Kein Platz auf Rechtsaußen: Schalker Fan-Initiative ausgezeichnet

Drei Torschützen aus drei Nationen

In eben jenem Fanladen stehen nun rund 40 Schalke-Anhänger. Die Zeit bis zum Anstoß der Bundesligapartie rückt näher. Eine Vierergruppe spielt die Partie Schalke gegen Stuttgart schon mal am Kicker durch. Helmut Schiffer lässt derweil seinen Blick durch den Raum schweifen, erblickt Freunde aus der Nordkurve, schüttelt Hände. Der 51-Jährige kam einst an einem Infostand mit der Faninitiative in Berührung. "Kurz darauf bin ich Mitglied geworden", sagt Schiffer. Dass sich Schalker gegen Rassismus und Diskriminierung aussprechen, gefällt ihm. Das gemeinsame Anfeuern im Stadion möchte er zudem nicht missen. Schiffer besitzt wie viele Mitglieder eine Dauerkarte.

Rund eine Stunde vor dem Abpfiff geht es von der "Schalker Meile" - so heißt der Teil der Kurt-Schumacher-Straße im Volksmund - in Richtung Arena. Tipps werden noch abgegeben. Natürlich glaubt jeder an einen Erfolg der Gastgeber. Und tatsächlich setzt sich Schalke am Ende mit 3:1 durch. Die Algerier Nabil Bentaleb lässt Susanne Franke, Sven Schneider und Kollegen durch sein Elfmetertor früh jubeln. Schalke hat später eine schwächere Phase, kassiert den Ausgleich. Doch nach der Pause erhöhen die Königsblauen den Druck. Naldo, ein Brasilianer mit deutschem Pass, trifft zum 2:1. Der von vielen geforderte Österreicher Guido Burgstaller erzielt den Treffer zum Endstand. Drei Torschützen aus drei Nationen. Alles ganz normal.

Zweiter Preis geht an das Familienportal e.V.

"Tüpfelhausen - Das Familienportal e.V." ist ein gemeinnütziger Träger der freien Jugendhilfe, dessen klassische Aufgabenfelder die Familienbildung, die Kinder- und Jugendarbeit sowie die Integration von Flüchtlingen sind. Er unterhält ein Familienzentrum sowie ein Zentrum für informelle Kinder- und Jugendbildung in Leipzig.

2013 veranstaltete "Tüpfelhausen" gemeinsam mit anderen Leipziger Trägern einen Gedenktag an den ehemaligen jüdischen Fußballclub Bar Kochba Leipzig. Dabei wurde das seit Jahrzehnten vergessene Bar-Kocha-Stadion wiederentdeckt. Seit 2015 veranstaltet der Verein jährlich das internationale und interkulturelle Fußballbegegnungsfest um den Max und Leo Bartfeld-Pokal. Erinnert wird damit an die Familie Bartfeld, stellvertretend für alle Sportler der ehemaligen jüdischen Vereine in Leipzig. Die Brüder Bartfeld zählten zu den engagiertesten Mitgliedern des jüdischen Fußballvereins, der 1938 zwangsaufgelöst wurde. Beiden gelang die Flucht.

Verein "Fußball und Begegnung" erhält dritten Preis

Der gemeinnützige Verein "Fußball und Begegnung" wurde 2009 mit dem Zweck der internationalen Förderung des Frauenfußballs und des Einsatzes gegen Diskriminierung jeglicher Art wie Rassismus, Sexismus, sexuelle Orientierung etc. gegründet. Er hat sich seit seiner Gründung zu einem weltweiten Netzwerk von NGOs entwickelt, die sich über das Medium Fußball für interkulturelle Verständigung, Geschlechtergerechtigkeit und Empowerment von Frauen und Mädchen weltweit einsetzen.

