Knut Hartwig: Der Mann, der Fritz Walter war

Am heutigen 31. Oktober wäre der Kapitän der Weltmeistermannschaft von 1954 100 Jahre alt geworden. Im Kinofilm "Das Wunder von Bern" hat Knut Hartwig Fritz Walter dargestellt. Wir haben ihn im Deutschen Fußballmuseum in Dortmund getroffen, um mit ihm über Fritz Walter zu sprechen.

Es gibt viele Geschichten über Fritz Walter. Sie alle sind schon erzählt worden. Verfilmt worden. Diskutiert worden. Die des genialen Sensibelchens. Die des Wundermachers von Bern 1954. Die des Helden vom Betzenberg in Kaiserslautern. Sie alle werden jetzt wieder aktuell. Denn ein besonderes Datum steht bevor: Am 31. Oktober wäre Fritz Walter, einer der größten Fußballer und eine der bedeutendsten Persönlichkeiten, die Deutschland je hervorgebracht hat, 100 Jahre alt geworden.

Wer war dieser Mensch, der am 17. Juni 2002 in seiner Heimat Enkenbach-Alsenborn in Rheinland-Pfalz im Alter von 81 Jahren verstorben ist? Was hat ihn so besonders gemacht? Natürlich in sportlicher Hinsicht, aber auch in gesellschaftlicher? Man könnte viele Menschen fragen, und man würde viele Antworten bekommen. Von Historikern, von Weggefährten, von Freunden, die ihn noch persönlich kennengelernt haben.

Oder man fragt Knut Hartwig. Er ist der Mann, der Fritz Walter im legendären Kinofilm "Das Wunder von Bern" gespielt hat. Hartwig, heute 50 Jahre alt und Mitarbeiter des Deutschen Fußballmuseums in Dortmund, hat sich für seine Rolle intensiv mit der Person Fritz Walter auseinandergesetzt. In der Ausstellung sind beide auf Bildern zu sehen: Der echte Walter, wie er nach dem WM-Triumph auf den Schulter von Fans und Mannschaftskollegen durch das Stadion getragen wird. Und der gespielte Walter, auf dem Filmplakat einen Raum weiter, auf dem Weg zum Anstoß vor dem Duell mit den Ungarn. Die optischen Parallelen sind nicht zu übersehen.

Fritz Walter zu spielen war etwas ganz Besonderes

"Ich habe Fritz Walter nie persönlich kennerlernen dürfen. Er ist leider während der Dreharbeiten verstorben und hat den Film nicht sehen können", sagt Hartwig. "Aber ich denke, dass es keine zwei Meinungen darüber gibt, dass er in jeder Hinsicht außergewöhnlich war. Für mich war es natürlich etwas ganz Besonderes, den Menschen und den Kapitän der Weltmeister-Mannschaft von 1954 spielen zu können."

Es war ein großer Zufall, dass es so gekommen ist. Hartwig hatte zwar Erfahrung aus einigen Hauptrollen im Schülertheater, aber keinerlei Schauspielausbildung.  Dass für den Kinofilm zum Wunder von Bern noch Darsteller für die Rollen der Fußballer gesucht werden, hatte er einem Artikel der regionalen Tageszeitung entnommen. Eine Voraussetzung, um zum ersten Casting eingeladen zu werden, war, dass man höherklassig Fußball spielt. Das traf auf Hartwig auf jeden Fall zu, der einst zum Bundesligakader des VfL Bochum zählte und später 71 Spiele in der 2. Liga für den Wuppertaler SV absolvierte.

"Ich habe mir aber ohne große Hoffnungen, allenfalls mit der Ambition, im Film einmal durchs Bild laufen zu dürfen, eine allgemeine, mit etwas Wortwitz angereicherte Bewerbung an die Produktionsfirma geschickt", sagt Hartwig. "Ein halbes Jahr lang habe ich nichts gehört und hatte das Thema schon fast wieder vergessen. Doch dann kam plötzlich der Anruf, dass ich in der engeren Auswahl sei."

"Seine Ausnahmestellung steht außer Zweifel"

Hartwig wurde zu einem Casting nach Köln eingeladen. Bei Fritz-Walter-Wetter im Februar, bei Nieselregen und Temperaturen nahe dem Gefrierpunkt, mussten die damals noch rund 80 Kandidaten zeigen, wie sie mit dem Ball umgehen können und ob sie etwas Talent für das Verhalten vor der Kamera mitbringen: "Allein der Tag war schon sehr interessant. Dort bin ich auch erstmals Sönke Wortmann begegnet. Dass ich später Fritz Walter spielen würde, war zu diesem Zeitpunkt aber noch überhaupt nicht absehbar." Erst Monate später kam die Zusage, dass er es auf die Leinwand schaffen werde. Als Kapitän der deutschen Nationalmannschaft.

