Bayerns dualer Weg: "Erstklassige Förderung für Spieler aus zweiter Reihe"

Um seine Talentförderung wird der deutsche Fußball in der ganzen Welt beneidet. Leistungszentren, Eliteschulen des Fußballs, Stützpunkte, Amateurvereine – je nach individuellem Leistungsniveau und Entwicklungsstand erfährt jedes Talent die bestmögliche Ausbildung. Doch wie funktioniert die Talentförderung im Detail? Wie werden aus den Kindern und Jugendlichen von heute die Weltmeister von morgen? Wie sieht die Arbeit an Leistungszentren, Eliteschulen und Stützpunkten aus? DFB.de wirft einen Blick hinter die Kulissen. Heute auf das duale System mit zwei Auswahlmannschaften im Bayerischen Fußball-Verband.

Die DFB-Sichtungsturniere in den Sportschulen Bad Blankenburg und Kaiserau für die U 14-Auswahlteams der Landesverbände sind die erste breite Sichtungsgrundlage zur Bildung einer jährlich neuen U 15-Nationalmannschaft. Aus dem Geburtsjahrgang 2002 hat DFB-Trainer Michael Feichtenbeiner nach diesen beiden Veranstaltungen knapp 140 Spieler zu den ersten Lehrgangs-Maßnahmen eingeladen, darunter insgesamt 17 Akteure aus Bayern. Honoriert wurden damit die guten Leistungen beider bayerischer Auswahlteams beim Turnier in Bad Blankenburg, wo der BFV mit einem Leistungskader und einem Förderkader angetreten war.

Von den 17 bayerischen Spielern wiederum, die bei den DFB-Lehrgängen am Ball waren (zwölf), auf der Abrufliste standen (vier) oder zum speziellen DFB-Torwartlehrgang in Bitburg anreisten (einer), kommen nicht weniger als elf ursprünglich aus den Regional-Auswahlteams, die nach den vier Himmelsrichtungen benannt sind. Sie alle haben neben dem (Amateur-)Vereinsleben ihre sportliche Heimat in den 64 bayerischen DFB-Stützpunkten, die im größten Flächenstaat systematisch verankert sind und von vier DFB-Stützpunktkoordinatoren geleitet werden. Die begabtesten der Talente finden Aufnahme in den Förderkader, der seit über zehn Jahren neben dem Leistungskader besteht, der seinerseits mit Spielern aus den Leistungszentren (LZ) bestückt ist.

Erst belächelt, später respektiert

In der Probierphase belächelten die Profiklubs den Förderkader milde bis spöttisch und fragten sich, was ein weiteres Auswahlteam wohl bringen werde, mit Spielern aus der Provinz, von Dorfklubs oder mittelständischen Amateurvereinen. Doch diese leichte Überheblichkeit machte bald echtem Respekt Platz. Der erste BFV-Förderkader mit Spielern des Jahrgangs 1990, betreut von Bayerns Verbandstrainer Robert Heringlehner, machte durch sportliche Erfolge und große Talente auf sich aufmerksam. Im Tor stand beispielsweise Rene Vollath vom 1.FC Schwarzenfeld aus der Oberpfalz, der inzwischen beim Zweitligisten Karlsruher SC zwischen den Pfosten steht.

Freilich landet nicht jeder Hochbegabte auch ganz oben im hellen Rampenlicht. So musste aus dem 90er-Jahrgang zum Beispiel Franz Feßmann seine hoffnungsvolle Karriere frühzeitig beenden. Der technisch versierte, aber auch feingliedrige und verletzungsanfällige Spieler aus Regensburg erwirbt nunmehr gerade die Trainer-B-Lizenz bei Robert Heringlehner in der Sportschule Oberhaching, coacht die A-Jugend der SG Quelle Fürth und ist auf gutem Weg mit ihr in die Bayernliga aufzusteigen.

Michael Köllner war zwölf Jahre lang DFB-Stützpunktkoordinator von Ostbayern, ist nun beim 1.FC Nürnberg LZ-Leiter, gleichzeitig Trainer des Regionalliga-Teams der Franken und nach wie vor ein überzeugter Verfechter des dualen DFB-/BFV-Nachwuchsfördersystems in Bayern: "Schon allein deswegen, weil eine hundertprozentige Talentprognose nicht möglich ist. Mit dem Förderkader erfahren die Spieler, die eigentlich nur in der zweiten Reihe und nicht im Schaufenster stehen auch eine erstklassige Förderung und Betreuung".

