Wohlleben: Über Ringkampf ins Fußballteam

Der 31. Oktober 1970 markiert einen Meilenstein in der Geschichte des deutschen Frauenfußballs - er wurde an diesem Tag vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) offiziell in seine Satzung aufgenommen. Seitdem sind bald 50 Jahre vergangen. Fünf Jahrzehnte, in denen viele Persönlichkeiten den Weg bereitet haben. Sie haben gestaltet, motiviert und inspiriert - damals wie heute 50 Jahre, 50 Gesichter: In der großen Serie zum Jubiläum rückt DFB.de Persönlichkeiten aus dem Frauenfußball in den Fokus. Heute: Bärbel Wohlleben, die mit dem TuS Wörrstadt 1974 die erste deutsche Meisterschaft gewann und in jenem Jahr als erste Frau ein "Tor des Monats" erzielte.

Bärbel Wohlleben hat einen Begriff geprägt, den sie noch heute gerne verwendet. Sie spricht nicht von einer Mannschaft, sie spricht lieber von der "Frauschaft". Natürlich will sie damit etwas erreichen, sie will Aufmerksamkeit erregen. Vor allem will sie den Frauenfußball in Deutschland voranbringen. Schon ihr ganzes Leben lang kämpft die heute 76-Jährige um Anerkennung für ihren geliebten Sport. "Der Frauenfußball wird teilweise leider immer noch unterschätzt. Aber das wird sich noch ändern. Es ist großartig, welche Entwicklung dieser Sport in den vergangenen 50 Jahren genommen hat."

Wohlleben muss es wissen, sie hat schließlich auch die Anfänge miterlebt, sie hat sich zu einer der wichtigsten Pionierinnen des deutschen Frauenfußballs entwickelt. Wohlleben war beispielsweise dabei, als der TuS Wörrstadt 1974 zum ersten deutschen Meister im Frauenfußball wurde. Das Team, in dem Wohlleben im Mittelfeld eine wichtige Rolle einnahm, gewann das Finale in Mainz gegen die DJK Eintracht Erle mit 4:0. Wohlleben war die Vorentscheidung zum 3:0 gelungen. Es war kein normaler Treffer, er wurde später von den Zuschauern der ARD-Sportschau zum Tor des Monats im September 1974 gewählt. Es war das erste Mal, dass diese Ehre einer Frau zuteilwurde.

"Ich kann mich noch an alle Details meines Schusses erinnern"

"Ich bin noch heute stolz auf diese Auszeichnung", sagt Wohlleben. "Ich kann mich noch genau an alle Details meines Schusses aus ungefähr 16 Metern erinnern. Eine Flanke wurde im gegnerischen Strafraum geklärt. Der Ball rollte perfekt auf mich zu. Ich habe ihn mit dem Vollspann getroffen und er ging optimal in die lange Ecke. Die Torhüterin von Eintracht Erle hatte keine Chance. Viele haben hinterher über dieses Tor und meine Schusskraft gestaunt. Für mich war das gar nicht so außergewöhnlich. Wir haben schließlich auch schon leistungsbezogen und regelmäßig trainiert."

Noch heute wird Wohlleben regelmäßig auf dieses Tor angesprochen. "Es war mir zu jener Zeit natürlich überhaupt nicht klar, dass mich dieser Treffer mein ganzes Leben begleiten würde", sagt sie. "Manchmal ist es anstrengend, immer wieder die gleiche Geschichte erzählen zu müssen. Aber insgesamt mache ich es natürlich gerne, weil es ein tolles Erlebnis war. Mir ist es nur wichtig, dass meine Karriere nicht auf diesen einen Moment reduziert wird."

Wohllebens liebte den Fußball schon als kleines Kind. Sie hat drei ältere Brüder, die früher immer im Hof kickten. Aber zu dritt ging das nicht gut, also musste die junge Bärbel mitspielen. "So ist meine Leidenschaft für diesen tollen Sport entstanden", sagt Wohlleben. "Ich war noch nicht mal in der Schule, habe aber schon Fußball gespielt. Für mich war das ein Vorteil, weil ich früh gelernt habe, mich durchzusetzen – vor allem auch gegen Jungs."

