Schönweitz erklärt: So werden Nationalspieler gesichtet

Experten-Kolumne auf DFB.de: Sportliche Leitung und Trainer vermitteln Hintergründe rund um den DFB-Nachwuchs und die DFB-Teams. Regelmäßig, authentisch und mit aktuellem Bezug. Heute: Meikel Schönweitz, Cheftrainer der U-Nationalmannschaften. Er erklärt, wie die Sichtung und das Scouting im U-Bereich läuft und welche Qualitäten die Jugend-Nationalspieler zeigen müssen.

Die Nationalmannschaften sind die Eliteförderung des Landes. Die Teams sind besetzt mit den bundesweit größten Talenten und repräsentieren Deutschland auf internationaler Ebene. Von der U 15 bis zur U 20 ist jede Mannschaft mit einem Geburtsjahrgang besetzt, die U 21 umfasst sogar mehrere Jahrgänge.

Wie kommen die Trainer zu ihren Nominierungen? Letztlich gibt es drei Faktoren: Die klassische Sichtung, Informationen über Vereine und Landesverbände, sowie die bisher gezeigten Leistungen beim DFB. In dieser Kolumne widmen wir uns etwas gezielter dem Thema Sichtung.

Wo wird für die Nationalmannschaften gesichtet?

Ab der U 15 bei allen überregionalen, nationalen und internationalen Maßnahmen. Das umfasst eine riesige Vielfalt an Sichtungsmöglichkeiten. Es beginnt bei Freundschaftsspielen und Turnieren in der Vorbereitung oder während der Saison. Weiter geht es mit den einzelnen Ligen. Das betrifft in der U 15 die höchsten Ligen auf regionaler Ebene, also die sechs Regionalligen, in der U 16 und U 17 die drei Bundesligen, sowie punktuell auch die Ligen darunter (insgesamt sieben weitere Ligen). Selbiges gilt für die U 19.

Weiter geht es im Seniorenbereich mit den fünf Regionalligen und den drei Profiligen. Da auch einige deutsche Spieler im Ausland aktiv sind, wird auch dort punktuell gesichtet. In Holland, Belgien, England, Österreich und weiteren Nationen. Dazu kommen noch nationale Wettbewerbe wie der DFB-Pokal im Junioren- und Seniorenbereich oder internationale Wettbewerbe wie die Youth League, die Europa League oder die Champions League. So kommen rund 40 verschiedene Wettbewerbe in ganz Europa zusammen, in denen auf Vereinsebene gescoutet wird. Dazu gibt es noch die Sichtungsturniere der Landesauswahlen, welche den kompaktesten Überblick über die einzelnen Jahrgänge geben.

Wer sichtet?

In erster Linie die Trainer selbst. Dazu zählen die sieben U-Nationaltrainer und deren 14 Co-Trainer. Auch ich als Cheftrainer U-Nationalmannschaften bin ebenso unterwegs wie das gesamte Trainerteam der A-Nationalmannschaft. Allerdings finden an einem einzelnen Wochenende in Deutschland auf höchster Ebene (U 15, U 17, U 19 und Profis) mehr als 200 Spiele statt. Da liegt es auf der Hand, dass nicht alle Partien durch die DFB-Trainerteams abgedeckt werden können. Daher gibt es eine Gruppe von Honorarscouts, die vom DFB über das Jahr verteilt in den verschiedenen Altersbereichen und Spielklassen eingesetzt werden.

Alle Informationen zu Spielern - wie setzen sie die Leitlinien des DFB in der Offensive und der Defensive um, welche physischen und athletischen Voraussetzungen haben sie, wie leben sie die "Deutschen Tugenden 2.0"? Dazu gibt es eine Unterscheidung zwischen dem aktuellen Leistungsstand und einer möglichen Perspektive - fließen direkt nach Spielende in eine Datenbank ein, so dass die U-Trainer ständig auf dem aktuellsten Stand sind, was ihre Spieler angeht. Die Scouts werden von Marco Diaz, dem Leiter Scouting U-Nationalmannschaften, angeleitet und eingesetzt, der sie, gemeinsam mit den U-Trainern in regelmäßigen Fortbildungen und ständigem Austausch brieft. Aktuell sind 35 Scouts inklusive einiger Verbandssportlehrer für den DFB im Einsatz. Auch die Torwart-Trainer des DFB sind unterwegs und sichten Spiele, meist jedoch mit Spezialaufträgen zu den beiden Torhütern der jeweiligen Spiele.

Wie oft wird gesichtet?

Insgesamt wurden durch die U-Nationaltrainer und die DFB-Scouts in der vergangenen Saison 2018/2019 etwa 950 Spiele live vor Ort gesichtet. Nicht eingerechnet sind dabei die Sichtungsturniere und das Videoscouting. Da die Spiele oftmals weit voneinander entfernt und teilweise gleichzeitig stattfinden, ist es für alle U-National-Trainer üblich, einige Spiele des jeweiligen Spieltags nachträglich auf Video zu sichten.