"Ich konnte es erst nicht so recht glauben", sagt Hartwig. "Ich kannte natürlich die Erfolge von Fritz Walter als jemand, der sich auch schon vorher mit Fußballhistorie auseinander gesetzt hatte. Aber welche gesellschaftliche Bedeutung er ausgefüllt hat, und speziell auch, welches Ansehen er bei vielen Menschen aufgrund seines bescheidenen und bodenständigen Charakters genoss, ist mir erst nach und nach bewusst geworden, nachdem ich mich intensiver mit seinem Leben auseinander gesetzt und mit Weggefährten gesprochen hatte. Seine sportliche Ausnahmestellung stand sowieso außer Zweifel."

Walter war ein genialer Spielmacher, der eine Begegnung prägen konnte. Er war sensibel und extrem ehrgeizig. Wenn ein Spiel verloren ging – im schlimmsten Fall wegen einer schlechten Leistung von ihm – war er manchmal tagelang nicht ansprechbar. Walter hat einmal erzählt, dass er vor jeder Begegnung so aufgeregt war, dass ihm schlecht wurde und dass er oft die Zeit bis kurz vor dem Anpfiff auf der Toilette verbringen musste. Hinterher war er dann meist der Spieler, der den Unterschied ausgemacht hatte, der sein Team zum Sieg geführt hatte.

Was der Boss entschied, setzte der sein Kapitän um

Walters Meisterstück war die WM 1954 in der Schweiz, die im Wunder von Bern nacherzählt wird. Walter war auf dem Platz der verlängerte Arm von Bundestrainer Sepp Herberger. Was der Boss entschied, setzte sein Kapitän um. Der gegenseitige Respekt voreinander war fast grenzenlos. "Das Bild, das ihn nach dem Titelgewinn auf den Schultern seiner Mitspieler zeigt, das auch bei uns im Fußballmuseum zu sehen ist, ist eine Momentaufnahme", sagt Walter-Darsteller Knut Hartwig. "Seinem Charakter entspricht das nicht. Er hat sich meiner Wahrnehmung nach nie über andere gestellt, sondern sich immer als Teil des Teams gesehen."

Walter war aber nicht nur ein großartiger Mensch und Fußballer. Er war auch eine treue Seele. Der Betzenberg war seine zweite Heimat, niemand konnte ihn von seinem 1. FC Kaiserslautern weglocken. Auch nicht die Verantwortlichen von Atletico Madrid, die ihm angeblich 500.000 DM Handgeld boten, wenn er einen Zweijahresvertrag unterschreiben würde. Dazu Gehalt, Prämien, ein Auto, mietfreies Wohnen – mehr ging zu dieser Zeit eigentlich nicht.

Aber Walter sagte nur: "Dehäm is dehäm." Damit war die Sache erledigt. Bis zu seinem Karriereende bestritt Walter 384 Begegnungen für den 1. FC Kaiserslautern und erzielte dabei 327 Treffer – unter anderem das Tor des Jahrhunderts 1956 im Spiel gegen Leipzig. Walter verwandelte eine Flanke mit der rechten Hacke und schoss dabei den Ball über den eigenen Kopf ins rechts Toreck des Gegners. Es war nichts anderes als ein Kunstwerk. Dieser Augenblick, diese Karriere, dieses Leben.

WM 54 gibt den Ereignissen einen Rahmen

Wie kann man für einen Kinofilm in diese riesigen Fußstapfen treten und eine Person mit solch einer Vita, mit solch einer Ausstrahlung bespielen? Und dann noch als Darsteller ohne große schauspielerische Vorerfahrung. "Ich habe mir darüber keinen großen Kopf gemacht", sagt Knut Hartwig. "Ich glaube, das hätte mir nicht geholfen. Ich bin einfach mit großer Neugier auf das Drehen und das ganze Drumherum an die Sache herangegangen. Rückblickend war das der richtige Weg."

Hinzu kam, dass "Das Wunder von Bern" ja kein reiner Fußballfilm ist und Fritz Walter nicht im Mittelpunkt der Story steht. Es ist eher ein deutsches Nachkriegsdrama über die Familie eines Kriegsheimkehrers. Die Fußball-Weltmeisterschaft 1954 gibt den Ereignissen den Rahmen. Von den Spielern nimmt eher Helmut Rahn, der Torschütze des Siegtreffers im Finale, eine Hauptrolle ein: "Aus dem Hintergrund müsste Rahn schießen – Rahn schießt – Tooooor! Tooooor! Tooooor! Tooooor!" Die Radioreportage von Herbert Zimmermann ist auch 66 Jahre danach noch Kult.

