Zingraf: "Die Trainer haben ihre Macht entdeckt"

Rund 900 Trainer sind seit Sonntag in Augsburg, wohin der Bund Deutscher Fußball-Lehrer (BDFL) zu seinem jährlichen Internationalen Trainerkongress eingeladen hat. Nach fast einem Jahrzehnt endet hier die Amtszeit von BDFL-Präsident Horst Zingraf. Der frühere Bundestrainer Jupp Derwall hatte den ehemaligen Oberligatorwart und späteren Saarbrücker Coach einst zum BDFL gebracht.

Im DFB.de-Interview mit Redakteur Thomas Hackbarth zieht der 73 Jahre alte Zingraf seine ganz persönliche Bilanz, beurteilt die DFB-Entscheidung für den neuen Sportdirektor Robin Dutt und beschreibt die wachsende Macht der Trainer.

DFB.de: Heute ist Schluss, dann endet Ihre Präsidentschaft. Wie sehen Sie inzwischen die Position des Profitrainers?

Horst Zingraf: Früher gab es die stehende Wendung "Der Trainer ist das schwächste Glied" - das gilt heute nicht mehr. Die Trainer sind selbstbewusster geworden, die heutigen Verträge berücksichtigen die Interessenlage des Trainers. Das ist heute professioneller. Mehr als früher erkenne ich heute eine Balance.

DFB.de: Der scheidende BDFL-Präsident kann also zufrieden sein?

Zingraf: Durchaus, es hat sich vieles zum Besseren verändert. Den Imagewandel der Trainer hat aber sicher nicht der BDFL alleine bewirkt. Die Trainer untereinander haben sich loyal verhalten. Und sie haben ihre Macht entdeckt. Zeitgleich merken die Vereine, dass es nicht nur wirtschaftlich sinnvoll ist, über längere Zeiträume an einem Trainer festzuhalten. Kontinuität ist der wichtigste Faktor für sportlichen Erfolg, man muss auch mal durch Täler gehen können. Es gibt Beispiele in der Bundesliga, wenn ich etwa an Thomas Schaaf und Klaus Allofs denke, die schon Krisen durchgestanden und wieder zurück in die Erfolgsspur gefunden haben. Das Festhalten wird oft belohnt.

DFB.de: Wie hat sich das Verhältnis zwischen Trainer und Spielern verändert?

Zingraf: Es ist doch sonnenklar, dass es in einem intensiven Arbeitsverhältnis unter hohem Erfolgsdruck auch mal knirscht, ich denke etwa an die Situation mit Robin Dutt und Michael Ballack in Leverkusen. Dutt konnte sich gegen diesen großen Spieler, immerhin lange Kapitän der Nationalmannschaft, durchsetzen. Ich beobachte, dass der Trainer heute auch im direkten Verhältnis zu den Spielern stärker ist als früher.



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Rund 900 Trainer sind seit Sonntag in Augsburg, wohin der Bund Deutscher Fußball-Lehrer (BDFL) zu seinem jährlichen Internationalen Trainerkongress eingeladen hat. Nach fast einem Jahrzehnt endet hier die Amtszeit von BDFL-Präsident Horst Zingraf. Der frühere Bundestrainer Jupp Derwall hatte den ehemaligen Oberligatorwart und späteren Saarbrücker Coach einst zum BDFL gebracht.

Im DFB.de-Interview mit Redakteur Thomas Hackbarth zieht der 73 Jahre alte Zingraf seine ganz persönliche Bilanz, beurteilt die DFB-Entscheidung für den neuen Sportdirektor Robin Dutt und beschreibt die wachsende Macht der Trainer.

DFB.de: Heute ist Schluss, dann endet Ihre Präsidentschaft. Wie sehen Sie inzwischen die Position des Profitrainers?

Horst Zingraf: Früher gab es die stehende Wendung "Der Trainer ist das schwächste Glied" - das gilt heute nicht mehr. Die Trainer sind selbstbewusster geworden, die heutigen Verträge berücksichtigen die Interessenlage des Trainers. Das ist heute professioneller. Mehr als früher erkenne ich heute eine Balance.

DFB.de: Der scheidende BDFL-Präsident kann also zufrieden sein?

Zingraf: Durchaus, es hat sich vieles zum Besseren verändert. Den Imagewandel der Trainer hat aber sicher nicht der BDFL alleine bewirkt. Die Trainer untereinander haben sich loyal verhalten. Und sie haben ihre Macht entdeckt. Zeitgleich merken die Vereine, dass es nicht nur wirtschaftlich sinnvoll ist, über längere Zeiträume an einem Trainer festzuhalten. Kontinuität ist der wichtigste Faktor für sportlichen Erfolg, man muss auch mal durch Täler gehen können. Es gibt Beispiele in der Bundesliga, wenn ich etwa an Thomas Schaaf und Klaus Allofs denke, die schon Krisen durchgestanden und wieder zurück in die Erfolgsspur gefunden haben. Das Festhalten wird oft belohnt.

