Andreas Rettig: "Die Zusammenarbeit ist vorbildlich"

Der Nachwuchs ist die Grundlage künftiger Erfolge. Im deutschen Fußball wurde dies erkannt, die Nachwuchsförderung im Verband und in den Vereinen gilt als vorbildlich. Seit August 2010 ist Andreas Rettig Vorsitzender der Kommission Leistungszentren.

DFB.de-Redakteur Steffen Lüdeke hat mit ihm über die Nachwuchsförderung in Deutschland gesprochen.

DFB.de: Herr Rettig, zehn Jahre Nachwuchsleistungszentren im deutschen Fußball. Sie waren von Beginn an dabei. Erinnern Sie sich noch, wie alles angefangen hat?

Andreas Rettig: Die Anfänge lagen im wenig erfreulichen Abschneiden bei der WM 1998. Damals wurden die ersten intensiven Überlegungen angestellt; es hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass in der Jugendarbeit etwas getan werden muss. Verschärft wurde die Situation durch die EM 2000, bei der es ähnlich schlecht lief. Das war im Grunde die Initialzündung.

DFB.de: Sie waren 1999 Mitglied der von der damaligen DFB-Direktion Team-Management – Ausbildung – Jugend – Schule initiierten Arbeitsgemeinschaft, die die Inhalte der neuen Nachwuchsförderung und der Leistungszentren erarbeitet hat. Haben diese Ideen und Konzepte sofort überall Beifall gefunden?

Rettig: Nein. Es haben nicht alle „Hurra“ geschrien. Aber wir haben uns davon nicht abhalten lassen. Es war wichtig, dass es nicht bei populistischen Äußerungen geblieben ist, sondern sich letztendlich alle ernsthaft daran beteiligt haben. Es kann nicht sein, wenn in Sonntagsreden die Nachwuchsförderung immer betont wird, im Ernstfall aber lieber ein 28-jähriger Bulgare geholt wird.

DFB.de: Also war es wichtig, dass der Verband dem Thema Nachdruck verliehen hat und das Führen eines Nachwuchsleistungszentrums als Lizenzierungs voraussetzung für die 36 Profivereine eingeführt hat?

Rettig: Es war eine Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten. Wir konnten, auch unterstützt durch den Ligavorstand, die Clubs mitnehmen. Wir haben dann gemeinsam festgelegt, dass ein Nachwuchsleistungszentrum als Voraussetzung für die Lizenzerteilung bestehen muss. Auch über welche Qualität die medizinische Betreuung verfügen muss und dass eine Schulkooperation gewährleistet sein muss. Und vieles andere mehr. Hier sei außerdem den DFL-Protagonisten gedankt, die von Beginn an die Bedeutung der Nachwuchsleistungszentren erkannt haben.

DFB.de: Sie haben die Funktion als Vorsitzender der Kommission Leistungszentren bereits im Jahre 2002 innegehabt. Wenn Sie die Situation in den Leistungszentren von damals mit heute vergleichen: In welchen Bereichen gibt es die gravierendsten Veränderungen?

Rettig: Nach den anfänglichen Widerständen sind alle den Weg mitgegangen, mittlerweile ist wirklich etwas Großartiges entstanden. Vor allem hat im Bewusstsein etwas stattgefunden: die Bereitschaft, Nachwuchsförderung nicht als Übel, sondern mit großer Überzeugung als Riesenchance zu betrachten.

DFB.de: Inwieweit erhöht es das Niveau der Ausbildung in den Nachwuchsleistungszentren, dass viele Spieler bereits bevor sie an die Leistungszentren kommen, in den 366 DFB-Stützpunkten gefördert werden?

Rettig: Die Arbeit an den Stützpunkten betrachte ich als vorbildlich. Und ausdrücklich will ich in diesem Zusammenhang den damaligen DFB-Präsidenten Gerhard Mayer-Vorfelder loben. Er hat gegen einige Widerstände das Talentförderprogramm auf den Weg gebracht. Davon haben die Leistungszentren der Profimannschaften unheimlich profitiert. Ich bin überzeugt vom Konzept und den Inhalten der Stützpunkte, deswegen sehe ich mit Sorge, wie sich hier gewisse Dinge entwickeln.

DFB.de: Welche denn?

Rettig: Die Jagd nach Talenten wird immer aggressiver. Leider hat sich in den vergangenen Jahren die Tendenz breitgemacht, immer früher Kinder und Jugendliche in die Leistungszentren zu holen, um zu vermeiden, dass sie zu einem anderen Verein wechseln. Das kann die Stützpunkte schwächen.

DFB.de: Gibt es Möglichkeiten, gegen diese Entwicklung anzugehen?

Rettig: Nur sehr schwer. Leider wurde ja der Abwerbeschutz für Kinder und Jugendliche aufgekündigt. Zudem gibt es im Bereich der Berater eine ungute Entwicklung. Heute treten teilweise Rechtsanwälte, Friseure und Bäcker als Berater von immer jüngeren Spielern auf. Den Kindern wird damit viel zu früh eine Pseudobedeutung vorgegaukelt.

