Zu Hennes Weisweilers 100.: "Ein Leben für den Fußball"

Dass er eigentlich Hans hieß, das hat niemanden wirklich interessiert. Für alle, die ihn kannten, war der Mann, der heute vor 100 Jahren auf die Welt kam, schlicht der Hennes Weisweiler. Wie man sich am Rhein ebenso ausdrückt. Dem hat auch der DFB Rechnung getragen und benannte 2005 seine Fußball-Lehrer-Ausbildungsstätte an der Kölner Sporthochschule, inzwischen in Hennef beheimatet, in "Hennes-Weisweiler-Akademie" um. Nicht nur zu Ehren eines der erfolgreichsten Trainers, den der deutsche Fußball je hatte, sondern auch zu Ehren eines langjährigen Ausbilders von Fußball-Lehrern.

Denn neben seiner Vereinstätigkeit war Weisweiler von 1955 bis 1969 auch Dozent an der Sporthochschule und bildete 255 Trainer aus. Weshalb es in der Bundesliga ab den 80er-Jahren nur so vor Weisweiler-Schülern wimmelte. Die namhaftesten von ihnen waren auch in der Praxis seine Schüler gewesen, spielten bei Borussia Mönchengladbach und wurden DFB-Auswahltrainer wie Berti Vogts, Rainer Bonhof oder Ulli Stielike und teilweise überaus erfolgreiche Vereinstrainer wie Triplegewinner Jupp Heynckes, Karlsruhes Aufstiegscoach Winfried Schäfer oder Horst Köppel, der 1989 mit Borussia Dortmund den Titel holte. Köppel sagte nach Weisweilers Tod im Juli 1983: "Weisweiler hat uns allen so viel Spaß am Fußball vermittelt, dass keiner von uns sich vorstellen konnte, einen Beruf ohne Fußball zu ergreifen."

Ja, Fußball war für Weisweiler vor allem Unterhaltung, und der Spaß am Spiel war für ihn vorrangig, obwohl er ein fürchterlich schlechter Verlierer war - ob im Trainingskick, an dem der gelernte Innenverteidiger noch bis ins hohe Alter mitwirkte, oder beim Skat. Diese Eigenschaft änderte nichts an seiner Maxime: "Der Sinn des Fußballspiels ist es, mehr Tore als der Gegner zu erzielen und nicht weniger Tore als der Gegner zu kassieren." Dieser Maxime huldigte er seine ganze Karriere lang.

Erst totgesagt, dann Spielertrainer beim 1. FC Köln

Sie begann am 1. Juni 1947 mit dem ersten Trainerlehrgang, den es in Köln nach dem Krieg gab. Weisweiler hatte Abitur gemacht, Lebensmittelgroßhändler gelernt und war 1945 aus der Kriegsgefangenschaft in seine Heimat Erftstadt-Lechenich bei Köln zurückgekehrt, wie viele junge Menschen im zerstörten und besetzten Land stand er vor einer ungewissen Zukunft. Er sah seine im Fußball, dem er als Aktiver schon recht erfolgreich nachgerannt war. 1948 bestand er den Lehrgang als Notenbester und spielte parallel beim neuen Kölner Topklub, dem 1. FC Köln.

In jenem Jahr "starb" er das erste Mal. Wir lesen in der Rheinischen Zeitung vom 14. Februar 1948: "Wie wir nach Redaktionsschluß erfahren, ist Hans Weisweiler vom 1. FC am Samstagabend an den Folgen des Schädelbruchs, den er beim Endspiel gegen Rhenania Würselen erhielt, gestorben. Mit seinen Freunden stehen wir erschüttert an der Bahre des aufrechten Sportlers." Nie tat das journalistische Gebot, alle Seiten zu hören, mehr Not. Weisweiler hätte der Zeitung gesagt, was er dann anderen sagte: "Aber doch nicht ich mit meinem Dickschädel!"

