Männer-Nationalmannschaft
Die DFB-Turnierhistorie gegen Italien: "Jahrhundertspiele" und "epochale" Elfmeter

Zum 38. Mal treffen sich am Donnerstag in Mailand Deutschland und Italien zu einem Länderspiel. Nach Pflichtspielen wird das Dutzend vollgemacht. In diesen gab es erst einen deutschen Sieg in der regulären Spielzeit und zwei (von sechs) Unentschieden, die sich wie Siege anfühlten. Die ersten neun fanden bei Turnieren statt und 2022 kam es binnen zehn Tage zu den ersten Duellen in der neuen Nations League – einem 1:1 in Bologna folgte unter Bundestrainer Hansi Flick ein furioses 5:2 in Mönchengladbach, das eine lange Durststrecke beendete. Sechs Sieger von damals stehen wieder im Kader: David Raum, Antonio Rüdiger, Joshua Kimmich, Jonathan Tah, Jamal Musiala und Leroy Sané. Kimmich stand auch beim letzten Turnierspiel auf dem Platz. Und wie lief es bei diesen Turnierspielen?
Das erste ergab sich zum Auftakt der WM 1962 in Chile und endete torlos. Es ging nicht in die Geschichte ein, das Vorspiel schon. Denn Bundestrainer Sepp Herberger sorgte für ein Novum und wechselte einen Tag zuvor den Torwart. Der Ulmer Wolfgang Fahrian stand an seinem 21. Geburtstag anstelle von Hans Tilkowski in Santiago im Tor. Das sorgte für Unruhe, aber die Deutschen boten eine ansprechende Leistung. Die Italiener wandelten dagegen mehrmals am Rande eines Platzverweises. Bundestrainer Sepp Herberger pustete nach dem 0:0 durch: "Es war unser schwerstes Länderspiel seit Jahren."
Nachsehen im "Jahrhundertspiel" 1970
Acht Jahre später kam es in Mexiko zu einem Klassiker des Weltfußballs, man sprach damals und noch oft danach von einem "Jahrhundertspiel". In Erinnerung blieb besonders ein angeschlagener Franz Beckenbauer, der nach einem nicht geahndeten Foul eine kaputte Schulter hatte und bis Abpfiff den Arm in der Schlinge trug – und natürlich das späte Ausgleichstor eines Italien-Legionärs. "Ausgerechnet Schnellinger", wie ARD-Kommentator Ernst Huberty ausrief, rettete Deutschland mit seinem einzigen Länderspieltreffer zum 1:1 in die Verlängerung. In der wurde das bis dahin zähe Spiel zum Klassiker, der nichts für schwache Nerven war. Gerd Müller traf noch zweimal auf unnachahmliche Weise, zunächst zur Führung, dann zum Ausgleich (3:3), doch das letzte Wort hatten die Italiener. Am Ende stand es nach Gianni Riveras Treffer 3:4.
DFB-Kapitän Uwe Seeler schrieb in seiner Biografie: "Mit dem erlösenden Schlusspfiff fielen wir uns um den Hals, und einige brachen vor Erschöpfung regelrecht zusammen. Plötzlich schien es keine Rolle mehr zu spielen, wer Sieger und wer Besiegter war." Das Echo der Weltpresse war gewaltig und im Azteken-Stadion wurde eine Gedenktafel angebracht für ein Spiel, das wohl alle Zeiten überdauern wird.
Das sagte niemand über die dritte Auflage 1978 in Argentinien. Das Zwischenrundenspiel in Buenos Aires erwärmte im südamerikanischen Winter, als Nebelschwaden über den Platz zogen, niemanden. Es endete 0:0 und ließ beiden Mannschaften alle Chancen, die der Deutschen verringerten sich aber durch den Ausfall von Heinz Flohe, der verletzt abreisen musste.
Dass diese Italiener nicht zu besiegen waren bei Weltmeisterschaften, erfuhr mit Jupp Derwall 1982 auch der dritte Bundestrainer. Diesmal war es besonders bitter, denn man traf sich im Finale von Madrid. Dessen Ausgang blieb lange offen, bis zur 57. Minute hieß es 0:0 – auch weil Antonio Cabrini einen Elfmeter neben das Tor gesetzt hatte. Der Sturm brachte zu wenig Entlastung. Das lag vor allem an Kapitän Karl-Heinz Rummenigge, der angeschlagen war. "Willst du dich nicht endlich auswechseln lassen?", herrschte ihn Libero Uli Stielike in der Halbzeit an, "das sieht doch jeder, dass du nicht fit bist." Der Kapitän konterte: "Schmarrn!" Erst nach Paolo Rossis 1:0 reagierte Derwall. Aber nicht Rummenigge, sondern Wolfgang Dremmler musste Horst Hrubesch weichen. Als nach 70 Minuten Marco Tardelli auf 2:0 erhöhte, ging Rummenigge, der mit fünf Treffern zweitbester Torjäger in Spanien war, von Bord. Die sich nun an sich selbst berauschenden Italiener entschieden ein einseitiges Finale ohne Mythen und Dramen durch Joker Alessandro Altobelli und gönnten Paul Breitner noch das Ehrentor. Damit war er der dritte Fußballer nach Vavá und Pele, der in zwei WM-Finals getroffen hatte. 1974 half es zum Sieg, diesmal nicht.
