Fragen und Antworten

Was ist die Sportgerichtsbarkeit?

Verbandsgerichtsbarkeit ist die Streitentscheidung innerhalb eines Verbandes gegenüber den Verbands- bzw. Vereinsmitgliedern auf der Grundlage verbandseigener Regelwerke. Auf den DFB übertragen bedeutet dies, dass innerhalb der Sportgerichtsbarkeit des DFB die Mitglieder des DFB belangt werden können, wenn sie gegen die verbandseigenen Regelwerke verstoßen haben. Insofern ist Sportgerichtsbarkeit - anders als mitunter unterstellt - gerade keine quasi-staatliche Gerichtsbarkeit gegenüber jedermann. Adressat ist nur das Vereinsmitglied, das sich kraft Satzung oder Zulassungsvertrag der vereinsinternen Gerichtsbarkeit unterworfen hat.

Welche rechtliche Grundlage hat die Sportgerichtsbarkeit?

Rechtliche Grundlage der Sportgerichtsbarkeit ist das Grundgesetz selbst. Dort ist in Art. 9 Abs. 1 GG die Vereinsautonomie verankert. Davon umfasst ist die Selbstbestimmung der Vereine über die eigene Organisation und das Recht zur autonomen Gestaltung der inneren Verfassung. Und daraus ergibt sich das Recht zur eigenen Rechtsetzung und Rechtsprechung.

In welchem Verhältnis steht die staatliche zur verbandsinternen Gerichtsbarkeit?

Die Verbandsgerichtsbarkeit steht in keiner Konkurrenz zur staatlichen Gerichtsbarkeit und schließt diese auch nicht aus.

Hierzu folgendes Beispiel: ein Fußballspieler (über seine Vereinsmitgliedschaft an die Statuten des DFB oder seines Landesverbandes gebunden) begeht ein Foul und verstößt damit gegen die Fußballregeln. Die Sportgerichtsbarkeit des DFB befindet darüber, ob dieses Foul als rohes Spiel oder Tätlichkeit im Sinne der Rechts- und Verfahrensordnung des DFB (DFB-RVO) zu werten ist und fällt eine Sanktion innerhalb des Strafrahmens, den die DFB-RVO vorsieht. Ob dabei – im extremen Fall – ein Foulspiel auch als Körperverletzung nach § 223 des Strafgesetzbuchs zu werten ist, entscheiden allein die staatlichen Gerichte. Ein weiteres Beispiel zur Differenzierung zwischen staatlicher Gerichtsbarkeit und Verbandsgerichtsbarkeit ist der Fall „Robert Hoyzer“. Hoyzer hat sowohl gegen staatliche Normen als auch gegen die DFB-RVO verstoßen. Er wurde deswegen vom DFB-Sportgericht wegen unsportlichen Verhaltens in acht Fällen auf Dauer aus dem DFB und aus seinen Mitgliedsverbänden ausgeschlossen und vom Landgericht Berlin wegen Beihilfe zum Betrug (§ 263 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und fünf Monaten verurteilt.

Im Verhältnis staatlicher Gerichtsbarkeit zur Verbandsgerichtsbarkeit ist zudem zu beachten, dass die Entscheidungen der Sportgerichtsbarkeit auch durch die staatlichen Gerichte (bzw. unabhängige Schiedsgerichte) überprüft werden können. Die Verbandsgerichtsbarkeit existiert folglich nicht neben der allgemeinen Rechtsordnung, sondern ist gerade Teil dieser.

Was sind die Vorteile einer Verbandsgerichtsbarkeit?

Zu den größten Vorzügen der internen Rechtsprechung gehören Effizienz und Geschwindigkeit der Entscheidungen. Allein in den ersten drei Herrenligen im Fußball werden pro Jahr ca. 450 sportgerichtliche Streitfälle effizient und endgültig entschieden. Die Entscheidungen ergehen dabei sehr schnell. Dies ist gerade im professionellen Sport von zentraler Bedeutung, da der sportliche Wettbewerb in einem Streitfall zeitnah Rechtsklarheit und Rechtssicherheit benötigt. Verfahren gegen Spieler und Trainer sind auf DFB-Ebene im Regelfall nach einigen Tagen rechtskräftig entschieden. Für den Betroffenen ist die Verbandsgerichtsbarkeit zudem kostengünstig, denn im Bereich des DFB werden keine Gerichtskosten im klassischen Sinne erhoben. Von der unterlegenen Partei eines Verfahrens sind lediglich die entstandenen Auslagen des (Sport-)Gerichts zu ersetzen.