Nein, seine Karriere fing jetzt erst so richtig an. 1950 wurde dem FC ein Geißbock geschenkt, den sie nach ihrem Spielertrainer nannten, angeblich weil das Tier in Hennes' Armen diesem gleich aufs Hemd gepinkelt hatte. Heute noch, da Hennes VIII. am Spielfeldrand steht und ein Geißbock das FC-Wappen ziert, wird dieser Episode gedacht - und dem Mann, der letztlich dreimal FC-Trainer war. 1952 ging er zum ersten Mal weg und führte die SpVgg. Rheydt in die Oberliga West - höher ging es nicht. 1954 waren sie wieder abgestiegen, und Hennes nahm ein Angebot von Sepp Herberger an, sein Assistent zu werden.

"Ich habe ihn genommen, weil er so hieß wie mein Mathematiklehrer"

Das blieb er nur ein Jahr, dann kamen der Dozentenjob und der erneute Lockruf des 1. FC Köln, wo er nun nur noch Trainer war und es im dritten und letzten Jahr erstmals in die Endrunde um die Deutsche Meisterschaft schaffte. Präsident Franz Kremer war das zu wenig, und wieder gingen sie auseinander. Aber nicht allzu weit, Weisweiler wechselte nur die Rheinseite und schloss sich für sechs Jahre der Kölner Viktoria an, ebenfalls Oberligist, wo er mit Erich Ribbeck einen weiteren späteren Bundestrainer unter seine Fittiche nahm, ferner die kommenden Bundesligatrainer Willibert Kremer, Jürgen Sundermann und Carl-Heinz Rühl. 1962 durften sie sogar international spielen, im UEFA-Cup-Vorläufer Messepokal, wenn auch nur eine Runde.

Dann kam der Karsamstag 1964. Mit seinem klapprigen Opel Rekord fuhr Hennes an der Geschäftsstelle des Regionalligisten Borussia Mönchengladbach vor. Der suchte einen Trainer, und Alt-Bundestrainer Sepp Herberger gab den Tipp, mal den Weisweiler zu fragen. Man wurde sich schnell einig. Borussias Präsident Helmut Beyer sagte später auch, warum: "Den Weisweiler habe ich genommen, weil er so hieß wie mein Mathematiklehrer. Und der war gut." Es ist anzunehmen, dass es noch andere Gründe gab, jedenfalls ging die Rechnung auf - für beide Seiten. Als erste Maßnahme änderte Weisweiler die Trikotfarben von Schwarz in Weiß, denn "Schwarz ist die Farbe der Trauer, stimmt depressiv und erinnert an Niederlagen."

Der Rest ist Fußballallgemeinwissen. Es begann die große Ära der Fohlen-Elf, die mit damals noch unbekannten Namen wie Günter Netzer, Josef Heynckes, Bernd Rupp und Herbert Laumen die Regionalliga West dominierte und sich mit 92 Toren in die Aufstiegsrunde 1965 schoss. Dort setzte sie sich ebenso durch wie in der Parallelgruppe der FC Bayern, und so war die Basis für die faszinierendste Rivalität der ersten Bundesligadekaden gelegt. Borussia stürmte auch in der Bundesliga wild drauf los, verbesserte sich von Jahr zu Jahr. Aber erst als Weisweiler dem Drängen Netzers nachgab, mit dem ihn eine Art Hassliebe verband, und die Abwehr stärkte, stellten sich Erfolge ein.

1970 bis 1975: Fünf Titel in sechs Jahren

1970 holte Borussia die erste Meisterschaft und zeigte im entscheidenden Spiel gegen den HSV noch mal ihr ganzes Repertoire, ließ den Gast nach 4:0 auf 4:3 herankommen. Weisweiler rannte auf den Platz und stauchte seine Abwehr zusammen, was auch in Zeiten vor der Coaching Zone nicht erlaubt war. Aber es war ihm egal, er wollte endlich den Titel. Sie holten ihn, und im Stadtteil Eicken läuteten die Kirchenglocken. Ein Meister, der aus der damals kleinsten Bundesligastadt kam, das war eine Sensation. Die Kunst war, den Erfolg zu konservieren. Dazu brauchten sie ihren intern hoch geschätzten Trainer, so knorrig und bärbeißig er auch nach außen war.

