Schönweitz: "Die Arbeitsqualität hat sich deutlich gesteigert"

Für die Entwicklung der deutschen U-Nationalspieler war der geglückte Restart im Juli Gold wert. Im DFB.de-Interview blickt Meikel Schönweitz zurück und erklärt, warum. Darüber hinaus spricht der Cheftrainer der U-Nationalmannschaften über "seine Mannschaft", neue Lehrgangsinhalte und die Zusammenarbeit mit der DFB-Akademie.

DFB.de: Herr Schönweitz, das Jahr 2021 neigt sich dem Ende zu. Wie fällt Ihre Bilanz aus?

Meikel Schönweitz: Sehr gut. Wir haben die Lehrgangsausfälle 2020 genutzt und uns inhaltlich in vielen Bereichen neu aufgestellt. Davon konnten wir vieles in diesem Jahr umsetzen. Wir sind mit der U 21 Europameister geworden - und das mit einer Art und Weise, mit der sich alle Zuschauer identifizieren konnten. Auch danach kamen durch die Bank weg sehr positive Ergebnisse, und in den Pflichtspielen konnten wir unsere Ziele allesamt erreichen. Die U 17 und U 19 haben sich für die sogenannten Eliterunden im März 2022 qualifiziert, bei denen es um die Qualifikation für die Europameisterschaften 2022 geht. Die U 21 führt die Tabelle ihrer Qualifikationsgruppe nach der Hälfte aller Spiele an und hat alles noch selbst in der Hand. Insgesamt haben wir dieses Jahr 49 Spiele bestritten, von denen wir 33 gewinnen konnten und lediglich fünfmal als Verlierer den Platz verlassen mussten, bei elf Unentschieden. Das ergibt einen beachtlichen Punkteschnitt von 2,24 pro Spiel.

DFB.de: Wie wichtig sind Ihnen diese Ergebnisse?

Schönweitz: Wenn man als Fußballer auf dem Platz steht, will man gewinnen. Die Ergebnisse haben jedoch in der Entwicklung von Jugendmannschaften und auch in unserer internen Bewertung der Maßnahmen keinen Vorrang. Wichtig ist, immer wieder den Kontext der Lehrgänge zu berücksichtigen. Wir unterscheiden zwischen Lehrgängen mit Sichtungscharakter, Lehrgängen mit Perspektivkadern, Testspielen und Pflichtspielen wie bei den EM-Qualifikationen oder den EM-Turnieren selbst. Und daher legen wir viel mehr Wert auf die Art und Weise, wie die Teams aufgetreten sind.

DFB.de: Können Sie das konkretisieren?

Schönweitz: Uns war es wichtig, dass wir Mannschaften auf dem Platz haben, die sich mit dem Adler auf der Brust identifizieren, die unsere Tugenden und Werte verkörpern. Wir wollen keine Spieler, die Spielsysteme und taktische Details auswendig aufsagen können, sondern Spieler, die mitdenken, die Aufgaben lösen und sich Herausforderungen stellen können. Und wir wollten natürlich auch Schwerpunkte setzen mit Themen wie Dynamik, Präzision, wollten Aspekte des Defensivverhaltens wieder mehr gewichten. Wir wollten sehen, dass in unseren Spielern gute Typen stecken, wenn sie sich frei von allen Einflüssen auf ihre Kernaufgaben konzentrieren können. Uns ist es gelungen, die Themen zu platzieren und das aus den Spielern rauszukitzeln. Dass es immer mal wieder zu Rückschlägen kommt, ist normal und für die Entwicklung auch manchmal notwendig. Umso schöner ist es, dass wir auch viele gute Reaktionen darauf sehen konnten.

DFB.de: Wie wichtig war es, dass die Junioren im Juli wieder erste Lehrgänge durchführen konnten, und wie war das Feedback der Spieler auf die lange Pause und den Restart?