"Das war schon hohe Schauspielkunst"

Aber auch Knut Hartwig als Fritz Walter hatte einige wichtige Szenen. "Als Zimmernachbar von Helmut Rahn musste ich ihm nach einer Disziplinlosigkeit streng ins Gewissen reden. Das war schon hohe Schauspielkunst", lacht Hartwig. "Aber auch das Gespräch zwischen Fritz Walter und Sepp Herberger am Thuner See ist sicher ein Schlüsselmoment, schließlich diskutieren die beiden dort darüber, wer im weiteren Turnierverlauf auf der Rechtsaußen-Position agieren sollte. Berni Klodt, der anfangs die Nase vorn hatte, oder eben Helmut Rahn." Fußballerisch wurde Hartwig ohnehin gefordert. Dem 2:2 im Endspiel, das ebenfalls Helmut Rahn erzielte, ging eine Ecke von Fritz Walter voraus. "Es war nicht so einfach, diese Szene nachzuspielen, weil der Ball eine ganz bestimmte Flugkurve hatte und es natürlich möglichst realitätsecht aussehen sollte", sagt Hartwig. "Am Ende musste der Sascha Göpel als Helmut-Rahn-Darsteller die Vorlage auch noch per Dropkick verwandeln. Dafür hatten wir diese Aktion dann aber recht schnell im Kasten."

Die Dreharbeiten sind inzwischen 18 Jahre her. Der Film kam 2003 in die deutschen Kinos und wurde fast durchweg gelobt. Knut Hartwig hat seinen Ausflug in die Schauspielerei als tolles Erlebnis verbucht. Das wird auch deutlich, wenn er davon erzählt, wie das ganze Team gemeinsam die  Premiere in der Essener Lichtburg feierlich begangen hat. Hartwig war durchaus ein talentierter Fußballer mit einer ordentlichen Karriere. Dass er aber die DFB-Auswahl zum WM-Titel führen durfte, als Fritz Walter, als Kapitän, in einem der erfolgreichsten deutschen Filme, ist sicher sein persönliches "Wunder von Bern".

[sw]

Am heutigen 31. Oktober wäre der Kapitän der Weltmeistermannschaft von 1954 100 Jahre alt geworden. Im Kinofilm "Das Wunder von Bern" hat Knut Hartwig Fritz Walter dargestellt. Wir haben ihn im Deutschen Fußballmuseum in Dortmund getroffen, um mit ihm über Fritz Walter zu sprechen.

Es gibt viele Geschichten über Fritz Walter. Sie alle sind schon erzählt worden. Verfilmt worden. Diskutiert worden. Die des genialen Sensibelchens. Die des Wundermachers von Bern 1954. Die des Helden vom Betzenberg in Kaiserslautern. Sie alle werden jetzt wieder aktuell. Denn ein besonderes Datum steht bevor: Am 31. Oktober wäre Fritz Walter, einer der größten Fußballer und eine der bedeutendsten Persönlichkeiten, die Deutschland je hervorgebracht hat, 100 Jahre alt geworden.

Wer war dieser Mensch, der am 17. Juni 2002 in seiner Heimat Enkenbach-Alsenborn in Rheinland-Pfalz im Alter von 81 Jahren verstorben ist? Was hat ihn so besonders gemacht? Natürlich in sportlicher Hinsicht, aber auch in gesellschaftlicher? Man könnte viele Menschen fragen, und man würde viele Antworten bekommen. Von Historikern, von Weggefährten, von Freunden, die ihn noch persönlich kennengelernt haben.

Oder man fragt Knut Hartwig. Er ist der Mann, der Fritz Walter im legendären Kinofilm "Das Wunder von Bern" gespielt hat. Hartwig, heute 50 Jahre alt und Mitarbeiter des Deutschen Fußballmuseums in Dortmund, hat sich für seine Rolle intensiv mit der Person Fritz Walter auseinandergesetzt. In der Ausstellung sind beide auf Bildern zu sehen: Der echte Walter, wie er nach dem WM-Triumph auf den Schulter von Fans und Mannschaftskollegen durch das Stadion getragen wird. Und der gespielte Walter, auf dem Filmplakat einen Raum weiter, auf dem Weg zum Anstoß vor dem Duell mit den Ungarn. Die optischen Parallelen sind nicht zu übersehen.

