Bastian Reinhardt: "Die Jagd nach Talenten beginnt immer früher"

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Sieben Jahre stand Bastian Reinhardt beim Hamburger SV unter Vertrag. Nach Beendigung seiner aktiven Laufbahn wurde der einstige Abwehrspieler zunächst Sportchef und im Sommer 2011 zum Leiter des Nachwuchsleistungszentrums ernannt. Unter seiner Führung sollen noch "grüne"Talente zu gestandenen Bundesligaspielern reifen.

Im DFB.de-Interview mit Oliver Jensen spricht der 37-Jährige über die Nachwuchsarbeit in Hamburg, die Entdeckung von Talenten und den großen Sprung vom Nachwuchs zu den HSV-Profis.

DFB.de: Herr Reinhardt, welche Aufgaben haben Sie als Leiter des HSV-Leistungszentrums?

Bastian Reinhardt: Meine Aufgabe ist es, die gesamte Nachwuchsarbeit des Hamburger SV zu steuern. Die Kostenkontrolle, die administrativen Aufgaben und die Personalverwaltung zählen dazu. Ich handele die Verträge mit unseren Nachwuchsspielern aus. Mein Partner Michael Schröder ist für die sportliche Leitung zuständig und kümmert sich zum Beispiel um die Ausbildung der Trainer und Spieler.

DFB.de: Für den HSV spielen rund 200 Jugend- und Nachwuchsspieler. Wie findet der HSV diese Talente?

Reinhardt: Für die jüngeren Jahrgänge veranstalten wir regelmäßig Sichtungstage, sogenannte 'Try Outs' und 'Young Talent Days'. Jeder junge Fußballer kann sich dafür anmelden. Die älteren Spieler in und um Hamburg sollten uns durch unser Scouting-System bereits bekannt sein.

DFB.de: Die Teilnehmer beim 'Young Talent Day' sind zwischen acht und zwölf Jahre alt. Woran erkennen Sie so früh, ob einer vielleicht in zehn Jahren in der Bundesliga spielen könnte?

Reinhardt: Wir haben beim HSV intern festgelegt, wonach ein Talent zu erkennen ist. Wichtig sind die motorischen Fähigkeiten, dass er ständig am Spiel teilnimmt und Spaß am Fußball, am Torschießen sowie am Vorlagen geben hat. Ein wichtiger Punkt ist auch das Tempo. Nicht nur die Geschwindigkeit beim Laufen, sondern auch die im Kopf. Die kognitiven Fähigkeiten werden im modernen Fußball immer wichtiger. Die taktischen Fähigkeiten spielen in diesem jungen Alter hingegen eine untergeordnete Rolle.

DFB.de: Das Nachwuchsleistungszentrum des HSV hat 15 Internatsplätze. Für welche Spieler sind diese vorgesehen?

Reinhardt: Die Internatsplätze sind für junge Spieler ab dem U 15-Bereich, die ansonsten keine Möglichkeit haben, das Training bei uns wahrzunehmen. Manche wohnen zu weit weg, als dass sie jeden Tag mit dem Fahrdienst zu uns zu kommen könnten. In der Regel versuchen wir natürlich, die Jungs bei ihren Familien zu lassen. Aber manchmal ist das nicht möglich. Wir betreuen zum Beispiel auch zwei Spieler aus Berlin und aus Tschechien.

DFB.de: Normalerweise spielen bei Jugendlichen die ersten Partys und Mädchen eine große Rolle. Wie ist das in einem Fußballinternat? Was ist verboten?

Reinhardt: Wir sind ein Fußballinternat und kein Hotel. Die Jungs lernen schnell, dass man auf vieles verzichten muss, um als Fußballer weiterzukommen. Natürlich dürfen die Jungs in Ausnahmefällen zu einer Feier gehen. Aber sicherlich nicht vor einem Spiel. Mädchen dürfen ohnehin nicht im Internat übernachten. Wenn unsere Jungs etwas älter sind, besteht vielleicht einmal die Möglichkeit, dass sie außer Haus schlafen.

DFB.de: Beim HSV sollen bis zum U 14-Bereich alle Spieler mindestens 50 Prozent der Spielzeit erhalten. Wird also nicht nur nach Leistung aufgestellt?

Reinhardt: Die eine Mannschaft, die bei uns jede Woche gewinnen muss, ist die Profimannschaft. Bei allen anderen Mannschaften geht es um die Ausbildung. Dafür nehmen wir ganz bewusst in Kauf, ein Spiel nicht zu gewinnen. Unsere jungen Spieler sollen eine gute Entwicklung nehmen. Man kann in dem frühen Alter ohnehin noch nicht voraussagen, wer es später in die Bundesliga schafft. Daher sollen alle die gleichen Chancen haben.

