Umschalten wie Belgien

Auf der Internetseite der DFB-Akademie analysieren derzeit Experten Spielszenen und Mannschaften der EURO 2020. Wir greifen diese Beobachtungen auf und liefern den Trainerinnen und Trainern geeignete Trainingsformen aus dem reichhaltigen Archiv von "Training & Service". Heute widmen wir uns der Belgien-Analyse. Die "goldene Generation" der Belgier kann die hohen Erwartungen bei der EURO bisher erfüllen und steht im Viertelfinale gegen die ebenfalls sehr starken Italiener. Sie überzeugen unter Trainer Martínez mit einer klaren Spielidee, die im Offensivspiel von abgestimmten Abläufen, hohen Flügelverteidigern und individueller Qualität sowie gleichzeitig nach einer Balleroberung durch ein schnelles Umschaltspiel geprägt ist.

Der Mitfavorit

Mit einem Altersdurchschnitt von 29 Jahren verfügt Belgien über den erfahrensten Kader des Turniers. Für gestandene Spieler wie Vertonghen, Vermaelen, Alderweireld oder Witsel ist es die vermeintlich letzte Gelegenheit auf einen großen Titel. Mit der vollen Punkteausbeute in der Gruppenphase und einem Torverhältnis von 7:1 Treffern qualifizierte sich Belgien souverän für das Achtelfinale, wo sie mit Portugal bereits gegen einen starken Gegner – den Europameister von 2016 – antreten mussten. Dieses Spiel konnten sie mit 1:0 für sich entscheiden und stehen damit im Viertelfinale, wo nun mit Italien ebenfalls ein Mitfavorit auf den Titel wartet.

Das Umschaltspiel der Belgier

Gelingt den Belgiern eine Balleroberung mit einer vorwärtsgerichteten Dynamik, spielen sie die Umschaltaktion schnell und konsequent aus. Dabei nutzen sie insbesondere ihre dribbelstarken "Zehner" Eden Hazard und Kevin De Bruyne sowie den durchsetzungsstarken Romelu Lukaku. Das ermöglicht ihnen, die Desorganisation des Gegners schnell und zielstrebig auszunutzen. Dadurch erspielen sie sich immer wieder Torchancen, die sie jedoch noch zu häufig ungenutzt lassen.

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Tielemans erobert den Ball gegen den Außenverteidiger (AV) und passt zu Meunier, der direkt zu De Bruyne ins Zentrum spielt.

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De Bruyne passt mit dem ersten Kontakt zu Lukaku in die Außenspur. Der gegnerische Innenverteidiger (IV; nicht im Bild) antizipiert den Pass frühzeitig, kann diesen jedoch nicht abfangen. Lukaku nimmt nach vorne an und mit und dribbelt mit hohem Tempo in Richtung Tor.

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Mit seinem Dribbling in den Strafraum bindet Lukaku zwei IV, wodurch auf der ballfernen Seite eine 3-gegen-1-Überzahl entsteht.

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Anschließend passt Lukaku durch die beiden IV zu De Bruyne in den Rückraum, worauf die IV sowie der Außenverteidiger (AV) hektisch reagieren.

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De Bruyne nutzt seinen Dynamikvorteil und lässt seine Gegenspieler mit einer Schussfinte und einem sauberen ersten Kontakt aussteigen.

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Anschließend behält De Bruyne die Übersicht und passt mit seinem zweiten Kontakt quer zum ballfernen Pfosten, wo Thorgan Hazard als einer von zwei freistehenden Mitspielern verwertet.

Von der Analyse auf den Platz

Das eine ist, ein taktisches Element wie das Konterspiel der Belgier zu analysieren. Das andere, es auf das Niveau des eigenen Teams herunterzubrechen und die betreffenden Fähigkeiten selbst auf dem Platz zu trainieren. Denn die Anforderungen eines solch komplexen taktischen Elements sind sehr hoch: In erster Linie geht es beim Konter darum, vertikal zu denken, zu laufen und zu spielen. Alle Aktionen dienen dem Zweck, einen dynamischen und zielgerichteten Angriff zu ermöglichen. Und genau das führt zu einer hohen Fehleranfälligkeit, sodass das Entscheidungsverhalten in Bruchteilen von Sekunden erfolgen muss und die technische Qualität ein hohes Maß an Präzision benötigt.

Organisation

  • Im Großfeld mit 2 Toren und Torhütern eine 30 x 44 Meter große Mittelzone markieren.
  • 2 Achter-Teams plus 2 Neutrale gemäß ­Abbildung positionieren.
  • Je ein Spieler beider Mannschaften steht etwa 20 Meter vor den Toren.
  • Der Trainer steht mit Bällen am Rand der Zone und spielt zu Team Blau.

Ablauf

  • 5 plus 2 Neutrale gegen 5 in der Zone
  • 1 Spieler Blau darf nach 5 Pässen in Folge zum 2 gegen 1 auf das gegnerische Tor dribbeln.
  • Gelingt es Rot, den Ball zu erobern, kontern sie ihrerseits im 2 gegen 1.
  • Danach passt der Trainer zu Rot usw.

Variationen

  • Das 2 gegen 1 ist bereits nach 2 Pässen in den eigenen Reihen möglich.
  • 5 Sekunden Zeitlimit für den Torabschluss

Tipps und Korrekturen

  • Erster Blick in die Tiefe!
  • In die Tiefe sprinten, um vertikale Anspiel­optionen zu schaffen.
  • Wenn sich Passoptionen sowohl in die Tiefe als auch für eine Verlagerung ­ergeben, bevorzugt die tiefe Anspieloption wählen.
  • Mit dem Pass in die Tiefe schnell nachrücken, um weitere Passoptionen für den Ballbesitzer zu schaffen.

Organisation

  • Im Großfeld mit 2 Toren und Torhütern eine 30 x 44 Meter große Mittelzone markieren.
  • 2 Elfer-Teams bilden und gemäß Abbildung positionieren.
  • Je 2 Spieler beider Mannschaften stehen 20 Meter vor den Toren.
  • Der Trainer steht mit Bällen außerhalb.

Ablauf

  • 4 gegen 4 nach Zuspiel des Trainers in der Zone.
  • Nach 5 Pässen dürfen die Außenspieler der Zone angespielt werden.
  • Der Passempfänger und ein aus der Zone nachrückender Spieler gehen ins 4 gegen 2 auf das Tor.
  • Gelingt es Rot, den Ball zu erobern, so kontern sie im 4 gegen 2 auf das gegenüberliegende Tor.
  • Danach passt der Trainer zur jeweils anderen Mannschaft usw.

Variationen

  • Konter im 3 gegen 3 mit einem Gegner im Rücken
  • Bereits nach 2 Pässen in Folge werden die Außenspieler "freigeschaltet".

Tipps und Korrekturen

  • Aus dem Druck heraus spielen.
  • erster Blick in die Tiefe
  • In die Tiefe sprinten, um vertikale Anspiel­optionen zu schaffen.
  • Wenn sich Passoptionen sowohl in die Tiefe als auch für eine Verlagerung ­ergeben, bevorzugt die tiefe Anspieloption wählen.
  • Mit dem Pass in die Tiefe schnell nachrücken, um weitere Passoptionen für den Ballbesitzer zu schaffen.