Schönweitz: Wir haben im Grunde ein komplettes Jahr ausgesetzt. In dieser Zeit sind neben den zahlreichen Lehrgängen auch vier Europameisterschaften (je zwei in der U 17 und U 19; Anm. d. Red.) ausgefallen. Diese Erfahrungen fehlen den Jungs natürlich in ihrer Entwicklung und sind nur schwer zu kompensieren. Umso erfreulicher waren für uns die ersten Lehrgänge und die Energie und Freude, mit der die Spieler den Adler auf der Brust getragen haben. Mit Blick auf die Länderspiele spielen die Jungs uns immer wieder zurück, dass sie von der Geschwindigkeit und dem Niveau der Gegner überrascht sind. Auch das Trainingsniveau sei ein anderes als im Verein. Mit unseren Lehrgängen führen wir sie an dieses Niveau heran, nehmen die Überraschung. Je mehr Lehrgänge wir haben, desto besser können wir das natürlich tun. Wichtig ist ein ausgewogenes Verhältnis zwischen der Ausbildung, also der tagtäglichen Arbeit im Verein, und der Zusatzförderung bei den Nationalmannschaften. Das haben wir im Blick und versuchen, die Lehrgänge gezielt zu dosieren.

DFB.de: Wie zufrieden sind Sie denn mit "Ihrem Team", den U-Nationaltrainern?

Schönweitz: Sehr zufrieden. Wir haben immer Luft nach oben und versuchen, uns stetig zu verbessern und weiterzuentwickeln. Das ist unser Anspruch, und das wird er auch bleiben. Aber wir haben da eine sehr gute Gruppe zusammen, die über eine hohe intrinsische Motivation verfügt, sich mit der Aufgabe identifiziert und neben den menschlichen Qualitäten einfach auch ein enormes Fachwissen mitbringt.

DFB.de: Gibt es außer den Ergebnissen noch andere Kriterien, nach denen Sie die Arbeit der Trainer bewerten?

Schönweitz: Jede Menge. Wenn ich mir ein Spiel anschaue, dann geht es beim Blick auf den Trainer nicht darum zu entscheiden, welches System oder welche Auswechslung richtig oder falsch war. Mir ist viel wichtiger, was ich auf dem Platz sehe. Ist da eine Mannschaft, die alles für ein Ziel investiert oder die auf Fehlervermeidung fokussiert ist? Steht da eine Mannschaft mit Überzeugung auf dem Feld? Sind Dynamik und Konsequenz im Spiel? Zeigen die Spieler Defensiv- und Präzisionslust? Die Letzteren hat unsere U 21 bei der EM übrigens überragend gelebt - das war die Basis für den Titel. Allesamt sind das Themen, an denen man einen Trainer messen kann. Ergebnisse sind wichtig, aber man muss sie immer im Kontext sehen, beispielsweise des Kaders oder der Art des Spiels.

DFB.de: Im Oktober ist mit Stefan Kuntz der U 21-Europameistertrainer als A-Nationaltrainer in die Türkei gewechselt. Wie konnten Sie seinen Abgang kompensieren?

Schönweitz: Stefan war ein ganz wichtiger Faktor, der der Gruppe menschlich, aber auch fachlich viel gegeben hat und zudem oft unser Sprachrohr nach außen war. Wir hätten sehr gerne mit ihm weitergearbeitet. Veränderungen sind oftmals auch Chancen, und so hatten wir die Gelegenheit, Toni Di Salvo nach vielen Jahren hervorragender Arbeit als Co-Trainer eine andere Rolle zu geben, die er seitdem auch sehr gut ausfüllt. Wir wollen nicht nur Spieler entwickeln, sondern auch Trainer. Zudem ist es uns in diesem Zug gelungen, Hermann Gerland für unsere Trainergruppe zu gewinnen. Das hat sich bereits bezahlt gemacht. Er bereichert unsere Gruppe enorm.

DFB.de: Sie sprachen zu Beginn von Neuerungen in vielen Bereichen. Können Sie das genauer erläutern?