Zentrales Projekt des Vereins ist das 2009 mit drei Unterbrechungen jährlich veranstaltete internationale Mädchen- und Frauenfußballturnier und Kulturfestival "DISCOVER FOOTBALL" mit 100 internationalen Teilnehmerinnen aus allen Teilen der Welt. Der Verein arbeitet mit Ausnahme von ein bis zwei für die Vorbereitungszeit des Turniers eingestellten hauptamtlichen Mitarbeiterinnen ehrenamtlich.

[dd]


Die Schalker Fan-Initiative zeigt seit einem Vierteljahrhundert Flagge gegen Rassismus. Heute wird sie dafür in Karlsruhe mit dem Julius Hirsch Preis ausgezeichnet. Ein Besuch in Gelsenkirchen bei Fans, denen Fußball richtig wichtig ist. Aber eben noch einiges mehr.

Aus einem Ladenlokal dringt laute Musik hinaus auf die Kurt-Schumacher-Straße. Wer sich in diese Gegend zufällig verlaufen hat, erkennt spätestens bei den Texten, wo er sich befindet. "Blau und Weiß, wie lieb‘ ich dich" dröhnt aus den Boxen, anschließend der Song "Wir sind Schalker". Es ist ein Bundesliga-Spieltag. Schalke 04 empfängt den VfB Stuttgart. Und auf dieses Ereignis stimmen sich die Mitglieder der Schalker Fan-Initiative e.V. mit den passenden Liedern ein.

Grindel: "Schalker Fan-Initiative ist ein herausragendes Beispiel"

Drei Stunden vor dem Anpfiff füllt sich der Fan-Laden im berühmten Gelsenkirchener Stadtteil allmählich. Frauen und Männer in königsblauen Trikots stellen sich an die Theke, trinken ihr Bier und reden über die Themen der vergangenen Tage. Es geht natürlich um Benedikt Höwedes, der nach 16 Jahren im Klub zu Juventus Turin gewechselt ist. Die Gespräche drehen sich auch um Angreifer Guido Burgstaller, den viele Fans wieder in der Startelf sehen wollen. Und die Schalke-Anhänger reden über eine Nachricht aus Frankfurt am Main, die für große Freude gesorgt hat.

Im August verkündete der Deutsche Fußball-Bund die Gewinner des Julius Hirsch Preises. Die Auszeichnung wird an Personen oder Organisationen vergeben, die sich gegen Antisemitismus, Rassismus und Diskriminierung einsetzen. In diesem Jahr geht der erste Preis nach Gelsenkirchen. "Die 1992 gegründete Schalker Fan-Initiative ist ein herausragendes Beispiel für die vielen positiv und nachhaltig wirkenden Fangruppen im Land, aber auch für das enorme zivilgesellschaftliche Engagement im Fußball insgesamt", begründete DFB-Präsident Reinhard Grindel die Entscheidung der Jury.

Initiative zeigt seit 25 Jahre Flagge

Es sind Worte, die Dr. Susanne Franke stolz machen. "Wir nehmen den Preis gerne für 25 Jahre harte Arbeit, Flagge zeigen, Mund aufmachen, Formulare ausfüllen und Anträge stellen", sagt die 51-Jährige, die acht Jahre lang 1. Vorsitzende des Vereins war. Die gebürtige Gelsenkirchenerin fährt seit ihrer Kindheit auf Schalke. Ihr Vater nahm sie in den 70er-Jahren erstmals mit ins Parkstadion. Susanne Franke sah die Kremers-Zwillinge Helmut und Erwin tricksen, sie erlebte Paraden von Norbert Nigbur und jubelte bei Toren von Klaus Fischer. "Das war eine schöne Zeit", sagt sie.

Anfang der 90er machte es Susanne Franke weniger Spaß, auf Schalke zu gehen. Das lag nicht etwa an den schlechten Ergebnissen der Profis, sondern an rechten Parolen im Block. Fans verunglimpften dunkelhäutige Fußballer mit Affenlauten oder schrien "Ausländer raus!" in Richtung Spielfeld. "Wir wollten den Nazis aber nicht einfach die Kurve überlassen und haben uns zu Wehr gesetzt", sagt Susanne Franke.