DFB.de: Also muss bei den Beratern der Hebel angesetzt werden?

Rettig: Auch. Wir haben in der Kommission das Thema Abwerbeschutz oben auf der Agenda. Wir wollen das Thema wiederbeleben und hoffen, eine für alle befriedigende Lösung, einen modifizierten Abwerbeschutz zu finden. Und natürlich müssen wir das Thema Berater angehen. Denn leider zeigt die Erfahrung, dass eine zu frühe Beratertätigkeit bei Kindern und Jugendlichen schädlich ist.

DFB.de: Sie sind seit August 2010 Vorsitzender der Kommission Leistungszentren. Wie erleben Sie die Zusammenarbeit der Kommissionsmitglieder?

Rettig: Zunächst einmal betrachte ich es als wichtig, dass wir bei der Besetzung der Kommission gemeinsam mit dem DFB vertreten sind. Ich freue mich sehr, dass sich Matthias Sammer bereit erklärt hat, in der Kommission mitzuarbeiten. DFB und DFL müssen die Dinge in enger Verzahnung miteinander durchführen, wir wollen und müssen die Weichen für die Zukunft gemeinsam stellen.

DFB.de: Welche Weichen sind das?

Rettig: Oberste Priorität hat die Planung einer optimalen Verbindung von Nachwuchsförderung und Schule. Das Beispiel Julian Draxler und die Äußerungen zu ihm zeigen, dass wir hier Bedarf haben. Ich war sehr dankbar, dass Matthias Sammer in diesem Fall das Wort ergriffen hat. Ich warne eindringlich davor, alles auf die Karte Fußball zu setzen. Es muss möglich sein, im Rahmen der schulischen Ausbildung noch besser auf die Bedürfnisse der Toptalente einzugehen und von den starren Unterrichtsplänen wegzukommen. Auch in diesem Punkt sind sich DFB und DFL einig.

DFB.de: Wie bewerten Sie generell die Zusammenarbeit zwischen DFB und DFL bei der Nachwuchsförderung?

Rettig: Es gibt immer etwas zu verbessern, aber ich würde sagen, dass wir nah am Optimum sind. Es gibt keine Alternative, als zu sagen, dass DFB und DFL in der Nachwuchsförderung kooperieren. Aus meiner Sicht ist diese Zusammenarbeit bisher vorbildlich gelaufen.

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Der Nachwuchs ist die Grundlage künftiger Erfolge. Im deutschen Fußball wurde dies erkannt, die Nachwuchsförderung im Verband und in den Vereinen gilt als vorbildlich. Seit August 2010 ist Andreas Rettig Vorsitzender der Kommission Leistungszentren.

DFB.de-Redakteur Steffen Lüdeke hat mit ihm über die Nachwuchsförderung in Deutschland gesprochen.

DFB.de: Herr Rettig, zehn Jahre Nachwuchsleistungszentren im deutschen Fußball. Sie waren von Beginn an dabei. Erinnern Sie sich noch, wie alles angefangen hat?

Andreas Rettig: Die Anfänge lagen im wenig erfreulichen Abschneiden bei der WM 1998. Damals wurden die ersten intensiven Überlegungen angestellt; es hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass in der Jugendarbeit etwas getan werden muss. Verschärft wurde die Situation durch die EM 2000, bei der es ähnlich schlecht lief. Das war im Grunde die Initialzündung.

DFB.de: Sie waren 1999 Mitglied der von der damaligen DFB-Direktion Team-Management – Ausbildung – Jugend – Schule initiierten Arbeitsgemeinschaft, die die Inhalte der neuen Nachwuchsförderung und der Leistungszentren erarbeitet hat. Haben diese Ideen und Konzepte sofort überall Beifall gefunden?

Rettig: Nein. Es haben nicht alle „Hurra“ geschrien. Aber wir haben uns davon nicht abhalten lassen. Es war wichtig, dass es nicht bei populistischen Äußerungen geblieben ist, sondern sich letztendlich alle ernsthaft daran beteiligt haben. Es kann nicht sein, wenn in Sonntagsreden die Nachwuchsförderung immer betont wird, im Ernstfall aber lieber ein 28-jähriger Bulgare geholt wird.

DFB.de: Also war es wichtig, dass der Verband dem Thema Nachdruck verliehen hat und das Führen eines Nachwuchsleistungszentrums als Lizenzierungs voraussetzung für die 36 Profivereine eingeführt hat?

Rettig: Es war eine Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten. Wir konnten, auch unterstützt durch den Ligavorstand, die Clubs mitnehmen. Wir haben dann gemeinsam festgelegt, dass ein Nachwuchsleistungszentrum als Voraussetzung für die Lizenzerteilung bestehen muss. Auch über welche Qualität die medizinische Betreuung verfügen muss und dass eine Schulkooperation gewährleistet sein muss. Und vieles andere mehr. Hier sei außerdem den DFL-Protagonisten gedankt, die von Beginn an die Bedeutung der Nachwuchsleistungszentren erkannt haben.