Schönweitz: In den vergangenen Monaten wurden zahlreiche Inhalte angepasst, die Aufgabenverteilung innerhalb der Trainerteams wurde neu strukturiert, das Scouting und die Kommunikation mit den Vereinen intensiviert. Wir haben zahlreiche Maßnahmen in Angriff genommen, um den offensichtlichen Defiziten, beispielsweise den fehlenden Ausnahmespielern auf einzelnen Positionsgruppen wie Mittelstürmer oder Verteidiger, entgegenzuwirken. Die Festanstellung und dadurch intensivere Einbindung der Co-Trainer hat sich bemerkbar gemacht und die Arbeitsqualität deutlich gesteigert. Wir können nun noch näher an unseren Spielern dran sein.

DFB.de: Können Sie Beispiele für die angepassten Inhalte geben?

Schönweitz: Es ist immer wieder die Rede von fehlenden Stürmern oder Verteidigern in Deutschland. Also haben wir uns gefragt, was wir dagegen tun können. So sind die positionsspezifischen Programme entstanden, die wir in den Lehrgängen anwenden, aber auch allen weiteren Gruppen im deutschen Fußballsystem vermitteln, die mit den Spielern arbeiten. Es geht dabei nicht nur darum, "was" vermittelt wird, sondern auch "wie". Wir haben nicht nur die Zusammenstellung der Trainerteams angepasst, sondern auch die Arbeit auf dem Feld. Eines der wichtigsten Themen war dabei die Ressourcennutzung: Wenn nur der Cheftrainer oder ein einzelner Co-Trainer eine Übungseinheit mit 20 Spielern coacht, dann ist das Coachingverhältnis 20-zu-1. Wenn die Trainer aber bestimmte Aufgaben verteilen, beispielsweise Offensive und Defensive, dann wird das Verhältnis immer kleiner, und so erhalten mehr Spieler gezieltere und individuellere Rückmeldungen. Das geht allerdings nur, wenn eine vertrauensvolle Kultur im Trainerteam herrscht und das Training vorher gut geplant wurde. Hier haben wir zuletzt viel Zeit investiert und uns enorm weiterentwickelt.

DFB.de: Wo sehen Sie weiterhin Handlungsbedarf?

Schönweitz: Wir konnten den Talentpool durch viele Maßnahmen bei den U-Nationalmannschaften in diesem Jahr etwas besser ausschöpfen. Dennoch ist insgesamt noch einiges zu tun im Nachwuchsfußball, um national und international den Ansprüchen gerecht zu werden und das Potenzial optimal zu nutzen. Dabei ist zu bedenken, dass die Ausbildung der Spieler in den Vereinen stattfindet und die Nationalmannschaften eine Fortbildung beziehungsweise Eliteförderung darstellen. Wir müssen also Hand in Hand arbeiten, wenn wir die gemeinsamen Ziele erreichen wollen. Da sind wir auf vielen Ebenen auf einem sehr guten Weg. Mangelnde Qualität in Spitze und Breite sind auf einigen Positionen jahrgangsübergreifend weiterhin deutlich erkennbar. Hier werden wir unsere positionsspezifischen Programme und unsere Projekte nicht nur weiter bei den U-Teams anwenden, sondern versuchen, sie auch weiter vermehrt in die Multiplikatorengruppen zu vermitteln. Allein werden wir die Ziele nicht erreichen, denn die Einflussfaktoren sind sehr vielfältig. Hier sind wir weiter in intensivem Austausch mit Gruppen und Personen, die auf die Spieler wirken.

DFB.de: Stichwort "intensiver Austausch". Worin zeigt sich konkret die enge Verzahnung der U-Teams mit der DFB-Akademie?

Schönweitz: Mithilfe der DFB-Akademie ist es uns gelungen, unseren Performancebereich neu aufzustellen und zu erweitern. Neben den seit Jahren üblichen Expert*innen aus den Bereichen Fitness, Physiotherapie, Medizin und Ernährung widmen wir uns nun verstärkt auch weiteren Themen, zum Beispiel der Neuroathletik. Mit Jan-Ingwer Callsen-Bracker begleitet ein absoluter Experte auf diesem Fachgebiet unsere Spieler. Zudem haben wir das Thema "Schlaf" aufgegriffen und sehen hier Potenziale, das Niveau der Jungs weiter zu heben. Neben dem Performance Center profitieren wir auch von unseren Kolleg*innen im Intelligence Center. Dort beschäftigen sie sich vorrangig mit Zahlen und Daten, die zum Beispiel in die Erstellung unserer positionsspezifischen Programme eingeflossen sind. Durch den stetigen Blick über den Tellerrand hinaus und unseren engen Austausch liefert uns die DFB-Akademie immer wieder spannende Impulse.

