WM-Experte Horst R. Schmidt: "Südafrika kann es"

Zwölf Tage noch bis zum WM-Finale von Johannesburg. Befürchtungen über ein organisatorisches Chaos oder Ängste vor einem hochgefährlichen Gastgeberland haben sich als unbegründet oder zumindest überzogen erwiesen. Südafrika hat sich als vorbereiteter und herzlicher Gastgeber präsentiert.

Seit fast vier Jahren berät DFB-Schatzmeister Horst R. Schmidt das südafrikanische Organisationskomitee. Eine Million Kilometer - so hat es Schmidts Büro überschlagen - hat der ehemalige DFB-Generalsekretär im Flugzeug zwischen Frankfurt und Johannesburg zurück gelegt.

Im DFB.de-Interview mit Onlineredakteur Thomas Hackbarth spricht der WM-Experte Schmidt, der seit 1974 maßgeblich an der Organisation von Fußball-Weltmeisterschaften mitwirkt, über seine Zufriedenheit mit dem WM-Gastgeber Südafrika.

DFB.de: Wie fällt Ihr Fazit für die erste afrikanische WM aus?

Horst R. Schmidt: Wenn ich mich an die vielen Vorbehalte erinnere und wie schwer wir uns taten, Skeptiker davon zu überzeugen, dass eine solche Veranstaltung in Afrika durchzuführen ist, dann spüre ich jetzt schon Zufriedenheit und Bestätigung. Südafrika kann es: Die vorhandene Infrastruktur - also die Stadien, die Verkehrsanbindung, die Flughäfen und die Hotelerie - wird den Ansprüchen gerecht. Alles läuft so, wie man sich das erhofft hatte. Was gab es für Sorgen vor der angeblich hohen Kriminalitätsrate in Südafrika? Dort sei man seines Lebens nicht sicher, hieß es. Gott sei Dank ist es anders gekommen. Es gab nur ganz wenige Vorfälle, alle ohne dass die beraubten Personen einen körperlichen Schaden nahmen. Die FIFA nahm größeren Einfluss auf die organisatorischen Abläufe als 2006 während der WM in Deutschland. Aber das sollte die Anerkennung nicht schmälern. Südafrika hat seine Gastgeberrolle vorzüglich ausgefüllt.

DFB.de: Waren die Sorgen um die Sicherheit wirklich so überzogen?

Schmidt: Tatsache ist, dass Südafrikas Ordnungskräfte die Lage unter Kontrolle haben, natürlich mit einem enormen Personalaufwand. Mir selbst sind nur wenige Diebstahlsdelikte bekannt. Man muss bedenken, dass Delikte in den Townships oder im Familienkreis zwar zu einer hohen Kriminalitätsstatistik beitragen, aber für die WM überhaupt nicht von Bedeutung sind. Den für die Fans relevanten öffentliche Raum kontrollieren die Südafrikaner recht gut. Für die nachhaltige Wirkung dieser Weltmeisterschaft sendet Südafrika gerade damit ein eminent wichtiges Signal.

DFB.de: Wie haben Sie die WM-Begeisterung erlebt?



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Zwölf Tage noch bis zum WM-Finale von Johannesburg. Befürchtungen über ein organisatorisches Chaos oder Ängste vor einem hochgefährlichen Gastgeberland haben sich als unbegründet oder zumindest überzogen erwiesen. Südafrika hat sich als vorbereiteter und herzlicher Gastgeber präsentiert.

Seit fast vier Jahren berät DFB-Schatzmeister Horst R. Schmidt das südafrikanische Organisationskomitee. Eine Million Kilometer - so hat es Schmidts Büro überschlagen - hat der ehemalige DFB-Generalsekretär im Flugzeug zwischen Frankfurt und Johannesburg zurück gelegt.

Im DFB.de-Interview mit Onlineredakteur Thomas Hackbarth spricht der WM-Experte Schmidt, der seit 1974 maßgeblich an der Organisation von Fußball-Weltmeisterschaften mitwirkt, über seine Zufriedenheit mit dem WM-Gastgeber Südafrika.