DFB.de: Sie haben die Funktion als Vorsitzender der Kommission Leistungszentren bereits im Jahre 2002 innegehabt. Wenn Sie die Situation in den Leistungszentren von damals mit heute vergleichen: In welchen Bereichen gibt es die gravierendsten Veränderungen?

Rettig: Nach den anfänglichen Widerständen sind alle den Weg mitgegangen, mittlerweile ist wirklich etwas Großartiges entstanden. Vor allem hat im Bewusstsein etwas stattgefunden: die Bereitschaft, Nachwuchsförderung nicht als Übel, sondern mit großer Überzeugung als Riesenchance zu betrachten.

DFB.de: Inwieweit erhöht es das Niveau der Ausbildung in den Nachwuchsleistungszentren, dass viele Spieler bereits bevor sie an die Leistungszentren kommen, in den 366 DFB-Stützpunkten gefördert werden?

Rettig: Die Arbeit an den Stützpunkten betrachte ich als vorbildlich. Und ausdrücklich will ich in diesem Zusammenhang den damaligen DFB-Präsidenten Gerhard Mayer-Vorfelder loben. Er hat gegen einige Widerstände das Talentförderprogramm auf den Weg gebracht. Davon haben die Leistungszentren der Profimannschaften unheimlich profitiert. Ich bin überzeugt vom Konzept und den Inhalten der Stützpunkte, deswegen sehe ich mit Sorge, wie sich hier gewisse Dinge entwickeln.

DFB.de: Welche denn?

Rettig: Die Jagd nach Talenten wird immer aggressiver. Leider hat sich in den vergangenen Jahren die Tendenz breitgemacht, immer früher Kinder und Jugendliche in die Leistungszentren zu holen, um zu vermeiden, dass sie zu einem anderen Verein wechseln. Das kann die Stützpunkte schwächen.

DFB.de: Gibt es Möglichkeiten, gegen diese Entwicklung anzugehen?

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Rettig: Nur sehr schwer. Leider wurde ja der Abwerbeschutz für Kinder und Jugendliche aufgekündigt. Zudem gibt es im Bereich der Berater eine ungute Entwicklung. Heute treten teilweise Rechtsanwälte, Friseure und Bäcker als Berater von immer jüngeren Spielern auf. Den Kindern wird damit viel zu früh eine Pseudobedeutung vorgegaukelt.

DFB.de: Also muss bei den Beratern der Hebel angesetzt werden?

Rettig: Auch. Wir haben in der Kommission das Thema Abwerbeschutz oben auf der Agenda. Wir wollen das Thema wiederbeleben und hoffen, eine für alle befriedigende Lösung, einen modifizierten Abwerbeschutz zu finden. Und natürlich müssen wir das Thema Berater angehen. Denn leider zeigt die Erfahrung, dass eine zu frühe Beratertätigkeit bei Kindern und Jugendlichen schädlich ist.

DFB.de: Sie sind seit August 2010 Vorsitzender der Kommission Leistungszentren. Wie erleben Sie die Zusammenarbeit der Kommissionsmitglieder?

Rettig: Zunächst einmal betrachte ich es als wichtig, dass wir bei der Besetzung der Kommission gemeinsam mit dem DFB vertreten sind. Ich freue mich sehr, dass sich Matthias Sammer bereit erklärt hat, in der Kommission mitzuarbeiten. DFB und DFL müssen die Dinge in enger Verzahnung miteinander durchführen, wir wollen und müssen die Weichen für die Zukunft gemeinsam stellen.

DFB.de: Welche Weichen sind das?

Rettig: Oberste Priorität hat die Planung einer optimalen Verbindung von Nachwuchsförderung und Schule. Das Beispiel Julian Draxler und die Äußerungen zu ihm zeigen, dass wir hier Bedarf haben. Ich war sehr dankbar, dass Matthias Sammer in diesem Fall das Wort ergriffen hat. Ich warne eindringlich davor, alles auf die Karte Fußball zu setzen. Es muss möglich sein, im Rahmen der schulischen Ausbildung noch besser auf die Bedürfnisse der Toptalente einzugehen und von den starren Unterrichtsplänen wegzukommen. Auch in diesem Punkt sind sich DFB und DFL einig.

DFB.de: Wie bewerten Sie generell die Zusammenarbeit zwischen DFB und DFL bei der Nachwuchsförderung?

Rettig: Es gibt immer etwas zu verbessern, aber ich würde sagen, dass wir nah am Optimum sind. Es gibt keine Alternative, als zu sagen, dass DFB und DFL in der Nachwuchsförderung kooperieren. Aus meiner Sicht ist diese Zusammenarbeit bisher vorbildlich gelaufen.