Davon profitieren wiederum die Profivereine in reichem Maße, die Förderkader Spieler in Hülle und Fülle verpflichten. Beispiel gefällig? Julian Weigl von 1860 Rosenheim bei Borussia Dortmund, Kevin Volland von der TSG Thannhausen bei Bayer Leverkusen, Janik Haberer vom FC Memmingen beim SC Freiburg, Stefan Lex vom SCE Freising beim FC Ingolstadt 04, Lukas Mühl vom TSV Regen im Bayerischen Wald beim 1. FC Nürnberg, Thomas Pledl von der SpVgg Grün-Weiß Deggendorf beim SV Sandhausen oder Torwart Julian Pollersbeck von Wacker Burghausen beim 1.FC Kaiserslautern.

"Nicht jede Karriere verläuft auf geglättetem Weg"

Andersrum funktioniert der Weg auch. Spieler, die in Leistungszentren aussortiert werden, werden überwiegend wieder in die Förderkader eingegliedert und müssen den Traum vom Profifußballer noch längst nicht beenden, "weil nicht jede Karriere auf einem geglätteten Weg verläuft", wie DFB-Stützpunktkoordinator Peter Wimmer betont.

Nürnbergs LZ-Leiter Michael Köllner nennt als Beispiel für einen "Spätberufenen" den Bielefelder Zweitliga-Torhüter Wolfgang Hesl, der erst als 18-Jähriger in den Förderkader kam und wie sein Karlsruher Kollege Rene Vollath früher beim 1.FC Schwarzenfeld den Kasten hütete. Und Wimmer erinnert an den derzeit verletzten Torhüter Raphael Wolf von Werder Bremen, der erst mit 27 Jahren Profi wurde und seine ersten Talentproben am DFB-Stützpunkt Baar-Ebenhausen bei Ingolstadt abgegeben hatte.

"Talent ist weder an Ort noch Zeit gebunden", hatte einst schon der Fußballweise Detmar Cramer treffend festgestellt. Gerade deshalb halten Peter Wimmer und Michael Köllner das zweigleisige DFB-/BFV-Fördersystem im Flächenstaat Bayern für besonders wertvoll. Keinen aufgeben, viele auffangen oder neu entdecken, das ist für Südbayerns DFB-Stützpunktkoordinator Peter Wimmer auch nach 15 Jahren weiterhin die Devise: "Diese Aufgabe ist ein wahnsinnig reizvoller und spannender Prozess, der nie endet".

[hg]

Um seine Talentförderung wird der deutsche Fußball in der ganzen Welt beneidet. Leistungszentren, Eliteschulen des Fußballs, Stützpunkte, Amateurvereine – je nach individuellem Leistungsniveau und Entwicklungsstand erfährt jedes Talent die bestmögliche Ausbildung. Doch wie funktioniert die Talentförderung im Detail? Wie werden aus den Kindern und Jugendlichen von heute die Weltmeister von morgen? Wie sieht die Arbeit an Leistungszentren, Eliteschulen und Stützpunkten aus? DFB.de wirft einen Blick hinter die Kulissen. Heute auf das duale System mit zwei Auswahlmannschaften im Bayerischen Fußball-Verband.

Die DFB-Sichtungsturniere in den Sportschulen Bad Blankenburg und Kaiserau für die U 14-Auswahlteams der Landesverbände sind die erste breite Sichtungsgrundlage zur Bildung einer jährlich neuen U 15-Nationalmannschaft. Aus dem Geburtsjahrgang 2002 hat DFB-Trainer Michael Feichtenbeiner nach diesen beiden Veranstaltungen knapp 140 Spieler zu den ersten Lehrgangs-Maßnahmen eingeladen, darunter insgesamt 17 Akteure aus Bayern. Honoriert wurden damit die guten Leistungen beider bayerischer Auswahlteams beim Turnier in Bad Blankenburg, wo der BFV mit einem Leistungskader und einem Förderkader angetreten war.

Von den 17 bayerischen Spielern wiederum, die bei den DFB-Lehrgängen am Ball waren (zwölf), auf der Abrufliste standen (vier) oder zum speziellen DFB-Torwartlehrgang in Bitburg anreisten (einer), kommen nicht weniger als elf ursprünglich aus den Regional-Auswahlteams, die nach den vier Himmelsrichtungen benannt sind. Sie alle haben neben dem (Amateur-)Vereinsleben ihre sportliche Heimat in den 64 bayerischen DFB-Stützpunkten, die im größten Flächenstaat systematisch verankert sind und von vier DFB-Stützpunktkoordinatoren geleitet werden. Die begabtesten der Talente finden Aufnahme in den Förderkader, der seit über zehn Jahren neben dem Leistungskader besteht, der seinerseits mit Spielern aus den Leistungszentren (LZ) bestückt ist.

