmeister wurde, liefen drei Spieler mit Mi­gra­tionshintergrund in der Startelf aufs Feld des Maracanã-Stadions. In den Juniorennationalmannschaften liegt der Anteil meist deutlich höher. Ist der Sprung in die Elite beim Fußball leichter als etwa in der freien Wirtschaft?

Widmann-Mauz: Unsere Gesellschaft kann da sicherlich noch viel vom Fußball lernen. Dort entscheidet nicht, woher jemand kommt, sondern dass er später das Tor schießt oder 90 Prozent seiner Defensivzweikämpfe gewinnt. Entscheidend sind die Qualität des Spiels, das Leistungsvermögen, die Klasse. Wir als Gesellschaft können vom Fußball lernen, dass es darauf ankommt, was eine Einzelne oder ein Einzelner zum Gesamtergebnis beiträgt. Wenn uns dies in einem gesellschaftlichen Bereich gelingt, steigt die Chance, dass wir es auch in einem anderen Bereich realisieren werden können.

DFB.de: Worauf wird es beim Zukunftsthema Integration bis zum Ende der Legis­laturperiode besonders ankommen?

Widmann-Mauz: Wir haben uns in der vergangenen Zeit viel damit beschäftigt, Migration zu steuern und zu ordnen. Jetzt geht es darum, dass wir für diejenigen, die länger oder dauerhaft bei uns leben, die Bedingungen schaffen, damit sie ihre Fähigkeiten voll einbringen können. Sprache und Bildung und Wertevermittlung stehen am Anfang. Wichtig ist, die Wege in Ausbildung und Beschäftigung zu ebnen. Insbesondere bei den zugewanderten Frauen muss sich die Beschäftigungsquote noch deutlich steigern. Denn unsere demokratische Gesellschaft, unsere Wirtschaft kann ihre volle Kraft nur entfalten, wenn Frauen gleichberechtigt teilhaben. Der Zusammenhalt muss unsere Gesellschaft prägen. Wir müssen Vorurteile abbauen. Wir müssen so weit kommen, dass es keine Rolle mehr spielt, ob ich Murat oder Moritz heiße. Diskriminierung geschieht manchmal auch unbeabsichtigt, verhindern müssen wir sie trotzdem. Das beinhaltet aber auch, dass die Regeln, nach denen gespielt wird, allgemein akzeptiert werden. Dafür müssen die Regeln klar formuliert werden. Wir sind auf einem guten Weg. Und den fortzusetzen ist mir eine große Freude.

Annette Widmann-Mauz, Kuratoriumsmitglied der DFB-Stiftung Egidius Braun und CDU-Präsidiumsmitglied, ist seit dem 14. März 2018 Staatsministerin für Migration, Flüchtlinge und Integration. 1966 in Tübingen geboren, wuchs sie im nahe gelegenen Balingen auf, wo sie bis heute mit ihrem Ehemann lebt. 1984 trat sie der Jungen Union bei, 1998 wurde sie erstmals in den Deutschen Bundestag gewählt.

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Staatsministerin Annette Widmann-Mauz fördert als Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration gemeinsam mit der DFB-Stiftung Egidius Braun die erfolgreiche Initiative "2:0 für ein Willkommen". Mit DFB.de spricht die 52 Jahre alte Politikerin über ihre vielfältigen Aufgaben und den Fußball als treibende Integrationskraft.

DFB.de: Frau Widmann-Mauz, Sie haben seit 2002 fünfmal in Folge Ihren Wahlkreis Tübingen gewonnen, dem Bundestag gehören Sie seit 1998 an, seit einem Jahr beraten Sie die Kanzlerin bei den Themen Migration, Flüchtlinge und Integration. Wo also liegt die Heimat der Integrationsbeauftragten, in Tübingen oder in Berlin?

Annette Widmann-Mauz: Meine Heimat ist Tübingen, Baden-Württemberg und ganz besonders die Region zwischen Neckar und Schwäbischer Alb. Natürlich erfordert es mein Amt als Integrationsbeauftragte und meine Arbeit als Bundestagsabgeordnete, regelmäßig in Berlin zu sein und bundesweit Termine wahrzunehmen. So häufig wie möglich bin ich aber vor Ort im Wahlkreis. Diese Abwechslung, sich die Bodenhaftung zu bewahren und gleichzeitig Politik für ganz Deutschland gestalten zu können, darin liegt für mich der besondere Reiz. Meine Familie lebt in Balingen. Ich habe also immer einen guten Grund, nach Hause zu fahren.

DFB.de: Ist man als Tübingerin zwangsweise Fan des VfB Stuttgart?