DFB.de: Erfolge und Titel spielen in der Jugend also eine untergeordnete Rolle?

Reinhardt: Natürlich möchten wir jedes Spiel gewinnen und eine Sieger-Mentalität entwickeln. Aber wenn wir gut spielen und sich die Jungs weiterentwickeln, können wir auch ein Spiel verlieren. Es ist nicht das Primärziel, Titel zu gewinnen.

DFB.de: Wird in allen Teams das gleiche System gespielt?

Reinhardt: Ja, Frank Arnesen (Sportdirektor, Anm.d.Red.) hat vorgegeben, dass in jeder Nachwuchsmannschaft 4-3-3 gespielt wird. Wir möchten so ausbilden, wie es in der Profimannschaft gewünscht wird.

DFB.de: Bei den Profis gab es in den vergangenen Jahren viele Trainerwechsel. Ist es ein Nachteil, wenn kein Trainer die Möglichkeit hat, über mehrere Jahre einen jungen Spieler an die Bundesliga heranzuführen?

Reinhardt: Na ja, man muss zwischen Profis und dem Nachwuchsbereich unterscheiden. Natürlich dauert die Entwicklung junger Spieler sehr viele Jahre. Ein Verein braucht erst einmal eine Stabilität im Nachwuchs, damit die Jungs ein Ausbildungsprogramm durchlaufen.

DFB.de: Aber irgendwann geht es darum, ob die jungen Spieler bei den Profis eine Chance bekommen.

Reinhardt: Genau, und dafür ist die Durchlässigkeit wichtig. Mit Thorsten Fink haben wir einen Trainer, der auf junge Leute setzt. Er gibt ihnen die Chance, sich beim Training zu präsentieren und sich zu beweisen. Aber unsere jungen Spieler müssen wissen, dass sie bei den Profis nicht so viele Chancen bekommen wie in den Nachwuchsmannschaften.

DFB.de: Woran scheitern Karrieren besonders häufig?

Reinhardt: Jeder muss verstehen, dass man hart arbeiten und um seinen Platz kämpfen muss. Es gibt den Traum, Fußballprofi zu werden, in vollen Stadien zu spielen, Wertschätzung zu erhalten und gutes Geld zu verdienen. Aber dafür braucht es viel Arbeit und Verzicht. Ich habe schon einige Spieler erlebt, die ihren ersten Profivertrag unterschrieben und danach völlig die Bodenhaftung verloren haben. Sie blieben in ihrer Entwicklung stehen. Sie glaubten, es bereits geschafft zu haben. Es ist wichtig, sich zu verinnerlichen, dass man lediglich den ersten Schritt gemacht hat und sich nun weiterentwickeln muss.

DFB.de: Ein Verständnis, das genauso wichtig ist wie das Talent?

Reinhardt: Durchaus. Manchmal gibt es Spieler, denen früher niemand eine große Karriere zugetraut hatte, die aber sehr hart an sich arbeiten und dadurch den Sprung schaffen.

DFB.de: Warum hat der HSV nicht so viele eigene Nachwuchsspieler hervorgebracht wie zum Beispiel der FC Bayern München oder Borussia Dortmund?

Reinhardt: Vielleicht hat es die vergangenen Jahre an der Geduld gefehlt. Manche Spieler haben nicht beharrlich auf ihre Chance gewartet und stattdessen woanders ihr Glück gesucht. Aber auch dem HSV fehlte vielleicht manchmal die Geduld. Ein Bundesligist muss manchmal darauf verzichten, einen teuren Profi zu verpflichten, um für schnellen Erfolg zu sorgen. Stattdessen sollte man manchmal dem eigenen Nachwuchs vertrauen. Die dafür erforderliche Geduld ist in Hamburg nur bedingt vorhanden. Wir haben einen großen Namen und eine große Tradition - der Anspruch ist sehr hoch.

DFB.de: Das ist beim FC Bayern München, der im eigenen Nachwuchs viele Nationalspieler hervorgebracht hat, doch nicht anders.

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Reinhardt: Das ist richtig. Einen großen Anteil an dem Erfolg der eigenen Nachwuchsspieler hatte zuletzt Louis van Gaal. Er hat darauf verzichtet, teure Spieler zu holen und dafür auf Thomas Müller und Holger Badstuber gesetzt. Dieser Mut ist erforderlich.

