2,36 Millionen Euro für Flüchtlingsarbeit an Vereine ausbezahlt

Nach sechseinhalb Jahren enden die Flüchtlingsinitiativen "1:0" und "2:0 für ein Willkommen". Fußballorganisationen im ganzen Land haben unmittelbar bei der Integration von zehntausenden geflüchteten Menschen mitgeholfen. Seit der ersten Bewilligung am 19. März 2015 konnte die DFB-Stiftung Egidius Braun zusammen mit der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration und der Nationalmannschaft der Männer 3773 Förderanfragen positiv bescheiden und dafür mehr als 2,36 Millionen Euro an die Fußballbasis auszahlen.

"Der DFB übernimmt Verantwortung, den Fußball als Spiel für jede und jeden zu gestalten". So steht es in der Jury-Begründung für den "Equal Game Award", mit dem die UEFA im Dezember 2021 den DFB ausgezeichnet hat. "1:0" und "2:0 für ein Willkommen" waren konkrete Gründe für die Preisvergabe an den DFB. Sechseinhalb Jahre zuvor hatte die DFB-Stiftung Egidius Braun gemeinsam mit der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration die Initiative auf den Weg gebracht.

Aydan Özoğuz, heute Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages und im Frühjahr 2015 als Staatsministerin bei der Bundeskanzlerin in der Verantwortung als Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, erinnert sich, wie man gemeinsam eine einfache Idee entwickelt hatte, die alle Erwartungen übertreffen sollte.

"Die Stiftung war die perfekte Partnerin"

"Ich kann mich gut erinnern, wie in einer der Gesprächsrunden bei mir in Hamburg ein Vereinsvorsitzender zu mir sagte: 'So, Frau Özoğuz. Wir holen die Kinder aus den Unterkünften, wir basteln mit ihnen, wir nehmen sie mit zum Laterne laufen, aber Sie müssen uns jetzt auch mal ein Stück Anerkennung zukommen lassen.' Wir haben dann die DFB-Stiftung Egidius Braun angesprochen, da der DFB ja für die Amateurvereine zuständig ist", erzählt Aydan Özoğuz. "Ich schlug vor, die Vereine in eine Art Hilfsnetzwerk aufzunehmen und gemeinsam eine kleine Prämie zu zahlen. Zu meiner riesigen Freude wurden wir uns ganz schnell einig. Die Stiftung war die perfekte Partnerin."

Im März 2015 stellten Aydan Özoğuz und Wolfgang Niersbach, damals als Präsident an der Spitze des DFB, die neue Initiative im Bundeskanzleramt vor. Die simple und wie sich bald herausstellte enorm wirksame Grundidee: Immer mehr Menschen flüchten nach Deutschland. Wer dauerhaft bleiben darf, entscheidet die Politik. Der Fußball kann helfen, Flüchtlingen das Ankommen zu erleichtern.

Sieben Wochen nach dem Termin im Bundeskanzleramt besuchte Özoğuz den Hamburger Klub TSV Wandsetal - und damit den 270. Verein, der sich seit Beginn beworben hatte, an der Initiative teilzunehmen. Es ist eine Randnotiz, aber die Geschäftsstelle der DFB-Stiftung Egidius Braun, die Antragsbearbeitung und Bewilligung übernommen hatte, wurde in den ersten Wochen von der Resonanz der Basis überrollt. Die zuständige Mitarbeiterin begann um 6 Uhr morgens mit der Sichtung der neuen Eingänge - in der Regel binnen 48 Stunden waren die Anträge jeweils geprüft und auf den Weg gebracht. Überall im Land, in den Kreis- und Bezirksligen, wollten Fußballvereine geflüchtete Menschen zum Fußballspielen einladen und fragten hierfür Unterstützung an.

Mehr als 3000 statt 1200 Klubs

Für die Jahre 2015 und 2016 waren ursprünglich 1200 Fußballvereine budgetiert. An sie sollte eine Anerkennungsprämie à 500 Euro ausgezahlt werden. Doch schon Ende 2015 waren es 3000 Klubs - in nicht mal einem Jahr. Die Partner bewilligten zusätzliche Mittel.

Beim ZDF-Jahresrückblick konnte Niersbach Moderator Johannes B. Kerner berichten, dass die Initiative vorzeitig verlängert werde. "Kleine und kleinste Fußballvereine im ganzen Land bieten den ankommenden Menschen in unserem Land ein Stück neue Heimat. Das bleibt über die nächsten Jahre ein Dauerthema. Deshalb verlängern wir unsere Initiative '1:0 für ein Willkommen' bis Ende 2019", sagte der damalige DFB-Präsident und Vorsitzende des Kuratoriums der Braun-Stiftung.