Ungewöhnliches Aufnahmeritual

Das kam ihr zugute, als sie nach dem Gewinn der Weltmeisterschaft 1954 endgültig den Entschluss fasste, sich jetzt einem Verein anzuschließen: "Das war für ein Mädchen in dieser Zeit wirklich nicht einfach. Zum Glück haben mich meine Eltern bei dem Vorhaben unterstützt. Einige Jungs in der Mannschaft haben mich erst skeptisch aufgenommen. Es gab ein ungewöhnliches Aufnahmeritual für mich: Ich musste gegen sie im Ringkampf bestehen, um Teil des Teams werden zu können. Zum Glück war ich stark und geschickt und habe einige dieser Duelle gewonnen." Bis sie 14 Jahre alt war, spielte sie als einziges Mädchen in einer Jugendmannschaft der SpVgg. Ingelheim. Ihr Vater war Rechtsanwalt und ehrenamtlicher Justiziar beim südwestdeutschen Fußball-Verband und hatte ihr eine Sondergenehmigung besorgt

Aber der Fußball war nie der einzige Sport, den Wohlleben liebte. Sie spielte auch gerne Handball und betrieb Fünfkampf in der Leichtathletik. Im November 1969 führte der Zufall sie zurück zum Fußball. Während eines Handballspiels lernte sie Uschi Demmler kennen, die in Wörrstadt Fußball spielte und Wohlleben schnell davon überzeugen konnte, dies ebenfalls zu tun. 1970 kam dann die erlösende Nachricht, dass der DFB den Frauenfußball in die offizielle Satzung aufnimmt: "Für uns war das der Durchbruch und unserer Meinung nach ein längst überfälliger Schritt. Seitdem ist die Entwicklung total positiv."

Für Wohlleben war dann der Höhepunkt natürlich der Gewinn der ersten Deutschen Meisterschaft 1974 und ihr Tor des Monats. "Wir haben danach ordentlich Party gemacht. Schon unter der Dusche ist der erste Sekt geflossen. Danach sind wir in einem Hotel in Mainz empfangen und vom DFB geehrt worden. Am späteren Abend sind wir dann weiter nach Wörrstadt gezogen. Dort hat uns einen Posaunenchor bereits erwartet. Die Party ging weiter. Alles, was in Wörrstadt Beine hatte, ist dorthin gekommen. Da war ordentlich etwas los, die Euphorie war riesig. Das Dorf hat sich mit uns identifiziert. Wir haben unsere Meisterfeier dann irgendwann in der Wohnung einer Mitspielerin beendet. Dort haben wir auch übernachtet. Am nächsten Tag ging es uns allen wirklich nicht gut. Noch nie zuvor hatte ich so einen Kater", sagt Wohlleben und muss lachen.

"Geistige und körperliche Frische" dank Arbeit mit Talenten

Der TuS Wörrstadt hatte seinen Höhepunkt überschritten, wichtige Spielerinnen verließen den Verein. Auch Wohlleben suchte eine neue Herausforderung. Sie ging erst zu NSG Oberst Schiel und dann zum SC 07 Bad Neuenahr. Dort holte sie 1978 nochmal die deutsche Meisterschaft. Ihre aktive Karriere ließ Wohlleben dann in ihrer Heimat bei der Spvg. Ingelheim ausklingen. Dort begann sie dann im Anschluss, eine Mädchen- und Frauenabteilung aufzubauen: "Wir haben inzwischen sechs Mannschaften hier am Start. Das macht mich stolz." Mittlerweile heißt der Verein 1. FFC Ingelheim. Man könnte ihn auch 1. FFC Ingelheim-Wohlleben nennen, so viel Zeit und Herzblut hat sie in den Klub investiert. 

Auch heute noch lässt sie der Fußball nicht los. Wohlleben hat sich Ende des vergangenen Jahres dazu überreden lassen, die weibliche D-Jugend ihres Heimatvereins 1. FFC Ingelheim zu trainieren. Seitdem steht sie mit ihren 76 Jahren zweimal in der Woche mit neun- bis elfjährigen Mädchen auf dem Platz. "Ich war erst skeptisch, ob ich das wirklich machen soll", sagt Wohlleben. "Eigentlich wollte ich mehr Zeit für mich haben. Ich wollte meinen Hobbys nachgehen, Theater spielen, im Chor singen. Beides mache ich jetzt auch. Zudem nehme ich seit ein paar Monaten wieder Gitarrenunterricht. Aber gleichzeitig habe ich gemerkt, dass mir die Arbeit mit den Mädchen auf dem Fußballplatz unglaublich viel Spaß macht. Ich möchte nicht darauf verzichten. Zudem bewahren mir die jungen  Spielerinnen eine geistige und körperliche Frische, wofür ich ihnen sehr dankbar bin."