DFB.de: Wie geht es 2022 für Sie und die U-Teams weiter?

Schönweitz: Sportliche Ziele gibt es ausreichend. Mit der U 21, U 19 und U 17 wollen wir uns für die jeweiligen Europameisterschaften qualifizieren. Inhaltlich sehen wir uns auf einem guten Weg. Der Austausch mit der A-Nationalmannschaft ist durch die Rückkehr von Hansi Flick noch intensiver. Auch das wird uns weiter voranbringen. Wir wollen als U-Nationaltrainer nicht nur für die eigenen Mannschaften zuständig sein, sondern auch als Kompetenz- und Informationsquelle für das ganze System dienen. So waren die Trainer bereits 2021 regelmäßig in Vereinen, aber auch in DFB-Stützpunkten oder Verbänden vor Ort und arbeiten intensiv an verschiedenen Projekten, die dem Leistungs- sowie dem Amateurbereich zugutekommen sollen.

DFB.de: Welche Rolle spielte Corona, und welche wird die Pandemie 2022 spielen?

Schönweitz: Wir hatten sehr strenge Hygienevorschriften und sind damit bis auf wenige Ausnahmen auch von Coronafällen verschont geblieben. Aktuell beobachten wir natürlich auch die Coronasituation und passen unsere Hygienevorschriften weiter an. Um die kommenden Lehrgänge durchführen zu können, werden wir daher von 3G auf 2G+ umsteigen. Viele Länder sehen dies unter anderem auch als Grundvoraussetzung, damit wir überhaupt einreisen dürfen.

[ps/jf]

Für die Entwicklung der deutschen U-Nationalspieler war der geglückte Restart im Juli Gold wert. Im DFB.de-Interview blickt Meikel Schönweitz zurück und erklärt, warum. Darüber hinaus spricht der Cheftrainer der U-Nationalmannschaften über "seine Mannschaft", neue Lehrgangsinhalte und die Zusammenarbeit mit der DFB-Akademie.

DFB.de: Herr Schönweitz, das Jahr 2021 neigt sich dem Ende zu. Wie fällt Ihre Bilanz aus?

Meikel Schönweitz: Sehr gut. Wir haben die Lehrgangsausfälle 2020 genutzt und uns inhaltlich in vielen Bereichen neu aufgestellt. Davon konnten wir vieles in diesem Jahr umsetzen. Wir sind mit der U 21 Europameister geworden - und das mit einer Art und Weise, mit der sich alle Zuschauer identifizieren konnten. Auch danach kamen durch die Bank weg sehr positive Ergebnisse, und in den Pflichtspielen konnten wir unsere Ziele allesamt erreichen. Die U 17 und U 19 haben sich für die sogenannten Eliterunden im März 2022 qualifiziert, bei denen es um die Qualifikation für die Europameisterschaften 2022 geht. Die U 21 führt die Tabelle ihrer Qualifikationsgruppe nach der Hälfte aller Spiele an und hat alles noch selbst in der Hand. Insgesamt haben wir dieses Jahr 49 Spiele bestritten, von denen wir 33 gewinnen konnten und lediglich fünfmal als Verlierer den Platz verlassen mussten, bei elf Unentschieden. Das ergibt einen beachtlichen Punkteschnitt von 2,24 pro Spiel.

DFB.de: Wie wichtig sind Ihnen diese Ergebnisse?

