DFB-Jahreskonferenz kritisiert mangelnde Vielfalt in den Gremien

"Wenn ich mir die Zahlen zur Vielfalt in den Gremien anschaue, ist das erstmal ernüchternd", sagt DFB-Vizepräsident Günter Distelrath. DFB-Vizepräsidentin Hannelore Ratzeburg empfindet ähnlich. "Wir feiern dieses Jahr 50 Jahre Frauenfußball. Doch auch nach 50 Jahren sind wir immer noch eine von Männern dominierte Sportart. Warum verzichten wir auf die Talente so vieler Frauen und Mädchen?" Die Hamburgerin gehört seit 2007 dem Präsidium an, ist aber auch in 120 Jahren Verbandsgeschichte die einzige Frau, die es ins höchste DFB-Gremium geschafft hat.

Die Vorträge der beiden Präsidiumsmitglieder zählten zum Programm der 6. Jahreskonferenz der Gesellschaftlichen Verantwortung. Wie auch ein Dialogforum auf dem Philipp Lahm einen Impulsvortrag über Nachhaltigkeitsaspekte der EURO 2024 hielt. Mehr als 250 Teilnehmer*innen aus den DFB-Landesverbänden sowie von zahlreichen Akteuren und Anspruchsgruppen des Fußballs hörten und diskutierten mit. Beide Veranstaltungen sind Teil des breit gefächerten Stakeholder-Dialogs des DFB.

Distelrath: "Wir müssen uns öffnen"

Der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund in den Präsidien und Vorständen des DFB und seiner Landesverbände läge bei unter einem Prozent, berichtete Distelrath. "Wir müssen uns öffnen", appelliert der 71 Jahre alte Präsident des Niedersächsischen Fußballverbandes.

Im Anschluss an den Bericht des Weltmeisters beim Dialogforum gruppierten sich die Teilnehmer*innen in sieben Workshops zu den Themen Vielfalt (Herkunft/ geschlechtliche und sexuelle Vielfalt/ Menschen mit Behinderung), Fair Play und Anti-Diskriminierung, Umwelt- und Klimaschutz, Menschenrechte sowie Prävention sexualisierter Gewalt.

Sprache schafft Bewusstsein

Wissen Sie, was unter Ableismus verstanden wird? Vielleicht war dies auch vielen Teilnehmer*innen bislang unbekannt, doch Jennifer Danquah schuf Klarheit. Die Bildungswissenschaftlerin hielt ihren Vortrag über strukturelle Diskriminierung. Und wenn wir auch wissen, was unter Sexismus, Rassismus und Homofeindlichkeit zu verstehen ist, fehlen den meisten von uns für andere Arten der Diskriminierung die Begriffe. Unter Ableismus wird das Abwerten von Menschen mit einer Behinderung verstanden. Klassismus bezeichnet Vorurteile oder Diskriminierung aufgrund der sozio-ökonomischen Position eines Menschen oder einer Gruppe. Danquah erklärte eindringlich, was heutzutage mit Begriffen wie "Othering" oder "Intersektionalität" gemeint ist. Sprache schafft Bewusstsein. Wenn Worte fehlen, fehlen oft auch die Lösungen für Probleme. Danquah erntete reichlich digitalen Applaus für ihren Vortrag.

Nach der Begrüßung durch den Leiter der DFB-Kommission Gesellschaftliche Verantwortung, Björn Fecker, gehörte die Bühne zu Beginn der Jahreskonferenz einer Schiedsrichterin und zwei ehemaligen Deutschen Meistern. Riem Hussein, dreimal als Schiedsrichterin des Jahres ausgezeichnet, Cacau, 23-maliger Nationalspieler und 2007 Deutscher Meister mit dem VfB Stuttgart und DFB-Botschafter Jimmy Hartwig, der mit dem HSV in den 1980ern dreimal Deutscher Meister wurde, diskutierten in einer von Thorsten Hermes moderierten Podiumsdiskussion über Rassismus, Sexismus und strukturelle Ausgrenzung im Fußball von früher und von heute.