Remis bei EM 1996 einem Sieg gleichend
1988 im eigenen Land kam es zum ersten Treffen auf der EM-Bühne. Vor der Eröffnungspartie hatte Teamchef Franz Beckenbauer noch geunkt: "Wer hier verliert, kann sich gleich per Handschlag verabschieden." Zur Pause stand es noch 0:0. Dann unterlief Libero Matthias Herget ein Leichtsinnsfehler, den Roberto Mancini zur Gästeführung nutzte. Beckenbauer grollte: "So ein Tor darf es einfach nicht geben." Das dachten sich die Italiener drei Minuten später auch, als der englische Schiedsrichter Keith Hackett beim Abschlag von Walter Zenga einen Schrittfehler erkannte – drei erlaubte die längst überholte Regel, Zenga machte vier. So gab es im Strafraum indirekten Freistoß. Pierre Littbarski tickte an, Andreas Brehme schoss flach und fand ein Loch in der Mauer (56.). Bei diesem 1:1 blieb es, 68.000 im Rheinstadion und 300 Millionen vor den Bildschirmen in 73 Ländern sahen ausnahmsweise ein gutes Eröffnungsspiel.
Schwächer, aber bis zuletzt spannend war es am 19. Juni 1996 in Manchester. Vor dem letzten EM-Gruppenspiel war die Lage brisant. Bei einer Niederlage gegen Italien und einem hohen Tschechen-Sieg gegen schon ausgeschiedene Russen wären selbst sechs Punkte nicht genug gewesen für die Deutschen. Italien musste gewinnen, um sicher weiter zu sein. Es wurde das erwartet schwere Spiel. Erstmals waren die Deutschen bei dieser EM nicht überlegen. Am Ende eines zähen Kampfes hieß es 0:0. Andy Köpke verhinderte einen frühen Rückstand und hielt nach neun Minuten einen Elfmeter von Gianfranco Zola. Nach dem Platzverweis des Babbel-Vertreters Thomas Strunz (59.) verteidigte die DFB-Elf in Unterzahl den Punkt, den sie letztlich gar nicht brauchte. Für Italien wäre er Gold wert gewesen. Es reiste heim, weil die Tschechen gegen Russland 3:3 spielten. So war der erste gefühlte deutsche Sieg über Italien ein 0:0.
Endstation beim Sommermärchen 2006
Sie nutzten die nächste Chance zur Revanche auf grausame Weise. Bei der WM 2006 trafen die Deutschen im Halbfinale von Dortmund auf den Angstgegner. Nach 90 torlosen Minuten ging es in die Verlängerung, die zwar Chancen und Pfostentreffer brachte, aber offenbar wieder keine Tore. Es sah alles nach einem Elfmeterschießen aus, als der Verteidiger Fabio Grosso nach einer Ecke von halbrechts im Strafraum abzog. Jens Lehmann war ohne Chance gegen den verdeckten Schuss – 0:1 in der 119. Minute. Fußball-Deutschland brach kollektiv zusammen, das zweite Tor von del Piero war nicht mehr von Bedeutung. "Bild" erschien am nächsten Morgen mit dem Bild von Bundestrainer Jürgen Klinsmanns, der die Hände vor dem Gesicht hielt und titelte: "Wir weinen mit Euch." Etwas kleiner stand zu lesen: "Ihr seid trotzdem Helden!"
Derartiges Lob blieb nach der Enttäuschung im Jahre 2012 im EM-Halbfinale von Warschau aus. Italiens Stürmer Mario Balotelli, ein Exzentriker mit ghanaischen Wurzeln, wurde zum Schreckgespenst des Löw-Teams. Woran es lag, dass seine zwei Tore den deutschen Weg nach Kiew, dem Final-Ort, jäh bremsten, darüber wurde viel gestritten. Löw gab dieser Tage in einer TV-Doku selbst zu, er habe sich damals etwas "vercoacht". Das gibt es wohl in jedem Trainerleben mal. Die Umstellungen verstand jedenfalls nicht jeder nach dem furiosen 4:2 gegen Griechenland: Lukas Podolski und Mario Gomez kehrten zurück und erstmals stand Toni Kroos in der Startelf. Marco Reus, André Schürrle und Miroslav Klose mussten auf die Bank. Löw verteidigte sich: "Ich wollte die Zentrale mit Toni Kroos stärken, weil Italien in der Achse stark war mit Pirlo und de Rossi. Mario Gomez hatte vorher drei Tore geschossen, Lukas Podolski hatte auch getroffen. Die ersten drei Spiele haben wir auch mit den beiden gewonnen. Einen zentralen Mittelfeldspieler zu bringen, war eine Maßnahme. Die Fehler sind hinten passiert, wo wir nicht präsent waren."