Können Talente übersehen werden?

Es wäre vermessen, das zu verneinen. Bei einer derartigen Anzahl von Sichtungsmöglichkeiten in den verschiedenen Wettbewerben und Ländern und dazu noch bei den unterschiedlichen Sichtweisen und Interpretationsmöglichkeiten auf ein Spiel, ist es noch niemandem gelungen, ein vollkommen undurchlässiges Sichtungsnetz zu garantieren. Dennoch ist es unser Anspruch, durch einen regelmäßigen Austausch mit allen Beteiligten eine sehr ähnliche Sicht auf die Spiele zu schaffen, um – bei aller Individualität - unser Netz noch engmaschiger zu gestalten und die Wahrscheinlichkeit zu verringern, dass ein Talent übersehen wird.

Zwei Aspekte gilt es für die Sichtung noch zu bedenken:

Qualität setzt sich im Normalfall immer durch und wird nicht übersehen. Es reicht allerdings nicht, nur Qualität zu besitzen. Sie muss auch angewendet werden. Um für die Nationalmannschaften gescoutet zu werden, müssen sich die Spieler auf höchster Ebene mit einer oder mehreren Eigenschaften deutlich von der Masse absetzen. Da wir uns in einem Mannschaftssport bewegen, bedeutet dies, dass diese Eigenschaften einen Mehrwert für die Mannschaft haben müssen. Und es bedeutet auch, dass man diese Eigenschaften nicht nur gelegentlich - in der Hoffnung, dass jemand zuschaut - sondern Woche für Woche und Training für Training abruft.

Womit wir beim zweiten Aspekt sind: Geduld. Entwicklung durch harte und kontinuierliche Arbeit ist immer möglich. Auch und vor allem in den Übergangsbereichen zwischen den Altersstufen oder im Seniorenbereich. Dort gibt es oftmals enorme Entwicklungssprünge, allerdings auch mal Rückschläge.

Was gilt es also zu tun, um gesichtet zu werden? Wie sagt mein geschätzter Trainerkollege Norbert Elgert, der in diesem Zusammenhang über einen riesigen Erfahrungsschatz verfügt, immer so schön: "Sei jeden Tag der Beste, der Du sein kannst, um der Beste zu werden, der Du werden kannst"

[dfb]

Experten-Kolumne auf DFB.de: Sportliche Leitung und Trainer vermitteln Hintergründe rund um den DFB-Nachwuchs und die DFB-Teams. Regelmäßig, authentisch und mit aktuellem Bezug. Heute: Meikel Schönweitz, Cheftrainer der U-Nationalmannschaften. Er erklärt, wie die Sichtung und das Scouting im U-Bereich läuft und welche Qualitäten die Jugend-Nationalspieler zeigen müssen.

Die Nationalmannschaften sind die Eliteförderung des Landes. Die Teams sind besetzt mit den bundesweit größten Talenten und repräsentieren Deutschland auf internationaler Ebene. Von der U 15 bis zur U 20 ist jede Mannschaft mit einem Geburtsjahrgang besetzt, die U 21 umfasst sogar mehrere Jahrgänge.

Wie kommen die Trainer zu ihren Nominierungen? Letztlich gibt es drei Faktoren: Die klassische Sichtung, Informationen über Vereine und Landesverbände, sowie die bisher gezeigten Leistungen beim DFB. In dieser Kolumne widmen wir uns etwas gezielter dem Thema Sichtung.

Wo wird für die Nationalmannschaften gesichtet?

Ab der U 15 bei allen überregionalen, nationalen und internationalen Maßnahmen. Das umfasst eine riesige Vielfalt an Sichtungsmöglichkeiten. Es beginnt bei Freundschaftsspielen und Turnieren in der Vorbereitung oder während der Saison. Weiter geht es mit den einzelnen Ligen. Das betrifft in der U 15 die höchsten Ligen auf regionaler Ebene, also die sechs Regionalligen, in der U 16 und U 17 die drei Bundesligen, sowie punktuell auch die Ligen darunter (insgesamt sieben weitere Ligen). Selbiges gilt für die U 19.

Weiter geht es im Seniorenbereich mit den fünf Regionalligen und den drei Profiligen. Da auch einige deutsche Spieler im Ausland aktiv sind, wird auch dort punktuell gesichtet. In Holland, Belgien, England, Österreich und weiteren Nationen. Dazu kommen noch nationale Wettbewerbe wie der DFB-Pokal im Junioren- und Seniorenbereich oder internationale Wettbewerbe wie die Youth League, die Europa League oder die Champions League. So kommen rund 40 verschiedene Wettbewerbe in ganz Europa zusammen, in denen auf Vereinsebene gescoutet wird. Dazu gibt es noch die Sichtungsturniere der Landesauswahlen, welche den kompaktesten Überblick über die einzelnen Jahrgänge geben.

