"Bevor ich herumsitze, gehe ich lieber ins Training"

Zwei hochtalentierte Athleten, zwei Welten: Im Interview mit Sporthilfe.de unterhalten sich Rodel-Juniorenweltmeister Julian von Schleinitz und U 20-Nationalspieler Manuel Gulde von Fußball-Bundesligist 1899 Hoffenheim über Unterschiede und Gemeinsamkeiten im Leben junger Leistungssportler, ihre Zukunftspläne und die Solidarität zwischen den Sportarten.

Frage: Wenig Freizeit, viel harte Arbeit - wieso haben Sie sich entschieden, Leistungssportler zu werden?

Julian von Schleinitz: Das war keine bewusste Entscheidung, mehr ein Vorgang. Ich habe viele Sportarten ausprobiert, habe mich gerne bewegt. Beim Rennrodeln bin ich hängengeblieben. Der Rest kommt dann irgendwann von selbst. Man kommt in den Kader, und ab dem C-Kader wird es spätestens professionell.

Manuel Gulde: Das entwickelt sich relativ spät, bei mir im zweiten B-Jugend-Jahr, als wir mit 1899 Hoffenheim Deutscher Meister geworden sind. Da hat man gesehen, dass ein paar Leute in der Mannschaft sind, die Ambitionen nach oben haben. Ich habe mich gar nicht so darauf konzentriert, was in ein paar Wochen oder Jahren sein könnte. Das ist einfach so gekommen.

Frage: Wie muss man sich eine typische Woche zwischen Sport und Ausbildung vorstellen?

Gulde: Inzwischen habe ich mein Abitur gemacht, deshalb fällt die schulische Belastung weg. Aber in der Jugend hatten wir meistens abends Training, viermal die Woche, Samstag oder Sonntag die Spiele. Wir wurden von einem Kleinbus abgeholt, und da hat man die Schulsachen mit in den Bus genommen und auf dem Weg eine halbe Stunde gelernt, nach dem Training dann auch noch mal.

Von Schleinitz: Ich bin auf der CJD-Christophorus-Schule in Berchtesgarden, die ist speziell auf den Wintersport abgestimmt. Wir haben Vereinbarungen mit den Lehrern, dass sie mir im Winter meine Hausaufgaben per E-Mail zuschicken und ich die fertigen Aufgaben dann wieder zurückschicke. Wenn ich da bin, bekomme ich einzeln Nachhilfestunden. Die schulische Ausbildung geregelt zu bekommen, ist nicht so leicht, denn im Winter habe ich etwa 70 Fehltage. Es ist schwierig, aber ich habe vor, ein gutes Abitur zu machen.

Frage: Viele Sportler verpflichten sich auch bei Bundeswehr oder Bundespolizei. Ist das ein denkbarer Weg?



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Zwei hochtalentierte Athleten, zwei Welten: Im Interview mit Sporthilfe.de unterhalten sich Rodel-Juniorenweltmeister Julian von Schleinitz und U 20-Nationalspieler Manuel Gulde von Fußball-Bundesligist 1899 Hoffenheim über Unterschiede und Gemeinsamkeiten im Leben junger Leistungssportler, ihre Zukunftspläne und die Solidarität zwischen den Sportarten.

Frage: Wenig Freizeit, viel harte Arbeit - wieso haben Sie sich entschieden, Leistungssportler zu werden?

Julian von Schleinitz: Das war keine bewusste Entscheidung, mehr ein Vorgang. Ich habe viele Sportarten ausprobiert, habe mich gerne bewegt. Beim Rennrodeln bin ich hängengeblieben. Der Rest kommt dann irgendwann von selbst. Man kommt in den Kader, und ab dem C-Kader wird es spätestens professionell.

Manuel Gulde: Das entwickelt sich relativ spät, bei mir im zweiten B-Jugend-Jahr, als wir mit 1899 Hoffenheim Deutscher Meister geworden sind. Da hat man gesehen, dass ein paar Leute in der Mannschaft sind, die Ambitionen nach oben haben. Ich habe mich gar nicht so darauf konzentriert, was in ein paar Wochen oder Jahren sein könnte. Das ist einfach so gekommen.

Frage: Wie muss man sich eine typische Woche zwischen Sport und Ausbildung vorstellen?

