Potsdam im Pokalfinale: "Nichts zu verlieren"

Turbine Potsdam ist bis heute einer der erfolgreichsten Klubs im deutschen Frauenfußball. Der letzte große Titel liegt allerdings inzwischen zehn Jahre zurück. Nun trifft Turbine im DFB-Pokalfinale auf den VfL Wolfsburg heute (ab 16.45 Uhr, live in der ARD und bei Sky). Kann Potsdam in Köln endlich wieder einen großen Triumph feiern?

Sechsmal Deutscher Meister, dreimal Gewinner des DFB-Pokals, zweimal Sieger in der Champions League - der 1. FFC Turbine Potsdam kann auf eine großartige Historie verweisen. Aber zur Wahrheit gehört auch, dass der Verein in der Gegenwart nicht so erfolgreich ist, wie er es in der Vergangenheit war. Der letzte große Titel liegt inzwischen zehn Jahre zurück - es war die Deutsche Meisterschaft 2012. Das soll sich am Samstagnachmittag im DFB-Pokalfinale in Köln gegen den Seriensieger VfL Wolfsburg ändern.

"Wir machen uns keinen Druck"

Dirk Heinrichs ist seit 19 Jahren Co-Trainer in Potsdam und hat die Entwicklung des Klubs nicht nur miterlebt, sondern auch geprägt. "Es ist überragend, dass wir jetzt endlich wieder im Finale sind und den DFB-Pokal gewinnen können", sagt Heinrichs. "Wir machen uns keinen Druck. Aber natürlich wäre es für Turbine schön, mal wieder einen Titel zu holen, um zu zeigen, dass wir hier unter sehr komplizierten Bedingungen beachtliche Arbeit leisten."

Turbine war in dieser Saison der FLYERALARM Frauen-Bundesliga zusammen mit der SGS Essen und dem SC Sand der letzte Verein, der nicht Teil eines Profiteams im Männerfußball ist - und belegte am Ende Rang vier hinter dem VfL Wolfsburg, dem FC Bayern München und Eintracht Frankfurt. Damit hat Potsdam nur ganz knapp und erst am letzten Spieltag nach zehnjähriger Abstinenz die Rückkehr auf die internationale Bühne verpasst.

"Stolz, Teil dieses Teams zu sein"

"Was die Mädels dennoch in dieser Spielzeit geleistet haben, ist gar nicht hoch genug einzuschätzen", betont Heinrichs. "Kurz vor der Ziellinie sind wir ausgeknockt worden. Aber wir stehen wieder auf und werden stärker als vorher zurückkommen. Es macht mich wahnsinnig stolz, Teil dieses Teams zu sein. Wir werden auch weiterhin versuchen, alle Widerstände zu überwinden."

Der 53-Jährige erinnert sich gerne an die Erfolge in der Vergangenheit, in der Turbine nahezu jedes Jahr etwas zu feiern hatte: "Wir haben damals zu den absoluten Topteams in Deutschland und Europa gezählt. Wir hatten großartige Spielerinnen, die auf Vereinsebene alles gewonnen haben, was sie gewinnen konnten. Conny Pohlers, Anja Mittag, Nadine Keßler, Ariane Hingst - und viele, viele weitere."

"Aus wenig viel machen"

Verantwortlich zu jener Zeit war Bernd Schröder, der von 1971 bis 2016 für Turbine tätig war: 40 Jahre als Trainer, fünf Jahre als Manager. Seitdem ist er Ehrenpräsident. Ein Leben für den Frauenfußball, ein Leben für Turbine Potsdam. Auch wenn sein Baby schon längst erwachsen geworden ist, kann der 79-Jährige nicht loslassen. Kürzlich hat er sich überreden lassen, Mentor eines ganz neuen Trainingsprojekts zu sein.

"Ich will nicht zu viel darüber verraten", sagt Schröder. "Aber ich bin zuversichtlich, dass wir es auf diesem Weg schaffen können, in vier oder fünf Jahren den Abstand auf Wolfsburg und München zu verkürzen - auch, wenn man die finanziellen Möglichkeiten überhaupt nicht vergleichen kann. Wir müssen eben andere Wege suchen und finden. Ich bin davon überzeugt, dass man auch aus wenig viel machen kann."