Erst belächelt, später respektiert

In der Probierphase belächelten die Profiklubs den Förderkader milde bis spöttisch und fragten sich, was ein weiteres Auswahlteam wohl bringen werde, mit Spielern aus der Provinz, von Dorfklubs oder mittelständischen Amateurvereinen. Doch diese leichte Überheblichkeit machte bald echtem Respekt Platz. Der erste BFV-Förderkader mit Spielern des Jahrgangs 1990, betreut von Bayerns Verbandstrainer Robert Heringlehner, machte durch sportliche Erfolge und große Talente auf sich aufmerksam. Im Tor stand beispielsweise Rene Vollath vom 1.FC Schwarzenfeld aus der Oberpfalz, der inzwischen beim Zweitligisten Karlsruher SC zwischen den Pfosten steht.

Freilich landet nicht jeder Hochbegabte auch ganz oben im hellen Rampenlicht. So musste aus dem 90er-Jahrgang zum Beispiel Franz Feßmann seine hoffnungsvolle Karriere frühzeitig beenden. Der technisch versierte, aber auch feingliedrige und verletzungsanfällige Spieler aus Regensburg erwirbt nunmehr gerade die Trainer-B-Lizenz bei Robert Heringlehner in der Sportschule Oberhaching, coacht die A-Jugend der SG Quelle Fürth und ist auf gutem Weg mit ihr in die Bayernliga aufzusteigen.

###more###

Michael Köllner war zwölf Jahre lang DFB-Stützpunktkoordinator von Ostbayern, ist nun beim 1.FC Nürnberg LZ-Leiter, gleichzeitig Trainer des Regionalliga-Teams der Franken und nach wie vor ein überzeugter Verfechter des dualen DFB-/BFV-Nachwuchsfördersystems in Bayern: "Schon allein deswegen, weil eine hundertprozentige Talentprognose nicht möglich ist. Mit dem Förderkader erfahren die Spieler, die eigentlich nur in der zweiten Reihe und nicht im Schaufenster stehen auch eine erstklassige Förderung und Betreuung".

Davon profitieren wiederum die Profivereine in reichem Maße, die Förderkader Spieler in Hülle und Fülle verpflichten. Beispiel gefällig? Julian Weigl von 1860 Rosenheim bei Borussia Dortmund, Kevin Volland von der TSG Thannhausen bei Bayer Leverkusen, Janik Haberer vom FC Memmingen beim SC Freiburg, Stefan Lex vom SCE Freising beim FC Ingolstadt 04, Lukas Mühl vom TSV Regen im Bayerischen Wald beim 1. FC Nürnberg, Thomas Pledl von der SpVgg Grün-Weiß Deggendorf beim SV Sandhausen oder Torwart Julian Pollersbeck von Wacker Burghausen beim 1.FC Kaiserslautern.

"Nicht jede Karriere verläuft auf geglättetem Weg"

Andersrum funktioniert der Weg auch. Spieler, die in Leistungszentren aussortiert werden, werden überwiegend wieder in die Förderkader eingegliedert und müssen den Traum vom Profifußballer noch längst nicht beenden, "weil nicht jede Karriere auf einem geglätteten Weg verläuft", wie DFB-Stützpunktkoordinator Peter Wimmer betont.

Nürnbergs LZ-Leiter Michael Köllner nennt als Beispiel für einen "Spätberufenen" den Bielefelder Zweitliga-Torhüter Wolfgang Hesl, der erst als 18-Jähriger in den Förderkader kam und wie sein Karlsruher Kollege Rene Vollath früher beim 1.FC Schwarzenfeld den Kasten hütete. Und Wimmer erinnert an den derzeit verletzten Torhüter Raphael Wolf von Werder Bremen, der erst mit 27 Jahren Profi wurde und seine ersten Talentproben am DFB-Stützpunkt Baar-Ebenhausen bei Ingolstadt abgegeben hatte.

"Talent ist weder an Ort noch Zeit gebunden", hatte einst schon der Fußballweise Detmar Cramer treffend festgestellt. Gerade deshalb halten Peter Wimmer und Michael Köllner das zweigleisige DFB-/BFV-Fördersystem im Flächenstaat Bayern für besonders wertvoll. Keinen aufgeben, viele auffangen oder neu entdecken, das ist für Südbayerns DFB-Stützpunktkoordinator Peter Wimmer auch nach 15 Jahren weiterhin die Devise: "Diese Aufgabe ist ein wahnsinnig reizvoller und spannender Prozess, der nie endet".

###more###