Hirte über Talentförderung: "Individuellen Entwicklungsverläufen gerecht werden"

Neue Kolumne auf DFB.de: Sportliche Leitung und Trainer vermitteln Hintergründe rund um den DFB-Nachwuchs und die DFB-Teams. Regelmäßig, authentisch und mit aktuellem Bezug. Heute in Folge sieben: Markus Hirte ist Sportlicher Leiter Talentförderung beim DFB. Was versteht man unter der DFB-Talentförderung? Woraus setzt sich der Aufgabenbereich zusammen und wie sieht sein Tagesablauf aus? Fragen, die ihm immer wieder gestellt werden. Hier finden Sie Antworten.

Hauptaufgabe des DFB in der Talentförderung ist es, eine schlüssige und nachhaltige Konzeption zu entwickeln. Was der DFB direkt beeinflussen kann, sind im Wesentlichen zwei Bereiche:

  • Die U-Nationalmannschaften, die die aktuelle Leistungsfähigkeit des deutschen Fußballs in der jeweiligen Altersklasse darstellen und Erfahrungswerte auf höchstem Niveau bieten.

  • Und das Talentförderprogramm, durch das der DFB einen direkten Einfluss auf die Gestaltung der Trainingsinhalte und die Ausrichtung der Talentförderung hat.

Der Einfluss auf die anderen Bereiche und Institutionen der Talentförderung sind eher mittelbar. Die Landesverbände, Bezirke, Kreise und vor allem die Vereine sind in der Talentförderung entscheidend und haben ein hohes Maß an Eigenständigkeit. Hier ist die Aufgabe des DFB, bei der Umsetzung von gemeinsam erarbeiteten Konzeptionen zu unterstützen. Dies betrifft zum Beispiel die Qualifizierung und Trainerausbildung bis zur B-Lizenz sowie die Wettbewerbsstrukturen in den Landes- und Regionalverbänden.

DFB und DFL schaffen Rahmenbedingungen

Gemeinsam mit der DFL schafft der DFB Rahmenbedingungen für die Leistungszentren: So werden die Kriterien festgelegt, die die Leistungszentren erfüllen müssen, wie zum Beispiel Qualitätsstandards. Dazu organisiert der DFB Fortbildungen für alle wichtigen Aufgaben und Personen in der Talentförderung, wie Trainer, Torwarttrainer, Athletiktrainer, Pädagogen oder Spiel-Analysten. Hier kann der DFB entscheidende Impulse setzen. In diesen Bereich fallen auch die Eliteschulen des Fußballs, die stets in Kooperation mit den Leistungszentren agieren.

Die DFB-Abteilung Talentförderung setzt sich aus den Bereichen Talentförderprogramm, Leistungszentren und Eliteschulen des Fußballs zusammen. Darüber hinaus gibt es Schnittstellen zu den U-Nationalmannschaften, den Landesverbänden und der Trainerausbildung.

Auch wenn Besuche der Eliteschulen und der Leistungszentren regelmäßig anfallen, gibt es keine "Standard-Arbeitswoche". Sie richtet sich immer nach aktuellen Terminen und Arbeitsschwerpunkten. Die unterschiedlichen, bundeslandspezifischen Bedingungen für die Schulen machen das Feld rund um die Eliteschulen sehr abwechslungsreich.

Ziel ist es, die Anforderungen des Leistungssports inklusive des zusätzlichen Trainingsaufwandes und Ausfallzeiten durch Vereins-, Landesverbands- oder DFB-Maßnahmen mit dem bestmöglichen Schulabschluss für die Spieler/innen zu ermöglichen. Dabei steht der Dialog mit den Schulverantwortlichen, den sportlichen Leitern der Leistungszentren und den Trainern im Mittelpunkt. Zusammen werden die Rahmenbedingungen sowie die konzeptionelle und inhaltliche Gestaltung des Schultrainings organisiert.