Cacau: "Ohne Amateurfußball geht viel verloren"

"Das Schiedsrichterwesen, aber auch der Fußball im Allgemeinen sind immer noch zu sehr von Männern dominiert", sagte Dr. Riem Hussein, die seit 2005 DFB-Schiedsrichterin ist und 2019 für die FIFA Frauen-Weltmeisterschaft in Frankreich nominiert wurde, in der Podiumsrunde.

"Der Fußball leistet sehr viel für das Miteinander und die Integration", sagte der DFB-Integrationsbeauftragte Cacau. "Manche Menschen meinen ja derzeit, so schlimm sei es gar nicht, dass mal eine Weile kein Fußball gespielt werden kann. Und natürlich müssen wir auf die Gesundheit achten. Doch ohne den Amateurfußball, gerade den Kinder- und Jugendfußball, geht uns als Gesellschaft viel verloren."

Hartwig: "Rassismus hat mich mein Leben lang begleitet"

Jimmy Hartwig, seit vielen Jahren für den DFB als Botschafter im ganzen Land unterwegs, sagte befragt auf seine Erlebnisse als Kind und junges Fußballtalent: "Der Rassismus, den ich in meiner Jugend erlebt habe, hat mich mein Leben lang begleitet." Der 66-Jährige appellierte, entschieden gegen Rassismus und Ausgrenzung aufzustehen – und nahm sich nach der Podiumsrunde noch viel Zeit, um in einem Workshop Fragen zu beantworten und weiter zu diskutieren.

Nach konzeptionellen Vorarbeiten und Anpassung der Satzung auf dem Bundestag 2010 spricht der DFB seit 2013 öffentlich von Nachhaltigkeit in seiner täglichen Arbeit. Alle Themen rund um die gesellschaftspolitische Verantwortung werden seitdem von einer eigenen Abteilung, geleitet von Stefanie Schulte, mit einem ganzheitlichen Ansatz bearbeitet. Für 2021 ist bereits die 7. Jahreskonferenz terminiert. Dann hoffentlich nicht mehr digital, sondern wieder als Präsenztermin.

[th]

"Wenn ich mir die Zahlen zur Vielfalt in den Gremien anschaue, ist das erstmal ernüchternd", sagt DFB-Vizepräsident Günter Distelrath. DFB-Vizepräsidentin Hannelore Ratzeburg empfindet ähnlich. "Wir feiern dieses Jahr 50 Jahre Frauenfußball. Doch auch nach 50 Jahren sind wir immer noch eine von Männern dominierte Sportart. Warum verzichten wir auf die Talente so vieler Frauen und Mädchen?" Die Hamburgerin gehört seit 2007 dem Präsidium an, ist aber auch in 120 Jahren Verbandsgeschichte die einzige Frau, die es ins höchste DFB-Gremium geschafft hat.

Die Vorträge der beiden Präsidiumsmitglieder zählten zum Programm der 6. Jahreskonferenz der Gesellschaftlichen Verantwortung. Wie auch ein Dialogforum auf dem Philipp Lahm einen Impulsvortrag über Nachhaltigkeitsaspekte der EURO 2024 hielt. Mehr als 250 Teilnehmer*innen aus den DFB-Landesverbänden sowie von zahlreichen Akteuren und Anspruchsgruppen des Fußballs hörten und diskutierten mit. Beide Veranstaltungen sind Teil des breit gefächerten Stakeholder-Dialogs des DFB.

Distelrath: "Wir müssen uns öffnen"

Der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund in den Präsidien und Vorständen des DFB und seiner Landesverbände läge bei unter einem Prozent, berichtete Distelrath. "Wir müssen uns öffnen", appelliert der 71 Jahre alte Präsident des Niedersächsischen Fußballverbandes.

Im Anschluss an den Bericht des Weltmeisters beim Dialogforum gruppierten sich die Teilnehmer*innen in sieben Workshops zu den Themen Vielfalt (Herkunft/ geschlechtliche und sexuelle Vielfalt/ Menschen mit Behinderung), Fair Play und Anti-Diskriminierung, Umwelt- und Klimaschutz, Menschenrechte sowie Prävention sexualisierter Gewalt.

