Kuntz und Schönweitz: "Belastungssteuerung ist extrem wichtig"

Zwei Stunden plus Nachspielzeit haben sich U 21-Nationaltrainer Stefan Kuntz und Meikel Schönweitz, Cheftrainer der U-Nationalmannschaften, am Dienstagabend genommen, um mit Jugend- und Amateurtrainern zu sprechen. Die fünfte Ausgabe der Reihe #FragdieDFB-Trainer war eine gleichermaßen unterhaltsame wie informative Video-Sprechstunde. DFB.de fasst einige der Aussagen zusammen:

Stefan Kuntz über…

…seine Methode zur Zusammenstellung der U 21: Wir sind ständig draußen in den Stadien und schauen: Welche Rolle hat jemand? Wird er gehört und hört er zu? In der Liga müssen die Spieler auch oft Positionen spielen, auf denen sie gerade gebraucht werden. Bei uns sind sie dann offener und sagen: Eigentlich spiele ich lieber auf einer anderen Position. Ridle Baku ist so ein Beispiel. Der hat bei uns schon Rechtsverteidiger gespielt, als er in Mainz noch im defensiven Mittelfeld auflief. Es geht auch darum, wer schon etwas für uns geleistet hat und wer Spielpraxis hat. Dann kommt noch dazu, dass es nur mit Häuptlingen auch nicht geht. So puzzeln wir uns ein Team zusammen.

…den Wiedereinstieg ins Training nach dem Lockdown: Unsere Athletiktrainer haben nach dem ersten Lockdown geschaut, wann sich unsere Spieler verletzt haben. Heraus kam: Einige haben sich direkt danach signifikant öfter verletzt als zuvor. Deswegen ist eine vorsichtige Belastungssteuerung extrem wichtig.

…sein Trainer-Knowhow: Wenn ich das schon zu Spielerzeiten gehabt hätte, wäre ich wahrscheinlich besser gewesen. Matthias Sammer hatte zum Beispiel immer ein großes Grundverständnis für alle diese Abläufe. Solche Talente gibt es natürlich. Ich musste mir immer alles selbst erarbeiten und lernen. Ich glaube, wenn ich all das, was ich heute weiß, schon damals gewusst hätte, wäre viel mehr möglich gewesen.

Meikel Schönweitz über…

…den Wiedereinstieg ins Training nach dem Lockdown: Viele haben früher den Fehler gemacht, dass sie in der Vorbereitung sechs Wochen draufgehauen haben und dann die Intensität runtergefahren haben. Eigentlich ist es aber umgekehrt gut: Nach einem sanften Einstieg sollte man sich Stück für Stück steigern. Im Grunde ist es im Moment so, dass eine komplette Generation einen Spielausfall vergleichsweise mit einem Kreuzbandriss hatte. So sollte man damit jedenfalls umgehen.

…die wichtigsten Prinzipien im Fußball: Im sportlichen Leitbild des DFB gibt es eine Trainingsvision, die sieben Prinzipien beinhaltet. Jeder muss aber eine eigene finden. Wir brauchen einen roten Faden für alle, alles weitere ist aber frei. Eines ist wichtig: Trainer sollten ihr System nicht einer Mannschaft aufzwingen, sondern sich am Team und seinen Stärken orientieren. Es wäre auch wünschenswert, wenn auch Amateurvereine ihre eigene Identität und Leitlinien entwickeln.

…die Reform des Jugendfußballs: Eine Reform ist zwingend notwendig. Wir sind zwar für die Nationalmannschaften zuständig, machen uns aber auch Gedanken über den Fußball abseits davon. Ein Beispiel ist die Umstellung vom Sieben-gegen-Sieben auf das Drei-gegen-Drei. Wenn weniger Spieler auf dem Platz stehen heißt das: Diejenigen, die spielen, haben mehr Ballkontakte und müssen mehr Entscheidungen treffen. Wir schauen auch ins Ausland und überlegen: Was machen die besser? Und wenn man nach Belgien und England schaut, die richtig tolle Fußballer hervorgebracht haben, sieht man: Da ist genau das passiert.

…Verbesserungsbedarf im Kinderfußball: Die Basisausbildung könnte besser sein. Wir wundern uns manchmal, wenn wir bei den U-Nationalmannschaften einfachste technische Fehler korrigieren müssen. Im Kinderfußball werden zu wenig die Basisaufgaben wiederholt. Alle Top-Spieler hatten in ihrer Kindheit mindesten 10.000 Übungsstunden. Wenn man im Kindertraining sieht, dass die Spieler eine halbe Stunde in der Schlange warten, weil etwas erklärt wird, geht viel wichtige Zeit verloren. So viel wie möglich dribbeln, passen, schießen. Je besser du das kannst, desto besser wirst du. Dazu kommt, dass der Vereinssport allgemeine Bewegungsschulung leistet, die ansonsten zu kurz kommt.

…die Möglichkeit, B- oder C-Nationalmannschaften zu nominieren: Über B- und C-Nationalmannschaften würden wir uns freuen, das ist aber auch eine Kostenfrage. Außerdem wollen wir nicht, dass zu viele Spieler den Stempel Nationalspieler aufgedrückt bekommen. Wenn du pro Jahrgang plötzlich 100 Spieler hast, sind das einfach zu viele und es ist keine Auszeichnung mehr. Was wir auf dem Schirm haben, ist, dass die Talentgerechtigkeit in Deutschland nicht so fair ist. Auf den Turnieren spielen teilweise Auswahlen aus Bremen gegen Bayern - Bayern hat aber viel mehr Mitglieder, also ist es schwerer dort in die Auswahl zu kommen. Wäre das flexibler, wäre es gerechter. Im Moment stimmen wir uns dazu aber noch ab.