Die Initiative war deutlich erfolgreicher als es die meisten zu Beginn vermutet hatten. Warum? Zum einen: sie kam an. Fußballvereine erlebten, dass plötzlich Menschen aus der nahgelegenen Flüchtlingsunterkunft wortlos am Platz standen und einfach beim Spiel oder Training zuschauten. Sie wollten Fußball spielen. Um nicht mehr, aber auch um nicht weniger ging es anfangs. Die Anerkennungsprämie von 500 Euro half dem jeweiligen Verein, etwa um den Kindern Fußballschuhe zu kaufen oder einer weiteren benötigten Trainerin die Aufwandsentschädigung bezahlen zu können.

"Mehr als 60.000 Geflüchtete zwischenzeitlich im Wettbewerb"

Nachhaltig erfolgreich blieb die Initiative auch aufgrund des Paradigmenwechsels im Frühjahr 2017, eine Neuausrichtung, die sich im neuen Namen ausdrückte: "2:0 für ein Willkommen". Anstatt Fußballvereine an der Basis dabei zu unterstützen, für Flüchtlinge Fußballangebote zu schaffen, passte man die Initiative den veränderten Nöten an und förderte nun in individueller Höhe jenes Engagement der Vereine und Verbände, das geflüchteten Menschen den Zugang zu Bildungs- und Berufsangeboten eröffnete. Statt um erste Worte auf Deutsch und Integration durch gemeinsames Kicken ging es nun um mehr, wenn man so will, um anspruchsvollere Ziele, um weitergehende Integrationsansätze. Um das Erlernen der Sprache, um Berufschancen. Die Wirksamkeit der Initiative erlebte man auch auf den Passstellen der DFB-Landesverbände. Mehr als 60.000 Geflüchtete spielten zwischenzeitlich im Wettbewerb Fußball.

Einer dieser Menschen, die über den Fußball ein Stück Heimat in Deutschland wiederfanden, ist der ehemalige iranische Nationalspieler Mansour Ghalami. Mit 63 Jahren flüchtete er nach Deutschland. Sein Leben in der Kleinstadt Karatsch, eine Stunde nördlich von Teheran, hatte sich schlagartig geändert, als sein Sohn zum Christentum konvertierte. Ghalami wurde ins Gefängnis geworfen. Wieder auf freiem Fuß, flüchtete er mit seiner ganzen Familie nach Deutschland. 19 Monaten lebte die Familie in einer Sammelunterkunft, dann konnte man eine Wohnung beziehen. Der ehemalige Fußballprofi trainierte künftig Nachwuchsteams des TSV Wandsetal. Damals beim Besuch der Staatsministerin sagte Mansour Ghalami: "Meine Liebe für den Fußball habe ich nicht im Iran zurückgelassen." So und ähnlich ging es vielen anderen, die aus Afghanistan, aus Somalia, aus Eritrea und anderswo ab 2015 nach Deutschland flohen. Das Willkommensangebot des Fußballs nahmen sie dankbar an.

Leadership-Programm für Geflüchtete

Das Virus radierte etliche Termine aus, auch Termine in den letzten Monaten der Initiative. Ein halbjähriges Leadership-Programm für Geflüchtete, ebenfalls finanziert über das Budget von "2:0 für ein Willkommen", sollte eigentlich feierlich in der DFB-Zentrale in Frankfurt ausklingen, doch die seinerzeit aufkommende Omikron-Variante führte dazu, dass Oliver Bierhoff schließlich nur per Videoschalte zu den 40 Teilnehmenden sprechen konnte. "Der Fußball in Deutschland braucht dringend Menschen, die Verantwortung übernehmen", sagte der DFB-Direktor Nationalmannschaften. "Denn die Vereine an der Basis müssen kämpfen. Wir alle spüren die Auswirkungen der Pandemie. Auch deshalb danke ich allen, die an diesem Leadership teilgenommen haben."

Es war der letzte schöne Augenblick einer der erfolgreichsten Amateurfußball-Kampagnen überhaupt, die zuletzt vor allem auch Qualifizierungsangebote der DFB-Landesverbände für Menschen mit Fluchterfahrung umfasste. Zum Beispiel Schiedsrichter- und Trainer-Lehrgänge.

"Den Fußball als Spiel für jede und jeden zu gestalten". Die Fußballorganisationen im ganzen Land haben dazu einen wertvollen Beitrag geleistet und wurden in ihrem Tun im Rahmen der Flüchtlingsinitiativen "1:0" und "2:0 für ein Willkommen" unterstützt. Ein gelungener Doppelpass.

