Ittrich: "Die neuen Spielformen im Kinderfußball sind wunderbar"

Bundesliga-Schiedsrichter Patrick Ittrich hat mit seinem Instagram-Post am Wochenende für Aufregung gesorgt. Ittrich äußerte sich kritisch darüber, dass im Kinderfußball keine Schiedsrichter*innen zum Einsatz kommen. Öffentlich wurde dies mit der Einführung der neuen Spielformen in Zusammenhang gebracht, die aktuell ausgerollt und ab 2024 für die Altersklassen G-, F- und E-Jugend bundesweit verbindlich sein werden. Allerdings: In der G- und F-Jugend wird bereits seit vielen Jahren ohne Schiedsrichter*innen gespielt – im Rahmen der FairPlay-Liga. Das Eine hat also wenig mit dem Anderen zu tun.

Florian Weißmann ist in Bayern Verbands-Jugendleiter, im DFB als Mitglied des Jugendausschusses zuständig für den Kinderfußball und war früher selbst Schiedsrichter bis zur 5. Liga. Er hat sich heute mit Patrick Ittrich zum Gespräch zusammengeschlossen. Herausgekommen ist eine intensive Diskussion. DFB.de war dabei.

DFB.de: Herr Weißmann, sind Sie sauer auf Patrick Ittrich?

Florian Weißmann: Ich sage es mal so: Ich war am Wochenende schon irritiert, weil hier verschiedene Themen vermengt wurden – zu Lasten der neuen Spielformen im Kinderfußball. Und das auf einer Grundlage, die so nicht in Ordnung ist.

DFB.de: Herr Ittrich, Ihr großes Anliegen ist die Schiedsrichterförderung und -gewinnung. In vielen Reaktionen und in der Berichterstattung wird aber nun mehr über die neuen Spielformen diskutiert und der falsche Eindruck erweckt, damit gehe eine neue Regelung in Bezug auf die Schiedsrichter*innen einher.

Patrick Ittrich: Ich wollte mit dem Post bewirken, dass wir aus meiner Sicht Schiedsrichter*innen in den unteren Altersklassen brauchen, damit sie sich dort entwickeln können. Schiedsrichterei ist Lebensschule. Der Schiedsrichter ist Manager und Kommunikator. Die Schiedsrichter*innen lernen dabei nicht allein, Regeln umzusetzen, sondern sie auch so zu vermitteln, dass andere sie verstehen. Das ist Kommunikation, das ist Erfahrung und das ist das, wofür ich versuche zu werben. Mit der aktuellen Regelung suggerieren wir im Kinderfußball pauschal: Wir brauchen keine Schiedsrichter*innen.

DFB.de: Besagte Regelung wird seit Jahren bundesweit praktiziert. Sehen Sie denn auch ein Problem bei den neuen Spielformen?

Ittrich: Meine Kritik zielt auf gar keinen Fall auf die neuen Spielformen. Wir entwickeln uns weiter und wenn neue Spielformen den Fußball voranbringen, dann finde ich das großartig. Mir ging es in meinem Post darum, dass ich im Kinderfußball gerne Schiedsrichter*innen hätte. Aber in den meisten Fällen ist es ja gewünscht, dass die Regulierung durch die Trainer*innen und die Kinder vorgenommen soll. Das sehe ich kritisch, da meines Erachtens eine unparteiische Person in der Mitte stehen sollte. Kinder lernen auf diese Weise früh, mit Regeln umzugehen - und es hat im Zweifelsfall nicht der Recht, der am lautesten schreit. Mein Punkt ist, dass die Selbstregulierung, die der große Vorteil sein soll, nicht immer so greift, wie man sich das wünscht. Die Gefahr besteht, dass nicht die Kinder regulieren, sondern Trainer*innen, Betreuer*innen und sogar Eltern.

Weißmann: Es sind jetzt schon mehrere Jahre vergangen, in denen in unteren Altersklassen ohne Schiedsrichter*innen gespielt wird. Da stellt sich für mich die Frage: Warum wird das Thema jetzt aufgemacht und der Eindruck erweckt, dass durch die neuen Spielformen auf einmal der Schiedsrichter nicht mehr da ist. Es ändert sich die Spielform, aber dass kein Schiedsrichter bei den Kindern zum Einsatz kommt, war schon vorher so. So etwas ärgert mich, da unsere Arbeit, die wir in den vergangenen Jahren in den Kinderfußball gesteckt haben, durch eine plakative Aussage geschädigt wird und vom Kern der Diskussionen ablenkt.

Ittrich: Ist das so?

Weissmann: Ja, weil durch die verkürzte Darstellung die Botschaft entstanden ist: Der DFB führt neue Spielformen ein und schafft damit Schiedsrichter*innen in den unteren Altersklassen ab. Wir legen seit Jahren Wert darauf, dass speziell die Kinder im F- und G-Jugendbereich den Fokus aufs Spiel legen, eigene Entscheidungen treffen und Erwachsene sie dabei begleiten. In der E-Jugend wird künftig 5 gegen 5 gespielt, aber auch ein 7 gegen 7 ist alternativ möglich. Und da sagen wir auch nicht: Wir wollen auf keinen Fall Schiedsrichter*innen dabei haben. Ihr Einsatz ist da auch möglich – sofern sie vorhanden sind.