Widmann-Mauz: Wir Schwaben sind furchtlos und treu, dem VfB fühle ich mich also ganz besonders verbunden. Aber ich gebe offen zu, am liebsten schaue ich mir die Spiele der Nationalmannschaft an - obwohl das Leid bei der WM ähnlich stark ausgeprägt war wie beim Blick auf die Bundesliga-Tabelle nach der vergangenen Saison. Es ist halt so, im Sport muss man kämpfen.

DFB.de: Wissen Sie noch, wo Sie 2014 das 7:1 gesehen haben?

Widmann-Mauz: In Berlin. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, dass ich kräftig gejubelt habe, aber irgendwann, so nach dem 5:0, habe ich bei aller Freude mit den Brasilianern mitgelitten.

DFB.de: Den Perspektivwechsel müssen Sie auch in der Politik praktizieren. Sie sind die erste Frau für Integration im Land. Sie stehen oft ganz vorne, auch wenn es um polarisierende Fragen geht. Wie schwer ist diese Aufgabe?

Widmann-Mauz: Politik ist keine Schönwetterangelegenheit - ebenso wenig wie Profifußball. Gleichwohl ist es immer bereichernd, für Menschen etwas bewegen zu können und mich für das gute Zusammenleben stark zu machen. Integration ist fraglos eine der größten Aufgaben, vor denen unser Land steht. Und Integration betrifft eine enorme Bandbreite an Themen und nahezu alle Gesellschaftsbereiche. Denn das Zusammenleben spielt sich in der Familie ab, in der Kita, in der Schule, am Arbeitsplatz, in der Nachbarschaft oder auch im Verein.

DFB.de: Besorgt Sie die Polarisierung in der Gesellschaft und wie scharf der Ton gerade bei Ihrem Themenfeld manchmal wird?

Widmann-Mauz: Die große Kluft zwischen den Erfahrungen, die Menschen im persönlichen Umgang mit Einwanderern machen, und der vermittelten Realität, auf die wir etwa in den sozialen Medien stoßen, ist zum Teil erschreckend. Gerade in den sozialen Medien herrscht ein rauer Ton im Themenfeld Migration. Dort trifft man auf Vorurteile, falsche Behauptungen und zum Teil bewusste Hetze. Wenn Menschen unterschiedlicher Herkunft sich real begegnen, erleben sie auch die Stärken des anderen. Es gehört zu meinen Aufgaben, dieser Kluft zwischen erlebter und vermittelter Realität etwas entgegenzusetzen. Ohne dabei Probleme auszusparen, müssen wir die vielen positiven Geschichten noch sichtbarer machen. Der Fußball ist ein Bereich, in dem man zusammen spielt oder zusammen im Stadion mitfiebert. Und gerade im Fußball können wir erleben, wie wertvoll Vielfalt sein kann. Die unterschiedlichen Talente nutzen der Mannschaft genauso wie insgesamt unserer Volkswirtschaft und Gesellschaft.

DFB.de: Muslimische Mädchen schneiden bei Bildungsstudien immer wieder sehr positiv ab, geflüchtete Menschen schaffen immer häufiger den Sprung in den ersten Arbeitsmarkt, Fatih Akin, einer der besten deutschen Filmregisseure ist Hamburger mit türkischer Herkunft. Es gäbe genügend der von Ihnen angesprochenen positiven Geschichten. Und dennoch scheint es fast Konsens zu sein, dass es mit der Integration nicht so richtig läuft. Wie erklären Sie sich diese fast schon paradoxe Situation?

Widmann-Mauz: Studien - etwa des Sachverständigenrates oder der OECD - zeigen, dass die Stimmung immer dort, wo das Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft persönlich erlebt wird, um ein Vielfaches besser ist. Die digitale Kommunikation - denken Sie an Fake News - trägt auf der anderen Seite zur Polarisierung bei. Gerade in Zeiten, in denen Populisten versuchen, mit Sorgen und Ängsten Stimmung zu machen, ist es umso wichtiger, klar Position zu beziehen und den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken. Integration bietet enorme Chancen, aber es gibt auch Probleme, die wir nicht wegdiskutieren dürfen. Schon in der Aufnahmeeinrichtung müssen wir klar vermitteln, für welche Werte wir in Deutschland einstehen. Und wir müssen die Potenziale der zu uns gekommenen Menschen erkennen und fördern. Bildung und Ausbildung, genauso wie das gute Zusammenleben in der Zivilgesellschaft, etwa im Ehrenamt oder auf dem Sportplatz - das alles ist enorm wichtig.

DFB.de: Was gab für Sie den Ausschlag, die Initiative "2:0 für ein Willkommen" gemeinsam mit der Braun-Stiftung zu finanzieren?

