WM-Qualifikation 1934: WM-Ticket in 90 Minuten gelöst

Zwei Spiele, zwei Punkte. Mitte Oktober kann die deutsche Nationalmannschaft die Qualifikation für die Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien geschafft haben, aus den Spielen am 11. Oktober (ab 20.45 Uhr, live in der ARD) in Köln gegen Irland und am 15. Oktober (ab 20.45 Uhr, live im ZDF) in Stockholm gegen Schweden genügen zwei Zähler. Im Angesicht des Qualifikationsendspurts bringt DFB.de eine Serie zu vergangenen Qualifikationsdramen und besonderen Spielen gegen Irland und Schweden. Heute: die kuriose Qualifikation zur WM 1934.

Die Fußball-Welt vor 80 Jahren war noch eine völlig andere. Zur bisher einzigen Weltmeisterschaft anno 1930 hatte die FIFA die Teilnehmer mit Engelszungen überreden müssen, letztlich hatten sich zwölf Nationen bereit erklärt, ihre Auswahlen nach Uruguay zu schicken. Gerade den Europäern, darunter auch Deutschland, war der Weg per Schiff zu weit und beschwerlich. So durfte teilnehmen, wer wollte, Qualifikationsspiele gab es nicht.

1934 hatte sich die Lage schon etwas verbessert. Immerhin 31 Länder wollten in Italien dabei sein, 16 durften nur - und so mussten erstmals Qualifikationsspiele ausgetragen werden. 21 Europäer gingen an den Start, sie wurden am 27. Juni 1933 auf der FIFA-Tagung in Paris auf acht Gruppen verteilt. Von Losen konnte man nicht sprechen. "Die Zusammenstellung der Gruppen soll unter Berücksichtigung der geographischen Lage der teilnehmenden Länder erfolgen. Jede Gruppe kann das System, nach dem die Ausscheidungskämpfe ausgetragen werden sollen, selbst bestimmen", stand im Kicker zwei Wochen zuvor.

Dies war ein Tribut an die Lebensumstände. Auch Nationalspieler hatten Berufe in jenen Pioniertagen, eine Länderspielreise bedeutete für sie zunächst einmal Verdienstausfall. Bei den damaligen Reisemöglichkeiten gab es also gute Gründe, keinen Südeuropäer nach Skandinavien zu schicken und keinen Balkan-Vertreter auf die iberische Halbinsel.

Qualifikations-Gruppe mit Frankreich und Luxemburg

Als die Würfel gefallen waren, konnte der DFB schon vorsichtig für die WM planen. In einer Dreier-Gruppe mit Frankreich und Luxemburg würden zwei Mannschaften nach Italien fahren und niemand zweifelte, dass die Luxemburger das Nachsehen haben würden. "Wir haben bei dieser Einteilung viel Glück gehabt. Deutschland wurde in der zwölften Gruppe zusammen mit Frankreich und Luxemburg eingereiht, und da unsere Gruppe zwei Mannschaften für die Endspiele stellt, dürften wir uns für die Teilnahme an den Endspielen, die im Juni 1934 in Italien ausgetragen werden, qualifizieren", kommentierte der Kicker am 4. Juli 1933.

Zunächst war es vorgesehen, dass jeder gegen jeden spiele. Aber nicht in Hin- und Rückspielen. Und jeder sollte ein Heim- und ein Auswärtsspiel bestreiten. Vermutlich auf Initiative der Luxemburger kam es dann anders. Der Zwergstaat mit seinen damals 60.000 Einwohnern machte sich keine Illusionen und wollte wenigstens wirtschaftlich profitieren. Jedenfalls einigte man sich darauf, dass Luxemburg zwei Heimspiele bekäme. Da mit zwei Niederlagen zu rechnen sein musste, wäre ein drittes Spiel zwischen Deutschland und Frankreich dann irrelevant. Was den Vorzug hatte, dass beiden "Großen" der Gruppe mehr Zeit für die WM-Vorbereitung blieb. Außerdem gab es politische Spannungen zwischen NS-Deutschland und Frankreich, das nach dem Versailler Friedensvertrag 1918 Teile des Rheinlands besetzt hielt.