Gulde: Inzwischen habe ich mein Abitur gemacht, deshalb fällt die schulische Belastung weg. Aber in der Jugend hatten wir meistens abends Training, viermal die Woche, Samstag oder Sonntag die Spiele. Wir wurden von einem Kleinbus abgeholt, und da hat man die Schulsachen mit in den Bus genommen und auf dem Weg eine halbe Stunde gelernt, nach dem Training dann auch noch mal.

Von Schleinitz: Ich bin auf der CJD-Christophorus-Schule in Berchtesgarden, die ist speziell auf den Wintersport abgestimmt. Wir haben Vereinbarungen mit den Lehrern, dass sie mir im Winter meine Hausaufgaben per E-Mail zuschicken und ich die fertigen Aufgaben dann wieder zurückschicke. Wenn ich da bin, bekomme ich einzeln Nachhilfestunden. Die schulische Ausbildung geregelt zu bekommen, ist nicht so leicht, denn im Winter habe ich etwa 70 Fehltage. Es ist schwierig, aber ich habe vor, ein gutes Abitur zu machen.

Frage: Viele Sportler verpflichten sich auch bei Bundeswehr oder Bundespolizei. Ist das ein denkbarer Weg?

Von Schleinitz: Wenn man an einer Präsenz-Universität studieren will - ich möchte gerne Ingenieurswissenschaften in Salzburg studieren -, lässt sich das nicht vereinbaren. Da ist höchstens ein Fernstudium möglich, denn Bundeswehr und Bundespolizei wollen natürlich auch, dass man anwesend ist.

Frage: Manuel, Sie haben auch erwogen, ein Studium zu beginnen. Unterstützt der Klub Sie dabei?

Gulde: Wir haben ein Grundgehalt, deshalb bekommen wir keine zusätzliche finanzielle Unterstützung und brauchen die auch nicht. Aber wir haben Kooperationen mit verschiedenen Universitäten, die beispielsweise Abgabetermine auf uns abstimmen, damit wir ein bisschen mehr Zeit haben, wenn im Verein gerade eine stressige Phase ansteht.

Frage: Sie haben sich binnen zwei Jahre zweimal den Mittelfuß gebrochen. Gibt diese Erfahrung zusätzlichen Antrieb, sich auch etwas neben dem Fußball aufzubauen?

Gulde: Auf jeden Fall. Aber das gilt nicht nur für Verletzungen. Man weiß nie, wie es weitergeht und ob es für den Sprung nach oben wirklich reicht, ob man jahrelang im Topbereich spielen kann. Von daher ist es immer sinnvoll, noch etwas anderes zu haben. Die duale Ausbildung sollte man immer im Kopf haben - aber das lernt man bei uns in der Jugend von Grund auf. Auf die soziale Ausbildung wird unter Bernhard Peters, unserem Direktor für Sport- und Nachwuchsförderung, sehr viel Wert gelegt.

Frage: Sie sind beide erst 19 Jahre alt. Fehlen Ihnen manchmal die Dinge, die viele Gleichaltrige machen?

Von Schleinitz: Ich finde, dass das ausgeglichen wird. Seit der fünften Klasse bin ich es nicht anders gewohnt, ich habe kein Problem damit. Ich habe nicht das Gefühl, dass mir die Freizeit fehlt. Im Gegenteil: Ich sehe bei vielen anderen Schülern, dass sie sich langweilen und gar nicht wissen, was sie mit ihrer Zeit machen sollen. Bevor ich zu Hause herumsitze und mich auch langweile, gehe ich lieber ins Training.

Gulde: Julian sagt das schon richtig. Wir sind es nicht anders gewohnt, weil wir den Sport schon jahrelang machen. Die Kumpels wissen auch, dass ich mich da ein bisschen zurückhalten muss, und sie akzeptieren das auch. Entweder spielen sie selbst Fußball, oder sie haben inzwischen mitbekommen, dass ich am Wochenende generell etwas kürzer trete.

Frage: Wie ist die Fehlertoleranz gegenüber jungen Sportlern: Gibt es da noch eine Art "Welpenschutz"?

