Es lebe der Kapitän!

Sollte jede Mannschaft einen Käpt’n haben, der durch eine Binde auch als solcher zu erkennen ist, der vor dem Spiel die Seitenwahl durchführt und nach einem gewonnenen Turnier den Pokal entgegennimmt? "Aber ja", sagt Matthias Röben, Pädagogischer Leiter im Nachwuchsbereich von Borussia Dortmund. "Unbedingt, uneingeschränkt und ohne Abstriche: Es lebe der Kapitän und es lebe das Team!"


Die Binde als Türöffner

Und doch: Wer es als Kindertrainer bei den genannten Aufgaben belässt und glaubt, ein Kapitän sollte darüber hinaus auch immer der beste Spieler und der vielzitierte ‘verlängerte Arm’ des Trainers auf dem Spielfeld sein, vergibt sich viele Chancen, für jedes Kind im Team eine positive Persönlichkeitsentwicklung anzustoßen. Gänzlich zu kurz greift die Arbeitsplatzbeschreibung für einen Mannschaftskapitän, wenn Aufgaben aus dem Seniorenbereich übertragen werden. Der Käpt’n im Kinderfußball ist anders! Was also tun? Ein Spielführer ist mehr als der beste Spieler, dem alle anderen nur hinterherlaufen. Der Trainer hat mittels der Binde die einmalige Möglichkeit, Prozesse der Übernahme von Verantwortung und Persönlichkeitsentwicklung zu initiieren, diese zu lenken und alle Spieler daran zu beteiligen. Basis ist eine der ersten Teamsitzungen in der Saison, auf der die Spieler fünf zentrale Aufgaben eines Kapitäns festlegen dürfen. Eine Möglichkeit, dieses spielerisch und fundiert zu gestalten, ist die Durchführung einer Kaskade. Diese zentralen Aufgaben werden gegen Ende der Halbserie auf ihre Aktualität und Praxistauglichkeit hin überprüft und gegebenenfalls ergänzt.


Individuelle Qualitäten in das Amt einbringen

Der Trainer legt zu Beginn der Saison anhand der Spieleranzahl fest, wie lange jedes Kind das Kapitänsamt für seine Mannschaft übernimmt. Coach und/oder Co-Trainer begleiten jeden Spieler in der Durchführung seiner Aufgaben, denn jeder Kapitän bekommt seinen individuellen Fähigkeiten gemäß eine Schwerpunktaufgabe, die er mit Hilfe der Trainer für sein Team in die Praxis umsetzt:

  • Der sozialkompetente Spieler: Er kümmert sich als Käpt’n um den oder die Spieler, die vielleicht gerade besondere Aufmerksamkeit benötigen. Der Trainer unterstützt ihn und überlegt gemeinsam mit ihm geeignete Maßnahmen.
  • Der taktisch versierte Spieler: Er darf vor der Mannschaft das Spiel vom vergangenen Wochenende analysieren und Verbesserungsvorschläge machen.
  • Der trickreiche Spieler: Der ‘Fintenkönig’ öffnet seine Trickkiste (in der Kabine steht tatsächlich ein bemaltes Kästchen, in dem die Tricks der Mannschaft aufbewahrt werden) und übt mit seinen Mitspielern in kleinen Sequenzen vor oder nach dem Training das offensive 1 gegen 1.
  • Der fußballverrückte Spieler: Er übernimmt mit Unterstützung die Beobachtung der nächsten Gegner und informiert den Trainer. Welcher Spieler fällt positiv auf? Was kann er besonders gut? Mit welchen Spielern aus beiden Mannschaften möchtest du gerne einmal zusammenspielen und warum? ...
  • Der eloquente Spieler: Einmal wöchentlich findet vor dem Training ein 15-minütiger Teamtalk statt. Der Kapitän darf diese Runde moderieren.
  • Der gesundheitsbewusste Spieler: Dieser Kapitän bespricht zunächst mit seinem Trainer das Thema Ernährung, wählt die wichtigsten Punkte für sein Team aus, informiert dann die Eltern und sensibilisiert sie, für das Team diesbezüglich aktiv zu werden.


Verantwortung für jeden Spieler

Eine Daueraufgabe für den jeweiligen Kapitän kann es sein, gemeinsam mit Mitspielern zu überlegen, wie die Mannschaftskasse wirkungsvoll aufgefüllt werden kann. Etwaige Maßnahmen, werden ebenfalls im Team umgesetzt. Diese und andere Schwerpunktaufgaben befähigen jeden Jungen und jedes Mädchen, je nach den eigenen individuellen Stärken, dem Team neue Qualitäten zu schenken. Die Kinder lernen und erhalten die Gelegenheit, scheinbar komplizierte und schwierige Aufgaben mit Unterstützung zu meistern. Hinzu kommen die zuvor erwähnten ausgewählten Aufgaben, die in erster Linie den sportlichen Bereich betreffen. Diese kombinierte Herangehensweise ermöglicht es jedem Kind, gemäß seinen Fähigkeiten die Rolle des Kapitäns positiv auszufüllen und verantwortlich für das eigene Team zu handeln. Die Wahl eines Kapitäns erübrigt sich somit: Jeder Spieler erhält die Möglichkeit, über eine aktive Tätigkeit ein verantwortlicher Teil der Gemeinschaft zu werden. Dieses Vorgehen ist nachhaltiger als die Abgabe der Verantwortung an den vermeintlich besten Kicker der Mannschaft. Dabei negieren wir nicht die spielerischen Hierarchien im Team und die leistungsspezifischen Unterschiede. Doch wenn jeder Einzelne für sich einen Weg findet, über das Kapitänsamt die eigene Mannschaft und sich selbst zu stärken, sollte jeder Trainer diesen Weg gehen.

Weitere Tipps und Informationen zum Teamumfeld sind unter 'Themenverwandte Links' zusammengestellt.