Life Kinetik: Gehirnjogging ist 'in'!

Life Kinetik – was ist das denn? Nur so eine Trendsportart, die anfangs auf ein großes Echo stößt und dann aber wieder schnell verschwindet? Wohl nicht! Life Kinetik ist ‚Jogging‘ für das Gehirn! Und Gehirnjogging ist ‘in’!

Auch im Sport werden alle Lernprozesse vom Gehirn gesteuert. Somit ist es auch für den Fußballer sinnvoll, diese diese Prozesse zu trainieren, um schnellere und größere taktische, koordinative und technische Fortschritte machen zu können. In unserer neuen Beitragsreihe zeigen wir, mit welchen Aufgabenstellungen so das Dribbeln und Ballführen sowie das Passen und Schießen verbessert werden können. In Teil 1 widmen wir uns jedoch zunächst den Abläufen im Gehirn selbst.

Das synaptische Modell

Wussten Sie, dass Sie über 100 Milliarden Gehirnzellen verfügen, aber nur einen Bruchteil davon nutzen? Dabei ist die Lernfähigkeit des Gehirns eigentlich unbegrenzt, nur müssen wir Wege finden, seine vielen Nervenbahnen – Synapsen genannt – auch zu öffnen und miteinander zu verknüpfen. Wie das funktionieren kann, erläutert das synaptische Modell.

Da über das Gehirn bereits Unmengen von Büchern geschrieben und trotzdem noch längst nicht alle seine Geheimnisse gelüftet worden sind, beschränkt sich dieses fiktive, weil nicht anatomisch begründete Modell auf eine vereinfachte und schematische Darstellung. Danach wird das Gehirn nicht nur in eine linke und eine rechte Hälfte eingeteilt, sondern auch in eine vordere und hintere sowie eine obere und untere. Gemäß ihren jeweiligen Aufgabenbereichen lassen sich diese Dimensionen in Lateralität, Fokussierung und Zentrierung differenzieren.

Dass die linke Hälfte in der Regel für die rechte Körperseite zuständig ist und umgekehrt, ist allgemein bekannt. Zudem finden logische Vorgänge wie das Erkennen von Details meist in der linken, gestalterische wie das Erfassen des Gesamtbildes in der rechten statt. Beide Hälften spielen also zusammen.

Auch die vordere und die hintere Hälfte wirken miteinander: Hinten werden die Daten und Reize wahrgenommen und abgespeichert, auf deren Grundlage wir vorne denken, Entscheidungen treffen bzw. anschließend handeln.

Im oberen Teil liegt das Großhirn, der Sitz des abstrakten Denkens. Bei kopfgesteuerten Menschen hat es also die Oberhand gegenüber der eher gefühlsbetonten unteren Hirnhälfte. Unser ständig gelbrot-gefährdeter Heißsporn dürfte also eher einen ‘Trainingsrückstand’ der oberen Hälfte aufweisen. Außerdem werden dem oberen Teil die Bewegungen der oberen, dem unteren die der unteren Körperhälfte zugeschrieben.

Die Abläufe in den verschiedenen Gehirnregionen gilt es, gezielt zu trainieren! Hier setzt das Konzept der 'Life Kinetik' an. Befürworter dieser Methode gibt es in allen Bereichen des Sports bis hinauf in die höchsten internationalen Ligen.


Jürgen Klopp

„Life Kinetik ist eines der spannendsten Dinge, die ich während der letzten Jahre rund um meinen Job entdeckt habe. Die Spieler beschäftigen sich mit den aufeinander aufbauenden, aber ständig wechselnden Bewegungsvarianten. Und daraus resultiert die Möglichkeit, auf verschiedenste Dinge viel schneller, viel klarer, viel gezielter reagieren zu können. Weil das Training körperlich kaum belastend ist, können wir dadurch zusätzlich jenseits des Platzes arbeiten und trotzdem nutzt es uns auf dem Platz.“

Schneller lernen mit Life Kinetik – und Dopamin!

Mit Life Kinetik können die Funktionen der einzelnen Hirnhälften, aber auch ihre Verbindungen zu den anderen Dimensionen verbessert werden, z. B. durch Links-rechts-rückwärts-vorwärts-Sprungkombinationen. Fügen Sie dann noch beidbeinige Schlusssprünge mit Händeklatschen an, haben Sie alle drei Dimensionen in einer einzigen Bewegungsfolge verknüpft!

Aber allein durch solche oder ähnliche Übungen lassen sich noch keine schnellen ‘sprunghaften’ Leistungsverbesserungen erzielen. Life Kinetik bedient sich in diesem Prozess jedoch des Dopamins, einem ‘Glückshormon’. Diese Hormone werden u. a. ausgeschüttet, wenn uns etwas Schwieriges oder Tolles gelungen ist, z. B. nach einem Torerfolg. Wir fühlen uns dann wohl, reiten auf der berühmten Euphoriewelle und manchmal gelingt uns kurz darauf sogar ein ‘Doppelpack’.

Dopamin bewirkt aber noch mehr: Jüngste neurowissenschaftliche Untersuchungen verweisen darauf, dass Dopaminausschüttungen auch Vorgänge ‘synaptischer Plastizität’ fördern. Das heißt, sie begünstigen also z. B. nicht nur einen erneuten Treffer, sondern können motorische Lernvorgänge auslösen, indem sie quasi als Türöffner für neue synaptische Bahnen fungieren. Hierbei scheint die Neuartigkeit der Bewegungsaufgabe und der unerwartete Bewegungserfolg eine zentrale Rolle zu spielen.

Die nächste Aufgabe frühzeitig stellen!

Wenn also ein Spieler, der sich bisher nicht gerade als Bewegungsakrobat hervortat, vor zwei Minuten einen Seitfallzieher ins Tor setzte und ihm kurz darauf sogar ein Fallrückzieher in den Winkel gelingt, könnte dafür das Dopamin ausschlaggebend sein: Die überraschende Bewältigung der relativ schwierigen Bewegung ‘Seitfallzieher’ hat in seinem Gehirn mit Hilfe des Dopamins strukturelle Veränderungen in Gang gesetzt, die ihn befähigten, sogar einen Fallrückzieher in bester Klaus- Fischer-Manier auszuführen.

Diesen Effekt macht sich Life Kinetik zunutze: Um kontinuierlich neuronale Lernvorgänge zu provozieren, werden neue und ungewohnte Bewegungsaufgaben angesteuert, wobei ein Aufgabenwechsel bereits spätestens dann erfolgt, sobald im Üben eine Routine auftritt. Es wird also nicht nach dem klassischen Muster Lernen - Üben - Automatisieren vorgegangen, sondern der nächste Schritt getan, sobald ein – vielleicht nur kleiner – Fortschritt gelungen ist.

Vorteil: Neue, durch die Bewegungsherausforderung geschaffene Bahnungen werden nicht so lange durch Wiederholungen vertieft, bis sie nur noch für diese einzige auswendig gelernte Bewegung zur Verfügung stehen. Vielmehr wird die durch den Lernfortschritt ausgelöste Dopaminausschüttung genutzt, um schon beim Beherrschen der Grobform die nächste Schwierigkeitsstufe bereit!

Schulung von Körper, Sehvermögen und Wissen

Entgegen dem traditionellen Verständnis ist also nicht die Automatisierung von Bewegungsabläufen das Ziel, sondern die fortlaufende Steigerung der Handlungsmöglichkeiten in verschiedenen Bereichen und Situationen. In den folgenden Teilen unserer Beitragsreihe stellen wir geeignete Trainingspraxis vor.