Fritz Walter zu spielen war etwas ganz Besonderes

"Ich habe Fritz Walter nie persönlich kennerlernen dürfen. Er ist leider während der Dreharbeiten verstorben und hat den Film nicht sehen können", sagt Hartwig. "Aber ich denke, dass es keine zwei Meinungen darüber gibt, dass er in jeder Hinsicht außergewöhnlich war. Für mich war es natürlich etwas ganz Besonderes, den Menschen und den Kapitän der Weltmeister-Mannschaft von 1954 spielen zu können."

Es war ein großer Zufall, dass es so gekommen ist. Hartwig hatte zwar Erfahrung aus einigen Hauptrollen im Schülertheater, aber keinerlei Schauspielausbildung.  Dass für den Kinofilm zum Wunder von Bern noch Darsteller für die Rollen der Fußballer gesucht werden, hatte er einem Artikel der regionalen Tageszeitung entnommen. Eine Voraussetzung, um zum ersten Casting eingeladen zu werden, war, dass man höherklassig Fußball spielt. Das traf auf Hartwig auf jeden Fall zu, der einst zum Bundesligakader des VfL Bochum zählte und später 71 Spiele in der 2. Liga für den Wuppertaler SV absolvierte.

"Ich habe mir aber ohne große Hoffnungen, allenfalls mit der Ambition, im Film einmal durchs Bild laufen zu dürfen, eine allgemeine, mit etwas Wortwitz angereicherte Bewerbung an die Produktionsfirma geschickt", sagt Hartwig. "Ein halbes Jahr lang habe ich nichts gehört und hatte das Thema schon fast wieder vergessen. Doch dann kam plötzlich der Anruf, dass ich in der engeren Auswahl sei."

"Seine Ausnahmestellung steht außer Zweifel"

Hartwig wurde zu einem Casting nach Köln eingeladen. Bei Fritz-Walter-Wetter im Februar, bei Nieselregen und Temperaturen nahe dem Gefrierpunkt, mussten die damals noch rund 80 Kandidaten zeigen, wie sie mit dem Ball umgehen können und ob sie etwas Talent für das Verhalten vor der Kamera mitbringen: "Allein der Tag war schon sehr interessant. Dort bin ich auch erstmals Sönke Wortmann begegnet. Dass ich später Fritz Walter spielen würde, war zu diesem Zeitpunkt aber noch überhaupt nicht absehbar." Erst Monate später kam die Zusage, dass er es auf die Leinwand schaffen werde. Als Kapitän der deutschen Nationalmannschaft.

"Ich konnte es erst nicht so recht glauben", sagt Hartwig. "Ich kannte natürlich die Erfolge von Fritz Walter als jemand, der sich auch schon vorher mit Fußballhistorie auseinander gesetzt hatte. Aber welche gesellschaftliche Bedeutung er ausgefüllt hat, und speziell auch, welches Ansehen er bei vielen Menschen aufgrund seines bescheidenen und bodenständigen Charakters genoss, ist mir erst nach und nach bewusst geworden, nachdem ich mich intensiver mit seinem Leben auseinander gesetzt und mit Weggefährten gesprochen hatte. Seine sportliche Ausnahmestellung stand sowieso außer Zweifel."

Walter war ein genialer Spielmacher, der eine Begegnung prägen konnte. Er war sensibel und extrem ehrgeizig. Wenn ein Spiel verloren ging – im schlimmsten Fall wegen einer schlechten Leistung von ihm – war er manchmal tagelang nicht ansprechbar. Walter hat einmal erzählt, dass er vor jeder Begegnung so aufgeregt war, dass ihm schlecht wurde und dass er oft die Zeit bis kurz vor dem Anpfiff auf der Toilette verbringen musste. Hinterher war er dann meist der Spieler, der den Unterschied ausgemacht hatte, der sein Team zum Sieg geführt hatte.

Was der Boss entschied, setzte der sein Kapitän um

Walters Meisterstück war die WM 1954 in der Schweiz, die im Wunder von Bern nacherzählt wird. Walter war auf dem Platz der verlängerte Arm von Bundestrainer Sepp Herberger. Was der Boss entschied, setzte sein Kapitän um. Der gegenseitige Respekt voreinander war fast grenzenlos. "Das Bild, das ihn nach dem Titelgewinn auf den Schultern seiner Mitspieler zeigt, das auch bei uns im Fußballmuseum zu sehen ist, ist eine Momentaufnahme", sagt Walter-Darsteller Knut Hartwig. "Seinem Charakter entspricht das nicht. Er hat sich meiner Wahrnehmung nach nie über andere gestellt, sondern sich immer als Teil des Teams gesehen."