Einen Vertrag hat Hennes in Mönchengladbach nie unterschrieben, es zählte immer das gesprochene Wort. Und daher auch das seine am 50. Geburtstag im Dezember 1969, als der Vorstand alle Register zog, um ihn zum Bleiben zu überreden. Das Heimspiel gegen Hannover wurde extra auf den 5. Dezember verlegt, und die Mannschaft erhielt die Order, wenn möglich, 5:0 zu gewinnen. Die Ziffern bildeten ja eine 50. Es klappte tatsächlich. Dermaßen beschenkt, konnte Weisweiler gar nicht anders als "Ja" zu sagen, als ihn Präsident Beyer am Abend auf der Geburtstags- und Siegesfeier bat, noch ein paar Jährchen dranzuhängen.

So ging es zu in der heilen Gladbacher Welt der Fohlen-Jahre. Es regnete weitere Erfolge: Meister 1971, Pokalsieger 1973, Meister 1973 und UEFA-Pokalsieger 1975. Borussia war damals nach Bayern der größte Lieferant von Nationalspielern. Und so wurden die Weisweiler-Schüler Wolfgang Kleff, Berti Vogts, Rainer Bonhof, Herbert Wimmer und Jupp Heynckes 1974 Weltmeister, ebenso Günter Netzer, der 1973 nach Madrid gewechselt war.

"Sag dem Langen, er spielt nicht"

Sein Wechsel und das Theater darum wirft ein Schlaglicht auf das Naturell Weisweilers. Der hatte ein Problem mit Superstars und deren Extravaganzen. Als Netzer seine Disco eröffnete und er Weisweiler pflichtschuldigst zur Eröffnung einlud, stöhnte der nur: "Das ist das Ende." Das Ende ihrer Beziehung stand öfters bevor, und es gab Zeiten der Funkstille, die Mittler Berti Vogts notdürftig überbrücken musste. Eine überlieferte Kostprobe: "Berti, sag dem Langen, er spielt nicht!" Vogts richtete es Netzer aus, und der antwortet: "Sag ihm, er kann mich mal." Dabei standen alle nur wenige Meter nebeneinander.

Es war eine Posse, wie sie nur in jenen Tagen, da Kameras und Mikrofone an Trainingsplätzen noch die Ausnahme waren, möglich war. Auch Netzer war eine Ausnahme. Was er sich herausnahm, wagte bei Borussia sonst keiner. "Die jungen Spieler hatten regelrecht fast Angst vor ihm", sagte Torwart Wolfgang Kleff. Und Netzers Rebellion im DFB-Pokalfinale 1973, als er den Zeitpunkt seiner Einwechslung selbst bestimmte - in der Halbzeit weigerte er sich, zur Verlängerung ging er einfach ins Spiel -, blieb auch nur folgenlos, weil der Spielmacher anschließend nach Madrid abdüste. Wortlos trennten sich Trainer und Kapitän.

Erst Barcelona, dann Rückkehr nach Köln

Auch Weisweilers Abgang 1975 war von Disharmonie geprägt, hinter dem Rücken des Borussen-Vorstands einigte er sich kurz vor dem UEFA-Cup-Finale 1975 - dem furiosen 5:1 bei Twente Enschede- mit dem FC Barcelona. Die Wut über seinen Abgang durch die Hintertür verflog alsbald, Besucher des neuen Borussia-Stadions gehen heute durch die Hennes-Weisweiler Allee.

In Barcelona blieb er das einzige Mal erfolg-, sprich titellos. Sein Netzer dort hieß Johan Cruyff. Der Niederländer verkündete schon gleich nach der Verpflichtung des Deutschen: "Weisweiler ist nicht der Trainer meiner Wahl." Und das war fatal, der Superstar hatte mehr Macht, als es Spieler haben sollten. Als Cruyff einmal ausgewechselt wurde, schlug er Krach, und der Vorstand schlug sich auf seine Seite, verlängerte nämlich dessen Vertrag. Für Weisweiler war dies das Signal zum Aufbruch. Im Rückblick stellten sie in Barcelona fest, dass er doch nicht so schlecht war, hatte er doch sieben Nachwuchsspieler integriert.