"Wir haben hart gearbeitet"

Ein wenig verrät Schröder dann aber doch. Es geht um eine extrem intensive Nachwuchsförderung. Im besten Fall sollen drei bis vier Spielerinnen auf dem Weg den Sprung in die Bundesliga-Mannschaft schaffen - pro Jahr. Turbine will sein Wissen im Frauenfußball wieder bündeln. "Früher hatten wir hier die ganze Welt zu Gast, weil alle sehen wollten, wie wir es machen. Wir müssen es wieder schaffen, eine ähnliche Rolle einzunehmen. Denn da liegt unsere Kompetenz", betont Schöder.

Dass Turbine als reiner Frauenfußballverein aber noch einmal an die ganz großen Erfolge anknüpfen kann, ist extrem unwahrscheinlich. Siege in der Champions League scheinen bei der nationalen und internationalen Konkurrenz nahezu ausgeschlossen. "Wir haben dreimal die Champions League gewonnen, beziehungsweise dessen Vorgängerwettbewerb. Sportlich waren das großartige Zeiten. Wir haben hart gearbeitet. Aber als Lohn haben wir tolle Erfolge gefeiert", sagt Schröder. Es gab oft genug Tage, an denen er 24 Stunden für den Verein und damit auch für den Frauenfußball in Deutschland gearbeitet hat.

"Endlich auch in Köln den Titel holen"

Wenn Schröder heute auf die Erfolge in der Vergangenheit zurückschaut, fällt es ihm schwer, einen Triumph besonders hervorzuheben. Er hat zu jedem Titel Anekdoten ohne Ende parat - auch zu den Misserfolgen: "Bei mir hat sich das Saisonfinale 2003 eingebrannt. Wir hatten am letzten Spieltag das direkte Duell gegen unseren großen Konkurrenten 1. FFC Frankfurt. Wir brauchten einen Sieg, um die Deutsche Meisterschaft zu gewinnen. Und tatsächlich hat Petra Wimbersky in der 90. Minute für uns getroffen - leider aus Abseitsposition." Die Partie endete 0:0.

Auch zum DFB-Pokal hat Schröder ein gespaltenes Verhältnis. Den drei Titeln, alle im Berliner Olympiastadion gewonnen, stehen vier Finalniederlagen gegenüber, drei davon im Rhein-Energie-Stadion. "Es wird Zeit, dass wir diese Serie brechen und endlich auch in Köln den Titel holen. Ich mag die Stadt, die Atmosphäre und die Menschen dort. Aber sportlich war der Umzug an den Rhein für uns bisher keine Erfolgsgeschichte", sagt Schröder und muss lachen.

Dass sich das in diesem Jahr ändert, hält er für möglich: "Aber es wird verdammt schwer. Wolfsburg spielt eine überragende Saison, wir für unsere Verhältnisse allerdings auch. Vielleicht schaffen wir es, die Begegnung möglichst lange offen zu gestalten. Dann kann was gehen. Ich traue es unserer Mannschaft zu. Aber es muss alles zusammenpassen." Für Turbine würde sich der Kreis schließen: Es wäre der erste Titel nach einer zehn Jahre andauernden Durststrecke.

"Als klarer Außenseiter in die Partie"

Der Trainer, der das möglich machen will, ist Sofian Chahed. Der 39-Jährige betreut die Mannschaft im zweiten Jahr und hat das Team deutlich weiterentwickelt. In der Defensive steht die Mannschaft gut, offensiv ist sie immer für Tore gut. In allen statistischen Werten hat sie sich das Team im Vergleich zum Vorjahr verbessert. Allerdings gibt es auch ein Problem: Toptorjägerin Selina Cerci fällt wegen eines Kreuzbandrisses aus.

"Wir gehen als klarer Außenseiter in die Partie und haben nichts zu verlieren. Aber diese Ausgangslage kann uns besonders gefährlich machen", sagt Chahed. "Wir können und wollen befreit aufspielen. Vor allem wollen wir die Atmosphäre in Köln aufsaugen. Wir wissen, dass der VfL Wolfsburg ein extrem starker Gegner mit der höheren individuellen Qualität im Kader ist. Aber wenn wir in der Defensive gut stehen und immer wieder Nadelstiche nach vorne setzen können, dann ist alles möglich."