DFB.de: Wie fällt Ihr Fazit für die erste afrikanische WM aus?

Horst R. Schmidt: Wenn ich mich an die vielen Vorbehalte erinnere und wie schwer wir uns taten, Skeptiker davon zu überzeugen, dass eine solche Veranstaltung in Afrika durchzuführen ist, dann spüre ich jetzt schon Zufriedenheit und Bestätigung. Südafrika kann es: Die vorhandene Infrastruktur - also die Stadien, die Verkehrsanbindung, die Flughäfen und die Hotelerie - wird den Ansprüchen gerecht. Alles läuft so, wie man sich das erhofft hatte. Was gab es für Sorgen vor der angeblich hohen Kriminalitätsrate in Südafrika? Dort sei man seines Lebens nicht sicher, hieß es. Gott sei Dank ist es anders gekommen. Es gab nur ganz wenige Vorfälle, alle ohne dass die beraubten Personen einen körperlichen Schaden nahmen. Die FIFA nahm größeren Einfluss auf die organisatorischen Abläufe als 2006 während der WM in Deutschland. Aber das sollte die Anerkennung nicht schmälern. Südafrika hat seine Gastgeberrolle vorzüglich ausgefüllt.

DFB.de: Waren die Sorgen um die Sicherheit wirklich so überzogen?

Schmidt: Tatsache ist, dass Südafrikas Ordnungskräfte die Lage unter Kontrolle haben, natürlich mit einem enormen Personalaufwand. Mir selbst sind nur wenige Diebstahlsdelikte bekannt. Man muss bedenken, dass Delikte in den Townships oder im Familienkreis zwar zu einer hohen Kriminalitätsstatistik beitragen, aber für die WM überhaupt nicht von Bedeutung sind. Den für die Fans relevanten öffentliche Raum kontrollieren die Südafrikaner recht gut. Für die nachhaltige Wirkung dieser Weltmeisterschaft sendet Südafrika gerade damit ein eminent wichtiges Signal.

DFB.de: Wie haben Sie die WM-Begeisterung erlebt?

Schmidt: Es brauchte Zeit, bis so etwas wie ein WM-Fieber spürbar wurde. Dann aber brach es richtig aus, auch ausgelöst durch eine unglaublich intensive Vorberichterstattung in den südafrikanischen Medien. Gerade die TV- und Radiostationen haben sich aus unserer Sicht verdient gemacht. Da wurde richtig getrommelt. Kurz vor dem Turnierstart war die WM allgegenwärtig, und fast jeder Südafrikaner wollte daran teilnehmen, jeder auf seine Art und Weise.

DFB.de: Kann die Stimmung auch ohne das Team des Gastgebers im Wettbewerb gehalten werden?

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Schmidt: Ich meine schon. Wichtig war, dass Bafana Bafana mit einer anständigen Leistung ausgeschieden ist. Man hat durchaus honoriert, dass die Mannschaft zwei gute Spiele abgeliefert hat und auch eine Spur Pech hatte.

DFB.de: Bislang hat der südafrikanische Sport die Strukturen der Apartheid widergespiegelt: Weiße Südafrikaner gehen zum Rugby, schwarze zum Fußball. Hat die WM hier etwas verändert?

Schmidt: Selbst beim Confederations Cup im vergangenen Jahr waren die Veränderungen im Stadion sichtbar. Kurz vor dem WM-Start wurde dann das Endspiel der Rugby-Meisterschaft im Orlando-Stadium in Soweto ausgetragen. Erstmals ist Rugby in die Townships von Johannesburg gegangen. Das wurde auch von der Bevölkerung als Signal verstanden, als ein Schritt des weißen Südafrikas, sich der schwarzen Bevölkerung zu nähern. Bei den WM-Spielen sind die meisten Fußballfans weiterhin schwarze Südafrikaner, aber das Bild verändert sich. Ich hoffe, dieser Prozess setzt sich fort, das wäre auch für die Premier Soccer League wichtig. Übrigens tragen viele Südafrikaner sogar die Shirts der von ihnen unterstützten internationalen Mannschaften im Stadion, nachdem ihr Team ausgeschieden ist. Eine schöne Geste des Gastgebers.