Auch mit dem Abzug der französischen Truppen 1930 waren die gegenseitigen Ressentiments nicht beendet, erst recht nicht, als 1933 die Regierung Hitler an die Macht kam. Bei Länderspielen pflegten sich die politischen Spannungen, gerade in jener Ära zu entladen, was die Deutschen schon 1934, besonders aber bei der WM 1938 in Frankreich, spüren sollten. Es gab also gute Gründe, auf ein Spiel um den Gruppensieg zu verzichten.

WM-Ticket in 90 Minuten gelöst

Und so reichten Deutschland 1934 tatsächlich 90 Minuten, um das WM-Ticket zu lösen. Am 11. März 1934 reiste die DFB-Equipe mit dem Omnibus vom Bahnhof Trier nach Luxemburg, erfreute sich eines herzlichen Empfangs durch Würdenträger und Musikkapellen, welche im Hotel einen "deutschen Abend" inszenierten, und eines heillos überforderten Gegners.

Die von Reichstrainer Otto Nerz betreute Mannschaft gewann auf schwer bespielbarem Grund vor 15.000 Zuschauern 9:1. Die Tore waren zum Großteil Angelegenheit der Stürmer des VfL Benrath: Josef Rasselnberg (4) und Karl Hohmann (3) erbeuteten den Löwenanteil, der Rest vom Schützenfest ging an den amtierenden Meister Fortuna Düsseldorf: Kapitän Ernst Albrecht und Willi Wigold.

Und so gingen die Rechnungen beider Länder auf - Deutschland konnte schon das WM-Quartier buchen, Luxemburg erfreute sich der Rekordkulisse seiner Fußball-Historie.

Für das DFB-Team war die spannendste Frage des Tages, ob Fritz Szepan noch auf den WM-Zug aufspringen würde. Der Regisseur der Schalker hatte zweieinhalb Jahre "gestreikt" und alle Einladungen von Nerz abgelehnt. Erst als der Reichstrainer ihn dann persönlich aufsuchte und die Verstimmungen ausräumte, kehrte er zurück. Luxemburg war allerdings nicht der Maßstab, wie auch der Kicker feststellte: "Szepan muss, wenn er der Mittelläufer der deutschen Nationalmannschaft sein soll, schneller werden. Er ist für die harten und schnellen Ländermannschaften, wie sie wohl durchweg in Italien an den Start gehen, nicht wendig und nicht schnell genug."

Nerz nahm ihn trotzdem mit und Szepan führte die deutsche Mannschaft zu einem viel beachteten dritten Platz, in der Heimat sprach man vom "Weltmeister der Amateure", da die Sieger aus Italien und andere Länder wie Österreich bereits das Vollprofitum eingeführt hatten.

In Südamerika wird erst gar nicht um WM-Tickets gespielt

Die letzten formalen Zweifel an der Qualifikation des deutschen Teams erledigten sich übrigens einen Monat später: Am 15. April 1934, sechs Wochen vor Turnierbeginn, gewannen auch die Franzosen in Luxemburg. Nur 6:1, aber vor noch mehr Zuschauern (18.000). Damit war die Gruppe 12 beendet.

Die leichteste Qualifikation war es jedoch mitnichten. In Südamerika gab es zwar zwei "Gruppen" zu je zwei Teams, aber gespielt wurde gar nicht. Peru trat gegen Brasilien aus finanziellen Gründen nicht an und auch die Chilenen verzichteten aus verbandsinternen Gründen auf die Spiele gegen Argentinien und damit auf die Chance, an der zweiten WM teilzunehmen.

Die größte Posse jener ersten Qualifikation fand vier Tage vor Endrundenstart statt: Mexiko und die USA spielten den letzten Teilnehmer auf Wunsch Italiens in Rom aus. So reisten die unterlegenen Mexikaner eigens für ein Qualifikationsspiel nach Italien, nur um dann nach einer 2:4-Niederlage wieder abzureisen. Da war der deutsche Weg doch um vieles einfacher.