Antirassismus-Paragraf fördert ausländische Mitbürger

Zu diesem Zweck wurde die Schalker Fan-Initiative gegründet. Am 9. November 1992 trat der Verein erstmals öffentlich auf – bei einer Gedenkveranstaltung zur Reichspogromnacht in Gelsenkirchen. Die Mitglieder zeigten ein Transparent mit der Aufschrift "Schalker gegen Rassismus" und erstellten Flugblätter. Diese verteilten sie einige Wochen später bei einer Großdemonstration gegen Ausländerfeindlichkeit in Bonn. Es war eine Zeit, in der Fremdenhass in Deutschland in den Schlagzeilen war. Filmaufnahmen von Molotow-Cocktails werfenden Skinheads vor einem von Vietnamesen bewohnten Hochhaus in Rostock-Lichtenhagen gingen damals um die Welt. "Das waren Bilder, die uns wütend gemacht haben", sagt Susanne Franke.

Die Fan-Initiative wollte Zuschauer mit rechter Gesinnung nicht länger im Stadion dulden. Sie setzte sogar eine Satzungsänderung durch. Seit 1994 gibt es bei den Königsblauen einen Antirassismus-Paragrafen. Durch ihn soll die Integration ausländischer Mitbürger gefördert werden. Wer eine rassistische oder ausländerfeindliche Gesinnung vertritt, kann hingegen aus dem Verein FC Schalke 04 ausgeschlossen werden.

Mitglied Schneider: "Müssen immer wachsam bleiben"

"Dass es diesen Paragrafen gibt, ist gut", sagt Sven Schneider. "Damit ist unsere Arbeit aber nicht getan. Wir müssen immer wachsam bleiben." Der 43-Jährige gehört zu den Mitgliedern der ersten Stunde. "Ich wollte einfach nicht mehr, dass mir die Nazis den Spaß am Fußball nehmen", sagt er. Diese Meinung teilen immer mehr Schalker. Die Faninitiative ist in den vergangenen Jahren gewachsen. Auch Schalke-Fans aus Hamburg, Köln oder Berlin sind eingetreten. Der Verein zählt mittlerweile rund 400 Mitglieder. Damit handelt es sich um den größten antirassistischen Fanklub eines deutschen Sportvereins.

Trotz dieser großen Mitgliederstärke weiß die Faninitiative auch, dass sie den braunen Sumpf nicht alleine trockenlegen kann. Deshalb schließt sie sich mit anderen Gruppen zusammen - etwa im von der UEFA unterstützten Netzwerk Football Against Racism in Europa. Die Schalker stellen immer ein Team bei der Antirassismus-WM "Mondiali Antirazzisti" in der Nähe von Modena (Italien). Und im 1994 erstmals erschienenen Fanzine Schalke unser packen die Autoren auch regelmäßig gesellschaftliche Themen an. "Zudem haben wir Filmprojekte gemacht, mit denen wir ein Zeichen gegen Rassismus oder Homophobie setzten wollen", erklärt Schneider.

Er und seine Mitstreiter engagieren sich natürlich auch im eigenen Viertel. Wenn Politiker rechter Partien in Gelsenkirchen Vorträge halten, zeigt die Faninitiative buchstäblich Flagge. Sie schwenken dann eine große Fahne mit ihrem Symbol - ein Fußballschuh, der mit einem gezielten Tritt ein Hakenkreuz zerstört. Als 2015 viele Flüchtlinge nach Gelsenkirchen kamen, machte die Faninitiative Platz. Aus dem Fanladen wurde ein offener Treff für Menschen aus verschiedenen Nationen.