[th]

Nach sechseinhalb Jahren enden die Flüchtlingsinitiativen "1:0" und "2:0 für ein Willkommen". Fußballorganisationen im ganzen Land haben unmittelbar bei der Integration von zehntausenden geflüchteten Menschen mitgeholfen. Seit der ersten Bewilligung am 19. März 2015 konnte die DFB-Stiftung Egidius Braun zusammen mit der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration und der Nationalmannschaft der Männer 3773 Förderanfragen positiv bescheiden und dafür mehr als 2,36 Millionen Euro an die Fußballbasis auszahlen.

"Der DFB übernimmt Verantwortung, den Fußball als Spiel für jede und jeden zu gestalten". So steht es in der Jury-Begründung für den "Equal Game Award", mit dem die UEFA im Dezember 2021 den DFB ausgezeichnet hat. "1:0" und "2:0 für ein Willkommen" waren konkrete Gründe für die Preisvergabe an den DFB. Sechseinhalb Jahre zuvor hatte die DFB-Stiftung Egidius Braun gemeinsam mit der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration die Initiative auf den Weg gebracht.

Aydan Özoğuz, heute Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages und im Frühjahr 2015 als Staatsministerin bei der Bundeskanzlerin in der Verantwortung als Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, erinnert sich, wie man gemeinsam eine einfache Idee entwickelt hatte, die alle Erwartungen übertreffen sollte.

"Die Stiftung war die perfekte Partnerin"

"Ich kann mich gut erinnern, wie in einer der Gesprächsrunden bei mir in Hamburg ein Vereinsvorsitzender zu mir sagte: 'So, Frau Özoğuz. Wir holen die Kinder aus den Unterkünften, wir basteln mit ihnen, wir nehmen sie mit zum Laterne laufen, aber Sie müssen uns jetzt auch mal ein Stück Anerkennung zukommen lassen.' Wir haben dann die DFB-Stiftung Egidius Braun angesprochen, da der DFB ja für die Amateurvereine zuständig ist", erzählt Aydan Özoğuz. "Ich schlug vor, die Vereine in eine Art Hilfsnetzwerk aufzunehmen und gemeinsam eine kleine Prämie zu zahlen. Zu meiner riesigen Freude wurden wir uns ganz schnell einig. Die Stiftung war die perfekte Partnerin."

Im März 2015 stellten Aydan Özoğuz und Wolfgang Niersbach, damals als Präsident an der Spitze des DFB, die neue Initiative im Bundeskanzleramt vor. Die simple und wie sich bald herausstellte enorm wirksame Grundidee: Immer mehr Menschen flüchten nach Deutschland. Wer dauerhaft bleiben darf, entscheidet die Politik. Der Fußball kann helfen, Flüchtlingen das Ankommen zu erleichtern.

Sieben Wochen nach dem Termin im Bundeskanzleramt besuchte Özoğuz den Hamburger Klub TSV Wandsetal - und damit den 270. Verein, der sich seit Beginn beworben hatte, an der Initiative teilzunehmen. Es ist eine Randnotiz, aber die Geschäftsstelle der DFB-Stiftung Egidius Braun, die Antragsbearbeitung und Bewilligung übernommen hatte, wurde in den ersten Wochen von der Resonanz der Basis überrollt. Die zuständige Mitarbeiterin begann um 6 Uhr morgens mit der Sichtung der neuen Eingänge - in der Regel binnen 48 Stunden waren die Anträge jeweils geprüft und auf den Weg gebracht. Überall im Land, in den Kreis- und Bezirksligen, wollten Fußballvereine geflüchtete Menschen zum Fußballspielen einladen und fragten hierfür Unterstützung an.

Mehr als 3000 statt 1200 Klubs

Für die Jahre 2015 und 2016 waren ursprünglich 1200 Fußballvereine budgetiert. An sie sollte eine Anerkennungsprämie à 500 Euro ausgezahlt werden. Doch schon Ende 2015 waren es 3000 Klubs - in nicht mal einem Jahr. Die Partner bewilligten zusätzliche Mittel.

Beim ZDF-Jahresrückblick konnte Niersbach Moderator Johannes B. Kerner berichten, dass die Initiative vorzeitig verlängert werde. "Kleine und kleinste Fußballvereine im ganzen Land bieten den ankommenden Menschen in unserem Land ein Stück neue Heimat. Das bleibt über die nächsten Jahre ein Dauerthema. Deshalb verlängern wir unsere Initiative '1:0 für ein Willkommen' bis Ende 2019", sagte der damalige DFB-Präsident und Vorsitzende des Kuratoriums der Braun-Stiftung.

