Marozsan: "Wir haben viele Talente mit riesigem Potenzial"

Der 31. Oktober 1970 markiert einen Meilenstein in der Geschichte des deutschen Frauenfußballs – er wurde an diesem Tag vom Deutsche Fußball-Bund (DFB) offiziell in seine Satzung aufgenommen. Seitdem sind bald 50 Jahre vergangen. Fünf Jahrzehnte, in denen viele Persönlichkeiten den Weg bereitet haben. Sie haben gestaltet, motiviert und inspiriert – damals wie heute. 50 Jahre, 50 Gesichter: In der großen Serie zum Jubiläum rückt DFB.de prägende Persönlichkeiten in den Fokus. Heute: Dzsenifer Marozsan, Europameisterin 2013, Olympiasiegerin 2016 und Kopf der Frauen-Nationalmannschaft.

Eigentlich hatten die Eltern von Dzsenifer Marozsan ein anderes Hobby für ihre Tochter ausgesucht. Sie sollte zum Ballett gehen, sie sollte Klavier üben. Sie sollte nicht Fußball spielen. Das war die Idee von Mutter Elisabeth und Vater Janos. Aber zum Glück hatte Dzsenifer Marozsan schon früh ihren eigenen Kopf und setzte sich durch: Statt zu musizieren oder zu tanzen zog sie sich ihre Fußballschuhe an und ging mit ihrem älteren Bruder und ihren Freunden auf den Bolzplatz kicken.

Wenn man heute auf den Ursprung von Marozsans großartiger Karriere - die ja noch lange nicht vorbei ist - zurückblickt, hatte sie auch gar keine Wahl. "Der Ball wurde mir quasi in die Wiege gelegt", sagt die 28-Jährige. "Mein Vater war selbst Profi und hat vier Länderspiele für die ungarische Nationalmannschaft bestritten. Mein Bruder war auch von klein auf in den Fußball verliebt. Ich will nicht sagen, dass ich fast schon gezwungen war, Fußball zu spielen. Nein, das war ich nie! Aber ich wollte von klein auf einfach nur mit dem Fußball spielen."

"Ich möchte immer gewinnen"

Marozsan, die mittlerweile 98 Begegnungen für die DFB-Auswahl bestritten hat, wurde in der ungarischen Hauptstadt Budapest geboren. Aber schon bald zog sie mit ihrem Vater, ihrer Mutter und ihrem Bruder nach Deutschland. "Der Rest meiner Familie lebt weiterhin in Ungarn. Die Verbindung dorthin ist noch immer sehr eng. Weihnachten verbringe ich jedes Jahr regelmäßig mit meiner kompletten Verwandtschaft in Budapest. Es ist für mich enorm wichtig, den Kontakt zu meiner Familie zu pflegen. Vor allem möchte ich so oft es möglich ist meine Oma sehen."

Marozsan hat in Deutschland eine atemberaubende Karriere hingelegt. Mit 15 Jahren und 123 Tagen ist sie bis heute die jüngste Spielerin, die jemals in Deutschlands höchster Spielklasse aufgelaufen ist. In der Saison 2007/2008 war das. Für den 1. FC Saarbrücken. Sie wurde am ersten Spieltag gegen den SC Freiburg für Josephine Henning eingewechselt. Nur eine Woche später erzielte sie direkt ihren ersten Bundesligatreffer. "Wenn ich heute darauf zurückblicke, dann denke ich mir: "Wow, wie jung warst Du damals. Aber in dem Moment, als ich zum ersten Mal für das Frauenteam des 1. FC Saarbrücken antreten durfte, in diesem Moment habe ich mich einfach nur riesig gefreut und bin sofort mit der gleichen Einstellung aufgelaufen, wie ich sie von klein auf hatte: Jedes Spiel gewinnen zu wollen", sagt Marozsan. "Und mich auch durchzusetzen - so wie auch auf dem Bolzplatz gegen die Jungs. Diese Einstellung behalte ich heute noch bei. Mir ist es relativ egal, gegen wen ich spiele. Ich möchte immer gewinnen."