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Drei Torschützen aus drei Nationen

In eben jenem Fanladen stehen nun rund 40 Schalke-Anhänger. Die Zeit bis zum Anstoß der Bundesligapartie rückt näher. Eine Vierergruppe spielt die Partie Schalke gegen Stuttgart schon mal am Kicker durch. Helmut Schiffer lässt derweil seinen Blick durch den Raum schweifen, erblickt Freunde aus der Nordkurve, schüttelt Hände. Der 51-Jährige kam einst an einem Infostand mit der Faninitiative in Berührung. "Kurz darauf bin ich Mitglied geworden", sagt Schiffer. Dass sich Schalker gegen Rassismus und Diskriminierung aussprechen, gefällt ihm. Das gemeinsame Anfeuern im Stadion möchte er zudem nicht missen. Schiffer besitzt wie viele Mitglieder eine Dauerkarte.

Rund eine Stunde vor dem Abpfiff geht es von der "Schalker Meile" - so heißt der Teil der Kurt-Schumacher-Straße im Volksmund - in Richtung Arena. Tipps werden noch abgegeben. Natürlich glaubt jeder an einen Erfolg der Gastgeber. Und tatsächlich setzt sich Schalke am Ende mit 3:1 durch. Die Algerier Nabil Bentaleb lässt Susanne Franke, Sven Schneider und Kollegen durch sein Elfmetertor früh jubeln. Schalke hat später eine schwächere Phase, kassiert den Ausgleich. Doch nach der Pause erhöhen die Königsblauen den Druck. Naldo, ein Brasilianer mit deutschem Pass, trifft zum 2:1. Der von vielen geforderte Österreicher Guido Burgstaller erzielt den Treffer zum Endstand. Drei Torschützen aus drei Nationen. Alles ganz normal.

Zweiter Preis geht an das Familienportal e.V.

"Tüpfelhausen - Das Familienportal e.V." ist ein gemeinnütziger Träger der freien Jugendhilfe, dessen klassische Aufgabenfelder die Familienbildung, die Kinder- und Jugendarbeit sowie die Integration von Flüchtlingen sind. Er unterhält ein Familienzentrum sowie ein Zentrum für informelle Kinder- und Jugendbildung in Leipzig.

2013 veranstaltete "Tüpfelhausen" gemeinsam mit anderen Leipziger Trägern einen Gedenktag an den ehemaligen jüdischen Fußballclub Bar Kochba Leipzig. Dabei wurde das seit Jahrzehnten vergessene Bar-Kocha-Stadion wiederentdeckt. Seit 2015 veranstaltet der Verein jährlich das internationale und interkulturelle Fußballbegegnungsfest um den Max und Leo Bartfeld-Pokal. Erinnert wird damit an die Familie Bartfeld, stellvertretend für alle Sportler der ehemaligen jüdischen Vereine in Leipzig. Die Brüder Bartfeld zählten zu den engagiertesten Mitgliedern des jüdischen Fußballvereins, der 1938 zwangsaufgelöst wurde. Beiden gelang die Flucht.

Verein "Fußball und Begegnung" erhält dritten Preis

Der gemeinnützige Verein "Fußball und Begegnung" wurde 2009 mit dem Zweck der internationalen Förderung des Frauenfußballs und des Einsatzes gegen Diskriminierung jeglicher Art wie Rassismus, Sexismus, sexuelle Orientierung etc. gegründet. Er hat sich seit seiner Gründung zu einem weltweiten Netzwerk von NGOs entwickelt, die sich über das Medium Fußball für interkulturelle Verständigung, Geschlechtergerechtigkeit und Empowerment von Frauen und Mädchen weltweit einsetzen.

Zentrales Projekt des Vereins ist das 2009 mit drei Unterbrechungen jährlich veranstaltete internationale Mädchen- und Frauenfußballturnier und Kulturfestival "DISCOVER FOOTBALL" mit 100 internationalen Teilnehmerinnen aus allen Teilen der Welt. Der Verein arbeitet mit Ausnahme von ein bis zwei für die Vorbereitungszeit des Turniers eingestellten hauptamtlichen Mitarbeiterinnen ehrenamtlich.

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