DFB.de: Wie kann sich ein Verein davor schützen, dass die besten Talente im Kader weggeschnappt werden?

Reinhardt: Das ist schwierig. Die Jagd nach den Talenten beginnt immer früher. Manche Jungs lassen sich von großen Namen locken. Mannschaften aus England scouten zum Beispiel viel im Jugendbereich und zahlen Summen, bei denen wir einfach nicht mithalten können. Es braucht einen ständigen Austausch mit den Spielern, den Eltern und Beratern, um ein vertrauensvolles Verhältnis zu haben.

DFB.de: Würden auch Sie zum Beispiel einen 14-Jährigen von einem anderen Verein abwerben?

Reinhardt: Wir müssen diese Entwicklung leider ein Stück weit mitmachen. Sonst werden wir abgehängt. Aber es gibt Grenzen. Vergangenes Jahr hatten wir einen talentierten 13-Jährigen beim Probetraining, der bei uns ins Internat wollte. Wir empfanden, das sei mit 13 Jahren zu früh. Also mussten wir damit leben, dass der Junge zu einem anderen Verein ging. Letztendlich gibt es immer einen Verein, der so etwas macht, um vielleicht ein Ausnahmetalent in den eigenen Reihen zu haben.

DFB.de: Ist es überhaupt noch möglich, ohne die Ausbildung in einem Nachwuchsleistungszentrum ein Bundesligaspieler zu werden?

Reinhardt: Völlig ausschließen möchte ich das nicht. Aber es dürfte immer schwieriger werden. In den Ausbildungszentren spielen die besten Jungs miteinander und werden von den besten Trainern unter den besten Rahmenbedingungen trainiert.

DFB.de: Ende 2014 soll der HSV-Campus direkt am Stadion fertig gestellt sein. Welche Vorteile ergeben sich für die Nachwuchsarbeit?

Reinhardt: Momentan trainieren die Profis am Stadion und die Nachwuchsmannschaften in Norderstedt. Es ist besser, beides zusammen zu haben. Die Jungs, die eines Tages bei den Profis spielen möchten, haben dadurch ihr Ziel direkt vor Augen. Wir möchten ihnen zeigen, dass die Durchlässigkeit vorhanden ist.

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Sieben Jahre stand Bastian Reinhardt beim Hamburger SV unter Vertrag. Nach Beendigung seiner aktiven Laufbahn wurde der einstige Abwehrspieler zunächst Sportchef und im Sommer 2011 zum Leiter des Nachwuchsleistungszentrums ernannt. Unter seiner Führung sollen noch "grüne"Talente zu gestandenen Bundesligaspielern reifen.

Im DFB.de-Interview mit Oliver Jensen spricht der 37-Jährige über die Nachwuchsarbeit in Hamburg, die Entdeckung von Talenten und den großen Sprung vom Nachwuchs zu den HSV-Profis.

DFB.de: Herr Reinhardt, welche Aufgaben haben Sie als Leiter des HSV-Leistungszentrums?

Bastian Reinhardt: Meine Aufgabe ist es, die gesamte Nachwuchsarbeit des Hamburger SV zu steuern. Die Kostenkontrolle, die administrativen Aufgaben und die Personalverwaltung zählen dazu. Ich handele die Verträge mit unseren Nachwuchsspielern aus. Mein Partner Michael Schröder ist für die sportliche Leitung zuständig und kümmert sich zum Beispiel um die Ausbildung der Trainer und Spieler.

DFB.de: Für den HSV spielen rund 200 Jugend- und Nachwuchsspieler. Wie findet der HSV diese Talente?

Reinhardt: Für die jüngeren Jahrgänge veranstalten wir regelmäßig Sichtungstage, sogenannte 'Try Outs' und 'Young Talent Days'. Jeder junge Fußballer kann sich dafür anmelden. Die älteren Spieler in und um Hamburg sollten uns durch unser Scouting-System bereits bekannt sein.

DFB.de: Die Teilnehmer beim 'Young Talent Day' sind zwischen acht und zwölf Jahre alt. Woran erkennen Sie so früh, ob einer vielleicht in zehn Jahren in der Bundesliga spielen könnte?