Widmann-Mauz: Mich hat der große Rücklauf überzeugt. Bis heute nehmen mehr als 3600 Vereine daran teil. Für viele Flüchtlinge war und ist es die Chance, in unserer Gesellschaft anzukommen. Fußball bringt Menschen über alle Unterschiede hinweg zusammen, er kann so den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken. Er fördert die Begegnung, schafft Verständigung und baut so auch wechselseitige Vorurteile ab. Was Vereine für soziale Integration in Deutschland schon immer geleistet haben, können wir nun für Flüchtlinge leisten. Das ist enorm.

DFB.de: Sie selbst haben schon Vereine besucht, die bei "2:0 für ein Willkommen" mitmachen?

Widmann-Mauz: Ja, etwa beim SV Rot-Weiss Viktoria Mitte 08 in Berlin, dort war ich mit der Kanzlerin. Der Verein ist sehr aktiv beim Mädchenfußball. Das war eine tolle Erfahrung. Und das sind echte Leuchttürme der Integrationsarbeit. Mich freut die Wirkung von "2:0 für ein Willkommen" in den Breitensport. Die große Anzahl beteiligter Vereine spricht ja für sich.

DFB.de: Auch der DFB-Integrationsbeauftragte Cacau hat Sie und die Kanzlerin damals begleitet.

Widmann-Mauz: Wir Schwaben sind in Berlin ja auch ein wenig Migranten. Da hat's mir natürlich sehr gut gefallen, dass Cacau dabei war. Für den DFB ist es ein Glücksfall, dass Cacau die Aufgabe als Integrationsbeauftragter übernommen hat.

DFB.de: Als Deutschland 2014 Weltmeister wurde, liefen drei Spieler mit Mi­gra­tionshintergrund in der Startelf aufs Feld des Maracanã-Stadions. In den Juniorennationalmannschaften liegt der Anteil meist deutlich höher. Ist der Sprung in die Elite beim Fußball leichter als etwa in der freien Wirtschaft?

Widmann-Mauz: Unsere Gesellschaft kann da sicherlich noch viel vom Fußball lernen. Dort entscheidet nicht, woher jemand kommt, sondern dass er später das Tor schießt oder 90 Prozent seiner Defensivzweikämpfe gewinnt. Entscheidend sind die Qualität des Spiels, das Leistungsvermögen, die Klasse. Wir als Gesellschaft können vom Fußball lernen, dass es darauf ankommt, was eine Einzelne oder ein Einzelner zum Gesamtergebnis beiträgt. Wenn uns dies in einem gesellschaftlichen Bereich gelingt, steigt die Chance, dass wir es auch in einem anderen Bereich realisieren werden können.

DFB.de: Worauf wird es beim Zukunftsthema Integration bis zum Ende der Legis­laturperiode besonders ankommen?

Widmann-Mauz: Wir haben uns in der vergangenen Zeit viel damit beschäftigt, Migration zu steuern und zu ordnen. Jetzt geht es darum, dass wir für diejenigen, die länger oder dauerhaft bei uns leben, die Bedingungen schaffen, damit sie ihre Fähigkeiten voll einbringen können. Sprache und Bildung und Wertevermittlung stehen am Anfang. Wichtig ist, die Wege in Ausbildung und Beschäftigung zu ebnen. Insbesondere bei den zugewanderten Frauen muss sich die Beschäftigungsquote noch deutlich steigern. Denn unsere demokratische Gesellschaft, unsere Wirtschaft kann ihre volle Kraft nur entfalten, wenn Frauen gleichberechtigt teilhaben. Der Zusammenhalt muss unsere Gesellschaft prägen. Wir müssen Vorurteile abbauen. Wir müssen so weit kommen, dass es keine Rolle mehr spielt, ob ich Murat oder Moritz heiße. Diskriminierung geschieht manchmal auch unbeabsichtigt, verhindern müssen wir sie trotzdem. Das beinhaltet aber auch, dass die Regeln, nach denen gespielt wird, allgemein akzeptiert werden. Dafür müssen die Regeln klar formuliert werden. Wir sind auf einem guten Weg. Und den fortzusetzen ist mir eine große Freude.

Annette Widmann-Mauz, Kuratoriumsmitglied der DFB-Stiftung Egidius Braun und CDU-Präsidiumsmitglied, ist seit dem 14. März 2018 Staatsministerin für Migration, Flüchtlinge und Integration. 1966 in Tübingen geboren, wuchs sie im nahe gelegenen Balingen auf, wo sie bis heute mit ihrem Ehemann lebt. 1984 trat sie der Jungen Union bei, 1998 wurde sie erstmals in den Deutschen Bundestag gewählt.

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