WM-Qualifikation 2009: Als Adler die Sbornaja verzweifeln ließ

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Zwei Spiele, zwei Punkte. Mitte Oktober kann die deutsche Nationalmannschaft die Qualifikation für die Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien geschafft haben, aus den Spielen am 11. Oktober (ab 20.45 Uhr, live in der ARD) in Köln gegen Irland und am 15. Oktober (ab 20.45 Uhr, live im ZDF) in Stockholm gegen Schweden genügen zwei Zähler. Im Angesicht des Qualifikationsendspurts bringt DFB.de eine Serie zu vergangenen Qualifikationsdramen und besonderen Spielen gegen Irland und Schweden. Heute: der "Showdown" in Moskau in der Ausscheidung zur WM 2010.

Joachim Löw blieb noch eine Weile sitzen, damals am 10. Oktober 2009 in Moskau. Um den Bundestrainer herum toste der Jubel, Andreas Köpke hatte sich erhoben, auch Hansi Flick saß nicht mehr auf der deutschen Bank. Und die Spieler waren ohnehin schon aufs Feld gerannt, um auf dem Platz mit ihren Kollegen zu feiern. Die Plätze neben Löw waren leer.

Löw holte einen Zettel heraus, den Stift hatte er schon zur Hand. Der Bundestrainer machte sich ein paar Notizen. Später würde er im Scherz sagen, dass er die Aufstellung für das folgende WM-Qualifikationsspiel gegen Finnland notiert hatte. Hat er natürlich nicht. Aber was er tatsächlich geschrieben hatte, ist bis heute sein Geheimnis. Es darf also spekuliert werden. "Geschafft", wäre eine sinnvolle Notiz gewesen, "Südafrika, wir kommen" auch, und: "Puuuuuh!"

Stolperstein Finnland

Der Druck war groß vor diesem vorletzten Qualifikationsspiel zur Weltmeisterschaft in Südafrika. In einer Gruppe mit Russland, Finnland, Wales, Aserbaidschan und Liechtenstein wurde das DFB-Team von Beginn an also großer Favorit gehandelt. Deutschland hatte diese Rolle angenommen, die Trainer haben aber von vornherein betont, dass die Qualifikation für Südafrika kein Selbstläufer werden würde.

Vieles ist ziemlich genau so gekommen, wie es Hansi Flick direkt nach der Gruppenauslosung in Durban vorhergesehen hatte: "Man kann nicht von Losglück sprechen, aber es ist sicherlich eine interessante Gruppe. Russland mit seinem Trainer Guus Hiddink wird sicherlich unser härtester Konkurrent, aber auch Finnland ist nicht zu unterschätzen."

Und Flick behielt Recht. Die Finnen wurden zum Stolperstein. Nach dem 6:0 zum Auftakt in Liechtenstein folgte eine denkwürdige Partie in Helsinki. Aus deutscher Sicht erfreulich darstellen lassen sich die 90 Minuten lediglich aus der Perspektive von Miroslav Klose. Wann immer Finnland ein Tor erzielte - Klose war zur Stelle und markierte den Ausgleich. Dreimal ging das so, dann hatten die Finnen genug und gaben sich mit einem 3:3 zufrieden.

Anfragen für 500.000 Tickets: "So ein Run ist der Wahnsinn"

Ein Punkt, zwei zu wenig. Deutschland gewann in der Folge zwar sechs Qualifikationsspiele in Serie, unter anderem in Dortmund mit 2:1 gegen Russland, doch weil auch die Russen fleißig Punkte sammelten, las sich die Konstellation vor dem Rückspiel in Moskau wie folgt: Deutschland hatte einen Punkt Vorsprung vor Russland, es musste also ein Sieg her, um bereits vor dem letzten Spiel gegen Finnland die Qualifikation perfekt zu machen. Bei einer Niederlage wäre Russland an Deutschland vorbeigezogen, der Gang als Gruppenzweiter in die Play-offs wäre dann wahrscheinlich gewesen.

Es war also nicht übertrieben, wenn die Zeitungen in Deutschland vor der Partie in Moskau vom "Spiel des Jahres" schrieben. Und auch in Russland zog das Spiel gegen Deutschland die Massen in ihren Bann. Schon eine Woche vor dem Spiel traute sich Trainer Hiddink nicht mehr aus seinem Moskauer Hotel: "Jetzt auf die Straße zu gehen, wäre unklug - das Land dreht völlig durch vor dem Qualifikationsspiel zwischen Russland und Deutschland", schrieb er in seiner regelmäßigen Kolumne in der niederländischen Zeitung De Telegraaf.