Reinhardt: Wir haben beim HSV intern festgelegt, wonach ein Talent zu erkennen ist. Wichtig sind die motorischen Fähigkeiten, dass er ständig am Spiel teilnimmt und Spaß am Fußball, am Torschießen sowie am Vorlagen geben hat. Ein wichtiger Punkt ist auch das Tempo. Nicht nur die Geschwindigkeit beim Laufen, sondern auch die im Kopf. Die kognitiven Fähigkeiten werden im modernen Fußball immer wichtiger. Die taktischen Fähigkeiten spielen in diesem jungen Alter hingegen eine untergeordnete Rolle.

DFB.de: Das Nachwuchsleistungszentrum des HSV hat 15 Internatsplätze. Für welche Spieler sind diese vorgesehen?

Reinhardt: Die Internatsplätze sind für junge Spieler ab dem U 15-Bereich, die ansonsten keine Möglichkeit haben, das Training bei uns wahrzunehmen. Manche wohnen zu weit weg, als dass sie jeden Tag mit dem Fahrdienst zu uns zu kommen könnten. In der Regel versuchen wir natürlich, die Jungs bei ihren Familien zu lassen. Aber manchmal ist das nicht möglich. Wir betreuen zum Beispiel auch zwei Spieler aus Berlin und aus Tschechien.

DFB.de: Normalerweise spielen bei Jugendlichen die ersten Partys und Mädchen eine große Rolle. Wie ist das in einem Fußballinternat? Was ist verboten?

Reinhardt: Wir sind ein Fußballinternat und kein Hotel. Die Jungs lernen schnell, dass man auf vieles verzichten muss, um als Fußballer weiterzukommen. Natürlich dürfen die Jungs in Ausnahmefällen zu einer Feier gehen. Aber sicherlich nicht vor einem Spiel. Mädchen dürfen ohnehin nicht im Internat übernachten. Wenn unsere Jungs etwas älter sind, besteht vielleicht einmal die Möglichkeit, dass sie außer Haus schlafen.

DFB.de: Beim HSV sollen bis zum U 14-Bereich alle Spieler mindestens 50 Prozent der Spielzeit erhalten. Wird also nicht nur nach Leistung aufgestellt?

Reinhardt: Die eine Mannschaft, die bei uns jede Woche gewinnen muss, ist die Profimannschaft. Bei allen anderen Mannschaften geht es um die Ausbildung. Dafür nehmen wir ganz bewusst in Kauf, ein Spiel nicht zu gewinnen. Unsere jungen Spieler sollen eine gute Entwicklung nehmen. Man kann in dem frühen Alter ohnehin noch nicht voraussagen, wer es später in die Bundesliga schafft. Daher sollen alle die gleichen Chancen haben.

DFB.de: Erfolge und Titel spielen in der Jugend also eine untergeordnete Rolle?

Reinhardt: Natürlich möchten wir jedes Spiel gewinnen und eine Sieger-Mentalität entwickeln. Aber wenn wir gut spielen und sich die Jungs weiterentwickeln, können wir auch ein Spiel verlieren. Es ist nicht das Primärziel, Titel zu gewinnen.

DFB.de: Wird in allen Teams das gleiche System gespielt?

Reinhardt: Ja, Frank Arnesen (Sportdirektor, Anm.d.Red.) hat vorgegeben, dass in jeder Nachwuchsmannschaft 4-3-3 gespielt wird. Wir möchten so ausbilden, wie es in der Profimannschaft gewünscht wird.

DFB.de: Bei den Profis gab es in den vergangenen Jahren viele Trainerwechsel. Ist es ein Nachteil, wenn kein Trainer die Möglichkeit hat, über mehrere Jahre einen jungen Spieler an die Bundesliga heranzuführen?

Reinhardt: Na ja, man muss zwischen Profis und dem Nachwuchsbereich unterscheiden. Natürlich dauert die Entwicklung junger Spieler sehr viele Jahre. Ein Verein braucht erst einmal eine Stabilität im Nachwuchs, damit die Jungs ein Ausbildungsprogramm durchlaufen.

DFB.de: Aber irgendwann geht es darum, ob die jungen Spieler bei den Profis eine Chance bekommen.

Reinhardt: Genau, und dafür ist die Durchlässigkeit wichtig. Mit Thorsten Fink haben wir einen Trainer, der auf junge Leute setzt. Er gibt ihnen die Chance, sich beim Training zu präsentieren und sich zu beweisen. Aber unsere jungen Spieler müssen wissen, dass sie bei den Profis nicht so viele Chancen bekommen wie in den Nachwuchsmannschaften.

DFB.de: Woran scheitern Karrieren besonders häufig?