Doublegewinn mit Köln, "Soccer Champion" mit New York

Nun aber war es Zeit, die offene Rechnung mit dem 1. FC Köln zu begleichen. Der FC rief, und im dritten Anlauf gab es endlich Erfolge in dieser Partnerschaft. 1977 Pokalsieger, 1978 sogar das legendäre Double. Weisweiler war auf dem Zenit seiner Beliebtheit, vier Deutsche Meisterschaften sprachen Bände. Auch in Köln ging es nicht ohne Krach ab, wieder traf es den König der Mannschaft: Wolfgang Overath war in die Jahre gekommen, und Weisweiler bemängelte öffentlich seine Spritzigkeit.

Als Weisweiler ihn im Wiederholungsspiel des Pokalfinals 1977 gegen Hertha BSC auf die Bank setzen wollte, rebellierte Overath auf seine Weise. Er nahm zwar Platz, aber in Zivil, und beendete seine Karriere. "Im Nachhinein bin ich ihm dankbar dafür", sagte der Weltmeister 35 Jahre später. Denn sonst hätte er noch weiter gespielt, obwohl es Zeit war zu gehen. Und so fand auch in diesem Fall eine späte Aussöhnung statt mit dem großen Hennes Weisweiler, der es nach Köln noch wagte, über den großen Teich zu segeln und 1980 mit Cosmos New York "Soccer Champion" der USA zu werden.

Zurück in Europa wurde er mit 61 Jahren noch das erste Mal Vater und fügte seiner Titelsammlung bei Grasshopper Zürich das Schweizer Double hinzu. So sollte es weitergehen, eigentlich. Dann kam der 5. Juli 1983, und nun starb er ein zweites Mal. Diesmal wirklich. Der Mann, der nicht verlieren konnte und deshalb so viel gewann wie nur wenige, verlor sein Leben. Das Herz, das für den schönen Fußball schlug, hörte auf zu schlagen. Sein Leichnam wurde im Kölner Dom aufgebahrt, es kamen 6000 Menschen zur Trauerfeier. Beigesetzt wurde er in Lechenich-Heddinghoven, und auf dem Grabstein steht: "Ein Leben für den Fußball".

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Dass er eigentlich Hans hieß, das hat niemanden wirklich interessiert. Für alle, die ihn kannten, war der Mann, der heute vor 100 Jahren auf die Welt kam, schlicht der Hennes Weisweiler. Wie man sich am Rhein ebenso ausdrückt. Dem hat auch der DFB Rechnung getragen und benannte 2005 seine Fußball-Lehrer-Ausbildungsstätte an der Kölner Sporthochschule, inzwischen in Hennef beheimatet, in "Hennes-Weisweiler-Akademie" um. Nicht nur zu Ehren eines der erfolgreichsten Trainers, den der deutsche Fußball je hatte, sondern auch zu Ehren eines langjährigen Ausbilders von Fußball-Lehrern.

Denn neben seiner Vereinstätigkeit war Weisweiler von 1955 bis 1969 auch Dozent an der Sporthochschule und bildete 255 Trainer aus. Weshalb es in der Bundesliga ab den 80er-Jahren nur so vor Weisweiler-Schülern wimmelte. Die namhaftesten von ihnen waren auch in der Praxis seine Schüler gewesen, spielten bei Borussia Mönchengladbach und wurden DFB-Auswahltrainer wie Berti Vogts, Rainer Bonhof oder Ulli Stielike und teilweise überaus erfolgreiche Vereinstrainer wie Triplegewinner Jupp Heynckes, Karlsruhes Aufstiegscoach Winfried Schäfer oder Horst Köppel, der 1989 mit Borussia Dortmund den Titel holte. Köppel sagte nach Weisweilers Tod im Juli 1983: "Weisweiler hat uns allen so viel Spaß am Fußball vermittelt, dass keiner von uns sich vorstellen konnte, einen Beruf ohne Fußball zu ergreifen."