[sw]

Turbine Potsdam ist bis heute einer der erfolgreichsten Klubs im deutschen Frauenfußball. Der letzte große Titel liegt allerdings inzwischen zehn Jahre zurück. Nun trifft Turbine im DFB-Pokalfinale auf den VfL Wolfsburg heute (ab 16.45 Uhr, live in der ARD und bei Sky). Kann Potsdam in Köln endlich wieder einen großen Triumph feiern?

Sechsmal Deutscher Meister, dreimal Gewinner des DFB-Pokals, zweimal Sieger in der Champions League - der 1. FFC Turbine Potsdam kann auf eine großartige Historie verweisen. Aber zur Wahrheit gehört auch, dass der Verein in der Gegenwart nicht so erfolgreich ist, wie er es in der Vergangenheit war. Der letzte große Titel liegt inzwischen zehn Jahre zurück - es war die Deutsche Meisterschaft 2012. Das soll sich am Samstagnachmittag im DFB-Pokalfinale in Köln gegen den Seriensieger VfL Wolfsburg ändern.

"Wir machen uns keinen Druck"

Dirk Heinrichs ist seit 19 Jahren Co-Trainer in Potsdam und hat die Entwicklung des Klubs nicht nur miterlebt, sondern auch geprägt. "Es ist überragend, dass wir jetzt endlich wieder im Finale sind und den DFB-Pokal gewinnen können", sagt Heinrichs. "Wir machen uns keinen Druck. Aber natürlich wäre es für Turbine schön, mal wieder einen Titel zu holen, um zu zeigen, dass wir hier unter sehr komplizierten Bedingungen beachtliche Arbeit leisten."

Turbine war in dieser Saison der FLYERALARM Frauen-Bundesliga zusammen mit der SGS Essen und dem SC Sand der letzte Verein, der nicht Teil eines Profiteams im Männerfußball ist - und belegte am Ende Rang vier hinter dem VfL Wolfsburg, dem FC Bayern München und Eintracht Frankfurt. Damit hat Potsdam nur ganz knapp und erst am letzten Spieltag nach zehnjähriger Abstinenz die Rückkehr auf die internationale Bühne verpasst.

"Stolz, Teil dieses Teams zu sein"

"Was die Mädels dennoch in dieser Spielzeit geleistet haben, ist gar nicht hoch genug einzuschätzen", betont Heinrichs. "Kurz vor der Ziellinie sind wir ausgeknockt worden. Aber wir stehen wieder auf und werden stärker als vorher zurückkommen. Es macht mich wahnsinnig stolz, Teil dieses Teams zu sein. Wir werden auch weiterhin versuchen, alle Widerstände zu überwinden."

Der 53-Jährige erinnert sich gerne an die Erfolge in der Vergangenheit, in der Turbine nahezu jedes Jahr etwas zu feiern hatte: "Wir haben damals zu den absoluten Topteams in Deutschland und Europa gezählt. Wir hatten großartige Spielerinnen, die auf Vereinsebene alles gewonnen haben, was sie gewinnen konnten. Conny Pohlers, Anja Mittag, Nadine Keßler, Ariane Hingst - und viele, viele weitere."

"Aus wenig viel machen"

Verantwortlich zu jener Zeit war Bernd Schröder, der von 1971 bis 2016 für Turbine tätig war: 40 Jahre als Trainer, fünf Jahre als Manager. Seitdem ist er Ehrenpräsident. Ein Leben für den Frauenfußball, ein Leben für Turbine Potsdam. Auch wenn sein Baby schon längst erwachsen geworden ist, kann der 79-Jährige nicht loslassen. Kürzlich hat er sich überreden lassen, Mentor eines ganz neuen Trainingsprojekts zu sein.

"Ich will nicht zu viel darüber verraten", sagt Schröder. "Aber ich bin zuversichtlich, dass wir es auf diesem Weg schaffen können, in vier oder fünf Jahren den Abstand auf Wolfsburg und München zu verkürzen - auch, wenn man die finanziellen Möglichkeiten überhaupt nicht vergleichen kann. Wir müssen eben andere Wege suchen und finden. Ich bin davon überzeugt, dass man auch aus wenig viel machen kann."