Die Initiative war deutlich erfolgreicher als es die meisten zu Beginn vermutet hatten. Warum? Zum einen: sie kam an. Fußballvereine erlebten, dass plötzlich Menschen aus der nahgelegenen Flüchtlingsunterkunft wortlos am Platz standen und einfach beim Spiel oder Training zuschauten. Sie wollten Fußball spielen. Um nicht mehr, aber auch um nicht weniger ging es anfangs. Die Anerkennungsprämie von 500 Euro half dem jeweiligen Verein, etwa um den Kindern Fußballschuhe zu kaufen oder einer weiteren benötigten Trainerin die Aufwandsentschädigung bezahlen zu können.

"Mehr als 60.000 Geflüchtete zwischenzeitlich im Wettbewerb"

Nachhaltig erfolgreich blieb die Initiative auch aufgrund des Paradigmenwechsels im Frühjahr 2017, eine Neuausrichtung, die sich im neuen Namen ausdrückte: "2:0 für ein Willkommen". Anstatt Fußballvereine an der Basis dabei zu unterstützen, für Flüchtlinge Fußballangebote zu schaffen, passte man die Initiative den veränderten Nöten an und förderte nun in individueller Höhe jenes Engagement der Vereine und Verbände, das geflüchteten Menschen den Zugang zu Bildungs- und Berufsangeboten eröffnete. Statt um erste Worte auf Deutsch und Integration durch gemeinsames Kicken ging es nun um mehr, wenn man so will, um anspruchsvollere Ziele, um weitergehende Integrationsansätze. Um das Erlernen der Sprache, um Berufschancen. Die Wirksamkeit der Initiative erlebte man auch auf den Passstellen der DFB-Landesverbände. Mehr als 60.000 Geflüchtete spielten zwischenzeitlich im Wettbewerb Fußball.

Einer dieser Menschen, die über den Fußball ein Stück Heimat in Deutschland wiederfanden, ist der ehemalige iranische Nationalspieler Mansour Ghalami. Mit 63 Jahren flüchtete er nach Deutschland. Sein Leben in der Kleinstadt Karatsch, eine Stunde nördlich von Teheran, hatte sich schlagartig geändert, als sein Sohn zum Christentum konvertierte. Ghalami wurde ins Gefängnis geworfen. Wieder auf freiem Fuß, flüchtete er mit seiner ganzen Familie nach Deutschland. 19 Monaten lebte die Familie in einer Sammelunterkunft, dann konnte man eine Wohnung beziehen. Der ehemalige Fußballprofi trainierte künftig Nachwuchsteams des TSV Wandsetal. Damals beim Besuch der Staatsministerin sagte Mansour Ghalami: "Meine Liebe für den Fußball habe ich nicht im Iran zurückgelassen." So und ähnlich ging es vielen anderen, die aus Afghanistan, aus Somalia, aus Eritrea und anderswo ab 2015 nach Deutschland flohen. Das Willkommensangebot des Fußballs nahmen sie dankbar an.

Leadership-Programm für Geflüchtete

Das Virus radierte etliche Termine aus, auch Termine in den letzten Monaten der Initiative. Ein halbjähriges Leadership-Programm für Geflüchtete, ebenfalls finanziert über das Budget von "2:0 für ein Willkommen", sollte eigentlich feierlich in der DFB-Zentrale in Frankfurt ausklingen, doch die seinerzeit aufkommende Omikron-Variante führte dazu, dass Oliver Bierhoff schließlich nur per Videoschalte zu den 40 Teilnehmenden sprechen konnte. "Der Fußball in Deutschland braucht dringend Menschen, die Verantwortung übernehmen", sagte der DFB-Direktor Nationalmannschaften. "Denn die Vereine an der Basis müssen kämpfen. Wir alle spüren die Auswirkungen der Pandemie. Auch deshalb danke ich allen, die an diesem Leadership teilgenommen haben."

Es war der letzte schöne Augenblick einer der erfolgreichsten Amateurfußball-Kampagnen überhaupt, die zuletzt vor allem auch Qualifizierungsangebote der DFB-Landesverbände für Menschen mit Fluchterfahrung umfasste. Zum Beispiel Schiedsrichter- und Trainer-Lehrgänge.

"Den Fußball als Spiel für jede und jeden zu gestalten". Die Fußballorganisationen im ganzen Land haben dazu einen wertvollen Beitrag geleistet und wurden in ihrem Tun im Rahmen der Flüchtlingsinitiativen "1:0" und "2:0 für ein Willkommen" unterstützt. Ein gelungener Doppelpass.

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