DFB.de: À propos gesellschaftliche Veränderungen - gerade die WM 2006 hatte die Köpfe und Herzen vieler Menschen erreicht. Ein unverkrampfter Patriotismus, das veränderte Deutschland-Bild im Ausland - haben diese durch die WM 2006 ausgelösten Veränderungen aus Ihrer Sicht auch heute noch Bestand?

Schmidt: Ja, das beobachte ich so. Der Umgang mit den nationalen Symbolen, der Flagge und den Farben, ist unverkrampfter geworden. Alleine die vielen PKW mit den kleinen Deutschland-Fähnchen sind doch ein schönes Bild. Dieses „nation building“, die Gestaltung einer vereinten nationalen Identität, die Schaffung eines Grundkonsenses, verspricht man sich noch viel mehr für Südafrika. Beim Confederations Cup wurde die südafrikanische Hymne in einer gekürzten Version abgespielt, das löste eine Anfrage im Parlament aus. Die nationalen Symbole sind für das neue Südafrika nach der Apartheid ganz wichtig, das erlebt auch die Bevölkerung so.

DFB.de: Einige Mannschaften haben kurz nach ihrer Ankunft in Südafrika ihr Teamhotel oder den Trainingsplatz gewechselt. Wie kann es bei einem langen Vorlauf passieren, dass Mannschaften nach der Ankunft im WM-Land gezwungen sind, noch mal umzuziehen?

Schmidt: Die Mannschaften entscheiden selbst, welches Hotel sie beziehen. Dem Veranstalter kann hieraus kein Vorwurf gemacht werden.

DFB.de: Im ursprünglichen Hotel der Ghanaer soll es keine Heizung gegeben haben.

Schmidt: Ich weiß nicht, ob dieses Hotel überhaupt im Katalog der FIFA stand, aber in jedem Fall ist es so, dass die Nationalverbände selbst entscheiden, wo sie ihr Teamquartier aufschlagen. Auch die Serben haben ihr Hotel wechseln müssen. Bei der WM 2006 hatten wir glücklicherweise keinen einzigen solchen Vorfall, wobei das Angebot an Hotels in Deutschland sicher auch ein anderes ist. Im ganzen Hotelkatalog der Südafrikaner gab es nur 54 Angebote, das war schon eher übersichtlich.

DFB.de: Und der Ärger mit den Trainingsplätzen?

Schmidt: Nicht überall gab es in einem Radius von 20 Fahrtminuten einen geeigneten Trainingsplatz, zumal sich einige WM-Teilnehmer erst sehr spät für ihr Quartier entschieden haben. Auch die deutsche Mannschaft wollte ursprünglich auf einer Anlage in Pretoria trainieren und musste dann in das Super Stadium von Atteridgeville umziehen. Übrigens hatten wir bei der Europameisterschaft 1996 in England auch keinen guten Trainingsplatz zugeteilt bekommen. In Hannover haben wir 2006 den Brasilianern einen Trainingsplatz direkt am Niedersachsenstadion zugeteilt. Vor Ort haben die Brasilianer dann einen Nachbarplatz, also den falschen Platz, belegt, und sich bitterböse über den Rübenacker beschwert. Den Irrtum der Brasilianer konnten wir aber schnell lösen.

DFB.de: Wie zufrieden sind Sie mit den Spielflächen in den Stadien?

Schmidt: In Südafrika wird auf den Plätzen das Kikuyu-Grass verlegt, nur wird dieser Untergrund bei kälteren Temperaturen wie jetzt im Winter braun. Weil man nicht weltweit im Fernsehen braune Plätze sehen wollte, wurde das Kikuyu-Gras in den Stadien ganz tief geschnitten und darüber eine weitere Grassorte ausgesät. So langsam kommt aber wieder das Kikuyu-Gras durch.

