Achern benennt Platz nach Julius Hirsch

Die baden-württembergische Stadt Achern hat am Donnerstag anlässlich des 130. Geburtstages des deutschen Nationalspielers einen Platz nach Julius Hirsch benannt. Am 1. März 1943 war der zweimalige Deutsche Meister, Geschäftsmann und Familienvater nach Auschwitz-Birkenau deportiert und dort ermordet worden. Im Anschluss an die Einweihung des Platzes fand in der Acherner Reithalle vor mehr als 200 Gästen eine Podiumsdiskussion mit dem 1. DFB-Vizepräsidenten Ronny Zimmermann, DFB-Botschafter Jimmy Hartwig und Keren Vogler von Makkabi Deutschland statt.

"Ich habe mir angewöhnt, die Klappe aufzumachen und zu widersprechen. Immer wenn es notwendig ist", sagte Zimmermann mit Blick auf Diskriminierung und Antisemitismus. "Schlimm ist der unterschwellige Rassismus", sagte Hartwig, der in dem 2021 erschienenen und mehrfach ausgezeichneten Sportdokumentarfilm "Schwarze Adler" über seine Erlebnisse auf und neben dem Platz berichtet hatte. "Wir müssen mit dem Menschen, dem wir begegnen und kennenlernen, ins Gespräch kommen, und wir müssen endlich damit aufhören, Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe, Herkunft oder Religion in irgendwelche Schubladen zu stecken."

Zimmermann: "Man spürt, wie es die Spieler trifft"

Dass Erinnerungskultur auch bei den DFB-Juniorennationalmannschaften praktiziert wird, berichtete Zimmermann in der von Nina Reip (Deutsche Sportjugend) moderierten Podiumsrunde. "Wir werden uns etwas warm sprechen müssen", forderte Reip zu Beginn des Talks, denn in der umgebauten Reithalle fehlt noch die Heizung. Zur Einweihung des Platzes war Eisregen auf die Gäste niedergeprasselt und in der schönen, aber eiskalten Halle wurde es allen Zuhörern nur wenig wärmer. Zimmermann jedenfalls berichtete vom wichtigen EM-Qualifikationsspiel der U 21-Nationalmannschaft in Israel vor wenigen Tagen. "Wir versuchen unseren jungen Nationalspielern, denen es ehrlicherweise ziemlich gut geht im Leben, auf den Reisen immer auch eine Erfahrung außerhalb des Fußballs mitzugeben", sagte Zimmermann, der Ende März als Delegationsleiter dabei war. "In Israel durften wir Zvi Cohen begrüßen, einen Überlebenden des Holocaust, der seine Geschichte unserer Mannschaft erzählte. Man spürt, wie es die Spieler trifft, wie sie nachdenklich werden."

Julius Hirsch, neben Gottfried Fuchs der einzige deutsche Nationalspieler jüdischen Glaubens, wurde am 7. April 1892 als eines von sieben Kindern während eines Kuraufenthaltes seiner Mutter in der Heil- und Pflegeanstalt Illenau im mittelbadischen Achern geboren. Mit dem Karlsruher FV sowie vier Jahre später mit der SpVgg Fürth wurde er Deutscher Meister. Als einer der besten Stürmer seiner Zeit, spielte er siebenmal für Deutschland, darunter bei den Olympischen Spielen 1912 in Stockholm. Nach der Machtergreifung 1933 wurde er ausgegrenzt, entrechtet, gedemütigt, deportiert und schließlich ermordet.

Seit 2005 verleiht der DFB im Dialog mit der Familie Hirsch den nach Julius "Juller" Hirsch benannten Preis, mit dem besonderer Einsatz gegen Extremismus und Fremdenfeindlichkeit, für Toleranz und Menschenwürde ausgezeichnet wird.

"Wir setzen mit der Platzbenennung ein Zeichen"

Mit der Julius-Hirsch-Straße in Karlsruhe, dem Julius-Hirsch-Sportzentrum in Fürth und dem Platz in Achern sind nun in beiden Städten seiner größten sportlichen Erfolge und in seiner Geburtsstadt Lokalitäten nach Julius Hirsch benannt.

Die Heil- und Pflegeanstalt Illenau, in der Hirsch 1892 zur Welt gekommen war, wurde 1940 im Zuge des Euthanasieprogramms der Nazis ("Aktion T4") aufgelöst. Der damalige Leiter Hans Römer hatte sich gegen die geplante "Verlegung" seiner Patienten zu wehren versucht – erfolglos. Am 18. Mai 1940 sollten 50 Kranke abtransportiert werden, 75 Patienten mussten schließlich aufsteigen. Die Fahrt ging zur NS-Tötungsanstalt Schloss Grafeneck, wo die behinderten und erkrankten Menschen ermordet und eingeäschert wurden. Römer ließ sich vorzeitig in den Ruhestand versetzen, sicher auch, um selbst nicht mehr direkt beteiligt zu sein. Nachdem er aus dem Weg war, gingen die Todesfahrten weiter.

Oberbürgermeister Klaus Muttach erinnerte an die Tage schlimmster Barbarei und forderte für jetzt und alle Zukunft: "Die Illenau muss ein Ort der Menschlichkeit sein. Wir setzen mit der Platzbenennung ein Zeichen."

Auch zum 130. Geburtstag Julius Hirschs heißt dieses Zeichen "Nie wieder".

