Zum 75. Geburtstag von Bernd Bransch: Allrounder und Anführer

Wer ihn nie hat spielen sehen, der steht etwas ratlos vor seiner Biographie. Was war er denn nun, der Bernd Bransch? Der Kapitän jener DDR-Auswahl, die bei der WM 1974 das einzige deutsch-deutsche Länderspielduell gewann und heute seinen 75. Geburtstag feiert, ist fußballfachlich scheinbar nur schwer einzuordnen. Der in Halle geborene, aufgewachsene und dort immer noch lebende Bransch debütierte in der Juniorennationalelf der DDR am 16. September 1962 als Stürmer.

Fünf Jahre später kam er in die A-Nationalmannschaft, an jenem 17. Mai 1967 in Schweden sah man ihn als linken Verteidiger auflaufen. Bei Chemie Halle debütierte er in der Oberliga als Mittelfeldspieler. Das Gros seiner 68 A-Länderspiele bestritt er als Libero, der bei einer Bilanz von zwei Toren - zudem per Freistoß in einem Spiel -  nicht gerade mit Stürmerblut gesegnet zu sein schien. Doch was lesen wir in den Statistiken? In der Saison 1965/1966 wurde Bransch Torschützenkönig, wenn auch nur in der 2. Liga, in die der HFC sich für ein Jahr hatte verabschieden müssen. 20 Treffer wollen aber auch dort erst einmal erzielt sein.

"Gegen die BRD kein Tor gekriegt"

Seine Vereine (1973/1974 spielte er noch für Carl Zeiss Jena) und die Nationalmannschaft waren jedenfalls froh, dass sie ihn hatten. Denn Bransch war nicht nur ein Allrounder, sondern auch ein Anführer. Im Foyer des neuen Hallenser Stadions kann es jeder nachempfinden. Da ist auf einem großen Foto der Händedruck der Kapitäne jenes berühmten Hamburger Spiels vom 22. Juni 1974 abgelichtet. Bransch mit Franz Beckenbauer, einer so wichtig wie der andere für sein Team. Er denkt noch öfters zurück an jenes Spiel, das der DDR den Gruppensieg, dem "Westen" zielführende Debatten und letztlich den Titel einbrachte. Und an jenen Spruch von Berti Vogts nach dem Spiel: "Du, wir sehen uns im Endspiel wieder."

So kam es bekanntlich nicht, als trotzdem zufriedener Sechster kehrten sie heim ins andere Deutschland. In beiden Deutschlands war der Name Jürgen Sparwasser, der Torschütze zum 1:0, nun in aller Munde, bis heute ist er unvergessen. 40 Jahre nach dem Spiel war es Bransch ein Anliegen, in einem Interview in aller Bescheidenheit darauf hinzuweisen, "dass wir gegen die BRD kein Tor gekriegt haben. Aber das findet kaum Erwähnung."

Dabei spielte auch der Libero grandios an jenem Tag. Die Ost-Berliner Fußball Woche schrieb: "Er interpretierte die Rolle des letzten Mannes als ein Mittelding zwischen Libero und Ausputzer, war stets anspielbereit, ein echter Kapitän vom Scheitel bis zur Sohle." Bransch war auch bei zwei weiteren Ereignissen dabei, die DDR-Fußballgeschichte schrieben. Man kann sagen, dass er durch den Fußball den Himmel und die Hölle zu sehen bekam.

Überlebender der Feuersbrunst von Eindhoven 1971

Wie im Himmel musste er sich mit seinen Kameraden führen, als sie bei den Olympischen Spielen in Montreal 1976 die Goldmedaille gewannen. Endlich Gold, das bei Olympia für DDR sonst immer nur die Athleten anderer Sportarten holten. Der Bann war gebrochen. Bransch war damals 32 und über den Zenit hinaus, aber immer noch wertvoll fürs Team. Fünf Minuten vor Abpfiff des Finales gegen Polen wechselte ihn Trainer Georg Buschner ein - aus Verbundenheit für seine langjährigen Dienste, wie man ohne Arg wird sagen dürfen. Er sagt es ja selbst.