[um]

[bild1]

Zwei Spiele, zwei Punkte. Mitte Oktober kann die deutsche Nationalmannschaft die Qualifikation für die Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien geschafft haben, aus den Spielen am 11. Oktober (ab 20.45 Uhr, live in der ARD) in Köln gegen Irland und am 15. Oktober (ab 20.45 Uhr, live im ZDF) in Stockholm gegen Schweden genügen zwei Zähler. Im Angesicht des Qualifikationsendspurts bringt DFB.de eine Serie zu vergangenen Qualifikationsdramen und besonderen Spielen gegen Irland und Schweden. Heute: die kuriose Qualifikation zur WM 1934.

Die Fußball-Welt vor 80 Jahren war noch eine völlig andere. Zur bisher einzigen Weltmeisterschaft anno 1930 hatte die FIFA die Teilnehmer mit Engelszungen überreden müssen, letztlich hatten sich zwölf Nationen bereit erklärt, ihre Auswahlen nach Uruguay zu schicken. Gerade den Europäern, darunter auch Deutschland, war der Weg per Schiff zu weit und beschwerlich. So durfte teilnehmen, wer wollte, Qualifikationsspiele gab es nicht.

1934 hatte sich die Lage schon etwas verbessert. Immerhin 31 Länder wollten in Italien dabei sein, 16 durften nur - und so mussten erstmals Qualifikationsspiele ausgetragen werden. 21 Europäer gingen an den Start, sie wurden am 27. Juni 1933 auf der FIFA-Tagung in Paris auf acht Gruppen verteilt. Von Losen konnte man nicht sprechen. "Die Zusammenstellung der Gruppen soll unter Berücksichtigung der geographischen Lage der teilnehmenden Länder erfolgen. Jede Gruppe kann das System, nach dem die Ausscheidungskämpfe ausgetragen werden sollen, selbst bestimmen", stand im Kicker zwei Wochen zuvor.

Dies war ein Tribut an die Lebensumstände. Auch Nationalspieler hatten Berufe in jenen Pioniertagen, eine Länderspielreise bedeutete für sie zunächst einmal Verdienstausfall. Bei den damaligen Reisemöglichkeiten gab es also gute Gründe, keinen Südeuropäer nach Skandinavien zu schicken und keinen Balkan-Vertreter auf die iberische Halbinsel.

Qualifikations-Gruppe mit Frankreich und Luxemburg

Als die Würfel gefallen waren, konnte der DFB schon vorsichtig für die WM planen. In einer Dreier-Gruppe mit Frankreich und Luxemburg würden zwei Mannschaften nach Italien fahren und niemand zweifelte, dass die Luxemburger das Nachsehen haben würden. "Wir haben bei dieser Einteilung viel Glück gehabt. Deutschland wurde in der zwölften Gruppe zusammen mit Frankreich und Luxemburg eingereiht, und da unsere Gruppe zwei Mannschaften für die Endspiele stellt, dürften wir uns für die Teilnahme an den Endspielen, die im Juni 1934 in Italien ausgetragen werden, qualifizieren", kommentierte der Kicker am 4. Juli 1933.

Zunächst war es vorgesehen, dass jeder gegen jeden spiele. Aber nicht in Hin- und Rückspielen. Und jeder sollte ein Heim- und ein Auswärtsspiel bestreiten. Vermutlich auf Initiative der Luxemburger kam es dann anders. Der Zwergstaat mit seinen damals 60.000 Einwohnern machte sich keine Illusionen und wollte wenigstens wirtschaftlich profitieren. Jedenfalls einigte man sich darauf, dass Luxemburg zwei Heimspiele bekäme. Da mit zwei Niederlagen zu rechnen sein musste, wäre ein drittes Spiel zwischen Deutschland und Frankreich dann irrelevant. Was den Vorzug hatte, dass beiden "Großen" der Gruppe mehr Zeit für die WM-Vorbereitung blieb. Außerdem gab es politische Spannungen zwischen NS-Deutschland und Frankreich, das nach dem Versailler Friedensvertrag 1918 Teile des Rheinlands besetzt hielt.