Reinhardt: Jeder muss verstehen, dass man hart arbeiten und um seinen Platz kämpfen muss. Es gibt den Traum, Fußballprofi zu werden, in vollen Stadien zu spielen, Wertschätzung zu erhalten und gutes Geld zu verdienen. Aber dafür braucht es viel Arbeit und Verzicht. Ich habe schon einige Spieler erlebt, die ihren ersten Profivertrag unterschrieben und danach völlig die Bodenhaftung verloren haben. Sie blieben in ihrer Entwicklung stehen. Sie glaubten, es bereits geschafft zu haben. Es ist wichtig, sich zu verinnerlichen, dass man lediglich den ersten Schritt gemacht hat und sich nun weiterentwickeln muss.

DFB.de: Ein Verständnis, das genauso wichtig ist wie das Talent?

Reinhardt: Durchaus. Manchmal gibt es Spieler, denen früher niemand eine große Karriere zugetraut hatte, die aber sehr hart an sich arbeiten und dadurch den Sprung schaffen.

DFB.de: Warum hat der HSV nicht so viele eigene Nachwuchsspieler hervorgebracht wie zum Beispiel der FC Bayern München oder Borussia Dortmund?

Reinhardt: Vielleicht hat es die vergangenen Jahre an der Geduld gefehlt. Manche Spieler haben nicht beharrlich auf ihre Chance gewartet und stattdessen woanders ihr Glück gesucht. Aber auch dem HSV fehlte vielleicht manchmal die Geduld. Ein Bundesligist muss manchmal darauf verzichten, einen teuren Profi zu verpflichten, um für schnellen Erfolg zu sorgen. Stattdessen sollte man manchmal dem eigenen Nachwuchs vertrauen. Die dafür erforderliche Geduld ist in Hamburg nur bedingt vorhanden. Wir haben einen großen Namen und eine große Tradition - der Anspruch ist sehr hoch.

DFB.de: Das ist beim FC Bayern München, der im eigenen Nachwuchs viele Nationalspieler hervorgebracht hat, doch nicht anders.

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Reinhardt: Das ist richtig. Einen großen Anteil an dem Erfolg der eigenen Nachwuchsspieler hatte zuletzt Louis van Gaal. Er hat darauf verzichtet, teure Spieler zu holen und dafür auf Thomas Müller und Holger Badstuber gesetzt. Dieser Mut ist erforderlich.

DFB.de: Wie kann sich ein Verein davor schützen, dass die besten Talente im Kader weggeschnappt werden?

Reinhardt: Das ist schwierig. Die Jagd nach den Talenten beginnt immer früher. Manche Jungs lassen sich von großen Namen locken. Mannschaften aus England scouten zum Beispiel viel im Jugendbereich und zahlen Summen, bei denen wir einfach nicht mithalten können. Es braucht einen ständigen Austausch mit den Spielern, den Eltern und Beratern, um ein vertrauensvolles Verhältnis zu haben.

DFB.de: Würden auch Sie zum Beispiel einen 14-Jährigen von einem anderen Verein abwerben?

Reinhardt: Wir müssen diese Entwicklung leider ein Stück weit mitmachen. Sonst werden wir abgehängt. Aber es gibt Grenzen. Vergangenes Jahr hatten wir einen talentierten 13-Jährigen beim Probetraining, der bei uns ins Internat wollte. Wir empfanden, das sei mit 13 Jahren zu früh. Also mussten wir damit leben, dass der Junge zu einem anderen Verein ging. Letztendlich gibt es immer einen Verein, der so etwas macht, um vielleicht ein Ausnahmetalent in den eigenen Reihen zu haben.

DFB.de: Ist es überhaupt noch möglich, ohne die Ausbildung in einem Nachwuchsleistungszentrum ein Bundesligaspieler zu werden?

Reinhardt: Völlig ausschließen möchte ich das nicht. Aber es dürfte immer schwieriger werden. In den Ausbildungszentren spielen die besten Jungs miteinander und werden von den besten Trainern unter den besten Rahmenbedingungen trainiert.

DFB.de: Ende 2014 soll der HSV-Campus direkt am Stadion fertig gestellt sein. Welche Vorteile ergeben sich für die Nachwuchsarbeit?

Reinhardt: Momentan trainieren die Profis am Stadion und die Nachwuchsmannschaften in Norderstedt. Es ist besser, beides zusammen zu haben. Die Jungs, die eines Tages bei den Profis spielen möchten, haben dadurch ihr Ziel direkt vor Augen. Wir möchten ihnen zeigen, dass die Durchlässigkeit vorhanden ist.