Schon Wochen vorher waren im Luschniki-Stadion alle 80.000 Plätze ausverkauft, es gab Anfragen für 500.000 Tickets. "So ein Run ist der Wahnsinn", sagte Hiddink. "Nach mehreren Jahren gewissenhafter Arbeit mit der Sbornaja ist einfach geil, was jetzt abläuft!"

Adler: "Das emotionalste Spiel meiner Karriere"

Das Spiel des Jahres war aus deutscher Sicht vor allem für zwei Spieler ein sehr spezielles Spiel. René Adler stand erst zum siebten Mal im Tor der deutschen Nationalmannschaft. "Es war das emotionalste Spiel meiner Karriere", sollte er hinterher sagen. Gegen Jerome Boateng war aber sogar Adler ein alter Hase. Der Verteidiger, der damals in der Bundesliga für den HSV spielte, debütierte in Russland für Deutschland.

Beide sollten auf dem Kunstrasen im Luschniki-Stadion tragende Rollen spielen. Das Spiel ging gut los für die deutsche Mannschaft. In der 35. Minute wurde das Löw-Team belohnt. Lukas Podolski bediente Mesut Özil mit einem Traumpass in den Rücken der Abwehr, Özil täuschte einen Schuss an, hob dann den Kopf und gab nach innen, wo sich Miroslav Klose von seinem Gegenspieler löste und den Ball über die Linie drückte.

Dann begannen die Schwierigkeiten. Kurz vor der Pause enteilte Vladimir Bystrov Boateng, der Debütant setzte nach und kassierte für ein Foul kurz vor der Strafraumgrenze die Gelbe Karte. Der Freistoß blieb ungefährlich, 1:0 Deutschland, mit diesem Ergebnis ging es in die Pause.

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Platzverweis für Boateng

Nach dem Wechsel der Seiten kamen die Auftritte von Boateng und Adler, zwischen beiden besteht ein Zusammenhang. Schon vor dem Wechsel hatte Boateng für ein Foul an Bystrov die Gelbe Karte gesehen, in der 68. Minute kam Foul Nummer zwei. Es war ein Foul aus der Kategorie: "Muss er machen." Bystrov wäre ansonsten frei vor Adler aufgetaucht. Boateng ahnte, eigentlich wusste er, dass er eine zweite Gelbe Karte bekommen und des Feldes verwiesen würde. Die Interessenabwägung ergab ein Plus für das Foul.

Niemand hat Boateng danach einen Vorwurf gemacht, er selber sieht heute vor allem die erste Gelbe Karte selbstkritisch. "Die erste Gelbe würde ich heute nicht mehr kassieren, weil ich cleverer geworden bin und anders stehen würde", sagt er. Über die zweite Gelbe Karte urteilt er anders: "Ich musste so zum Ball gehen, sonst wäre der Gegner durchgekommen und hätte vielleicht den Ausgleich erzielt."

Boateng ging vom Platz, die letzten 20 Minuten musste das DFB-Team in Unterzahl agieren. Der Druck der Gastgeber wurde größer, Adler rückte immer mehr in den Fokus. Mit Paraden gegen Bystrov, Roman Pavlyuchenko und Andrej Arshavin brachte der Torhüter die Gastgeber zur Verzweiflung, immer wieder rettete Adler in höchster Not. "Was René Adler gehalten hat, war wirklich beeindruckend", sagte später sogar Guus Hiddink. Bis zum Schluss hielt der Torwart alles, was auf seinen Kasten kam. So blieb der Treffer von Klose das Tor des Tages, Deutschland gewann mit 1:0, das Ticket für Südafrika war gebucht.

Klose: "Wir haben ein Klassespiel gemacht"

Entsprechend zufrieden war der Schütze des Siegtreffers. "Wir sind gut mit dem Druck umgegangen", sagte Klose. "Aus meiner Sicht haben wir ein Klassespiel gemacht. Wir waren aggressiv und standen immer nah genug am Mann. Und vorne haben wir die eine entscheidende Chance verwertet." Auch Michael Ballack sprach dem Team ein Kompliment aus: "Wir haben immer an uns geglaubt", sagte der Kapitän. "Wir haben diszipliniert in der Defensive gespielt und hatten trotzdem gute Aktionen nach vorne."

Und der Bundestrainer? Was auf dem Zettel stand, wollte er nicht sagen, aber er sagte, was er sagen wollte. Nämlich Folgendes: "Ich war die ganze Woche überzeugt, dass meine Mannschaft mit der notwendigen Konzentration und Konsequenz spielen würde. Deswegen habe ich mir keine Sorgen gemacht."

