Nopp: Allzeit bereit, das Tor zu verteidigen

Experten-Kolumne auf DFB.de: Sportliche Leitung und Trainer vermitteln Hintergründe rund um den DFB-Nachwuchs und die DFB-Teams. Regelmäßig, authentisch und mit aktuellem Bezug. Heute: Dr. Stephan NoppSpielanalyst der A-Nationalmannschaften, beschäftigt sich mit der defensiven Leitlinie: "Je näher zum Tor, desto näher am Gegenspieler sein."

Um das eigene Tor zu verteidigen, muss man als Spieler die optimale Position zwischen Gegner, Ball und eigenem Tor finden. Was so einfach und logisch klingt, ist dennoch aus Sicht der Defensive häufig (und unnötigerweise) der Grund für Gegentore. Der DFB hat in seiner Spielauffassung dieses elementare Verhalten unter anderem in der Leitlinie "Je näher zum Tor, desto näher am Gegenspieler sein" zusammengefasst.

Raumdeckung entbindet nicht von Mannorientierung

Die Entwicklung hin zum raumorientierten Deckungsverhalten war ein Meilenstein in der Evolution des Fußballspiels. Dennoch gab es damals vieler Skeptiker. Die größte Herausforderung sahen viele darin, die eindeutige Zuständigkeit zu einem Gegenspieler nicht zu verlieren und Räume aufgrund fehlender Automatismen zwischen Mitspielern nicht freizugeben. Wie wir rückblickend wissen, waren diese Befürchtungen im Vergleich zu den Vorteilen der raumorientierten Verteidigung unbegründet. Dennoch liegt darin im heutigen Spiel eine Problematik, die häufig zu Gegentoren führt. Klar ist, dass Raum- nicht von Mannorientierung entbindet. Insbesondere wird dies relevant, je näher am eigenen Tor verteidigt wird. So ist der Ausspruch, ab Strafraumgrenze werde Manndeckung in der Defensive gespielt, allseits bekannt.

Hintergrund: Je kürzer die Distanz des Angreifers zum Tor ist, desto geringer ist meist die Anzahl derer, die das Tor noch verteidigen können und desto weniger Zeit hat der Verteidiger, den Angreifer am Schuss zu hindern. Wenn ein Innenverteidiger im Spielaufbau den Ball führt, dann sind idealerweise alle elf Spieler der Defensive zwischen Gegner, Ball und Tor. Damit ist zum einen die Anzahl der Spieler groß, die das Tor verteidigen können und zum anderen die Reaktionszeit für die notwendigen Handlungen aufgrund der Entfernung vergleichsweise lang. Hat aber im Gegenzug der gegnerische Stürmer in der Abwehrreihe der Defensive den Ball, ist hier sowohl die Anzahl der Abwehrmöglichkeiten als auch das Zeitfenster geringer. Konsequenz: Je näher zum Tor desto näher am Gegenspieler sein.

Der absolute Wille, das Tor zu verteidigen

In der Theorie nachvollziehbar, ist es in der Praxis trotz nummerischer Überzahl mehr Wunsch als Realität. Ohne wissenschaftliche Belege, dennoch auf Basis langjähriger Beobachtungen, ist das (Fehl-) Verhalten gerade im eigenen Strafraum immer wieder folgenschwer. Spieler orientieren sich auch in gefährlichen Räumen vor dem eigenen Tor vermehrt Richtung Ball, statt sich auf den möglichen Passempfänger und Schützen zu fokussieren. Ein Erklärungsansatz hierfür könnte die über Jahre hinweg vermittelte Raumorientierung sein, bei der irrtümlich die Verantwortlichkeit für den Gegner nachrangig erscheint. Gerade Gegenspieler in ballfernen Räumen kommen so unbemerkt aus dem Raum im Rücken des Abwehrspielers in gute Abschlusssituationen.

Doch allein mit der Nähe zum Gegenspieler ist es nachweislich nicht getan. Es bedarf auch einer Position, die es ermöglicht, den Angreifer aktiv am Schuss zu hindern. Dies bedeutet: Zwischen Gegner und Tor orientieren mit der Möglichkeit, idealerweise in den Ball vorwärts hineinzulaufen. Auf höchstem Niveau nutzen Angreifer auch durch Laufwege den Raum im Rücken des Gegenspielers. Wohlwissend um die Schwierigkeit aus Sicht der Defensive, diese Laufwege in Bruchteilen von Sekunden zu verteidigen, verschenken Spieler nicht allzu selten schon vorab Zeit durch eine falsche Positionierung oder Blickrichtung. Zusätzlich helfen zur visuellen Wahrnehmung auch taktile Reize, Bewegungen zu antizipieren und den Raum zu verteidigen. Mit der Hand zu erfahren, wohin sich jemand bewegt, erhöht die Wahrscheinlichkeit, richtig zu entscheiden und zu handeln. Beiläufig gibt die Information auch eine Orientierung für Abstände zum Gegenspieler.

Für die Praxis bedeutet das, die Spieler noch gezielter darauf zu schulen und zu sensibilisieren, dass der absolute Wille, das Tor zu verteidigen, die Basis ist, aber die richtige Position im Raum gegen den Gegenspieler vor allem auch von der Distanz zum eigenen Tor abhängt.

