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So funktioniert der Öko-Check

Immer mehr Vereine verheizen einen beachtlichen Anteil ihrer Mitgliedsbeiträge. Alte Kessel, überdimensionierte Wasserspeicher, ungedämmte Dächer und Fassaden, durstige Duschen - die Liste der Kostenfresser ist lang. Ein Öko-Check öffnet die Augen für die größten Schwachstellen im Verein und hilft durch das Dickicht möglicher Fördertöpfe. Das Beispiel des SV Rot-Weiß Niederklein unweit von Marburg.

„Wir gewinnen nicht immer aber immer öfter“ steht auf dem gestrickten Banner über dem Eingang zum Vereinslokal. Das Komma fehlt. Doch um solche Kleinigkeiten können sich Klaus Größl und Oswald Schmitt heute keine Gedanken machen, denn Vorsitzender und 2. Kassierer des SV Rot-Weiß Niederklein haben ungewohnten Besuch aus Frankfurt. Jens Prüller, Energie- und Ökoberater beim Landessportbund Hessen, ist hier zum Öko-Check.

Immer mehr Fußballclubs stehen die ständig steigenden Betriebskosten bis zum Hals. Der SV Rot-Weiß Niederklein ist einer davon. „Ich muss mir erst einen eigenen Überblick verschaffen, bevor wir mit der Beratung anfangen“, sagt Prüller gleich nach der Begrüßung und wirft einen prüfenden Blick aufs Dach. „Asbest?“ fragt er. Die Frage ist eher rhetorisch, denn die grauen Wellplatten hat er schon auf hunderten von Vereinsheimen gesehen. Größl und Schmitt nicken nur. Weiter geht’s in den Heizungsraum. „Direktbefeuert, Gas, aus 1985?“ Auch die Blitz-Analyse des alten Kessels trifft ins Schwarze.

Die Duschräume des Clubs sehen auf den ersten Blick ganz manierlich aus. Wände frisch gefliest, die Decken sauber mit Feuchtraumpaneelen verkleidet. Prüllers geschultes Auge aber ist auf andere Dinge justiert. „Schimmel“, sagt er kurz und fährt mit dem Finger die leicht verfärbten Fugen entlang. Außerdem läuft die Dusche ununterbrochen – die Selbstschlussarmaturen sind defekt. Prüllers Erklärung: Ablagerungen in den alten Leitungen halten den Wasserdruck niedrig, dass der Stoppmechanismus nicht mehr funktioniert. Selbst Kleinigkeiten fallen dem Öko-Check-Berater auf: Der Plastikschlauch im Schuhwaschplatz muss weg. Der Kunststoff ist ein perfekter Nährboden für Keime aller Art.

Kennen Sie die Verbrauchsdaten Ihres Vereins?

Klaus Größl und Oswald Schmitt haben sich auf ihren ersten Öko-Check vorbereitet. Auf der Theke im Vereinslokal liegt ein sauber getipptes Blatt Papier, das Heiz-, Wasser- und Stromverbrauch der vergangenen drei Jahre auflistet. Diese Basisdaten sind unverzichtbar für jede Beratung. Man sieht der Aufstellung an, dass sie noch nicht allzu oft gemacht wurde. „Die meisten Vereinsvorsitzenden haben leider keine Ahnung, wie viel Geld sie eigentlich für Energie und Wasser ausgeben“, sagt Prüller. Erst beim Öko-Check wird vielen klar, dass sie einen Großteil der Mitgliedsbeiträge zum Fenster hinauswerfen – Geld, das dem Verein für seine eigentliche Aufgabe, nämlich den Fußball, fehlt.

Über 2000 Euro für Gas, 550 Euro für Frischwasser, 1300 Euro für Strom: Der SV Rot-Weiß Niederklein verbraucht im Jahr mehr Energie und Wasser als ein Zweifamilienhaus. Und das, obwohl nur an drei Tagen die Woche Spielbetrieb ist und der Verein im Sommer und Winter mehrere Monate Pause einlegt.

Diese Kosten sind für den Verein mit seinen 300 Mitgliedern und neun Mannschaften kaum zu stemmen, vor allem, seit die Stadt den Unterhalt der Fußballplätze nicht mehr finanziert. „Wurde in der Vergangenheit die Pflege und Unterhaltung der Anlagen dankenswerterweise von der Kommune übernommen, so sind diese Aufgaben nun in die Eigenregie des Vereines übergegangen, wodurch seine wirtschaftliche Situation nicht unwesentlich beeinträchtigt wird,“ formuliert der Verein auf seinen Internetseiten. So wie den Niederkleinern geht es vielen. Immer mehr Kommunen sind bestrebt, den Betrieb der Sportstätten in die Hände der Vereine zu übertragen. Also bleibt nur ein Ausweg: „Wir müssen die wirtschaftliche Situation des Vereins verbessern“, stellt Prüller klar.

Wo sind die größten Energiefresser?

Beim Beratungsgespräch im Vereinslokal diskutieren Berater und Kassierer gemeinsam über die Gründe für die hohen Kosten. Lange suchen müssen sie nicht: Vier große Kühlschränke und zwei Kühlräume laufen rund um die Uhr und zwar ungeregelt und immer mit voller Leistung. „Uns sind dadurch sogar schon Leitungen eingefroren“, sagt Schmitt. Eine Verschwendung, die es nicht nur beim SV Niederklein gibt: Kühlgeräte und Kühlräume verbrauchen in vielen Fußballvereinen mehr Strom als beispielsweise die Flutlichtanlage.