Genau diese Einstellung und ihr riesiges Talent haben Marozsan zu einer der besten Fußballerinnen der Welt gemacht - auch wenn sie selbst das nicht so offensiv formulieren würde, dafür ist sie zu bescheiden. Es ist aber unbestritten so, dass man wenige Spielerinnen finden wird, die an ihre Qualität herankommen. "Das sind Dinge, die ich nicht so gerne höre", sagt Marozsan, wie immer extrem zurückhaltend: "Ich bin ein Mensch, der gerne den Ball flach hält. Ich bin persönlich sehr selbstkritisch und weiß, dass ich noch nicht mein ganzes Potenzial ausschöpfe. An diesen Schwächen, die ich noch bei mir sehe, arbeite ich täglich hart und ich versuche persönlich, an meine Grenzen zu kommen."

"Genau die richtigen Schritte zur richtigen Zeit"

Inzwischen steht Marozsan seit dem Sommer 2016 bei Olympique Lyon unter Vertrag. Es ist der wahrscheinlich beste Frauenfußballverein der Welt, mit den besten Spielerinnen des Kontinents, mit Dzsenifer Marozsan in seinen Reihen als Kopf des Teams. Lyon hat in der jüngeren Vergangenheit alles gewonnen, was man gewinnen kann. Viermal hintereinander die Champions League, 13-mal hintereinander die französische Meisterschaft. Ein extrem hohes Niveau bei all den Top-Spielerinnen. "Ich habe ganz bewusst diese Herausforderung gesucht. Ich möchte mich jeden Tag mit den besten Spielerinnen der Welt messen. Und das ist in Lyon der Fall. Gleichzeitig ist hier alles sehr familiär."

Man merkt Marozsan an, dass sie die Zeit, die sie inzwischen in Frankreich ist, auch menschlich noch einmal nach vorne gebracht haben. Sie ist eine Frau, die ganz genau weiß, was sie will. Und die ihren Weg konsequent geht. Die dabei ihre Mitmenschen jedoch immer im Blick hat. Marozsan ist nicht nur ein absoluter Familienmensch, sie ist auch ein totaler Teamplayer. Der Erfolg der Mannschaft ist für sie wichtiger als jede persönliche Auszeichnung. Und davon hat sie ebenfalls schon einige erhalten.

Marozsans Weg nach oben war sehr geradlinig. Von Saarbrücken ging es 2009 zum 1. FFC Frankfurt, mit dem sie zweimal den DFB-Pokal und einmal die Champions League gewann. Vor über vier Jahren ging dann die Reise weiter nach Lyon. "Im Nachhinein kann ich heute sagen, dass es genau die richtigen Schritte zur richtigen Zeit waren", sagt Marozsan. "Ich habe allen drei Klubs viel zu verdanken und ich habe mich als Spielerin, sowie als Mensch bei jedem Verein auf eine andere Art und Weise weiterentwickelt. Dafür bin ich sehr dankbar."

"Zeigen, dass Deutschland weiterhin zur Weltspitze zählt"

Im Moment richtet sich ihr Fokus voll auf ihr Engagement in Frankreich. Der Blick nach Deutschland findet seltener statt. "Ich bin jetzt schon einige Zeit weg aus Deutschland. Deswegen kann ich nicht im Detail beurteilen, wie sich speziell dort der Frauenfußball weiterentwickelt hat", sagt die Spielmacherin. "Was ich aber sagen kann ist, dass sich der Frauenfußball weltweit sehr weiterentwickelt hat. Die Spiele sind enger und unberechenbarer. Kleinere Nationen sind durchaus in der Lage, Überraschungen zu kreieren. Das war vor einigen Jahren noch anders. Auch die Vermarktung der Spiele, zum Beispiel in England, ist in eine neue Dimension vorgestoßen. Ich freue mich schon sehr auf die Europameisterschaft dort, die ja auf 2021 verschoben wurde."

Dem Turnier allerdings, bei dem sie selbstverständlich einer der Eckpfeiler der DFB-Auswahl sein soll, blickt Marozsan sehr zuversichtlich entgegen: "Unser Ziel muss es sein, dass wir zeigen, dass der deutsche Frauenfußball weiterhin zur Weltspitze zählt. Wir haben viele junge Talente mit riesigem Potenzial, das ist ein Mehrwert für uns und das sollten wir pflegen, in dem wir in allen Bereichen professioneller werden. Ich wünsche mir, dass sich alle Vereine weiterhin noch weiter professionalisieren, wie es international auch bei den großen Männerklubs im Frauenbereich geschieht. Auf internationaler Ebene bei der Nationalmannschaft bekommen wir alles geboten, was ein Profi braucht. Das bekommen nicht alle Nationen so. Das wissen wir Spielerinnen sehr zu schätzen und wir werden alles daran setzen, auf höchstem internationalen Niveau mitzuhalten."