Tagungen und Fortbildungen weiterer Schwerpunkt

Ein weiterer Schwerpunkt der Arbeit ist die Organisation von Tagungen und Fortbildungen mit den administrativen und sportlichen Leitern, den Trainern und Spezialisten der Leistungszentren. So kamen in den vergangenen Wochen zum Beispiel alle U 14- bis U 19-Trainer der Leistungszentren in Dortmund und Hannover zusammen. Schwerpunktthema und roter Faden der Tagungen waren die Fragen:

  • Wie kann der deutsche Fußball wieder mehr initiative und kreative Spieler entwickeln und fördern?

  • Wie können wir eigenständige Entscheidungen auf und neben dem Platz provozieren?

Seit gut einem Jahr gibt es ein geschlossenes Online-Portal für die Stützpunkttrainer und seit dem 1. September 2018 ein weiteres für die Leistungszentren. Dies ermöglicht es dem DFB, auf unterschiedliche Zielgruppen zugeschnittene Informationen schnell und dauerhaft verfügbar zu machen. Die konzeptionelle und inhaltliche Arbeit übernimmt eine Arbeitsgruppe und ein Redaktionsteam, die sich regelmäßig austauschen.

Das ist nur ein Beispiel für die vielen Dialoge zwischen den an der Talentförderung beteiligten Institutionen, die in vielen Arbeits- und Projektgruppen ablaufen. Eine weitere beschäftigt sich aktuell mit der Situation im Kinderfußball.

Austausch mit den U-Trainern des DFB

Intensiv ist auch der interne Austausch mit den Trainern der U-Nationalmannschaften. In Lehrgängen, Spielen und Turnieren (Europa- und Weltmeisterschaften) werden Erkenntnisse über internationale Standards und Leistungsentwicklungen gewonnen. Daraus ergeben sich dann wiederum Konsequenzen für die Arbeit in den verschiedenen Bereichen der Talentförderung.

Ein Schwerpunkt in der Talentförderung liegt darin, sich auch auf die im Jahresverlauf spät geborenen (Relative Age Effect) Spieler oder Spätentwickler zu konzentrieren. Ihr Talent wurde in der Vergangenheit leider teilweise verkannt und nicht entsprechend gefördert, da die Spieleffektivität im Jugendalter in sehr hohem Maße von der körperlichen Entwicklung abhängt. Ein Spieler, der größer und kräftiger ist, hat in puncto Schnelligkeit, Schusskraft und Zweikampfverhalten erhebliche Vorteile und somit eine größere Spieleffektivität.

Dies führte dazu, dass talentierte, aber körperlich schwächere Spieler oft weniger oder gar nicht zum Einsatz kamen und sich so auch schlechter weiterentwickeln konnten. Im Talentförderprogramm steigern wir die Wahrnehmung der Stützpunkttrainer durch Statistiken über die Verteilung der Geburtsmonate im jeweiligen Stützpunkt. Dazu werden detaillierte Sichtungskriterien, die vor allem Talentmerkmale berücksichtigen, die weniger abhängig von körperlichen Entwicklungen sind, etabliert. Hier stehen vor allem koordinative und technische Fertigkeiten, aber auch Spielwitz mit überraschenden individuellen Lösungen, im Mittelpunkt.

Perspektivteams bei Sichtungsturnieren im Einsatz

Auch im Rahmen der U-Nationalmannschaften finden solche Spätgeborenen und Spätentwickler Berücksichtigung. Es gibt spezielle Lehrgänge, zum Teil auch mit Länderspielen, für die sogenannten "Perspektivteams". In der vergangenen Woche begleiteten Damir Dugandzic, Sportlicher Leiter des Talentförderprogramms und ich das U 19-Perspektivteam als Trainer durch das U 18-Sichtungsturnier in Duisburg. Eine gute Gelegenheit für die Spieler, auf sich aufmerksam zu machen, sich näher an den Kreis der aktuellen U-Nationalspieler "heranzuspielen" und wichtige Erfahrungen zu sammeln.

All das zeigt das wichtigste Ziel der Talentförderung: nämlich für jedes Talent unterschiedliche, individuelle Entwicklungen und Karrierewege offenzuhalten, um den jeweiligen Entwicklungsverläufen unserer Talente gerecht zu werden.