DFB.de: Ende gut, alles gut beim Ticketverkauf?

Schmidt: Die massiven Anstrengungen der vergangenen Monate haben sich gelohnt. Die Verkaufsquote liegt bei rund 97 Prozent, der wirkliche Stadionbesuch natürlich darunter. Es gibt doch relativ viele „no shows“, also Käufer, die ihr Ticket verfallen lassen. Das hat unterschiedliche Gründe. Verkaufte Tickets, die von den Sponsoren dann verteilt wurden, werden nicht genutzt. Im Ausland abgesetzte Kontingente werden ebenfalls teilweise nicht in Anspruch genommen, wie ich das ohnehin erwartet hatte. Gerade bei den hohen Verkaufszahlen in die USA ist es so, dass viele Ticketkäufer gar nicht angereist sind. Wir können das genau nachverfolgen, weil das Ticket erst in Südafrika ausgedruckt werden kann. Dennoch, die Metropolen sind voll. In den beiden Stadien in Johannesburg, in Kapstadt, in Durban und Pretoria gibt es eigentlich keine leeren Plätze. Nach der Vorrunde liegen wir bei einem Wert von 88,6 Prozent Stadionauslastung. Zum Ende des Turniers sollten wir eine Besuchsquote mehr als 90 Prozent erreichen.

DFB.de: Auf dem Fußballplatz kam es nicht zu der erhofften Sternstunde des afrikanischen Fußballs. Im Gegenteil, der Durchbruch scheint weiter entfernt denn je. Woran scheitern die Afrikaner?

Schmidt: Die Einzelkönner, von denen viele auch in Europa spielen, bekommen in ihren Nationalmannschaften nicht die nötige Unterstützung. Die Diskrepanz zwischen den Stars wie Drogba oder Eto’o und dem Rest der Mannschaft scheint einfach zu groß. Ghana, Südafrika, Kamerun, die Elfenbeinküste und Nigeria werden alle von ausländischen Coaches trainiert, die teilweise nur kurz im Amt bleiben. Ob man nicht einen Nationaltrainer braucht, der eine Mannschaft langfristig betreut, um sie auf eine Weltmeisterschaft vorzubereiten, darüber wird in Afrika jetzt kräftig diskutiert.

DFB.de: Philipp Lahm meint, dies sei die beste deutsche Mannschaft, die er bislang direkt erlebt hat. Geht es Ihnen auch so?

Schmidt: (lacht) Nein, soweit würde ich noch nicht gehen, aber ich bin ja auch ein wenig älter als Philipp. Unsere Mannschaft tritt erstaunlich homogen auf, aber sie muss diese Leistung auch konstant abrufen. Gegen Serbien schien es mir, dass man, verführt durch die euphorische Berichterstattung, etwas ruhiger ins Match gehen wollte, und dann natürlich Schwierigkeiten bekam. Gegen Ghana spürte man den Druck, der auf der Mannschaft lastete. Allerdings muss ich sagen, dass ich solche Konter wie gegen England in dieser Qualität schon sehr lange nicht mehr bei einer deutschen Mannschaft gesehen habe.

DFB.de: Welche Schulnote geben Sie am Ende der Mission den südafrikanischen Organisatoren?

Schmidt: Nein, benoten möchte ich die Leistung nicht, das wäre nicht richtig. Aber eines gilt ab sofort: Man kann in Südafrika ein internationales Großereignis dieses Kalibers veranstalten. Diese Fähigkeit ist erkennbar vorhanden. Unterstützt durch internationale Experten, gibt es in Südafrika genügend kompetente Organisatoren. Das Ergebnis ist am Ende sicher sehr präsentabel.

DFB.de: Welche Erinnerung an Südafrika bleibt Ihnen persönlich?

Schmidt: Darüber muss ich nachdenken, wenn das Endspiel abgepfiffen sein wird. Es war sicher ein außergewöhnlicher Abschnitt in meinem beruflichen Leben. Dem Nachhall werde ich mich nach dem 11. Juli widmen.