[sw]

Der 31. Oktober 1970 markiert einen Meilenstein in der Geschichte des deutschen Frauenfußballs - er wurde an diesem Tag vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) offiziell in seine Satzung aufgenommen. Seitdem sind bald 50 Jahre vergangen. Fünf Jahrzehnte, in denen viele Persönlichkeiten den Weg bereitet haben. Sie haben gestaltet, motiviert und inspiriert - damals wie heute 50 Jahre, 50 Gesichter: In der großen Serie zum Jubiläum rückt DFB.de Persönlichkeiten aus dem Frauenfußball in den Fokus. Heute: Bärbel Wohlleben, die mit dem TuS Wörrstadt 1974 die erste deutsche Meisterschaft gewann und in jenem Jahr als erste Frau ein "Tor des Monats" erzielte.

Bärbel Wohlleben hat einen Begriff geprägt, den sie noch heute gerne verwendet. Sie spricht nicht von einer Mannschaft, sie spricht lieber von der "Frauschaft". Natürlich will sie damit etwas erreichen, sie will Aufmerksamkeit erregen. Vor allem will sie den Frauenfußball in Deutschland voranbringen. Schon ihr ganzes Leben lang kämpft die heute 76-Jährige um Anerkennung für ihren geliebten Sport. "Der Frauenfußball wird teilweise leider immer noch unterschätzt. Aber das wird sich noch ändern. Es ist großartig, welche Entwicklung dieser Sport in den vergangenen 50 Jahren genommen hat."

Wohlleben muss es wissen, sie hat schließlich auch die Anfänge miterlebt, sie hat sich zu einer der wichtigsten Pionierinnen des deutschen Frauenfußballs entwickelt. Wohlleben war beispielsweise dabei, als der TuS Wörrstadt 1974 zum ersten deutschen Meister im Frauenfußball wurde. Das Team, in dem Wohlleben im Mittelfeld eine wichtige Rolle einnahm, gewann das Finale in Mainz gegen die DJK Eintracht Erle mit 4:0. Wohlleben war die Vorentscheidung zum 3:0 gelungen. Es war kein normaler Treffer, er wurde später von den Zuschauern der ARD-Sportschau zum Tor des Monats im September 1974 gewählt. Es war das erste Mal, dass diese Ehre einer Frau zuteilwurde.

"Ich kann mich noch an alle Details meines Schusses erinnern"

"Ich bin noch heute stolz auf diese Auszeichnung", sagt Wohlleben. "Ich kann mich noch genau an alle Details meines Schusses aus ungefähr 16 Metern erinnern. Eine Flanke wurde im gegnerischen Strafraum geklärt. Der Ball rollte perfekt auf mich zu. Ich habe ihn mit dem Vollspann getroffen und er ging optimal in die lange Ecke. Die Torhüterin von Eintracht Erle hatte keine Chance. Viele haben hinterher über dieses Tor und meine Schusskraft gestaunt. Für mich war das gar nicht so außergewöhnlich. Wir haben schließlich auch schon leistungsbezogen und regelmäßig trainiert."

Noch heute wird Wohlleben regelmäßig auf dieses Tor angesprochen. "Es war mir zu jener Zeit natürlich überhaupt nicht klar, dass mich dieser Treffer mein ganzes Leben begleiten würde", sagt sie. "Manchmal ist es anstrengend, immer wieder die gleiche Geschichte erzählen zu müssen. Aber insgesamt mache ich es natürlich gerne, weil es ein tolles Erlebnis war. Mir ist es nur wichtig, dass meine Karriere nicht auf diesen einen Moment reduziert wird."

Wohllebens liebte den Fußball schon als kleines Kind. Sie hat drei ältere Brüder, die früher immer im Hof kickten. Aber zu dritt ging das nicht gut, also musste die junge Bärbel mitspielen. "So ist meine Leidenschaft für diesen tollen Sport entstanden", sagt Wohlleben. "Ich war noch nicht mal in der Schule, habe aber schon Fußball gespielt. Für mich war das ein Vorteil, weil ich früh gelernt habe, mich durchzusetzen – vor allem auch gegen Jungs."