Schönweitz: Wenn man als Fußballer auf dem Platz steht, will man gewinnen. Die Ergebnisse haben jedoch in der Entwicklung von Jugendmannschaften und auch in unserer internen Bewertung der Maßnahmen keinen Vorrang. Wichtig ist, immer wieder den Kontext der Lehrgänge zu berücksichtigen. Wir unterscheiden zwischen Lehrgängen mit Sichtungscharakter, Lehrgängen mit Perspektivkadern, Testspielen und Pflichtspielen wie bei den EM-Qualifikationen oder den EM-Turnieren selbst. Und daher legen wir viel mehr Wert auf die Art und Weise, wie die Teams aufgetreten sind.

DFB.de: Können Sie das konkretisieren?

Schönweitz: Uns war es wichtig, dass wir Mannschaften auf dem Platz haben, die sich mit dem Adler auf der Brust identifizieren, die unsere Tugenden und Werte verkörpern. Wir wollen keine Spieler, die Spielsysteme und taktische Details auswendig aufsagen können, sondern Spieler, die mitdenken, die Aufgaben lösen und sich Herausforderungen stellen können. Und wir wollten natürlich auch Schwerpunkte setzen mit Themen wie Dynamik, Präzision, wollten Aspekte des Defensivverhaltens wieder mehr gewichten. Wir wollten sehen, dass in unseren Spielern gute Typen stecken, wenn sie sich frei von allen Einflüssen auf ihre Kernaufgaben konzentrieren können. Uns ist es gelungen, die Themen zu platzieren und das aus den Spielern rauszukitzeln. Dass es immer mal wieder zu Rückschlägen kommt, ist normal und für die Entwicklung auch manchmal notwendig. Umso schöner ist es, dass wir auch viele gute Reaktionen darauf sehen konnten.

DFB.de: Wie wichtig war es, dass die Junioren im Juli wieder erste Lehrgänge durchführen konnten, und wie war das Feedback der Spieler auf die lange Pause und den Restart?

Schönweitz: Wir haben im Grunde ein komplettes Jahr ausgesetzt. In dieser Zeit sind neben den zahlreichen Lehrgängen auch vier Europameisterschaften (je zwei in der U 17 und U 19; Anm. d. Red.) ausgefallen. Diese Erfahrungen fehlen den Jungs natürlich in ihrer Entwicklung und sind nur schwer zu kompensieren. Umso erfreulicher waren für uns die ersten Lehrgänge und die Energie und Freude, mit der die Spieler den Adler auf der Brust getragen haben. Mit Blick auf die Länderspiele spielen die Jungs uns immer wieder zurück, dass sie von der Geschwindigkeit und dem Niveau der Gegner überrascht sind. Auch das Trainingsniveau sei ein anderes als im Verein. Mit unseren Lehrgängen führen wir sie an dieses Niveau heran, nehmen die Überraschung. Je mehr Lehrgänge wir haben, desto besser können wir das natürlich tun. Wichtig ist ein ausgewogenes Verhältnis zwischen der Ausbildung, also der tagtäglichen Arbeit im Verein, und der Zusatzförderung bei den Nationalmannschaften. Das haben wir im Blick und versuchen, die Lehrgänge gezielt zu dosieren.

DFB.de: Wie zufrieden sind Sie denn mit "Ihrem Team", den U-Nationaltrainern?

Schönweitz: Sehr zufrieden. Wir haben immer Luft nach oben und versuchen, uns stetig zu verbessern und weiterzuentwickeln. Das ist unser Anspruch, und das wird er auch bleiben. Aber wir haben da eine sehr gute Gruppe zusammen, die über eine hohe intrinsische Motivation verfügt, sich mit der Aufgabe identifiziert und neben den menschlichen Qualitäten einfach auch ein enormes Fachwissen mitbringt.

DFB.de: Gibt es außer den Ergebnissen noch andere Kriterien, nach denen Sie die Arbeit der Trainer bewerten?