Ja, Fußball war für Weisweiler vor allem Unterhaltung, und der Spaß am Spiel war für ihn vorrangig, obwohl er ein fürchterlich schlechter Verlierer war - ob im Trainingskick, an dem der gelernte Innenverteidiger noch bis ins hohe Alter mitwirkte, oder beim Skat. Diese Eigenschaft änderte nichts an seiner Maxime: "Der Sinn des Fußballspiels ist es, mehr Tore als der Gegner zu erzielen und nicht weniger Tore als der Gegner zu kassieren." Dieser Maxime huldigte er seine ganze Karriere lang.

Erst totgesagt, dann Spielertrainer beim 1. FC Köln

Sie begann am 1. Juni 1947 mit dem ersten Trainerlehrgang, den es in Köln nach dem Krieg gab. Weisweiler hatte Abitur gemacht, Lebensmittelgroßhändler gelernt und war 1945 aus der Kriegsgefangenschaft in seine Heimat Erftstadt-Lechenich bei Köln zurückgekehrt, wie viele junge Menschen im zerstörten und besetzten Land stand er vor einer ungewissen Zukunft. Er sah seine im Fußball, dem er als Aktiver schon recht erfolgreich nachgerannt war. 1948 bestand er den Lehrgang als Notenbester und spielte parallel beim neuen Kölner Topklub, dem 1. FC Köln.

In jenem Jahr "starb" er das erste Mal. Wir lesen in der Rheinischen Zeitung vom 14. Februar 1948: "Wie wir nach Redaktionsschluß erfahren, ist Hans Weisweiler vom 1. FC am Samstagabend an den Folgen des Schädelbruchs, den er beim Endspiel gegen Rhenania Würselen erhielt, gestorben. Mit seinen Freunden stehen wir erschüttert an der Bahre des aufrechten Sportlers." Nie tat das journalistische Gebot, alle Seiten zu hören, mehr Not. Weisweiler hätte der Zeitung gesagt, was er dann anderen sagte: "Aber doch nicht ich mit meinem Dickschädel!"

Nein, seine Karriere fing jetzt erst so richtig an. 1950 wurde dem FC ein Geißbock geschenkt, den sie nach ihrem Spielertrainer nannten, angeblich weil das Tier in Hennes' Armen diesem gleich aufs Hemd gepinkelt hatte. Heute noch, da Hennes VIII. am Spielfeldrand steht und ein Geißbock das FC-Wappen ziert, wird dieser Episode gedacht - und dem Mann, der letztlich dreimal FC-Trainer war. 1952 ging er zum ersten Mal weg und führte die SpVgg. Rheydt in die Oberliga West - höher ging es nicht. 1954 waren sie wieder abgestiegen, und Hennes nahm ein Angebot von Sepp Herberger an, sein Assistent zu werden.

"Ich habe ihn genommen, weil er so hieß wie mein Mathematiklehrer"

Das blieb er nur ein Jahr, dann kamen der Dozentenjob und der erneute Lockruf des 1. FC Köln, wo er nun nur noch Trainer war und es im dritten und letzten Jahr erstmals in die Endrunde um die Deutsche Meisterschaft schaffte. Präsident Franz Kremer war das zu wenig, und wieder gingen sie auseinander. Aber nicht allzu weit, Weisweiler wechselte nur die Rheinseite und schloss sich für sechs Jahre der Kölner Viktoria an, ebenfalls Oberligist, wo er mit Erich Ribbeck einen weiteren späteren Bundestrainer unter seine Fittiche nahm, ferner die kommenden Bundesligatrainer Willibert Kremer, Jürgen Sundermann und Carl-Heinz Rühl. 1962 durften sie sogar international spielen, im UEFA-Cup-Vorläufer Messepokal, wenn auch nur eine Runde.

Dann kam der Karsamstag 1964. Mit seinem klapprigen Opel Rekord fuhr Hennes an der Geschäftsstelle des Regionalligisten Borussia Mönchengladbach vor. Der suchte einen Trainer, und Alt-Bundestrainer Sepp Herberger gab den Tipp, mal den Weisweiler zu fragen. Man wurde sich schnell einig. Borussias Präsident Helmut Beyer sagte später auch, warum: "Den Weisweiler habe ich genommen, weil er so hieß wie mein Mathematiklehrer. Und der war gut." Es ist anzunehmen, dass es noch andere Gründe gab, jedenfalls ging die Rechnung auf - für beide Seiten. Als erste Maßnahme änderte Weisweiler die Trikotfarben von Schwarz in Weiß, denn "Schwarz ist die Farbe der Trauer, stimmt depressiv und erinnert an Niederlagen."