Sprache schafft Bewusstsein

Wissen Sie, was unter Ableismus verstanden wird? Vielleicht war dies auch vielen Teilnehmer*innen bislang unbekannt, doch Jennifer Danquah schuf Klarheit. Die Bildungswissenschaftlerin hielt ihren Vortrag über strukturelle Diskriminierung. Und wenn wir auch wissen, was unter Sexismus, Rassismus und Homofeindlichkeit zu verstehen ist, fehlen den meisten von uns für andere Arten der Diskriminierung die Begriffe. Unter Ableismus wird das Abwerten von Menschen mit einer Behinderung verstanden. Klassismus bezeichnet Vorurteile oder Diskriminierung aufgrund der sozio-ökonomischen Position eines Menschen oder einer Gruppe. Danquah erklärte eindringlich, was heutzutage mit Begriffen wie "Othering" oder "Intersektionalität" gemeint ist. Sprache schafft Bewusstsein. Wenn Worte fehlen, fehlen oft auch die Lösungen für Probleme. Danquah erntete reichlich digitalen Applaus für ihren Vortrag.

Nach der Begrüßung durch den Leiter der DFB-Kommission Gesellschaftliche Verantwortung, Björn Fecker, gehörte die Bühne zu Beginn der Jahreskonferenz einer Schiedsrichterin und zwei ehemaligen Deutschen Meistern. Riem Hussein, dreimal als Schiedsrichterin des Jahres ausgezeichnet, Cacau, 23-maliger Nationalspieler und 2007 Deutscher Meister mit dem VfB Stuttgart und DFB-Botschafter Jimmy Hartwig, der mit dem HSV in den 1980ern dreimal Deutscher Meister wurde, diskutierten in einer von Thorsten Hermes moderierten Podiumsdiskussion über Rassismus, Sexismus und strukturelle Ausgrenzung im Fußball von früher und von heute.

Cacau: "Ohne Amateurfußball geht viel verloren"

"Das Schiedsrichterwesen, aber auch der Fußball im Allgemeinen sind immer noch zu sehr von Männern dominiert", sagte Dr. Riem Hussein, die seit 2005 DFB-Schiedsrichterin ist und 2019 für die FIFA Frauen-Weltmeisterschaft in Frankreich nominiert wurde, in der Podiumsrunde.

"Der Fußball leistet sehr viel für das Miteinander und die Integration", sagte der DFB-Integrationsbeauftragte Cacau. "Manche Menschen meinen ja derzeit, so schlimm sei es gar nicht, dass mal eine Weile kein Fußball gespielt werden kann. Und natürlich müssen wir auf die Gesundheit achten. Doch ohne den Amateurfußball, gerade den Kinder- und Jugendfußball, geht uns als Gesellschaft viel verloren."

Hartwig: "Rassismus hat mich mein Leben lang begleitet"

Jimmy Hartwig, seit vielen Jahren für den DFB als Botschafter im ganzen Land unterwegs, sagte befragt auf seine Erlebnisse als Kind und junges Fußballtalent: "Der Rassismus, den ich in meiner Jugend erlebt habe, hat mich mein Leben lang begleitet." Der 66-Jährige appellierte, entschieden gegen Rassismus und Ausgrenzung aufzustehen – und nahm sich nach der Podiumsrunde noch viel Zeit, um in einem Workshop Fragen zu beantworten und weiter zu diskutieren.

Nach konzeptionellen Vorarbeiten und Anpassung der Satzung auf dem Bundestag 2010 spricht der DFB seit 2013 öffentlich von Nachhaltigkeit in seiner täglichen Arbeit. Alle Themen rund um die gesellschaftspolitische Verantwortung werden seitdem von einer eigenen Abteilung, geleitet von Stefanie Schulte, mit einem ganzheitlichen Ansatz bearbeitet. Für 2021 ist bereits die 7. Jahreskonferenz terminiert. Dann hoffentlich nicht mehr digital, sondern wieder als Präsenztermin.

###more###