Ungewöhnliches Aufnahmeritual

Das kam ihr zugute, als sie nach dem Gewinn der Weltmeisterschaft 1954 endgültig den Entschluss fasste, sich jetzt einem Verein anzuschließen: "Das war für ein Mädchen in dieser Zeit wirklich nicht einfach. Zum Glück haben mich meine Eltern bei dem Vorhaben unterstützt. Einige Jungs in der Mannschaft haben mich erst skeptisch aufgenommen. Es gab ein ungewöhnliches Aufnahmeritual für mich: Ich musste gegen sie im Ringkampf bestehen, um Teil des Teams werden zu können. Zum Glück war ich stark und geschickt und habe einige dieser Duelle gewonnen." Bis sie 14 Jahre alt war, spielte sie als einziges Mädchen in einer Jugendmannschaft der SpVgg. Ingelheim. Ihr Vater war Rechtsanwalt und ehrenamtlicher Justiziar beim südwestdeutschen Fußball-Verband und hatte ihr eine Sondergenehmigung besorgt

Aber der Fußball war nie der einzige Sport, den Wohlleben liebte. Sie spielte auch gerne Handball und betrieb Fünfkampf in der Leichtathletik. Im November 1969 führte der Zufall sie zurück zum Fußball. Während eines Handballspiels lernte sie Uschi Demmler kennen, die in Wörrstadt Fußball spielte und Wohlleben schnell davon überzeugen konnte, dies ebenfalls zu tun. 1970 kam dann die erlösende Nachricht, dass der DFB den Frauenfußball in die offizielle Satzung aufnimmt: "Für uns war das der Durchbruch und unserer Meinung nach ein längst überfälliger Schritt. Seitdem ist die Entwicklung total positiv."

Für Wohlleben war dann der Höhepunkt natürlich der Gewinn der ersten Deutschen Meisterschaft 1974 und ihr Tor des Monats. "Wir haben danach ordentlich Party gemacht. Schon unter der Dusche ist der erste Sekt geflossen. Danach sind wir in einem Hotel in Mainz empfangen und vom DFB geehrt worden. Am späteren Abend sind wir dann weiter nach Wörrstadt gezogen. Dort hat uns einen Posaunenchor bereits erwartet. Die Party ging weiter. Alles, was in Wörrstadt Beine hatte, ist dorthin gekommen. Da war ordentlich etwas los, die Euphorie war riesig. Das Dorf hat sich mit uns identifiziert. Wir haben unsere Meisterfeier dann irgendwann in der Wohnung einer Mitspielerin beendet. Dort haben wir auch übernachtet. Am nächsten Tag ging es uns allen wirklich nicht gut. Noch nie zuvor hatte ich so einen Kater", sagt Wohlleben und muss lachen.

"Geistige und körperliche Frische" dank Arbeit mit Talenten

Der TuS Wörrstadt hatte seinen Höhepunkt überschritten, wichtige Spielerinnen verließen den Verein. Auch Wohlleben suchte eine neue Herausforderung. Sie ging erst zu NSG Oberst Schiel und dann zum SC 07 Bad Neuenahr. Dort holte sie 1978 nochmal die deutsche Meisterschaft. Ihre aktive Karriere ließ Wohlleben dann in ihrer Heimat bei der Spvg. Ingelheim ausklingen. Dort begann sie dann im Anschluss, eine Mädchen- und Frauenabteilung aufzubauen: "Wir haben inzwischen sechs Mannschaften hier am Start. Das macht mich stolz." Mittlerweile heißt der Verein 1. FFC Ingelheim. Man könnte ihn auch 1. FFC Ingelheim-Wohlleben nennen, so viel Zeit und Herzblut hat sie in den Klub investiert. 

Auch heute noch lässt sie der Fußball nicht los. Wohlleben hat sich Ende des vergangenen Jahres dazu überreden lassen, die weibliche D-Jugend ihres Heimatvereins 1. FFC Ingelheim zu trainieren. Seitdem steht sie mit ihren 76 Jahren zweimal in der Woche mit neun- bis elfjährigen Mädchen auf dem Platz. "Ich war erst skeptisch, ob ich das wirklich machen soll", sagt Wohlleben. "Eigentlich wollte ich mehr Zeit für mich haben. Ich wollte meinen Hobbys nachgehen, Theater spielen, im Chor singen. Beides mache ich jetzt auch. Zudem nehme ich seit ein paar Monaten wieder Gitarrenunterricht. Aber gleichzeitig habe ich gemerkt, dass mir die Arbeit mit den Mädchen auf dem Fußballplatz unglaublich viel Spaß macht. Ich möchte nicht darauf verzichten. Zudem bewahren mir die jungen  Spielerinnen eine geistige und körperliche Frische, wofür ich ihnen sehr dankbar bin."

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