[sw]

Der 31. Oktober 1970 markiert einen Meilenstein in der Geschichte des deutschen Frauenfußballs – er wurde an diesem Tag vom Deutsche Fußball-Bund (DFB) offiziell in seine Satzung aufgenommen. Seitdem sind bald 50 Jahre vergangen. Fünf Jahrzehnte, in denen viele Persönlichkeiten den Weg bereitet haben. Sie haben gestaltet, motiviert und inspiriert – damals wie heute. 50 Jahre, 50 Gesichter: In der großen Serie zum Jubiläum rückt DFB.de prägende Persönlichkeiten in den Fokus. Heute: Dzsenifer Marozsan, Europameisterin 2013, Olympiasiegerin 2016 und Kopf der Frauen-Nationalmannschaft.

Eigentlich hatten die Eltern von Dzsenifer Marozsan ein anderes Hobby für ihre Tochter ausgesucht. Sie sollte zum Ballett gehen, sie sollte Klavier üben. Sie sollte nicht Fußball spielen. Das war die Idee von Mutter Elisabeth und Vater Janos. Aber zum Glück hatte Dzsenifer Marozsan schon früh ihren eigenen Kopf und setzte sich durch: Statt zu musizieren oder zu tanzen zog sie sich ihre Fußballschuhe an und ging mit ihrem älteren Bruder und ihren Freunden auf den Bolzplatz kicken.

Wenn man heute auf den Ursprung von Marozsans großartiger Karriere - die ja noch lange nicht vorbei ist - zurückblickt, hatte sie auch gar keine Wahl. "Der Ball wurde mir quasi in die Wiege gelegt", sagt die 28-Jährige. "Mein Vater war selbst Profi und hat vier Länderspiele für die ungarische Nationalmannschaft bestritten. Mein Bruder war auch von klein auf in den Fußball verliebt. Ich will nicht sagen, dass ich fast schon gezwungen war, Fußball zu spielen. Nein, das war ich nie! Aber ich wollte von klein auf einfach nur mit dem Fußball spielen."

"Ich möchte immer gewinnen"

Marozsan, die mittlerweile 98 Begegnungen für die DFB-Auswahl bestritten hat, wurde in der ungarischen Hauptstadt Budapest geboren. Aber schon bald zog sie mit ihrem Vater, ihrer Mutter und ihrem Bruder nach Deutschland. "Der Rest meiner Familie lebt weiterhin in Ungarn. Die Verbindung dorthin ist noch immer sehr eng. Weihnachten verbringe ich jedes Jahr regelmäßig mit meiner kompletten Verwandtschaft in Budapest. Es ist für mich enorm wichtig, den Kontakt zu meiner Familie zu pflegen. Vor allem möchte ich so oft es möglich ist meine Oma sehen."

Marozsan hat in Deutschland eine atemberaubende Karriere hingelegt. Mit 15 Jahren und 123 Tagen ist sie bis heute die jüngste Spielerin, die jemals in Deutschlands höchster Spielklasse aufgelaufen ist. In der Saison 2007/2008 war das. Für den 1. FC Saarbrücken. Sie wurde am ersten Spieltag gegen den SC Freiburg für Josephine Henning eingewechselt. Nur eine Woche später erzielte sie direkt ihren ersten Bundesligatreffer. "Wenn ich heute darauf zurückblicke, dann denke ich mir: "Wow, wie jung warst Du damals. Aber in dem Moment, als ich zum ersten Mal für das Frauenteam des 1. FC Saarbrücken antreten durfte, in diesem Moment habe ich mich einfach nur riesig gefreut und bin sofort mit der gleichen Einstellung aufgelaufen, wie ich sie von klein auf hatte: Jedes Spiel gewinnen zu wollen", sagt Marozsan. "Und mich auch durchzusetzen - so wie auch auf dem Bolzplatz gegen die Jungs. Diese Einstellung behalte ich heute noch bei. Mir ist es relativ egal, gegen wen ich spiele. Ich möchte immer gewinnen."

Genau diese Einstellung und ihr riesiges Talent haben Marozsan zu einer der besten Fußballerinnen der Welt gemacht - auch wenn sie selbst das nicht so offensiv formulieren würde, dafür ist sie zu bescheiden. Es ist aber unbestritten so, dass man wenige Spielerinnen finden wird, die an ihre Qualität herankommen. "Das sind Dinge, die ich nicht so gerne höre", sagt Marozsan, wie immer extrem zurückhaltend: "Ich bin ein Mensch, der gerne den Ball flach hält. Ich bin persönlich sehr selbstkritisch und weiß, dass ich noch nicht mein ganzes Potenzial ausschöpfe. An diesen Schwächen, die ich noch bei mir sehe, arbeite ich täglich hart und ich versuche persönlich, an meine Grenzen zu kommen."