Der Rest ist Fußballallgemeinwissen. Es begann die große Ära der Fohlen-Elf, die mit damals noch unbekannten Namen wie Günter Netzer, Josef Heynckes, Bernd Rupp und Herbert Laumen die Regionalliga West dominierte und sich mit 92 Toren in die Aufstiegsrunde 1965 schoss. Dort setzte sie sich ebenso durch wie in der Parallelgruppe der FC Bayern, und so war die Basis für die faszinierendste Rivalität der ersten Bundesligadekaden gelegt. Borussia stürmte auch in der Bundesliga wild drauf los, verbesserte sich von Jahr zu Jahr. Aber erst als Weisweiler dem Drängen Netzers nachgab, mit dem ihn eine Art Hassliebe verband, und die Abwehr stärkte, stellten sich Erfolge ein.

1970 bis 1975: Fünf Titel in sechs Jahren

1970 holte Borussia die erste Meisterschaft und zeigte im entscheidenden Spiel gegen den HSV noch mal ihr ganzes Repertoire, ließ den Gast nach 4:0 auf 4:3 herankommen. Weisweiler rannte auf den Platz und stauchte seine Abwehr zusammen, was auch in Zeiten vor der Coaching Zone nicht erlaubt war. Aber es war ihm egal, er wollte endlich den Titel. Sie holten ihn, und im Stadtteil Eicken läuteten die Kirchenglocken. Ein Meister, der aus der damals kleinsten Bundesligastadt kam, das war eine Sensation. Die Kunst war, den Erfolg zu konservieren. Dazu brauchten sie ihren intern hoch geschätzten Trainer, so knorrig und bärbeißig er auch nach außen war.

Einen Vertrag hat Hennes in Mönchengladbach nie unterschrieben, es zählte immer das gesprochene Wort. Und daher auch das seine am 50. Geburtstag im Dezember 1969, als der Vorstand alle Register zog, um ihn zum Bleiben zu überreden. Das Heimspiel gegen Hannover wurde extra auf den 5. Dezember verlegt, und die Mannschaft erhielt die Order, wenn möglich, 5:0 zu gewinnen. Die Ziffern bildeten ja eine 50. Es klappte tatsächlich. Dermaßen beschenkt, konnte Weisweiler gar nicht anders als "Ja" zu sagen, als ihn Präsident Beyer am Abend auf der Geburtstags- und Siegesfeier bat, noch ein paar Jährchen dranzuhängen.

So ging es zu in der heilen Gladbacher Welt der Fohlen-Jahre. Es regnete weitere Erfolge: Meister 1971, Pokalsieger 1973, Meister 1973 und UEFA-Pokalsieger 1975. Borussia war damals nach Bayern der größte Lieferant von Nationalspielern. Und so wurden die Weisweiler-Schüler Wolfgang Kleff, Berti Vogts, Rainer Bonhof, Herbert Wimmer und Jupp Heynckes 1974 Weltmeister, ebenso Günter Netzer, der 1973 nach Madrid gewechselt war.

"Sag dem Langen, er spielt nicht"

Sein Wechsel und das Theater darum wirft ein Schlaglicht auf das Naturell Weisweilers. Der hatte ein Problem mit Superstars und deren Extravaganzen. Als Netzer seine Disco eröffnete und er Weisweiler pflichtschuldigst zur Eröffnung einlud, stöhnte der nur: "Das ist das Ende." Das Ende ihrer Beziehung stand öfters bevor, und es gab Zeiten der Funkstille, die Mittler Berti Vogts notdürftig überbrücken musste. Eine überlieferte Kostprobe: "Berti, sag dem Langen, er spielt nicht!" Vogts richtete es Netzer aus, und der antwortet: "Sag ihm, er kann mich mal." Dabei standen alle nur wenige Meter nebeneinander.