[Markus Hirte]

Neue Kolumne auf DFB.de: Sportliche Leitung und Trainer vermitteln Hintergründe rund um den DFB-Nachwuchs und die DFB-Teams. Regelmäßig, authentisch und mit aktuellem Bezug. Heute in Folge sieben: Markus Hirte ist Sportlicher Leiter Talentförderung beim DFB. Was versteht man unter der DFB-Talentförderung? Woraus setzt sich der Aufgabenbereich zusammen und wie sieht sein Tagesablauf aus? Fragen, die ihm immer wieder gestellt werden. Hier finden Sie Antworten.

Hauptaufgabe des DFB in der Talentförderung ist es, eine schlüssige und nachhaltige Konzeption zu entwickeln. Was der DFB direkt beeinflussen kann, sind im Wesentlichen zwei Bereiche:

  • Die U-Nationalmannschaften, die die aktuelle Leistungsfähigkeit des deutschen Fußballs in der jeweiligen Altersklasse darstellen und Erfahrungswerte auf höchstem Niveau bieten.

  • Und das Talentförderprogramm, durch das der DFB einen direkten Einfluss auf die Gestaltung der Trainingsinhalte und die Ausrichtung der Talentförderung hat.

Der Einfluss auf die anderen Bereiche und Institutionen der Talentförderung sind eher mittelbar. Die Landesverbände, Bezirke, Kreise und vor allem die Vereine sind in der Talentförderung entscheidend und haben ein hohes Maß an Eigenständigkeit. Hier ist die Aufgabe des DFB, bei der Umsetzung von gemeinsam erarbeiteten Konzeptionen zu unterstützen. Dies betrifft zum Beispiel die Qualifizierung und Trainerausbildung bis zur B-Lizenz sowie die Wettbewerbsstrukturen in den Landes- und Regionalverbänden.

DFB und DFL schaffen Rahmenbedingungen

Gemeinsam mit der DFL schafft der DFB Rahmenbedingungen für die Leistungszentren: So werden die Kriterien festgelegt, die die Leistungszentren erfüllen müssen, wie zum Beispiel Qualitätsstandards. Dazu organisiert der DFB Fortbildungen für alle wichtigen Aufgaben und Personen in der Talentförderung, wie Trainer, Torwarttrainer, Athletiktrainer, Pädagogen oder Spiel-Analysten. Hier kann der DFB entscheidende Impulse setzen. In diesen Bereich fallen auch die Eliteschulen des Fußballs, die stets in Kooperation mit den Leistungszentren agieren.

Die DFB-Abteilung Talentförderung setzt sich aus den Bereichen Talentförderprogramm, Leistungszentren und Eliteschulen des Fußballs zusammen. Darüber hinaus gibt es Schnittstellen zu den U-Nationalmannschaften, den Landesverbänden und der Trainerausbildung.

Auch wenn Besuche der Eliteschulen und der Leistungszentren regelmäßig anfallen, gibt es keine "Standard-Arbeitswoche". Sie richtet sich immer nach aktuellen Terminen und Arbeitsschwerpunkten. Die unterschiedlichen, bundeslandspezifischen Bedingungen für die Schulen machen das Feld rund um die Eliteschulen sehr abwechslungsreich.

Ziel ist es, die Anforderungen des Leistungssports inklusive des zusätzlichen Trainingsaufwandes und Ausfallzeiten durch Vereins-, Landesverbands- oder DFB-Maßnahmen mit dem bestmöglichen Schulabschluss für die Spieler/innen zu ermöglichen. Dabei steht der Dialog mit den Schulverantwortlichen, den sportlichen Leitern der Leistungszentren und den Trainern im Mittelpunkt. Zusammen werden die Rahmenbedingungen sowie die konzeptionelle und inhaltliche Gestaltung des Schultrainings organisiert.