"Genau die richtigen Schritte zur richtigen Zeit"

Inzwischen steht Marozsan seit dem Sommer 2016 bei Olympique Lyon unter Vertrag. Es ist der wahrscheinlich beste Frauenfußballverein der Welt, mit den besten Spielerinnen des Kontinents, mit Dzsenifer Marozsan in seinen Reihen als Kopf des Teams. Lyon hat in der jüngeren Vergangenheit alles gewonnen, was man gewinnen kann. Viermal hintereinander die Champions League, 13-mal hintereinander die französische Meisterschaft. Ein extrem hohes Niveau bei all den Top-Spielerinnen. "Ich habe ganz bewusst diese Herausforderung gesucht. Ich möchte mich jeden Tag mit den besten Spielerinnen der Welt messen. Und das ist in Lyon der Fall. Gleichzeitig ist hier alles sehr familiär."

Man merkt Marozsan an, dass sie die Zeit, die sie inzwischen in Frankreich ist, auch menschlich noch einmal nach vorne gebracht haben. Sie ist eine Frau, die ganz genau weiß, was sie will. Und die ihren Weg konsequent geht. Die dabei ihre Mitmenschen jedoch immer im Blick hat. Marozsan ist nicht nur ein absoluter Familienmensch, sie ist auch ein totaler Teamplayer. Der Erfolg der Mannschaft ist für sie wichtiger als jede persönliche Auszeichnung. Und davon hat sie ebenfalls schon einige erhalten.

Marozsans Weg nach oben war sehr geradlinig. Von Saarbrücken ging es 2009 zum 1. FFC Frankfurt, mit dem sie zweimal den DFB-Pokal und einmal die Champions League gewann. Vor über vier Jahren ging dann die Reise weiter nach Lyon. "Im Nachhinein kann ich heute sagen, dass es genau die richtigen Schritte zur richtigen Zeit waren", sagt Marozsan. "Ich habe allen drei Klubs viel zu verdanken und ich habe mich als Spielerin, sowie als Mensch bei jedem Verein auf eine andere Art und Weise weiterentwickelt. Dafür bin ich sehr dankbar."

"Zeigen, dass Deutschland weiterhin zur Weltspitze zählt"

Im Moment richtet sich ihr Fokus voll auf ihr Engagement in Frankreich. Der Blick nach Deutschland findet seltener statt. "Ich bin jetzt schon einige Zeit weg aus Deutschland. Deswegen kann ich nicht im Detail beurteilen, wie sich speziell dort der Frauenfußball weiterentwickelt hat", sagt die Spielmacherin. "Was ich aber sagen kann ist, dass sich der Frauenfußball weltweit sehr weiterentwickelt hat. Die Spiele sind enger und unberechenbarer. Kleinere Nationen sind durchaus in der Lage, Überraschungen zu kreieren. Das war vor einigen Jahren noch anders. Auch die Vermarktung der Spiele, zum Beispiel in England, ist in eine neue Dimension vorgestoßen. Ich freue mich schon sehr auf die Europameisterschaft dort, die ja auf 2021 verschoben wurde."

Dem Turnier allerdings, bei dem sie selbstverständlich einer der Eckpfeiler der DFB-Auswahl sein soll, blickt Marozsan sehr zuversichtlich entgegen: "Unser Ziel muss es sein, dass wir zeigen, dass der deutsche Frauenfußball weiterhin zur Weltspitze zählt. Wir haben viele junge Talente mit riesigem Potenzial, das ist ein Mehrwert für uns und das sollten wir pflegen, in dem wir in allen Bereichen professioneller werden. Ich wünsche mir, dass sich alle Vereine weiterhin noch weiter professionalisieren, wie es international auch bei den großen Männerklubs im Frauenbereich geschieht. Auf internationaler Ebene bei der Nationalmannschaft bekommen wir alles geboten, was ein Profi braucht. Das bekommen nicht alle Nationen so. Das wissen wir Spielerinnen sehr zu schätzen und wir werden alles daran setzen, auf höchstem internationalen Niveau mitzuhalten."

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