Gulde: In der ersten Zeit bestimmt. Als ich vor drei Jahren das erste Mal mit den Profis trainiert habe, stand ich schon noch unter "Welpenschutz". Aber wenn man erst mal ein halbes Jahr mittrainiert hat, verfliegt der auch. Man ist normales Mannschaftsmitglied und wird als vollwertig angesehen.

Von Schleinitz: Felix Loch, der Olympiasieger, ist gerade mal drei Jahre älter als ich. Da sagt mein Trainer schon: Schau dir an, wie der das macht. Wir werden direkt alle gleich behandelt.

Frage: Gibt es für 19 Jahre alte Spitzenathleten ein Leben neben dem Sport?

Von Schleinitz: Es gibt schon eins. Im Sommer habe ich nur während der Woche Training und kann am Wochenende entspannen oder etwas mit Freunden unternehmen. Das ist auch wichtig, denn ohne würde es nicht gehen, wenn man den Rest der Zeit so sehr unter Druck steht.

Frage: Wie sehen Ihre sportlichen Ziele für die nächsten fünf Jahre aus?

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Von Schleinitz: In den nächsten zwei Jahren will ich die Weltcup-Qualifikation schaffen. Wenn man sich in Deutschland qualifiziert, ist man auch in der Lage, bei den Weltcups und der WM vorne mitzufahren. Das große Ziel sind natürlich die Olympischen Winterspiele in Sotschi 2014. Das ist machbar, und ich hoffe, dass ich das Ziel auch erreiche. Wenn es bis dahin nicht geklappt hat, weiß ich nicht, ob es bis Olympia 2018 - hoffentlich in München dann - besser wird.

Gulde: Ich stecke meine Ziele eher kurzfristig, mir ist erst mal wichtig, dass ich gesund bleibe und mich weiterentwickle. In den nächsten Jahren möchte ich ein gestandener Bundesligaspieler werden, aber dafür muss ich einen Schritt nach dem anderen machen.

Frage: Sie kommen beide aus sehr unterschiedlichen Bereichen des Leistungssports. Haben Sie Respekt vor der Leistung des anderen?

Von Schleinitz: Auf jeden Fall, man muss das schließlich auch in Relation setzen: Wenn man weiß, wie viele Menschen rodeln und wie viele Fußball spielen, dann ist es bestimmt etwas anderes, ob man im Fußball Deutscher Meister oder im Rodeln Juniorenweltmeister wird. Da muss man mindestens genauso gut sein. Ehrlich gesagt, bin ich aber froh, dass im Winter nicht ganz so viel Fußball ist und wir deshalb noch genug Übertragungszeiten im Fernsehen bekommen.

Gulde: Wenn Olympia ist, schaue ich mir auch Wintersport an und habe davor auch großen Respekt. Ich würde mich das nicht trauen, was Julian macht - das kostet bestimmt einiges an Überwindung.

Frage: Teilen Sie die Meinung, dass Geld im Fußball zu früh eine Rolle spielt?

Gulde: In der Jugend steht das Geld noch nicht im Vordergrund, da geht es vor allem darum, sich weiterzuentwickeln. Die Frage zu stellen, warum Fußballer so viel verdienen, ist berechtigt. Aber es gibt auch andere Sportler wie Basketballspieler oder Formel-1-Fahrer, die viel Geld verdienen. Sportler in olympischen Disziplinen sind unterbezahlt, wenn man den Aufwand sieht, den sie betreiben. Julian wird sicherlich mindestens so viel trainieren wie wir. Das ist nicht immer fair.

Frage: Die Profivereine zeigen sich aber auch solidarisch und haben über die Bundesligastiftung gemeinsam mit der Sporthilfe die Aktion "Sportler für Sportler" ins Leben gerufen. Finden Sie das gut?

Von Schleinitz: Ich finde das sehr gut und werde über die Nachwuchseliteförderung persönlich auch von der Bundesligastiftung unterstützt. Es wird oft spaßeshalber gesagt: "Es gibt Fußballer, und es gibt Sportler." Deshalb finde ich es toll, dass die Fußballer etwas abgeben und Interesse für uns andere Sportler zeigen.

Gulde: Wir stehen mehr im Vordergrund als andere Sportarten, die es verdient hätten, mehr Aufmerksamkeit zu bekommen. Wo man helfen kann, hilft man gerne.