Wer sichtet?

In erster Linie die Trainer selbst. Dazu zählen die sieben U-Nationaltrainer und deren 14 Co-Trainer. Auch ich als Cheftrainer U-Nationalmannschaften bin ebenso unterwegs wie das gesamte Trainerteam der A-Nationalmannschaft. Allerdings finden an einem einzelnen Wochenende in Deutschland auf höchster Ebene (U 15, U 17, U 19 und Profis) mehr als 200 Spiele statt. Da liegt es auf der Hand, dass nicht alle Partien durch die DFB-Trainerteams abgedeckt werden können. Daher gibt es eine Gruppe von Honorarscouts, die vom DFB über das Jahr verteilt in den verschiedenen Altersbereichen und Spielklassen eingesetzt werden.

Alle Informationen zu Spielern - wie setzen sie die Leitlinien des DFB in der Offensive und der Defensive um, welche physischen und athletischen Voraussetzungen haben sie, wie leben sie die "Deutschen Tugenden 2.0"? Dazu gibt es eine Unterscheidung zwischen dem aktuellen Leistungsstand und einer möglichen Perspektive - fließen direkt nach Spielende in eine Datenbank ein, so dass die U-Trainer ständig auf dem aktuellsten Stand sind, was ihre Spieler angeht. Die Scouts werden von Marco Diaz, dem Leiter Scouting U-Nationalmannschaften, angeleitet und eingesetzt, der sie, gemeinsam mit den U-Trainern in regelmäßigen Fortbildungen und ständigem Austausch brieft. Aktuell sind 35 Scouts inklusive einiger Verbandssportlehrer für den DFB im Einsatz. Auch die Torwart-Trainer des DFB sind unterwegs und sichten Spiele, meist jedoch mit Spezialaufträgen zu den beiden Torhütern der jeweiligen Spiele.

Wie oft wird gesichtet?

Insgesamt wurden durch die U-Nationaltrainer und die DFB-Scouts in der vergangenen Saison 2018/2019 etwa 950 Spiele live vor Ort gesichtet. Nicht eingerechnet sind dabei die Sichtungsturniere und das Videoscouting. Da die Spiele oftmals weit voneinander entfernt und teilweise gleichzeitig stattfinden, ist es für alle U-National-Trainer üblich, einige Spiele des jeweiligen Spieltags nachträglich auf Video zu sichten.

Können Talente übersehen werden?

Es wäre vermessen, das zu verneinen. Bei einer derartigen Anzahl von Sichtungsmöglichkeiten in den verschiedenen Wettbewerben und Ländern und dazu noch bei den unterschiedlichen Sichtweisen und Interpretationsmöglichkeiten auf ein Spiel, ist es noch niemandem gelungen, ein vollkommen undurchlässiges Sichtungsnetz zu garantieren. Dennoch ist es unser Anspruch, durch einen regelmäßigen Austausch mit allen Beteiligten eine sehr ähnliche Sicht auf die Spiele zu schaffen, um – bei aller Individualität - unser Netz noch engmaschiger zu gestalten und die Wahrscheinlichkeit zu verringern, dass ein Talent übersehen wird.

Zwei Aspekte gilt es für die Sichtung noch zu bedenken:

Qualität setzt sich im Normalfall immer durch und wird nicht übersehen. Es reicht allerdings nicht, nur Qualität zu besitzen. Sie muss auch angewendet werden. Um für die Nationalmannschaften gescoutet zu werden, müssen sich die Spieler auf höchster Ebene mit einer oder mehreren Eigenschaften deutlich von der Masse absetzen. Da wir uns in einem Mannschaftssport bewegen, bedeutet dies, dass diese Eigenschaften einen Mehrwert für die Mannschaft haben müssen. Und es bedeutet auch, dass man diese Eigenschaften nicht nur gelegentlich - in der Hoffnung, dass jemand zuschaut - sondern Woche für Woche und Training für Training abruft.

Womit wir beim zweiten Aspekt sind: Geduld. Entwicklung durch harte und kontinuierliche Arbeit ist immer möglich. Auch und vor allem in den Übergangsbereichen zwischen den Altersstufen oder im Seniorenbereich. Dort gibt es oftmals enorme Entwicklungssprünge, allerdings auch mal Rückschläge.

Was gilt es also zu tun, um gesichtet zu werden? Wie sagt mein geschätzter Trainerkollege Norbert Elgert, der in diesem Zusammenhang über einen riesigen Erfahrungsschatz verfügt, immer so schön: "Sei jeden Tag der Beste, der Du sein kannst, um der Beste zu werden, der Du werden kannst"

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