Schönweitz: Jede Menge. Wenn ich mir ein Spiel anschaue, dann geht es beim Blick auf den Trainer nicht darum zu entscheiden, welches System oder welche Auswechslung richtig oder falsch war. Mir ist viel wichtiger, was ich auf dem Platz sehe. Ist da eine Mannschaft, die alles für ein Ziel investiert oder die auf Fehlervermeidung fokussiert ist? Steht da eine Mannschaft mit Überzeugung auf dem Feld? Sind Dynamik und Konsequenz im Spiel? Zeigen die Spieler Defensiv- und Präzisionslust? Die Letzteren hat unsere U 21 bei der EM übrigens überragend gelebt - das war die Basis für den Titel. Allesamt sind das Themen, an denen man einen Trainer messen kann. Ergebnisse sind wichtig, aber man muss sie immer im Kontext sehen, beispielsweise des Kaders oder der Art des Spiels.

DFB.de: Im Oktober ist mit Stefan Kuntz der U 21-Europameistertrainer als A-Nationaltrainer in die Türkei gewechselt. Wie konnten Sie seinen Abgang kompensieren?

Schönweitz: Stefan war ein ganz wichtiger Faktor, der der Gruppe menschlich, aber auch fachlich viel gegeben hat und zudem oft unser Sprachrohr nach außen war. Wir hätten sehr gerne mit ihm weitergearbeitet. Veränderungen sind oftmals auch Chancen, und so hatten wir die Gelegenheit, Toni Di Salvo nach vielen Jahren hervorragender Arbeit als Co-Trainer eine andere Rolle zu geben, die er seitdem auch sehr gut ausfüllt. Wir wollen nicht nur Spieler entwickeln, sondern auch Trainer. Zudem ist es uns in diesem Zug gelungen, Hermann Gerland für unsere Trainergruppe zu gewinnen. Das hat sich bereits bezahlt gemacht. Er bereichert unsere Gruppe enorm.

DFB.de: Sie sprachen zu Beginn von Neuerungen in vielen Bereichen. Können Sie das genauer erläutern?

Schönweitz: In den vergangenen Monaten wurden zahlreiche Inhalte angepasst, die Aufgabenverteilung innerhalb der Trainerteams wurde neu strukturiert, das Scouting und die Kommunikation mit den Vereinen intensiviert. Wir haben zahlreiche Maßnahmen in Angriff genommen, um den offensichtlichen Defiziten, beispielsweise den fehlenden Ausnahmespielern auf einzelnen Positionsgruppen wie Mittelstürmer oder Verteidiger, entgegenzuwirken. Die Festanstellung und dadurch intensivere Einbindung der Co-Trainer hat sich bemerkbar gemacht und die Arbeitsqualität deutlich gesteigert. Wir können nun noch näher an unseren Spielern dran sein.

DFB.de: Können Sie Beispiele für die angepassten Inhalte geben?

Schönweitz: Es ist immer wieder die Rede von fehlenden Stürmern oder Verteidigern in Deutschland. Also haben wir uns gefragt, was wir dagegen tun können. So sind die positionsspezifischen Programme entstanden, die wir in den Lehrgängen anwenden, aber auch allen weiteren Gruppen im deutschen Fußballsystem vermitteln, die mit den Spielern arbeiten. Es geht dabei nicht nur darum, "was" vermittelt wird, sondern auch "wie". Wir haben nicht nur die Zusammenstellung der Trainerteams angepasst, sondern auch die Arbeit auf dem Feld. Eines der wichtigsten Themen war dabei die Ressourcennutzung: Wenn nur der Cheftrainer oder ein einzelner Co-Trainer eine Übungseinheit mit 20 Spielern coacht, dann ist das Coachingverhältnis 20-zu-1. Wenn die Trainer aber bestimmte Aufgaben verteilen, beispielsweise Offensive und Defensive, dann wird das Verhältnis immer kleiner, und so erhalten mehr Spieler gezieltere und individuellere Rückmeldungen. Das geht allerdings nur, wenn eine vertrauensvolle Kultur im Trainerteam herrscht und das Training vorher gut geplant wurde. Hier haben wir zuletzt viel Zeit investiert und uns enorm weiterentwickelt.

DFB.de: Wo sehen Sie weiterhin Handlungsbedarf?