DFB.de: Wie hat sich das Verhältnis zwischen Trainer und Spielern verändert?

Zingraf: Es ist doch sonnenklar, dass es in einem intensiven Arbeitsverhältnis unter hohem Erfolgsdruck auch mal knirscht, ich denke etwa an die Situation mit Robin Dutt und Michael Ballack in Leverkusen. Dutt konnte sich gegen diesen großen Spieler, immerhin lange Kapitän der Nationalmannschaft, durchsetzen. Ich beobachte, dass der Trainer heute auch im direkten Verhältnis zu den Spielern stärker ist als früher.

DFB.de: Parallel zum Internationalen Trainerkongress in Augsburg tagt die BDFL-Hauptversammlung. Wer wird Ihr Nachfolger?

Zingraf: Der Berufsverband der Trainer darf sicher mit Optimismus in die Zukunft schauen. Kandidat für meine Nachfolge ist Lutz Hangartner, der schon während meiner jetzt endenden Amtszeit die Inhalte und Referenten der Kongresse festgelegt hatte. De facto waren wir seit einiger Zeit eine Doppelspitze. Gewählt wird der neue BDFL-Präsident heute.

DFB.de: Sie haben waren fast ein Jahrzehnt Präsident des Berufsverbandes der Trainer in Deutschland. Wie fällt Ihre Bilanz aus?

Zingraf: Für den BDFL war es ein erfolgreiches Jahrzehnt. Seit 2001 haben wir die Mitgliederzahl um 50 Prozent steigern können, heute sind rund 4500 Trainer im BDFL organisiert. Pro Jahr veranstalten wir in unseren acht Landesgruppen rund 30 dezentrale Fortbildungsseminare; plus den Internationalem Trainerkongress. Im Jahr 2011 etwa haben wir mehr als 3000 Trainer fortgebildet. Dabei ist der Deutsche Fußball-Bund unser Auftraggeber, wir leisten die Fortbildungen für die beiden höchsten Lizenzen des Trainerwesens, die A-Lizenz und den Fußball-Lehrer. Diese Fortbildungen lassen wir von neutraler Stelle evaluieren. Quantität und Qualität stimmen.

DFB.de: Wie eng ist die Zusammenarbeit mit dem DFB?

Zingraf: Wir sind ein selbstständiger Verband, das ist in Europa eher die Ausnahme. Dennoch sind wir exzellent mit dem DFB verzahnt. Frank Wormuth als Ausbildungsleiter des DFB sitzt qua Amt in unserem Präsidium, genauso wie der DFB-Sportdirektor, nun also Robin Dutt. Umgekehrt gehören der BDFL-Präsident und sein Stellvertreter dem DFB-Lehrstab an.

DFB.de: Viele Zahlen und Funktionen - wie fällt Ihre persönliche Bilanz aus?

Zingraf: Zum Präsidium und Bundesvorstand zählen heute Felix Magath, Ralf Rangnick, Thomas Schaaf, Jürgen Klopp und Benno Möhlmann. Wir haben also die Bundesliga-Trainer in unsere Führungsstrukturen integriert. Wenn ich zurückblicke, ist das die wichtigste Entwicklung, dass diese Trainer nicht nur irgendwo auf dem Papier bei uns stehen, sondern aktiv mitarbeiten. Darauf bin ich stolz.

DFB.de: Mirko Slomka, Michael Oenning und Volker Finke waren in den vergangenen Jahren Gäste beim ITK. Sind auch in Augsburg Bundesliga-Trainer dabei?

Zingraf: Ende Juli, Anfang August, diese Zeit gehört den Trainingslagern und Auslandsreisen. Umso mehr freut es mich, dass Freiburgs Christian Streich und Augsburgs Markus Weinzierl am Mittwoch an einem Podiumsgespräch teilnehmen werden. Die Profitrainer sind Vorbilder für den Amateurbereich, dieser Verantwortung ist man sich bewusst.

DFB.de: Wie beobachten Sie die Tendenz zur Verwissenschaftlichung in der Arbeit des Profitrainers?