Es war eine Posse, wie sie nur in jenen Tagen, da Kameras und Mikrofone an Trainingsplätzen noch die Ausnahme waren, möglich war. Auch Netzer war eine Ausnahme. Was er sich herausnahm, wagte bei Borussia sonst keiner. "Die jungen Spieler hatten regelrecht fast Angst vor ihm", sagte Torwart Wolfgang Kleff. Und Netzers Rebellion im DFB-Pokalfinale 1973, als er den Zeitpunkt seiner Einwechslung selbst bestimmte - in der Halbzeit weigerte er sich, zur Verlängerung ging er einfach ins Spiel -, blieb auch nur folgenlos, weil der Spielmacher anschließend nach Madrid abdüste. Wortlos trennten sich Trainer und Kapitän.

Erst Barcelona, dann Rückkehr nach Köln

Auch Weisweilers Abgang 1975 war von Disharmonie geprägt, hinter dem Rücken des Borussen-Vorstands einigte er sich kurz vor dem UEFA-Cup-Finale 1975 - dem furiosen 5:1 bei Twente Enschede- mit dem FC Barcelona. Die Wut über seinen Abgang durch die Hintertür verflog alsbald, Besucher des neuen Borussia-Stadions gehen heute durch die Hennes-Weisweiler Allee.

In Barcelona blieb er das einzige Mal erfolg-, sprich titellos. Sein Netzer dort hieß Johan Cruyff. Der Niederländer verkündete schon gleich nach der Verpflichtung des Deutschen: "Weisweiler ist nicht der Trainer meiner Wahl." Und das war fatal, der Superstar hatte mehr Macht, als es Spieler haben sollten. Als Cruyff einmal ausgewechselt wurde, schlug er Krach, und der Vorstand schlug sich auf seine Seite, verlängerte nämlich dessen Vertrag. Für Weisweiler war dies das Signal zum Aufbruch. Im Rückblick stellten sie in Barcelona fest, dass er doch nicht so schlecht war, hatte er doch sieben Nachwuchsspieler integriert.

Doublegewinn mit Köln, "Soccer Champion" mit New York

Nun aber war es Zeit, die offene Rechnung mit dem 1. FC Köln zu begleichen. Der FC rief, und im dritten Anlauf gab es endlich Erfolge in dieser Partnerschaft. 1977 Pokalsieger, 1978 sogar das legendäre Double. Weisweiler war auf dem Zenit seiner Beliebtheit, vier Deutsche Meisterschaften sprachen Bände. Auch in Köln ging es nicht ohne Krach ab, wieder traf es den König der Mannschaft: Wolfgang Overath war in die Jahre gekommen, und Weisweiler bemängelte öffentlich seine Spritzigkeit.

Als Weisweiler ihn im Wiederholungsspiel des Pokalfinals 1977 gegen Hertha BSC auf die Bank setzen wollte, rebellierte Overath auf seine Weise. Er nahm zwar Platz, aber in Zivil, und beendete seine Karriere. "Im Nachhinein bin ich ihm dankbar dafür", sagte der Weltmeister 35 Jahre später. Denn sonst hätte er noch weiter gespielt, obwohl es Zeit war zu gehen. Und so fand auch in diesem Fall eine späte Aussöhnung statt mit dem großen Hennes Weisweiler, der es nach Köln noch wagte, über den großen Teich zu segeln und 1980 mit Cosmos New York "Soccer Champion" der USA zu werden.

Zurück in Europa wurde er mit 61 Jahren noch das erste Mal Vater und fügte seiner Titelsammlung bei Grasshopper Zürich das Schweizer Double hinzu. So sollte es weitergehen, eigentlich. Dann kam der 5. Juli 1983, und nun starb er ein zweites Mal. Diesmal wirklich. Der Mann, der nicht verlieren konnte und deshalb so viel gewann wie nur wenige, verlor sein Leben. Das Herz, das für den schönen Fußball schlug, hörte auf zu schlagen. Sein Leichnam wurde im Kölner Dom aufgebahrt, es kamen 6000 Menschen zur Trauerfeier. Beigesetzt wurde er in Lechenich-Heddinghoven, und auf dem Grabstein steht: "Ein Leben für den Fußball".

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