Walter war aber nicht nur ein großartiger Mensch und Fußballer. Er war auch eine treue Seele. Der Betzenberg war seine zweite Heimat, niemand konnte ihn von seinem 1. FC Kaiserslautern weglocken. Auch nicht die Verantwortlichen von Atletico Madrid, die ihm angeblich 500.000 DM Handgeld boten, wenn er einen Zweijahresvertrag unterschreiben würde. Dazu Gehalt, Prämien, ein Auto, mietfreies Wohnen – mehr ging zu dieser Zeit eigentlich nicht.

Aber Walter sagte nur: "Dehäm is dehäm." Damit war die Sache erledigt. Bis zu seinem Karriereende bestritt Walter 384 Begegnungen für den 1. FC Kaiserslautern und erzielte dabei 327 Treffer – unter anderem das Tor des Jahrhunderts 1956 im Spiel gegen Leipzig. Walter verwandelte eine Flanke mit der rechten Hacke und schoss dabei den Ball über den eigenen Kopf ins rechts Toreck des Gegners. Es war nichts anderes als ein Kunstwerk. Dieser Augenblick, diese Karriere, dieses Leben.

WM 54 gibt den Ereignissen einen Rahmen

Wie kann man für einen Kinofilm in diese riesigen Fußstapfen treten und eine Person mit solch einer Vita, mit solch einer Ausstrahlung bespielen? Und dann noch als Darsteller ohne große schauspielerische Vorerfahrung. "Ich habe mir darüber keinen großen Kopf gemacht", sagt Knut Hartwig. "Ich glaube, das hätte mir nicht geholfen. Ich bin einfach mit großer Neugier auf das Drehen und das ganze Drumherum an die Sache herangegangen. Rückblickend war das der richtige Weg."

Hinzu kam, dass "Das Wunder von Bern" ja kein reiner Fußballfilm ist und Fritz Walter nicht im Mittelpunkt der Story steht. Es ist eher ein deutsches Nachkriegsdrama über die Familie eines Kriegsheimkehrers. Die Fußball-Weltmeisterschaft 1954 gibt den Ereignissen den Rahmen. Von den Spielern nimmt eher Helmut Rahn, der Torschütze des Siegtreffers im Finale, eine Hauptrolle ein: "Aus dem Hintergrund müsste Rahn schießen – Rahn schießt – Tooooor! Tooooor! Tooooor! Tooooor!" Die Radioreportage von Herbert Zimmermann ist auch 66 Jahre danach noch Kult.

"Das war schon hohe Schauspielkunst"

Aber auch Knut Hartwig als Fritz Walter hatte einige wichtige Szenen. "Als Zimmernachbar von Helmut Rahn musste ich ihm nach einer Disziplinlosigkeit streng ins Gewissen reden. Das war schon hohe Schauspielkunst", lacht Hartwig. "Aber auch das Gespräch zwischen Fritz Walter und Sepp Herberger am Thuner See ist sicher ein Schlüsselmoment, schließlich diskutieren die beiden dort darüber, wer im weiteren Turnierverlauf auf der Rechtsaußen-Position agieren sollte. Berni Klodt, der anfangs die Nase vorn hatte, oder eben Helmut Rahn." Fußballerisch wurde Hartwig ohnehin gefordert. Dem 2:2 im Endspiel, das ebenfalls Helmut Rahn erzielte, ging eine Ecke von Fritz Walter voraus. "Es war nicht so einfach, diese Szene nachzuspielen, weil der Ball eine ganz bestimmte Flugkurve hatte und es natürlich möglichst realitätsecht aussehen sollte", sagt Hartwig. "Am Ende musste der Sascha Göpel als Helmut-Rahn-Darsteller die Vorlage auch noch per Dropkick verwandeln. Dafür hatten wir diese Aktion dann aber recht schnell im Kasten."

Die Dreharbeiten sind inzwischen 18 Jahre her. Der Film kam 2003 in die deutschen Kinos und wurde fast durchweg gelobt. Knut Hartwig hat seinen Ausflug in die Schauspielerei als tolles Erlebnis verbucht. Das wird auch deutlich, wenn er davon erzählt, wie das ganze Team gemeinsam die  Premiere in der Essener Lichtburg feierlich begangen hat. Hartwig war durchaus ein talentierter Fußballer mit einer ordentlichen Karriere. Dass er aber die DFB-Auswahl zum WM-Titel führen durfte, als Fritz Walter, als Kapitän, in einem der erfolgreichsten deutschen Filme, ist sicher sein persönliches "Wunder von Bern".