Welche Rechtsorgane gibt es auf DFB-Ebene?

Die Sportgerichtsbarkeit des DFB ist vom Verfahren und den Begrifflichkeiten her stark an das Strafrecht und das Strafgesetzbuch (StGB) angelehnt. Im Bereich des DFB gibt es einen Kontrollausschuss, der die Aufgaben einer (Sport-)Staatsanwaltschaft wahrnimmt und Vorfälle untersucht und zur Verbandsgerichtsbarkeit anklagt. Die Gerichtsbarkeit ist im Bereich des DFB zweistufig ausgestaltet, d.h. es gibt ein DFB-Sportgericht, das die Fälle in erster Instanz entscheidet und darüber eine zweite Instanz als Berufungsgericht, das DFB-Bundesgericht.

Warum ist die Sportgerichtsbarkeit des DFB mehrstufig gestaltet?

Der DFB hat das Prinzip der Gewaltenteilung übernommen. Mit Blick auf andere Verbände bzw. Vereine ist dies im Bereich des Vereinsrechts nicht selbstverständlich. Häufig wird die Sanktionsgewalt in einem Verein durch den Vorstand oder die Mitgliederversammlung und nicht durch satzungsmäßig dafür zuständige Organe ausgeübt. Im Sinne der Gewaltenteilung und der Vermeidung von Interessenkonflikten wird die Vereinsgerichtsbarkeit im Bereich des DFB jedoch durch eigens hierfür zuständige Organe ausgeübt. Um dem Betroffenen innerhalb des Verbandes zudem einen Rechtsweg zu garantieren, ist die Verbandsgerichtsbarkeit des DFB zweistufig ausgestaltet (1. Instanz: Sportgericht, 2. Instanz: Bundesgericht). Dies unterstützt auch die Akzeptanz der Urteile, einerseits bei den Betroffenen und andererseits in der Öffentlichkeit.

Wie unabhängig sind die Rechtsorgane des DFB?

Die Rechtsorgane des DFB sind absolut unabhängig. Dies wird durch die Rechts- und Verfahrensordnung des DFB garantiert. § 3 Nr. 2 DFB-RVO bestimmt, dass die Mitglieder des Sportgerichts und des Bundesgerichts unabhängig sind und nur dem geschriebenen und ungeschriebenen Recht des Sports sowie ihrem Gewissen unterworfen sind. Die Unabhängigkeit der Mitglieder des Sportgerichts und des Bundesgerichts wird zudem über die Satzung des DFB garantiert. § 38 Nr. 2 DFB-Satzung legt fest, dass Mitglieder des Sportgerichts und des Bundesgerichts anderen Organen und Ausschüssen des DFB grundsätzlich nicht angehören dürfen.

Welche Aufgaben hat der DFB-Kontrollausschuss?

Der Kontrollausschuss hat nach § 50 DFB-Satzung die Aufgabe, die Einhaltung der Satzung und Ordnungen des DFB zu überwachen und bei Verstößen Anklage zu erheben. Der Kontrollausschuss kann u.a. Unsportlichkeiten verfolgen, die im Zusammenhang mit Bundesspielen begangen wurden. Er besteht aus zwölf Personen, die nach einem Geschäftsverteilungsplan für die verschiedenen DFB-Spielklassen zuständig sind.

Wie läuft das Verfahren im Rahmen der Sportgerichtsbarkeit des DFB?

Nach § 15 DFB-RVO entscheidet das Sportgericht durch den Einzelrichter in allen Fällen ohne mündliche Verhandlung. Kommt es z.B. zu Zuschauerausschreitungen, leitet der Kontrollausschuss des DFB ein Ermittlungsverfahren ein und fordert zunächst die betroffenen Vereine zu einer Stellungnahme auf.

Nach Eingang der Stellungnahme wird über den weiteren Fortgang entschieden.

Wenn das Verfahren nicht eingestellt wird, stellt der Kontrollausschuss einen Strafantrag beim Einzelrichter des Sportgerichts. Vergleichbar ist dieser Strafantrag mit einem Strafbefehl durch die Staatsanwaltschaften. Der Strafantrag geht sodann dem Betroffen zu.