Zingraf: Das klingt erstmal abwertend, dabei ist es einfach so, dass die Trainer heute top ausgebildet sind und viele oft auch noch ein Studium absolviert haben. Nur so kann man auch die letzten Prozentpunkte an Leistungskraft herauskitzeln. Ernährung, mentale Kraft, andere physiologische Grundlagen - alles wird genau beobachtet und analysiert. Heutzutage muss sich ein Trainer bei wissenschaftlichen Erkenntnissen bedienen können, sonst wird er auf Dauer nicht erfolgreich sein können. Insgesamt hat eine Entwicklung vom Generalisten, der alles selbst macht, zum Leiter eines Funktionsteams stattgefunden.

DFB.de: Ist die öffentliche Rolle zu wichtig geworden, muss der moderne Trainer heute zu sehr medialer Verkäufer sein?

Zingraf: Die Gefahr ist nicht von der Hand zu weisen. Heutzutage gehört es im Profifußball einfach zum Jobprofil, der Trainer muss den Verein, die Mannschaft und sich selbst in den Medien präsentieren können - und zwar direkt nach dem Abpfiff eines hochemotionalen Spiels. Er muss ganz schnell "kalt" werden, ohne jede Möglichkeit der Reflektion. Über diese Qualität muss heute ein Trainer verfügen. "Wie gehe ich mit den Medien in solchen Drucksituationen um?" Auch dazu bieten wir vom BDFL Workshops für unsere Mitglieder an.

DFB.de: Ist die Aufgabe des Trainers ganz besonders "Burnout-gefährdet?"

Zingraf: Sicher gibt es hier extreme Stresssituationen und einen Dauerdruck. Aber der Trainer ist insofern auch nicht mehr gefährdet als andere Spitzenpositionen in der Wirtschaft. Es fehlen die Auszeiten, die Regenerationsphasen, aber darunter leiden nicht nur die Trainer.

DFB.de: Trainer sind total unterschiedlich, man denke an Protagonisten von Happel bis Heynckes, von Cramer bis Klopp. Gibt es denn so etwas wie eine Goldene Regel?

Zingraf: Nein, die gibt es nicht. Aber der Trainer muss sehr wohl ein Profil entwickeln und dann sehr bewusst bewerten, ob er wirklich in das Anforderungsprofil des Klubs passt. Beim FC Schalke ist ein anderer Typ gefragt als bei Bayern München, andere Fähigkeiten, ein anderer Auftritt sind gefordert. Die Landschaft ist sehr heterogen, dadurch können unterschiedliche Trainertypen zum Erfolg kommen. Für eine lange Karriere ist es sicher förderlich, auch mal "Nein" sagen zu können, wenn das Profil nicht richtig passt.

DFB.de: Ist Robin Dutt eine gute Wahl als neuer DFB-Sportdirektor?

Zingraf: Ja, definitiv. Robin Dutt ist Mitglied im BDFL, er hat eine umfangreiche Erfahrung als Trainer. Dutt ist in der Person eine gute Wahl, und der DFB hat auch absolut richtig gehandelt, wieder einen erfahrenen Trainer mit den Aufgaben des Sportdirektors zu betrauen.

DFB.de: Sie sind das, was man einen "Breitwurzler" nennt. Mit Saarbrücken spielten sie als Torwart in der Oberliga, damals der höchsten Spielklasse in Deutschland. Sie wurden Sport- und Deutschlehrer, gingen als Dozent an das Institut für Sportwissenschaften der Universität des Saarlandes und wechselten 1990 zu adidas. Wie oft haben Sie auf Ihrem Lebensweg ganz von vorne anfangen müssen?

Zingraf: Das stimmt, in meiner Berufsbiographie gab es diese Brüche. Ich hatte ja Beamtenstatus, den musste ich aufgeben, um zu adidas zu gehen. Die meisten Menschen machen so etwas nicht. Ich dagegen bin immer Risiken eingegangen, ganz bewusst und zielgerichtet. Ich habe es genossen, als Lehrer zu arbeiten, später auch meine Arbeit am Institut, und ich bin nicht in die Wirtschaft gegangen, weil ich irgendwo weg musste. Die Neugierde auf das Neue, das andere hat mich angetrieben. Alles hat zu seiner Zeit gepasst. Ich hätte auch nie gedacht, dass ich einmal dem Bund Deutscher Fußball-Lehrer als Präsident vorstehen würde.

DFB.de: Warum kandidieren Sie nicht ein weiteres Mal?

Zingraf: Ich denke, es gehört auch zu meinen Aufgaben, einen Generationswechsel einzuleiten. Die Altersrichtlinie des DFB, dass man sich nach dem 70. Lebensjahr nicht mehr wählen lässt, finde ich hervorragend. Funktionäre müssen irgendwann bereit sein zu gehen - selbst dann, wenn sie einen guten Job machen.