Auch mit dem Abzug der französischen Truppen 1930 waren die gegenseitigen Ressentiments nicht beendet, erst recht nicht, als 1933 die Regierung Hitler an die Macht kam. Bei Länderspielen pflegten sich die politischen Spannungen, gerade in jener Ära zu entladen, was die Deutschen schon 1934, besonders aber bei der WM 1938 in Frankreich, spüren sollten. Es gab also gute Gründe, auf ein Spiel um den Gruppensieg zu verzichten.

WM-Ticket in 90 Minuten gelöst

Und so reichten Deutschland 1934 tatsächlich 90 Minuten, um das WM-Ticket zu lösen. Am 11. März 1934 reiste die DFB-Equipe mit dem Omnibus vom Bahnhof Trier nach Luxemburg, erfreute sich eines herzlichen Empfangs durch Würdenträger und Musikkapellen, welche im Hotel einen "deutschen Abend" inszenierten, und eines heillos überforderten Gegners.

Die von Reichstrainer Otto Nerz betreute Mannschaft gewann auf schwer bespielbarem Grund vor 15.000 Zuschauern 9:1. Die Tore waren zum Großteil Angelegenheit der Stürmer des VfL Benrath: Josef Rasselnberg (4) und Karl Hohmann (3) erbeuteten den Löwenanteil, der Rest vom Schützenfest ging an den amtierenden Meister Fortuna Düsseldorf: Kapitän Ernst Albrecht und Willi Wigold.

Und so gingen die Rechnungen beider Länder auf - Deutschland konnte schon das WM-Quartier buchen, Luxemburg erfreute sich der Rekordkulisse seiner Fußball-Historie.

[bild2]

Für das DFB-Team war die spannendste Frage des Tages, ob Fritz Szepan noch auf den WM-Zug aufspringen würde. Der Regisseur der Schalker hatte zweieinhalb Jahre "gestreikt" und alle Einladungen von Nerz abgelehnt. Erst als der Reichstrainer ihn dann persönlich aufsuchte und die Verstimmungen ausräumte, kehrte er zurück. Luxemburg war allerdings nicht der Maßstab, wie auch der Kicker feststellte: "Szepan muss, wenn er der Mittelläufer der deutschen Nationalmannschaft sein soll, schneller werden. Er ist für die harten und schnellen Ländermannschaften, wie sie wohl durchweg in Italien an den Start gehen, nicht wendig und nicht schnell genug."

Nerz nahm ihn trotzdem mit und Szepan führte die deutsche Mannschaft zu einem viel beachteten dritten Platz, in der Heimat sprach man vom "Weltmeister der Amateure", da die Sieger aus Italien und andere Länder wie Österreich bereits das Vollprofitum eingeführt hatten.

In Südamerika wird erst gar nicht um WM-Tickets gespielt

Die letzten formalen Zweifel an der Qualifikation des deutschen Teams erledigten sich übrigens einen Monat später: Am 15. April 1934, sechs Wochen vor Turnierbeginn, gewannen auch die Franzosen in Luxemburg. Nur 6:1, aber vor noch mehr Zuschauern (18.000). Damit war die Gruppe 12 beendet.

Die leichteste Qualifikation war es jedoch mitnichten. In Südamerika gab es zwar zwei "Gruppen" zu je zwei Teams, aber gespielt wurde gar nicht. Peru trat gegen Brasilien aus finanziellen Gründen nicht an und auch die Chilenen verzichteten aus verbandsinternen Gründen auf die Spiele gegen Argentinien und damit auf die Chance, an der zweiten WM teilzunehmen.

Die größte Posse jener ersten Qualifikation fand vier Tage vor Endrundenstart statt: Mexiko und die USA spielten den letzten Teilnehmer auf Wunsch Italiens in Rom aus. So reisten die unterlegenen Mexikaner eigens für ein Qualifikationsspiel nach Italien, nur um dann nach einer 2:4-Niederlage wieder abzureisen. Da war der deutsche Weg doch um vieles einfacher.