[dfb]

Experten-Kolumne auf DFB.de: Sportliche Leitung und Trainer vermitteln Hintergründe rund um den DFB-Nachwuchs und die DFB-Teams. Regelmäßig, authentisch und mit aktuellem Bezug. Heute: Dr. Stephan NoppSpielanalyst der A-Nationalmannschaften, beschäftigt sich mit der defensiven Leitlinie: "Je näher zum Tor, desto näher am Gegenspieler sein."

Um das eigene Tor zu verteidigen, muss man als Spieler die optimale Position zwischen Gegner, Ball und eigenem Tor finden. Was so einfach und logisch klingt, ist dennoch aus Sicht der Defensive häufig (und unnötigerweise) der Grund für Gegentore. Der DFB hat in seiner Spielauffassung dieses elementare Verhalten unter anderem in der Leitlinie "Je näher zum Tor, desto näher am Gegenspieler sein" zusammengefasst.

Raumdeckung entbindet nicht von Mannorientierung

Die Entwicklung hin zum raumorientierten Deckungsverhalten war ein Meilenstein in der Evolution des Fußballspiels. Dennoch gab es damals vieler Skeptiker. Die größte Herausforderung sahen viele darin, die eindeutige Zuständigkeit zu einem Gegenspieler nicht zu verlieren und Räume aufgrund fehlender Automatismen zwischen Mitspielern nicht freizugeben. Wie wir rückblickend wissen, waren diese Befürchtungen im Vergleich zu den Vorteilen der raumorientierten Verteidigung unbegründet. Dennoch liegt darin im heutigen Spiel eine Problematik, die häufig zu Gegentoren führt. Klar ist, dass Raum- nicht von Mannorientierung entbindet. Insbesondere wird dies relevant, je näher am eigenen Tor verteidigt wird. So ist der Ausspruch, ab Strafraumgrenze werde Manndeckung in der Defensive gespielt, allseits bekannt.

Hintergrund: Je kürzer die Distanz des Angreifers zum Tor ist, desto geringer ist meist die Anzahl derer, die das Tor noch verteidigen können und desto weniger Zeit hat der Verteidiger, den Angreifer am Schuss zu hindern. Wenn ein Innenverteidiger im Spielaufbau den Ball führt, dann sind idealerweise alle elf Spieler der Defensive zwischen Gegner, Ball und Tor. Damit ist zum einen die Anzahl der Spieler groß, die das Tor verteidigen können und zum anderen die Reaktionszeit für die notwendigen Handlungen aufgrund der Entfernung vergleichsweise lang. Hat aber im Gegenzug der gegnerische Stürmer in der Abwehrreihe der Defensive den Ball, ist hier sowohl die Anzahl der Abwehrmöglichkeiten als auch das Zeitfenster geringer. Konsequenz: Je näher zum Tor desto näher am Gegenspieler sein.

Der absolute Wille, das Tor zu verteidigen

In der Theorie nachvollziehbar, ist es in der Praxis trotz nummerischer Überzahl mehr Wunsch als Realität. Ohne wissenschaftliche Belege, dennoch auf Basis langjähriger Beobachtungen, ist das (Fehl-) Verhalten gerade im eigenen Strafraum immer wieder folgenschwer. Spieler orientieren sich auch in gefährlichen Räumen vor dem eigenen Tor vermehrt Richtung Ball, statt sich auf den möglichen Passempfänger und Schützen zu fokussieren. Ein Erklärungsansatz hierfür könnte die über Jahre hinweg vermittelte Raumorientierung sein, bei der irrtümlich die Verantwortlichkeit für den Gegner nachrangig erscheint. Gerade Gegenspieler in ballfernen Räumen kommen so unbemerkt aus dem Raum im Rücken des Abwehrspielers in gute Abschlusssituationen.

Doch allein mit der Nähe zum Gegenspieler ist es nachweislich nicht getan. Es bedarf auch einer Position, die es ermöglicht, den Angreifer aktiv am Schuss zu hindern. Dies bedeutet: Zwischen Gegner und Tor orientieren mit der Möglichkeit, idealerweise in den Ball vorwärts hineinzulaufen. Auf höchstem Niveau nutzen Angreifer auch durch Laufwege den Raum im Rücken des Gegenspielers. Wohlwissend um die Schwierigkeit aus Sicht der Defensive, diese Laufwege in Bruchteilen von Sekunden zu verteidigen, verschenken Spieler nicht allzu selten schon vorab Zeit durch eine falsche Positionierung oder Blickrichtung. Zusätzlich helfen zur visuellen Wahrnehmung auch taktile Reize, Bewegungen zu antizipieren und den Raum zu verteidigen. Mit der Hand zu erfahren, wohin sich jemand bewegt, erhöht die Wahrscheinlichkeit, richtig zu entscheiden und zu handeln. Beiläufig gibt die Information auch eine Orientierung für Abstände zum Gegenspieler.

Für die Praxis bedeutet das, die Spieler noch gezielter darauf zu schulen und zu sensibilisieren, dass der absolute Wille, das Tor zu verteidigen, die Basis ist, aber die richtige Position im Raum gegen den Gegenspieler vor allem auch von der Distanz zum eigenen Tor abhängt.

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