Stimmt der Betroffene dem Strafantrag zu, hat der Einzelrichter dem Strafantrag zu entsprechen (sofern keine grundsätzlichen Bedenken entgegenstehen).

Stimmt der Betroffene dem Strafantrag des Kontrollausschusses nicht zu, fällt der Einzelrichter ein Urteil. Grundsätzlich erfolgt auch dies noch im schriftlichen Verfahren. Der Einzelrichter darf dabei im Strafmaß nicht über das hinausgehen, was der Kontrollausschuss als Sanktion beantragt hatte.

Gegen diese schriftliche Einzelrichterentscheidung können dann sowohl der Betroffene als auch der Kontrollausschuss binnen 24 Stunden nach Zugang der Entscheidung eine mündliche Verhandlung vor dem Sportgericht beantragen.

Wie häufig kommt es zu mündlichen Verhandlungen?

Selten. Die Effizienz der Konfliktlösung im Bereich der DFB-Sportgerichtsbarkeit zeigt sich dadurch, dass die meisten Sportgerichtsverfahren im Einzelrichterverfahren einvernehmlich, d.h. mit Zustimmung des Betroffenen, abgeschlossen werden können. So werden ca. 85 % der Verfahren mit Zustimmung des Betroffenen zum Strafantrag des Kontrollausschusses beendet. Weitere 12 % der Verfahren werden nach einem Einzelrichterurteil im schriftlichen Verfahren rechtskräftig. Eine mündliche Verhandlung vor dem DFB-Sportgericht ist die Ausnahme und wird nur in ca. 3 % der Fälle beantragt.

Wie läuft das Verfahren, wenn Rechtmittel eingelegt wurden?

Im Rahmen einer mündlichen Verhandlung entscheidet das DFB-Sportgericht nicht mehr nur durch den Einzelrichter, sondern durch ein Gremium in einer Besetzung mit drei Sportrichtern. Dies sind der Vorsitzende des jeweiligen Verfahrens, ein sog. DFB-Beisitzer sowie ein sog. Fachbeisitzer, dessen Auswahl sich nach § 39 DFB-Satzung richtet. Gegen eine Entscheidung des DFB-Sportgerichts ist innerhalb einer Woche Berufung zum DFB-Bundesgericht möglich. Das DFB-Bundesgericht entscheidet verbandsintern abschließend über ein Sportgerichtsverfahren. Das DFB-Bundesgericht entscheidet grundsätzlich in einer Besetzung mit drei, in Fällen grundsätzlicher Bedeutung mit fünf Sportrichtern.

Wichtig ist: Vor dem Bundesgericht gilt gemäß § 28 DFB-RVO ein Verschlechterungsverbot (reformatio in peius). Das bedeutet: Entscheidungen können nicht zum Nachteil der die Berufung einlegenden Partei abgeändert werden. Anders ist dies nur, wenn beide Parteien in Berufung gegangen sind.

Welche Sanktionen können die Rechtsorgane im DFB verhängen?

Voraussetzung für die von einem Sportverband kraft seiner Verbandsautonomie verhängten Sanktionen ist, dass die konkrete Sanktion in der Satzung des Verbandes aufgeführt ist. Für den Bereich des DFB sind die Sanktionen, die die Rechtsorgane des DFB verhängen können, in § 44 Nr. 2 der DFB-Satzung aufgeführt und in der DFB-Rechts- und Verfahrensordnung (insbesondere in den §§ 7 bis 9 DFB-RVO) konkretisiert. Der Strafrahmen ist sehr breit. Die häufigsten Fälle sind Geldstrafen und Spielsperren. Gemäß § 44 Nr. 3 der Satzung können mehrere Strafen auch nebeneinander verhängt werden. Zudem sind erzieherische Maßnahmen zulässig, etwa Auflagen zur Verbesserung der Stadioninfrastruktur oder zur Durchführung von gewaltpräventiven Maßnahmen. Seit 2013 ist in der Satzung und der DFB-RVO auch eine Strafaussetzung zur Bewährung vorgesehen. Die Tatbestände lassen sich nach den jeweils betroffen Gruppen – Spieler, Vereine und Tochtergesellschaften, sonstige Personen – sachgerecht differenzieren.