Tagungen und Fortbildungen weiterer Schwerpunkt

Ein weiterer Schwerpunkt der Arbeit ist die Organisation von Tagungen und Fortbildungen mit den administrativen und sportlichen Leitern, den Trainern und Spezialisten der Leistungszentren. So kamen in den vergangenen Wochen zum Beispiel alle U 14- bis U 19-Trainer der Leistungszentren in Dortmund und Hannover zusammen. Schwerpunktthema und roter Faden der Tagungen waren die Fragen:

  • Wie kann der deutsche Fußball wieder mehr initiative und kreative Spieler entwickeln und fördern?

  • Wie können wir eigenständige Entscheidungen auf und neben dem Platz provozieren?

Seit gut einem Jahr gibt es ein geschlossenes Online-Portal für die Stützpunkttrainer und seit dem 1. September 2018 ein weiteres für die Leistungszentren. Dies ermöglicht es dem DFB, auf unterschiedliche Zielgruppen zugeschnittene Informationen schnell und dauerhaft verfügbar zu machen. Die konzeptionelle und inhaltliche Arbeit übernimmt eine Arbeitsgruppe und ein Redaktionsteam, die sich regelmäßig austauschen.

Das ist nur ein Beispiel für die vielen Dialoge zwischen den an der Talentförderung beteiligten Institutionen, die in vielen Arbeits- und Projektgruppen ablaufen. Eine weitere beschäftigt sich aktuell mit der Situation im Kinderfußball.

Austausch mit den U-Trainern des DFB

Intensiv ist auch der interne Austausch mit den Trainern der U-Nationalmannschaften. In Lehrgängen, Spielen und Turnieren (Europa- und Weltmeisterschaften) werden Erkenntnisse über internationale Standards und Leistungsentwicklungen gewonnen. Daraus ergeben sich dann wiederum Konsequenzen für die Arbeit in den verschiedenen Bereichen der Talentförderung.

Ein Schwerpunkt in der Talentförderung liegt darin, sich auch auf die im Jahresverlauf spät geborenen (Relative Age Effect) Spieler oder Spätentwickler zu konzentrieren. Ihr Talent wurde in der Vergangenheit leider teilweise verkannt und nicht entsprechend gefördert, da die Spieleffektivität im Jugendalter in sehr hohem Maße von der körperlichen Entwicklung abhängt. Ein Spieler, der größer und kräftiger ist, hat in puncto Schnelligkeit, Schusskraft und Zweikampfverhalten erhebliche Vorteile und somit eine größere Spieleffektivität.

Dies führte dazu, dass talentierte, aber körperlich schwächere Spieler oft weniger oder gar nicht zum Einsatz kamen und sich so auch schlechter weiterentwickeln konnten. Im Talentförderprogramm steigern wir die Wahrnehmung der Stützpunkttrainer durch Statistiken über die Verteilung der Geburtsmonate im jeweiligen Stützpunkt. Dazu werden detaillierte Sichtungskriterien, die vor allem Talentmerkmale berücksichtigen, die weniger abhängig von körperlichen Entwicklungen sind, etabliert. Hier stehen vor allem koordinative und technische Fertigkeiten, aber auch Spielwitz mit überraschenden individuellen Lösungen, im Mittelpunkt.

Perspektivteams bei Sichtungsturnieren im Einsatz

Auch im Rahmen der U-Nationalmannschaften finden solche Spätgeborenen und Spätentwickler Berücksichtigung. Es gibt spezielle Lehrgänge, zum Teil auch mit Länderspielen, für die sogenannten "Perspektivteams". In der vergangenen Woche begleiteten Damir Dugandzic, Sportlicher Leiter des Talentförderprogramms und ich das U 19-Perspektivteam als Trainer durch das U 18-Sichtungsturnier in Duisburg. Eine gute Gelegenheit für die Spieler, auf sich aufmerksam zu machen, sich näher an den Kreis der aktuellen U-Nationalspieler "heranzuspielen" und wichtige Erfahrungen zu sammeln.

All das zeigt das wichtigste Ziel der Talentförderung: nämlich für jedes Talent unterschiedliche, individuelle Entwicklungen und Karrierewege offenzuhalten, um den jeweiligen Entwicklungsverläufen unserer Talente gerecht zu werden.

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