Schönweitz: Wir konnten den Talentpool durch viele Maßnahmen bei den U-Nationalmannschaften in diesem Jahr etwas besser ausschöpfen. Dennoch ist insgesamt noch einiges zu tun im Nachwuchsfußball, um national und international den Ansprüchen gerecht zu werden und das Potenzial optimal zu nutzen. Dabei ist zu bedenken, dass die Ausbildung der Spieler in den Vereinen stattfindet und die Nationalmannschaften eine Fortbildung beziehungsweise Eliteförderung darstellen. Wir müssen also Hand in Hand arbeiten, wenn wir die gemeinsamen Ziele erreichen wollen. Da sind wir auf vielen Ebenen auf einem sehr guten Weg. Mangelnde Qualität in Spitze und Breite sind auf einigen Positionen jahrgangsübergreifend weiterhin deutlich erkennbar. Hier werden wir unsere positionsspezifischen Programme und unsere Projekte nicht nur weiter bei den U-Teams anwenden, sondern versuchen, sie auch weiter vermehrt in die Multiplikatorengruppen zu vermitteln. Allein werden wir die Ziele nicht erreichen, denn die Einflussfaktoren sind sehr vielfältig. Hier sind wir weiter in intensivem Austausch mit Gruppen und Personen, die auf die Spieler wirken.

DFB.de: Stichwort "intensiver Austausch". Worin zeigt sich konkret die enge Verzahnung der U-Teams mit der DFB-Akademie?

Schönweitz: Mithilfe der DFB-Akademie ist es uns gelungen, unseren Performancebereich neu aufzustellen und zu erweitern. Neben den seit Jahren üblichen Expert*innen aus den Bereichen Fitness, Physiotherapie, Medizin und Ernährung widmen wir uns nun verstärkt auch weiteren Themen, zum Beispiel der Neuroathletik. Mit Jan-Ingwer Callsen-Bracker begleitet ein absoluter Experte auf diesem Fachgebiet unsere Spieler. Zudem haben wir das Thema "Schlaf" aufgegriffen und sehen hier Potenziale, das Niveau der Jungs weiter zu heben. Neben dem Performance Center profitieren wir auch von unseren Kolleg*innen im Intelligence Center. Dort beschäftigen sie sich vorrangig mit Zahlen und Daten, die zum Beispiel in die Erstellung unserer positionsspezifischen Programme eingeflossen sind. Durch den stetigen Blick über den Tellerrand hinaus und unseren engen Austausch liefert uns die DFB-Akademie immer wieder spannende Impulse.

DFB.de: Wie geht es 2022 für Sie und die U-Teams weiter?

Schönweitz: Sportliche Ziele gibt es ausreichend. Mit der U 21, U 19 und U 17 wollen wir uns für die jeweiligen Europameisterschaften qualifizieren. Inhaltlich sehen wir uns auf einem guten Weg. Der Austausch mit der A-Nationalmannschaft ist durch die Rückkehr von Hansi Flick noch intensiver. Auch das wird uns weiter voranbringen. Wir wollen als U-Nationaltrainer nicht nur für die eigenen Mannschaften zuständig sein, sondern auch als Kompetenz- und Informationsquelle für das ganze System dienen. So waren die Trainer bereits 2021 regelmäßig in Vereinen, aber auch in DFB-Stützpunkten oder Verbänden vor Ort und arbeiten intensiv an verschiedenen Projekten, die dem Leistungs- sowie dem Amateurbereich zugutekommen sollen.

DFB.de: Welche Rolle spielte Corona, und welche wird die Pandemie 2022 spielen?

Schönweitz: Wir hatten sehr strenge Hygienevorschriften und sind damit bis auf wenige Ausnahmen auch von Coronafällen verschont geblieben. Aktuell beobachten wir natürlich auch die Coronasituation und passen unsere Hygienevorschriften weiter an. Um die kommenden Lehrgänge durchführen zu können, werden wir daher von 3G auf 2G+ umsteigen. Viele Länder sehen dies unter anderem auch als Grundvoraussetzung, damit wir überhaupt einreisen dürfen.

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