Ittrich: Dann stellen wir das klar. Ich will auf keinen Fall irgendeine Arbeit diskreditieren, die über mehrere Jahre gemacht wurde. Die Spielform ist wunderbar und ich möchte das nicht miteinander in Zusammenhang bringen. Das haben die Medien gemacht. Mir ist wichtig:  Schiedsrichter*innen sollten auch in den Kinderfußball integriert und dort ausgebildet werden. Das kann bei der Förderung, Bindung und Entwicklung helfen. Das ist mein Hauptargument. Florian, Du sagst: Wir brauchen keine Schiedsrichter*innen in der F-Jugend. Ich sage: Wir brauchen Schiedsrichter*innen in der F-Jugend. Da haben wir beide unterschiedliche Meinungen, was nicht schlimm ist. Grundsätzlich möchte ich einfach, dass wir das Thema offen halten und für Schiedsrichter*innen im Jugendfußball werben.

Florian Weissmann: Da bin ich auch dabei. Ich bin der Letzte, der sagt: Schiedsrichter*innen brauchen wir nicht. Ich komme ja selbst aus dem Bereich. Ich differenziere nur bei den Altersklassen ein bisschen.

DFB.de: Eine der auffälligsten Schwierigkeiten im Kinderfußball scheint das Verhalten der Erwachsenen.  Sind Eltern und Trainer*innen potenzielle Problemfälle?

Weißmann: Nicht der Großteil. Es fällt halt leider nur das negative Verhalten auf und über das wird öffentlich berichtet. Über die vielen Trainer *innen und Eltern, die das wirklich gut machen, wird leider viel zu wenig gesprochen.

Patrick Ittrich: Ich sehe das genauso. Ohne Eltern geht es nicht. Wie willst du in den Altersklassen ein Spielfest organisieren? Wie willst du Kuchenstände und Getränkeverkauf machen? Das ist alles ohne Eltern nicht möglich. Es geht für mich darum: Schiedsrichterwesen ist eine Sportart. Diese Sportart möchte ich fördern und sie auf dem Platz integrieren. Wir wollen alle, dass Fußball gespielt wird. Und die Schiedsrichter*innen sind nicht die, die an erster Stelle stehen sollten, wenn es um Fußball geht, aber sie sollen immer mit integriert werden.

[nl/jb]

Bundesliga-Schiedsrichter Patrick Ittrich hat mit seinem Instagram-Post am Wochenende für Aufregung gesorgt. Ittrich äußerte sich kritisch darüber, dass im Kinderfußball keine Schiedsrichter*innen zum Einsatz kommen. Öffentlich wurde dies mit der Einführung der neuen Spielformen in Zusammenhang gebracht, die aktuell ausgerollt und ab 2024 für die Altersklassen G-, F- und E-Jugend bundesweit verbindlich sein werden. Allerdings: In der G- und F-Jugend wird bereits seit vielen Jahren ohne Schiedsrichter*innen gespielt – im Rahmen der FairPlay-Liga. Das Eine hat also wenig mit dem Anderen zu tun.

Florian Weißmann ist in Bayern Verbands-Jugendleiter, im DFB als Mitglied des Jugendausschusses zuständig für den Kinderfußball und war früher selbst Schiedsrichter bis zur 5. Liga. Er hat sich heute mit Patrick Ittrich zum Gespräch zusammengeschlossen. Herausgekommen ist eine intensive Diskussion. DFB.de war dabei.

DFB.de: Herr Weißmann, sind Sie sauer auf Patrick Ittrich?

Florian Weißmann: Ich sage es mal so: Ich war am Wochenende schon irritiert, weil hier verschiedene Themen vermengt wurden – zu Lasten der neuen Spielformen im Kinderfußball. Und das auf einer Grundlage, die so nicht in Ordnung ist.

DFB.de: Herr Ittrich, Ihr großes Anliegen ist die Schiedsrichterförderung und -gewinnung. In vielen Reaktionen und in der Berichterstattung wird aber nun mehr über die neuen Spielformen diskutiert und der falsche Eindruck erweckt, damit gehe eine neue Regelung in Bezug auf die Schiedsrichter*innen einher.

Patrick Ittrich: Ich wollte mit dem Post bewirken, dass wir aus meiner Sicht Schiedsrichter*innen in den unteren Altersklassen brauchen, damit sie sich dort entwickeln können. Schiedsrichterei ist Lebensschule. Der Schiedsrichter ist Manager und Kommunikator. Die Schiedsrichter*innen lernen dabei nicht allein, Regeln umzusetzen, sondern sie auch so zu vermitteln, dass andere sie verstehen. Das ist Kommunikation, das ist Erfahrung und das ist das, wofür ich versuche zu werben. Mit der aktuellen Regelung suggerieren wir im Kinderfußball pauschal: Wir brauchen keine Schiedsrichter*innen.