"Wir haben hart gearbeitet"

Ein wenig verrät Schröder dann aber doch. Es geht um eine extrem intensive Nachwuchsförderung. Im besten Fall sollen drei bis vier Spielerinnen auf dem Weg den Sprung in die Bundesliga-Mannschaft schaffen - pro Jahr. Turbine will sein Wissen im Frauenfußball wieder bündeln. "Früher hatten wir hier die ganze Welt zu Gast, weil alle sehen wollten, wie wir es machen. Wir müssen es wieder schaffen, eine ähnliche Rolle einzunehmen. Denn da liegt unsere Kompetenz", betont Schöder.

Dass Turbine als reiner Frauenfußballverein aber noch einmal an die ganz großen Erfolge anknüpfen kann, ist extrem unwahrscheinlich. Siege in der Champions League scheinen bei der nationalen und internationalen Konkurrenz nahezu ausgeschlossen. "Wir haben dreimal die Champions League gewonnen, beziehungsweise dessen Vorgängerwettbewerb. Sportlich waren das großartige Zeiten. Wir haben hart gearbeitet. Aber als Lohn haben wir tolle Erfolge gefeiert", sagt Schröder. Es gab oft genug Tage, an denen er 24 Stunden für den Verein und damit auch für den Frauenfußball in Deutschland gearbeitet hat.

"Endlich auch in Köln den Titel holen"

Wenn Schröder heute auf die Erfolge in der Vergangenheit zurückschaut, fällt es ihm schwer, einen Triumph besonders hervorzuheben. Er hat zu jedem Titel Anekdoten ohne Ende parat - auch zu den Misserfolgen: "Bei mir hat sich das Saisonfinale 2003 eingebrannt. Wir hatten am letzten Spieltag das direkte Duell gegen unseren großen Konkurrenten 1. FFC Frankfurt. Wir brauchten einen Sieg, um die Deutsche Meisterschaft zu gewinnen. Und tatsächlich hat Petra Wimbersky in der 90. Minute für uns getroffen - leider aus Abseitsposition." Die Partie endete 0:0.

Auch zum DFB-Pokal hat Schröder ein gespaltenes Verhältnis. Den drei Titeln, alle im Berliner Olympiastadion gewonnen, stehen vier Finalniederlagen gegenüber, drei davon im Rhein-Energie-Stadion. "Es wird Zeit, dass wir diese Serie brechen und endlich auch in Köln den Titel holen. Ich mag die Stadt, die Atmosphäre und die Menschen dort. Aber sportlich war der Umzug an den Rhein für uns bisher keine Erfolgsgeschichte", sagt Schröder und muss lachen.

Dass sich das in diesem Jahr ändert, hält er für möglich: "Aber es wird verdammt schwer. Wolfsburg spielt eine überragende Saison, wir für unsere Verhältnisse allerdings auch. Vielleicht schaffen wir es, die Begegnung möglichst lange offen zu gestalten. Dann kann was gehen. Ich traue es unserer Mannschaft zu. Aber es muss alles zusammenpassen." Für Turbine würde sich der Kreis schließen: Es wäre der erste Titel nach einer zehn Jahre andauernden Durststrecke.

"Als klarer Außenseiter in die Partie"

Der Trainer, der das möglich machen will, ist Sofian Chahed. Der 39-Jährige betreut die Mannschaft im zweiten Jahr und hat das Team deutlich weiterentwickelt. In der Defensive steht die Mannschaft gut, offensiv ist sie immer für Tore gut. In allen statistischen Werten hat sie sich das Team im Vergleich zum Vorjahr verbessert. Allerdings gibt es auch ein Problem: Toptorjägerin Selina Cerci fällt wegen eines Kreuzbandrisses aus.

"Wir gehen als klarer Außenseiter in die Partie und haben nichts zu verlieren. Aber diese Ausgangslage kann uns besonders gefährlich machen", sagt Chahed. "Wir können und wollen befreit aufspielen. Vor allem wollen wir die Atmosphäre in Köln aufsaugen. Wir wissen, dass der VfL Wolfsburg ein extrem starker Gegner mit der höheren individuellen Qualität im Kader ist. Aber wenn wir in der Defensive gut stehen und immer wieder Nadelstiche nach vorne setzen können, dann ist alles möglich."

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