[jf]

Zwei Stunden plus Nachspielzeit haben sich U 21-Nationaltrainer Stefan Kuntz und Meikel Schönweitz, Cheftrainer der U-Nationalmannschaften, am Dienstagabend genommen, um mit Jugend- und Amateurtrainern zu sprechen. Die fünfte Ausgabe der Reihe #FragdieDFB-Trainer war eine gleichermaßen unterhaltsame wie informative Video-Sprechstunde. DFB.de fasst einige der Aussagen zusammen:

Stefan Kuntz über…

…seine Methode zur Zusammenstellung der U 21: Wir sind ständig draußen in den Stadien und schauen: Welche Rolle hat jemand? Wird er gehört und hört er zu? In der Liga müssen die Spieler auch oft Positionen spielen, auf denen sie gerade gebraucht werden. Bei uns sind sie dann offener und sagen: Eigentlich spiele ich lieber auf einer anderen Position. Ridle Baku ist so ein Beispiel. Der hat bei uns schon Rechtsverteidiger gespielt, als er in Mainz noch im defensiven Mittelfeld auflief. Es geht auch darum, wer schon etwas für uns geleistet hat und wer Spielpraxis hat. Dann kommt noch dazu, dass es nur mit Häuptlingen auch nicht geht. So puzzeln wir uns ein Team zusammen.

…den Wiedereinstieg ins Training nach dem Lockdown: Unsere Athletiktrainer haben nach dem ersten Lockdown geschaut, wann sich unsere Spieler verletzt haben. Heraus kam: Einige haben sich direkt danach signifikant öfter verletzt als zuvor. Deswegen ist eine vorsichtige Belastungssteuerung extrem wichtig.

…sein Trainer-Knowhow: Wenn ich das schon zu Spielerzeiten gehabt hätte, wäre ich wahrscheinlich besser gewesen. Matthias Sammer hatte zum Beispiel immer ein großes Grundverständnis für alle diese Abläufe. Solche Talente gibt es natürlich. Ich musste mir immer alles selbst erarbeiten und lernen. Ich glaube, wenn ich all das, was ich heute weiß, schon damals gewusst hätte, wäre viel mehr möglich gewesen.

Meikel Schönweitz über…

…den Wiedereinstieg ins Training nach dem Lockdown: Viele haben früher den Fehler gemacht, dass sie in der Vorbereitung sechs Wochen draufgehauen haben und dann die Intensität runtergefahren haben. Eigentlich ist es aber umgekehrt gut: Nach einem sanften Einstieg sollte man sich Stück für Stück steigern. Im Grunde ist es im Moment so, dass eine komplette Generation einen Spielausfall vergleichsweise mit einem Kreuzbandriss hatte. So sollte man damit jedenfalls umgehen.

…die wichtigsten Prinzipien im Fußball: Im sportlichen Leitbild des DFB gibt es eine Trainingsvision, die sieben Prinzipien beinhaltet. Jeder muss aber eine eigene finden. Wir brauchen einen roten Faden für alle, alles weitere ist aber frei. Eines ist wichtig: Trainer sollten ihr System nicht einer Mannschaft aufzwingen, sondern sich am Team und seinen Stärken orientieren. Es wäre auch wünschenswert, wenn auch Amateurvereine ihre eigene Identität und Leitlinien entwickeln.

…die Reform des Jugendfußballs: Eine Reform ist zwingend notwendig. Wir sind zwar für die Nationalmannschaften zuständig, machen uns aber auch Gedanken über den Fußball abseits davon. Ein Beispiel ist die Umstellung vom Sieben-gegen-Sieben auf das Drei-gegen-Drei. Wenn weniger Spieler auf dem Platz stehen heißt das: Diejenigen, die spielen, haben mehr Ballkontakte und müssen mehr Entscheidungen treffen. Wir schauen auch ins Ausland und überlegen: Was machen die besser? Und wenn man nach Belgien und England schaut, die richtig tolle Fußballer hervorgebracht haben, sieht man: Da ist genau das passiert.

…Verbesserungsbedarf im Kinderfußball: Die Basisausbildung könnte besser sein. Wir wundern uns manchmal, wenn wir bei den U-Nationalmannschaften einfachste technische Fehler korrigieren müssen. Im Kinderfußball werden zu wenig die Basisaufgaben wiederholt. Alle Top-Spieler hatten in ihrer Kindheit mindesten 10.000 Übungsstunden. Wenn man im Kindertraining sieht, dass die Spieler eine halbe Stunde in der Schlange warten, weil etwas erklärt wird, geht viel wichtige Zeit verloren. So viel wie möglich dribbeln, passen, schießen. Je besser du das kannst, desto besser wirst du. Dazu kommt, dass der Vereinssport allgemeine Bewegungsschulung leistet, die ansonsten zu kurz kommt.

…die Möglichkeit, B- oder C-Nationalmannschaften zu nominieren: Über B- und C-Nationalmannschaften würden wir uns freuen, das ist aber auch eine Kostenfrage. Außerdem wollen wir nicht, dass zu viele Spieler den Stempel Nationalspieler aufgedrückt bekommen. Wenn du pro Jahrgang plötzlich 100 Spieler hast, sind das einfach zu viele und es ist keine Auszeichnung mehr. Was wir auf dem Schirm haben, ist, dass die Talentgerechtigkeit in Deutschland nicht so fair ist. Auf den Turnieren spielen teilweise Auswahlen aus Bremen gegen Bayern - Bayern hat aber viel mehr Mitglieder, also ist es schwerer dort in die Auswahl zu kommen. Wäre das flexibler, wäre es gerechter. Im Moment stimmen wir uns dazu aber noch ab.

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