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Zwei Spiele, zwei Punkte. Mitte Oktober kann die deutsche Nationalmannschaft die Qualifikation für die Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien geschafft haben, aus den Spielen am 11. Oktober (ab 20.45 Uhr, live in der ARD) in Köln gegen Irland und am 15. Oktober (ab 20.45 Uhr, live im ZDF) in Stockholm gegen Schweden genügen zwei Zähler. Im Angesicht des Qualifikationsendspurts bringt DFB.de eine Serie zu vergangenen Qualifikationsdramen und besonderen Spielen gegen Irland und Schweden. Heute: der "Showdown" in Moskau in der Ausscheidung zur WM 2010.

Joachim Löw blieb noch eine Weile sitzen, damals am 10. Oktober 2009 in Moskau. Um den Bundestrainer herum toste der Jubel, Andreas Köpke hatte sich erhoben, auch Hansi Flick saß nicht mehr auf der deutschen Bank. Und die Spieler waren ohnehin schon aufs Feld gerannt, um auf dem Platz mit ihren Kollegen zu feiern. Die Plätze neben Löw waren leer.

Löw holte einen Zettel heraus, den Stift hatte er schon zur Hand. Der Bundestrainer machte sich ein paar Notizen. Später würde er im Scherz sagen, dass er die Aufstellung für das folgende WM-Qualifikationsspiel gegen Finnland notiert hatte. Hat er natürlich nicht. Aber was er tatsächlich geschrieben hatte, ist bis heute sein Geheimnis. Es darf also spekuliert werden. "Geschafft", wäre eine sinnvolle Notiz gewesen, "Südafrika, wir kommen" auch, und: "Puuuuuh!"

Stolperstein Finnland

Der Druck war groß vor diesem vorletzten Qualifikationsspiel zur Weltmeisterschaft in Südafrika. In einer Gruppe mit Russland, Finnland, Wales, Aserbaidschan und Liechtenstein wurde das DFB-Team von Beginn an also großer Favorit gehandelt. Deutschland hatte diese Rolle angenommen, die Trainer haben aber von vornherein betont, dass die Qualifikation für Südafrika kein Selbstläufer werden würde.

Vieles ist ziemlich genau so gekommen, wie es Hansi Flick direkt nach der Gruppenauslosung in Durban vorhergesehen hatte: "Man kann nicht von Losglück sprechen, aber es ist sicherlich eine interessante Gruppe. Russland mit seinem Trainer Guus Hiddink wird sicherlich unser härtester Konkurrent, aber auch Finnland ist nicht zu unterschätzen."

Und Flick behielt Recht. Die Finnen wurden zum Stolperstein. Nach dem 6:0 zum Auftakt in Liechtenstein folgte eine denkwürdige Partie in Helsinki. Aus deutscher Sicht erfreulich darstellen lassen sich die 90 Minuten lediglich aus der Perspektive von Miroslav Klose. Wann immer Finnland ein Tor erzielte - Klose war zur Stelle und markierte den Ausgleich. Dreimal ging das so, dann hatten die Finnen genug und gaben sich mit einem 3:3 zufrieden.

Anfragen für 500.000 Tickets: "So ein Run ist der Wahnsinn"

Ein Punkt, zwei zu wenig. Deutschland gewann in der Folge zwar sechs Qualifikationsspiele in Serie, unter anderem in Dortmund mit 2:1 gegen Russland, doch weil auch die Russen fleißig Punkte sammelten, las sich die Konstellation vor dem Rückspiel in Moskau wie folgt: Deutschland hatte einen Punkt Vorsprung vor Russland, es musste also ein Sieg her, um bereits vor dem letzten Spiel gegen Finnland die Qualifikation perfekt zu machen. Bei einer Niederlage wäre Russland an Deutschland vorbeigezogen, der Gang als Gruppenzweiter in die Play-offs wäre dann wahrscheinlich gewesen.

Es war also nicht übertrieben, wenn die Zeitungen in Deutschland vor der Partie in Moskau vom "Spiel des Jahres" schrieben. Und auch in Russland zog das Spiel gegen Deutschland die Massen in ihren Bann. Schon eine Woche vor dem Spiel traute sich Trainer Hiddink nicht mehr aus seinem Moskauer Hotel: "Jetzt auf die Straße zu gehen, wäre unklug - das Land dreht völlig durch vor dem Qualifikationsspiel zwischen Russland und Deutschland", schrieb er in seiner regelmäßigen Kolumne in der niederländischen Zeitung De Telegraaf.

