Verletzungsprophylaxe: Die Hüfte mobilisieren!

Verletzungsvorbeugende Maßnahmen gehören zum festen Bestandteil des Fußballtrainings. Individuelle Übungen zur Verbesserung der Bewegungsqualität und gezielten Ansteuerung leistungsrelevanter Muskelgruppen lassen sich häufig nur durch eine systematische und isolierte Übungsreihe zu Beginn einer Trainingseinheit durchführen. Dabei reichen schon wenige, richtig ausgeführte Übungen, um mit einer guten Voraktivierung in die Trainingseinheit starten zu können. Der Begriff des klassischen Aufwärmens ist dabei insofern zu hinterfragen, da es nicht nur um eine Erhöhung der Körper- und Muskeltemperatur geht, sondern auch auf neuronaler Ebene relevante Muskelgruppen voraktiviert werden sollten. Dr. Lutz Herberen stellt einen Ansatz der systematischen Verletzungsprophylaxe vor.


Voraktivierende Übungen

Auch Fußballspieler gehen meist einen Großteil des Tages einer sitzenden Tätigkeit nach. Die sich daraus ­ergebenden muskulären Defizite und Dysbalancen sind nicht nur eine unbewegliche Hüftbeugemuskulatur (Hüftvorderseite) sowie Rückenpartie, sondern auch eine ständige Inaktivierung der ­Gesäßmuskulatur. Diese Muskelgruppe ist aber sowohl für Antritte als auch für ein verletzungs- und ­beschwerdefreies Training Grundvoraussetzung. Die Mobilisierung der Hüfte betrifft vor ­allem die Hüftvorderseite, welche im Regelfall eher zur eingeschränkten Beweglichkeit neigt – der ­sogenannte ‘verkürzte Muskel’. Klassische, langsame Dehnmethoden können dabei negative Auswirkungen auf die Schnellkraft und Explosivität haben und sollten durch Übungen mit einer Schaumstoffrolle oder adäquate Mobilisierungstechniken ersetzt werden. Dabei sind die Übungen an sich keine Neuerung, allerdings spielen deren Reihenfolge sowie Kleinigkeiten in der Bewegungsausführung eine entscheidende Rolle. Wichtig bei allen Übungen ist eine dynamische Mobilisierung, um die Dehnposition immer wieder einzunehmen und entsprechend aufzulösen:

In Bauchlage Hüftbeuger mit der Schaumstoffrolle rollen. Ca. 30 Sekunden pro Seite mit gestreckter Hüfte.
Hüfte im halben Kniestand aktiv nach vorne schieben. Zur Aktivierung der Rumpfmuskulatur den Stab mit gestreckten ­Armen in den Boden drücken.
Aktiv gegen Wand oder Bande drücken und aus gebeugter Hüftposition die Hüfte aktiv und dynamisch nach vorne schieben.
Wade auf die Schaumstoffrolle legen und in Rückenlage mit gebeugter Hüfte das Gesäß vom Boden abheben. Die Arme ­drücken dabei aktiv in den Boden.
Knie leicht beugen und Fußspitzen nach vorne ausrichten. Mit einem Miniband die Knie leicht nach außen drehen und in dieser Position ca. 1 Sekunde halten.
Knie leicht beugen und Fußspitzen nach vorne ausrichten. Den Oberkörper leicht nach vorne beugen. Nach vorne oder alternativ zur Seite gehen.


Aktivieren zur Prophylaxe

Die Hüftaktivierung spielt nicht nur im ­Bereich des Hobbysports, sondern auch altersübergreifend in höheren Leistungsklassen eine wichtige Rolle. Das verdeutlicht eine Studie, gemäß der Spieler mit Defiziten bei der Ansteuerung der Hüftmuskulatur im Laufe einer Saison ein signifikant höheres Verletzungsrisiko aufweisen als Spieler mit einer adäquaten muskulären Aktivierung. Dies liegt daran, dass die hüftstabilisierende Muskulatur sowohl bei der Sprintleistung als auch bei der Beinachsenstabilität – damit auch hinsichtlich einer funktionalen Verletzungsprävention – ­eine zentrale Rolle spielt. Beide Aspekte lassen sich durch Übungen wie dem seitlichen Gehen mit dem Miniband, einer einbeinigen Brücke und/oder einer dynamisch ausgeführten Standwaage im Vorfeld des Trainings aktivieren. Besonderes Augenmerk muss auf der korrekten Ausführung der Übungen liegen, da sonst falsche Bewegungsmuster verinnerlicht werden und die gewünschten Effekte ausbleiben. Häufig werden zur Stabilisierung der Beinachse Übungen gewählt, welche die Muskulatur der Oberschenkelvorderseite (Quadriceps) kräftigen. Da dieser allerdings nur bedingt zur Beinachsenstabilität beiträgt und vor allem Spieler mit Kniebeschwerden dadurch tendenziell mehr Beschwerden bekommen, sollten diese Übungen eher selektiv eingesetzt werden. Die Aktivierung der Gesäßmuskulatur führt hingegen zu einer ausgeprägteren Hüftstreckung bei linearen Sprintbewegungen und Richtungswechseln. In der Konsequenz wird die Oberschenkelmuskulatur dadurch weniger ­belastet. Gerade Spieler mit einer erhöhten Verletzungs- oder Beschwerdeanfälligkeit der Oberschenkelrückseite oder mit Knie­problemen können so diese Probleme ­mindern. Dementsprechend sollten hüftaktivie­rende Übungen Teil eines Aufwärm- bzw. Voraktivierungsprogramms sein. Bei den Übungen ist es wichtig, dass man die Muskulatur nur voraktiviert und nicht ermüdet.

Weitere Tipps und Hinweise zum Umgang mit Verletzungen sind unter 'Themenverwandte Links' zusammengestellt.