Zur Bronzemedaille 1972 in München kam nun die Goldene - schöner konnte man als DDR-Nationalspieler kaum abtreten. Und wäre es weniger geworden, er hätte sein Glück trotzdem zu schätzen gewusst - das Glück, noch leben zu dürfen. Denn er erlebte auch jene Höllennacht von Eindhoven, als im September 1971 vor einem Europacupspiel des HFC im Hotel Feuer ausbrach. Bransch und seine Kollegen waren im obersten Stock, es gab kein Entkommen durchs Treppenhaus. "Erst sind wir die Dachrinne hinuntergeklettert, und dann über die Dächer geflüchtet." Was man sonst nur in Action-Filmen sieht, war für die HFC-Spieler plötzlich Realität. Ein Mitspieler kam ums Leben, Halle zog aus dem Europacup zurück und stieg im Jahr darauf ab, für Bransch gab es da einen unmittelbaren Zusammenhang. "So etwas verkraftet eine Mannschaft nur schwer."

Manager, Präsident, Stadtrat

Seine Karrierebilanz kann sich dennoch sehen lassen. Zweimal wurde er Fußballer des Jahres - 1968 und 1974. Als Nationalspieler überaus erfolgreich, kam Bransch als Vereinsspieler womöglich etwas zu kurz. Aber heute weiß man ja, dass in der DDR nicht jeder Meister werden durfte. 1974 brachte ihm seine Stippvisite nach Jena, wo er nach Halles Abstieg 1973 spielte, um seine WM-Chancen zu wahren, immerhin den Pokalsieg ein. Dann kehrte er schleunigst nach Halle zurück, wo er später als Manager und als Präsident des HFC sowie als Stadtrat für Jugend und Sport wieder Führungsaufgaben übernahm.

Und heute? Zum letzten Treffen der Hamburger Helden erschien der Familienvater diesen Sommer nicht. Es geht ihm nicht so gut. Solange es die Gesundheit erlaubte, sah man ihn noch im Kurt-Wabbel-Stadion, der Heimat des HFC, der seinen Fans dieser Tage viel Freude macht und an die Tore zur 2. Liga klopft. Erstmals seit 1992. Schon damals waren die glorreichen Zeiten der Ära Bransch (1963-1977, 316 Oberligaspiele) der kaum zu erreichende Maßstab. Experten sind sich einig: er war der beste, der je in Halle spielte. Egal, auf welcher Position.

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Wer ihn nie hat spielen sehen, der steht etwas ratlos vor seiner Biographie. Was war er denn nun, der Bernd Bransch? Der Kapitän jener DDR-Auswahl, die bei der WM 1974 das einzige deutsch-deutsche Länderspielduell gewann und heute seinen 75. Geburtstag feiert, ist fußballfachlich scheinbar nur schwer einzuordnen. Der in Halle geborene, aufgewachsene und dort immer noch lebende Bransch debütierte in der Juniorennationalelf der DDR am 16. September 1962 als Stürmer.

Fünf Jahre später kam er in die A-Nationalmannschaft, an jenem 17. Mai 1967 in Schweden sah man ihn als linken Verteidiger auflaufen. Bei Chemie Halle debütierte er in der Oberliga als Mittelfeldspieler. Das Gros seiner 68 A-Länderspiele bestritt er als Libero, der bei einer Bilanz von zwei Toren - zudem per Freistoß in einem Spiel -  nicht gerade mit Stürmerblut gesegnet zu sein schien. Doch was lesen wir in den Statistiken? In der Saison 1965/1966 wurde Bransch Torschützenkönig, wenn auch nur in der 2. Liga, in die der HFC sich für ein Jahr hatte verabschieden müssen. 20 Treffer wollen aber auch dort erst einmal erzielt sein.

"Gegen die BRD kein Tor gekriegt"

Seine Vereine (1973/1974 spielte er noch für Carl Zeiss Jena) und die Nationalmannschaft waren jedenfalls froh, dass sie ihn hatten. Denn Bransch war nicht nur ein Allrounder, sondern auch ein Anführer. Im Foyer des neuen Hallenser Stadions kann es jeder nachempfinden. Da ist auf einem großen Foto der Händedruck der Kapitäne jenes berühmten Hamburger Spiels vom 22. Juni 1974 abgelichtet. Bransch mit Franz Beckenbauer, einer so wichtig wie der andere für sein Team. Er denkt noch öfters zurück an jenes Spiel, das der DDR den Gruppensieg, dem "Westen" zielführende Debatten und letztlich den Titel einbrachte. Und an jenen Spruch von Berti Vogts nach dem Spiel: "Du, wir sehen uns im Endspiel wieder."