[th]

Die baden-württembergische Stadt Achern hat am Donnerstag anlässlich des 130. Geburtstages des deutschen Nationalspielers einen Platz nach Julius Hirsch benannt. Am 1. März 1943 war der zweimalige Deutsche Meister, Geschäftsmann und Familienvater nach Auschwitz-Birkenau deportiert und dort ermordet worden. Im Anschluss an die Einweihung des Platzes fand in der Acherner Reithalle vor mehr als 200 Gästen eine Podiumsdiskussion mit dem 1. DFB-Vizepräsidenten Ronny Zimmermann, DFB-Botschafter Jimmy Hartwig und Keren Vogler von Makkabi Deutschland statt.

"Ich habe mir angewöhnt, die Klappe aufzumachen und zu widersprechen. Immer wenn es notwendig ist", sagte Zimmermann mit Blick auf Diskriminierung und Antisemitismus. "Schlimm ist der unterschwellige Rassismus", sagte Hartwig, der in dem 2021 erschienenen und mehrfach ausgezeichneten Sportdokumentarfilm "Schwarze Adler" über seine Erlebnisse auf und neben dem Platz berichtet hatte. "Wir müssen mit dem Menschen, dem wir begegnen und kennenlernen, ins Gespräch kommen, und wir müssen endlich damit aufhören, Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe, Herkunft oder Religion in irgendwelche Schubladen zu stecken."

Zimmermann: "Man spürt, wie es die Spieler trifft"

Dass Erinnerungskultur auch bei den DFB-Juniorennationalmannschaften praktiziert wird, berichtete Zimmermann in der von Nina Reip (Deutsche Sportjugend) moderierten Podiumsrunde. "Wir werden uns etwas warm sprechen müssen", forderte Reip zu Beginn des Talks, denn in der umgebauten Reithalle fehlt noch die Heizung. Zur Einweihung des Platzes war Eisregen auf die Gäste niedergeprasselt und in der schönen, aber eiskalten Halle wurde es allen Zuhörern nur wenig wärmer. Zimmermann jedenfalls berichtete vom wichtigen EM-Qualifikationsspiel der U 21-Nationalmannschaft in Israel vor wenigen Tagen. "Wir versuchen unseren jungen Nationalspielern, denen es ehrlicherweise ziemlich gut geht im Leben, auf den Reisen immer auch eine Erfahrung außerhalb des Fußballs mitzugeben", sagte Zimmermann, der Ende März als Delegationsleiter dabei war. "In Israel durften wir Zvi Cohen begrüßen, einen Überlebenden des Holocaust, der seine Geschichte unserer Mannschaft erzählte. Man spürt, wie es die Spieler trifft, wie sie nachdenklich werden."

Julius Hirsch, neben Gottfried Fuchs der einzige deutsche Nationalspieler jüdischen Glaubens, wurde am 7. April 1892 als eines von sieben Kindern während eines Kuraufenthaltes seiner Mutter in der Heil- und Pflegeanstalt Illenau im mittelbadischen Achern geboren. Mit dem Karlsruher FV sowie vier Jahre später mit der SpVgg Fürth wurde er Deutscher Meister. Als einer der besten Stürmer seiner Zeit, spielte er siebenmal für Deutschland, darunter bei den Olympischen Spielen 1912 in Stockholm. Nach der Machtergreifung 1933 wurde er ausgegrenzt, entrechtet, gedemütigt, deportiert und schließlich ermordet.

Seit 2005 verleiht der DFB im Dialog mit der Familie Hirsch den nach Julius "Juller" Hirsch benannten Preis, mit dem besonderer Einsatz gegen Extremismus und Fremdenfeindlichkeit, für Toleranz und Menschenwürde ausgezeichnet wird.

"Wir setzen mit der Platzbenennung ein Zeichen"

Mit der Julius-Hirsch-Straße in Karlsruhe, dem Julius-Hirsch-Sportzentrum in Fürth und dem Platz in Achern sind nun in beiden Städten seiner größten sportlichen Erfolge und in seiner Geburtsstadt Lokalitäten nach Julius Hirsch benannt.

Die Heil- und Pflegeanstalt Illenau, in der Hirsch 1892 zur Welt gekommen war, wurde 1940 im Zuge des Euthanasieprogramms der Nazis ("Aktion T4") aufgelöst. Der damalige Leiter Hans Römer hatte sich gegen die geplante "Verlegung" seiner Patienten zu wehren versucht – erfolglos. Am 18. Mai 1940 sollten 50 Kranke abtransportiert werden, 75 Patienten mussten schließlich aufsteigen. Die Fahrt ging zur NS-Tötungsanstalt Schloss Grafeneck, wo die behinderten und erkrankten Menschen ermordet und eingeäschert wurden. Römer ließ sich vorzeitig in den Ruhestand versetzen, sicher auch, um selbst nicht mehr direkt beteiligt zu sein. Nachdem er aus dem Weg war, gingen die Todesfahrten weiter.

Oberbürgermeister Klaus Muttach erinnerte an die Tage schlimmster Barbarei und forderte für jetzt und alle Zukunft: "Die Illenau muss ein Ort der Menschlichkeit sein. Wir setzen mit der Platzbenennung ein Zeichen."

Auch zum 130. Geburtstag Julius Hirschs heißt dieses Zeichen "Nie wieder".

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