DFB.de: Besagte Regelung wird seit Jahren bundesweit praktiziert. Sehen Sie denn auch ein Problem bei den neuen Spielformen?

Ittrich: Meine Kritik zielt auf gar keinen Fall auf die neuen Spielformen. Wir entwickeln uns weiter und wenn neue Spielformen den Fußball voranbringen, dann finde ich das großartig. Mir ging es in meinem Post darum, dass ich im Kinderfußball gerne Schiedsrichter*innen hätte. Aber in den meisten Fällen ist es ja gewünscht, dass die Regulierung durch die Trainer*innen und die Kinder vorgenommen soll. Das sehe ich kritisch, da meines Erachtens eine unparteiische Person in der Mitte stehen sollte. Kinder lernen auf diese Weise früh, mit Regeln umzugehen - und es hat im Zweifelsfall nicht der Recht, der am lautesten schreit. Mein Punkt ist, dass die Selbstregulierung, die der große Vorteil sein soll, nicht immer so greift, wie man sich das wünscht. Die Gefahr besteht, dass nicht die Kinder regulieren, sondern Trainer*innen, Betreuer*innen und sogar Eltern.

Weißmann: Es sind jetzt schon mehrere Jahre vergangen, in denen in unteren Altersklassen ohne Schiedsrichter*innen gespielt wird. Da stellt sich für mich die Frage: Warum wird das Thema jetzt aufgemacht und der Eindruck erweckt, dass durch die neuen Spielformen auf einmal der Schiedsrichter nicht mehr da ist. Es ändert sich die Spielform, aber dass kein Schiedsrichter bei den Kindern zum Einsatz kommt, war schon vorher so. So etwas ärgert mich, da unsere Arbeit, die wir in den vergangenen Jahren in den Kinderfußball gesteckt haben, durch eine plakative Aussage geschädigt wird und vom Kern der Diskussionen ablenkt.

Ittrich: Ist das so?

Weissmann: Ja, weil durch die verkürzte Darstellung die Botschaft entstanden ist: Der DFB führt neue Spielformen ein und schafft damit Schiedsrichter*innen in den unteren Altersklassen ab. Wir legen seit Jahren Wert darauf, dass speziell die Kinder im F- und G-Jugendbereich den Fokus aufs Spiel legen, eigene Entscheidungen treffen und Erwachsene sie dabei begleiten. In der E-Jugend wird künftig 5 gegen 5 gespielt, aber auch ein 7 gegen 7 ist alternativ möglich. Und da sagen wir auch nicht: Wir wollen auf keinen Fall Schiedsrichter*innen dabei haben. Ihr Einsatz ist da auch möglich – sofern sie vorhanden sind.

Ittrich: Dann stellen wir das klar. Ich will auf keinen Fall irgendeine Arbeit diskreditieren, die über mehrere Jahre gemacht wurde. Die Spielform ist wunderbar und ich möchte das nicht miteinander in Zusammenhang bringen. Das haben die Medien gemacht. Mir ist wichtig:  Schiedsrichter*innen sollten auch in den Kinderfußball integriert und dort ausgebildet werden. Das kann bei der Förderung, Bindung und Entwicklung helfen. Das ist mein Hauptargument. Florian, Du sagst: Wir brauchen keine Schiedsrichter*innen in der F-Jugend. Ich sage: Wir brauchen Schiedsrichter*innen in der F-Jugend. Da haben wir beide unterschiedliche Meinungen, was nicht schlimm ist. Grundsätzlich möchte ich einfach, dass wir das Thema offen halten und für Schiedsrichter*innen im Jugendfußball werben.

Florian Weissmann: Da bin ich auch dabei. Ich bin der Letzte, der sagt: Schiedsrichter*innen brauchen wir nicht. Ich komme ja selbst aus dem Bereich. Ich differenziere nur bei den Altersklassen ein bisschen.

DFB.de: Eine der auffälligsten Schwierigkeiten im Kinderfußball scheint das Verhalten der Erwachsenen.  Sind Eltern und Trainer*innen potenzielle Problemfälle?

Weißmann: Nicht der Großteil. Es fällt halt leider nur das negative Verhalten auf und über das wird öffentlich berichtet. Über die vielen Trainer *innen und Eltern, die das wirklich gut machen, wird leider viel zu wenig gesprochen.

Patrick Ittrich: Ich sehe das genauso. Ohne Eltern geht es nicht. Wie willst du in den Altersklassen ein Spielfest organisieren? Wie willst du Kuchenstände und Getränkeverkauf machen? Das ist alles ohne Eltern nicht möglich. Es geht für mich darum: Schiedsrichterwesen ist eine Sportart. Diese Sportart möchte ich fördern und sie auf dem Platz integrieren. Wir wollen alle, dass Fußball gespielt wird. Und die Schiedsrichter*innen sind nicht die, die an erster Stelle stehen sollten, wenn es um Fußball geht, aber sie sollen immer mit integriert werden.

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