So kam es bekanntlich nicht, als trotzdem zufriedener Sechster kehrten sie heim ins andere Deutschland. In beiden Deutschlands war der Name Jürgen Sparwasser, der Torschütze zum 1:0, nun in aller Munde, bis heute ist er unvergessen. 40 Jahre nach dem Spiel war es Bransch ein Anliegen, in einem Interview in aller Bescheidenheit darauf hinzuweisen, "dass wir gegen die BRD kein Tor gekriegt haben. Aber das findet kaum Erwähnung."

Dabei spielte auch der Libero grandios an jenem Tag. Die Ost-Berliner Fußball Woche schrieb: "Er interpretierte die Rolle des letzten Mannes als ein Mittelding zwischen Libero und Ausputzer, war stets anspielbereit, ein echter Kapitän vom Scheitel bis zur Sohle." Bransch war auch bei zwei weiteren Ereignissen dabei, die DDR-Fußballgeschichte schrieben. Man kann sagen, dass er durch den Fußball den Himmel und die Hölle zu sehen bekam.

Überlebender der Feuersbrunst von Eindhoven 1971

Wie im Himmel musste er sich mit seinen Kameraden führen, als sie bei den Olympischen Spielen in Montreal 1976 die Goldmedaille gewannen. Endlich Gold, das bei Olympia für DDR sonst immer nur die Athleten anderer Sportarten holten. Der Bann war gebrochen. Bransch war damals 32 und über den Zenit hinaus, aber immer noch wertvoll fürs Team. Fünf Minuten vor Abpfiff des Finales gegen Polen wechselte ihn Trainer Georg Buschner ein - aus Verbundenheit für seine langjährigen Dienste, wie man ohne Arg wird sagen dürfen. Er sagt es ja selbst.

Zur Bronzemedaille 1972 in München kam nun die Goldene - schöner konnte man als DDR-Nationalspieler kaum abtreten. Und wäre es weniger geworden, er hätte sein Glück trotzdem zu schätzen gewusst - das Glück, noch leben zu dürfen. Denn er erlebte auch jene Höllennacht von Eindhoven, als im September 1971 vor einem Europacupspiel des HFC im Hotel Feuer ausbrach. Bransch und seine Kollegen waren im obersten Stock, es gab kein Entkommen durchs Treppenhaus. "Erst sind wir die Dachrinne hinuntergeklettert, und dann über die Dächer geflüchtet." Was man sonst nur in Action-Filmen sieht, war für die HFC-Spieler plötzlich Realität. Ein Mitspieler kam ums Leben, Halle zog aus dem Europacup zurück und stieg im Jahr darauf ab, für Bransch gab es da einen unmittelbaren Zusammenhang. "So etwas verkraftet eine Mannschaft nur schwer."

Manager, Präsident, Stadtrat

Seine Karrierebilanz kann sich dennoch sehen lassen. Zweimal wurde er Fußballer des Jahres - 1968 und 1974. Als Nationalspieler überaus erfolgreich, kam Bransch als Vereinsspieler womöglich etwas zu kurz. Aber heute weiß man ja, dass in der DDR nicht jeder Meister werden durfte. 1974 brachte ihm seine Stippvisite nach Jena, wo er nach Halles Abstieg 1973 spielte, um seine WM-Chancen zu wahren, immerhin den Pokalsieg ein. Dann kehrte er schleunigst nach Halle zurück, wo er später als Manager und als Präsident des HFC sowie als Stadtrat für Jugend und Sport wieder Führungsaufgaben übernahm.

Und heute? Zum letzten Treffen der Hamburger Helden erschien der Familienvater diesen Sommer nicht. Es geht ihm nicht so gut. Solange es die Gesundheit erlaubte, sah man ihn noch im Kurt-Wabbel-Stadion, der Heimat des HFC, der seinen Fans dieser Tage viel Freude macht und an die Tore zur 2. Liga klopft. Erstmals seit 1992. Schon damals waren die glorreichen Zeiten der Ära Bransch (1963-1977, 316 Oberligaspiele) der kaum zu erreichende Maßstab. Experten sind sich einig: er war der beste, der je in Halle spielte. Egal, auf welcher Position.

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