Auch die anderen Energiefresser stehen schnell fest: Die alte Gastherme mit den Warmwasserspeichern ist viel zu groß, die Feuerungen ineffizient. Ein Großteil der Wärme geht durch das ungedämmte Dach und die zum Teil nur einfach verglasten Fenster verloren.

Größl und Schmitt wissen um diese Probleme und haben sich schon vor einiger Zeit von einem befreundeten Handwerker einen Kostenvoranschlag machen lassen. „Wir als Laien können nicht beurteilen, ob der Vorschlag gut ist oder nicht“, sagt Kassierer Schmitt. Prüller schaut sich die Aufstellung des Handwerkers genau an. Herzstück der langen Liste ist eine Solaranlage, die künftig das Duschwasser für die Fußballer in Niederklein erwärmen soll.

Prüller rechnet nach. Der Verein braucht im Jahr 100 Kubikmeter Wasser für die Duschen. Dafür müssen rund 40 Kubikmeter auf 60 Grad erhitzt werden. Bei zehn Euro Gasverbrauch pro Kubikmeter Warmwasser läge die maximale Einsparung durch Nutzung von Solarwärme bei 400 Euro im Jahr. Der Knackpunkt aber ist: Eine solarthermische Anlage auf dem Dach bringt in der Heizperiode nur geringe Leistung. Im Sommer dagegen, wenn wenig Wärme gebraucht wird, kann sie sich so stark aufheizen, dass die Kollektoren Flüssigkeit verlieren. „In wenigen Jahren könnte die Anlage schon defekt sein, wenn sie nicht jemand regelmäßig aus dem Verein wartet und wieder auffüllt“, prognostiziert der Berater

Er macht einige Alternativvorschläge für die künftige Heizung: ein hocheffizienter Gas-Brennwertkessel, eine Wärmepumpe oder eine Gastherme, bei der das Brauchwasser über einen Plattenwärmetauscher erwärmt wird. Vorteil des Wärmetauschers: Durch die permanente Zirkulation des Brauchwassers steht in der spielfreien Zeit kein warmes Wasser in den Leitungen, also können sich kein Keime oder Legionellen bilden.

Alle drei Alternativen würden die Heizkosten deutlich senken: um 600 bis 1200 Euro pro Jahr. Damit die teuer erzeugte Wärme nicht gleich wieder durchs Dach verschwindet, empfiehlt Prüller zudem, die hohe Decke des recht großen Vereinslokals mit dicken Platten zu dämmen. Werden zudem überzählige Kühlschränke abgeschaltet und die Fasskühlung auf das Notwendigste beschränkt, spart das einige hundert Euro an Stromkosten im Jahr. Die Gesamtkosten für neue Heizung, Decke, doppelt verglaste Fenster und Spar-Duschen: 45.000 bis 55.000 Euro.

Wer soll das bezahlen?

Oswald Schmitt schluckt schwer. Denn noch in einem anderen Punkt ist der SV Rot-Weiß Niederklein typisch für viele Fußballvereine: Die Kasse ist leer. Woher also soll das Geld kommen? Prüller bleibt gelassen: „Es gibt viele Möglichkeiten, wie Fußballvereine für eine energetische Sanierung öffentliche Fördermittel bekommen können.“

Das gilt zumindest für Vereine in Bundesländern wie Hessen, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg. Für den hessischen SV Niederklein sind die Aussichten auf Fördermittel besonders günstig: Kreis, Kommune, Landessportbund und das Innenministerium gewähren in der Regel Zuschüsse, die sich zusammen auf 60 bis 70 Prozent der Kosten summieren. Für den Verein reduziert das das den Eigenanteil auf 8000 bis 14.000 Euro, rechnet Prüller vor. Eine solche Summe ließe sich beispielsweise über günstige Kredite der Gemeinde finanzieren.

Außerdem kann der SV selbst beeinflussen, wie groß der Eigenanteil des Vereins letzten Endes wirklich ist. Je mehr Arbeit auf der Baustelle durch die Mitglieder in Eigenleistung erbracht wird – von denen jede Stunde mit zehn Euro angesetzt werden kann – umso niedriger werden die tatsächlichen Kosten, die am Verein hängen bleiben.

Kassierer Oswald Schmitt hat die letzten zwei Stunden aufmerksam zugehört. Einige wichtige Zahlen hat er sich notiert, Prospekte von Heiztechnik-Herstellern und die Liste von Ansprechpartnern bei den Förderinstitutionen, die der Berater mitgebracht hat, sauber vor sich gestapelt. Beim nächsten Schritt kann Öko-Check-Berater Jens Prüller allerdings nur wenig helfen: Vorstand und Verein müssen entscheiden, welche Maßnahmen sie umsetzen wollen, bei wem sie Förderanträge stellen und wie sie den eigenen Kostenblock finanzieren können. Bis in einigen Wochen hat der Berater das Gutachten fertig. Es beschreibt nochmals den technischen Status Quo der Sportstätten in Niederklein und stellt die sinnvollsten Sanierungstechniken für den Verein zusammen – sauber geordnet nach ihrer Dringlichkeit.

Als Prüller wieder ins Auto steigt, wirkt der Kassierer des SV Rot-Weiß Niederklein richtiggehend gelöst. „Das Gespräch war sehr hilfreich für uns“, sagt er. Und es war nicht nur hilfreich, sondern auch für lau: Sportvereine in Hessen erhalten den Öko-Check kostenlos.