Schon Wochen vorher waren im Luschniki-Stadion alle 80.000 Plätze ausverkauft, es gab Anfragen für 500.000 Tickets. "So ein Run ist der Wahnsinn", sagte Hiddink. "Nach mehreren Jahren gewissenhafter Arbeit mit der Sbornaja ist einfach geil, was jetzt abläuft!"

Adler: "Das emotionalste Spiel meiner Karriere"

Das Spiel des Jahres war aus deutscher Sicht vor allem für zwei Spieler ein sehr spezielles Spiel. René Adler stand erst zum siebten Mal im Tor der deutschen Nationalmannschaft. "Es war das emotionalste Spiel meiner Karriere", sollte er hinterher sagen. Gegen Jerome Boateng war aber sogar Adler ein alter Hase. Der Verteidiger, der damals in der Bundesliga für den HSV spielte, debütierte in Russland für Deutschland.

Beide sollten auf dem Kunstrasen im Luschniki-Stadion tragende Rollen spielen. Das Spiel ging gut los für die deutsche Mannschaft. In der 35. Minute wurde das Löw-Team belohnt. Lukas Podolski bediente Mesut Özil mit einem Traumpass in den Rücken der Abwehr, Özil täuschte einen Schuss an, hob dann den Kopf und gab nach innen, wo sich Miroslav Klose von seinem Gegenspieler löste und den Ball über die Linie drückte.

Dann begannen die Schwierigkeiten. Kurz vor der Pause enteilte Vladimir Bystrov Boateng, der Debütant setzte nach und kassierte für ein Foul kurz vor der Strafraumgrenze die Gelbe Karte. Der Freistoß blieb ungefährlich, 1:0 Deutschland, mit diesem Ergebnis ging es in die Pause.

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Platzverweis für Boateng

Nach dem Wechsel der Seiten kamen die Auftritte von Boateng und Adler, zwischen beiden besteht ein Zusammenhang. Schon vor dem Wechsel hatte Boateng für ein Foul an Bystrov die Gelbe Karte gesehen, in der 68. Minute kam Foul Nummer zwei. Es war ein Foul aus der Kategorie: "Muss er machen." Bystrov wäre ansonsten frei vor Adler aufgetaucht. Boateng ahnte, eigentlich wusste er, dass er eine zweite Gelbe Karte bekommen und des Feldes verwiesen würde. Die Interessenabwägung ergab ein Plus für das Foul.

Niemand hat Boateng danach einen Vorwurf gemacht, er selber sieht heute vor allem die erste Gelbe Karte selbstkritisch. "Die erste Gelbe würde ich heute nicht mehr kassieren, weil ich cleverer geworden bin und anders stehen würde", sagt er. Über die zweite Gelbe Karte urteilt er anders: "Ich musste so zum Ball gehen, sonst wäre der Gegner durchgekommen und hätte vielleicht den Ausgleich erzielt."

Boateng ging vom Platz, die letzten 20 Minuten musste das DFB-Team in Unterzahl agieren. Der Druck der Gastgeber wurde größer, Adler rückte immer mehr in den Fokus. Mit Paraden gegen Bystrov, Roman Pavlyuchenko und Andrej Arshavin brachte der Torhüter die Gastgeber zur Verzweiflung, immer wieder rettete Adler in höchster Not. "Was René Adler gehalten hat, war wirklich beeindruckend", sagte später sogar Guus Hiddink. Bis zum Schluss hielt der Torwart alles, was auf seinen Kasten kam. So blieb der Treffer von Klose das Tor des Tages, Deutschland gewann mit 1:0, das Ticket für Südafrika war gebucht.

Klose: "Wir haben ein Klassespiel gemacht"

Entsprechend zufrieden war der Schütze des Siegtreffers. "Wir sind gut mit dem Druck umgegangen", sagte Klose. "Aus meiner Sicht haben wir ein Klassespiel gemacht. Wir waren aggressiv und standen immer nah genug am Mann. Und vorne haben wir die eine entscheidende Chance verwertet." Auch Michael Ballack sprach dem Team ein Kompliment aus: "Wir haben immer an uns geglaubt", sagte der Kapitän. "Wir haben diszipliniert in der Defensive gespielt und hatten trotzdem gute Aktionen nach vorne."

Und der Bundestrainer? Was auf dem Zettel stand, wollte er nicht sagen, aber er sagte, was er sagen wollte. Nämlich Folgendes: "Ich war die ganze Woche überzeugt, dass meine Mannschaft mit der notwendigen Konzentration und Konsequenz spielen würde. Deswegen habe ich mir keine Sorgen gemacht."