In der Tat. Mats Hummels unterlief ein Stellungsfehler und erlaubte Antonio Cassano eine Maßflanke auf Balotelli, der nach 20 Minuten das 0:1 köpfte. Der Modellathlet von Manchester City legte nach: Nach einem langen Ball von Riccardo Montolivio enteilte er auch Philipp Lahm. Aus 16 Metern gab er Neuer erneut das Nachsehen (36.) und zeigte der Welt seine Muskeln. Das Bild des triumphierenden Balotelli, mit bloßem Oberkörper, ging um die Welt und als Symbol der deutschen Niederlage in die DFB-Historie ein. Am Ende hieß es 1:2, das Anschlusstor fiel, als es nicht mehr half: In der 92. Minute verwandelte Mesut Özil einen Handelfmeter. "In der Kabine fließen Tränen, es ist mucksmäuschenstill", berichtete Löw. Der Bundestrainer geriet in den Focus der Kritik. "Kann man noch an Jogi glauben?", fragte "Bild am Sonntag" auf der Titelseite.
Hectors Elfmeter ins Glück 2016
Das konnte man und so war Löw, mittlerweile Weltmeister, auch bei der jüngsten Turnierbegegnung mit Italien dabei. In Bordeaux stieg 2016 das EM-Viertelfinale und die Zeitungen waren voll mit den Horrorstatistiken, die die Duelle gegen Italien erbracht hatten: kein Sieg aus acht Spielen, alle K.o.-Spiele verloren. Auch in Bordeaux zeigte der Weltmeister sein in jenen Tagen gewohntes Spiel mit viel Ballbesitz, hatte aber wenige echte Chancen. Nach 65 Minuten aber fiel endlich ein Tor, das Jonas Hector über links vorbereitete und Mesut Özil direkt vor dem deutschen Block vollendete. "Italia, Italia, nun futuro", klang es nun spöttisch durch die Arena, aber nicht allzu lange. Jérôme Boateng beging nach 77 Minuten ein unnötiges Handspiel im Strafraum, den fälligen Elfmeter verwandelte Leonardo Bonucci. Es war das erste Gegentor für Manuel Neuer nach 492 EM-Minuten und der Wegweiser in die Verlängerung.
Sie blieb torlos, diesmal kam es also zum (epochalen) Elfmeterschießen, dem mit 18 Schüssen längsten der EM-Historie. Es brachte den Superlativ, dass drei Deutsche verschossen (Thomas Müller, Mesut Özil, Bastian Schweinsteiger), dass drei Italiener sogar hintereinander verschossen und das Novum, dass Italien gegen Deutschland bei einem Turnier verlor. Schweinsteiger hatte beim Stand von 3:3 den ersten Matchball noch vergeben, kurz danach stand die DFB-Elf dreimal vor dem Aus, sofern Mats Hummels, Joshua Kimmich oder Jérôme Boateng – bis dahin wahrlich keine Elfmeterspezialisten – nicht getroffen hätten. Aber sie trafen und als Elfmeter Nummer 17 durch Matteo Darmian von Neuer gehalten wurde, lag alle Last auf den Schultern des Kölners Jonas Hector. Dem Linksverteidiger gingen auf dem Weg zum Punkt tausend Gedanken durch den Kopf und so geriet auch sein Schuss: Flach und ziemlich zentral. Aber er flutschte Gianluigi Buffon unter den Armen durch. "Wenn man bedenkt, dass ich das erste Mal bei so einem großen Turnier dabei bin, dann war das sicher mein größter Moment", schnaufte der Kölner durch und mit ihm das ganze Land. Buffon erinnerte sich später im Interview mit dem DFB-Journal: "Manchmal träume ich noch von diesem Elfmeter." Deutschland hatte seinen Angstgegner besiegt. Zeit wurde es.
125 Jahre DFB - 125 Jahre Fußballliebe
In Leipzig, genauer gesagt im "Restaurant zum Mariengarten", wurde am 28. Januar 1900 der Deutsche Fußball-Bund gegründet. Seinerzeit gehörten dem Verband überschaubare 90 Vereine an, aber das änderte sich rasch. Heute gibt es mehr als 24.000 Klubs mit mehr als 7,7 Millionen Mitgliedern. Dazwischen hat der DFB eine bewegte und bewegende Geschichte hingelegt, mit vielen Titeln, Tränen und Triumphen. 125 Jahre DFB bedeuten auch 125 Jahre Fußballliebe - für uns Anlass genug, auf dfb.de/fussballliebe zu sagen: "Ti amo, Fußball!" Auf dieser DFB.de-Subsite wollen wir auch mit den Fans und Fußballinteressierten in den Austausch kommen. Hier sammeln wir eure Themen - und machen sie zu unseren Themen.
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Autor: um

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