WM 2011: Viertelfinal-Aus beim Heimturnier

Am 20. Juli beginnt in Australien und Neuseeland die neunte Frauen-WMDeutschland war bisher immer dabei. Ein Rückblick auf die bisherigen WM-Turniere mit besonderem Fokus auf das DFB-Team. Heute: die WM 2011 in Deutschland.

Rahmenbedingungen: Im Rennen um die Ausrichtung der sechsten Frauen-WM waren zuletzt nur noch zwei Länder übrig. Am 30. Oktober 2007 fiel die Entscheidung auf Deutschland, das eine 1212-seitige Bewerbung abgegeben hatte, und gegen Kanada. DFB-Präsident Theo Zwanziger war nicht überrascht, denn "vielen ist die WM 2006 noch in bester Erinnerung, die tolle Atmosphäre, die schönen Stadien, das fröhliche Miteinander der Fans." Deutschland wollte der Fußballwelt ein zweites Sommermärchen schenken. In neun Stadien zog die WM ein, die sich wie gehabt über drei Wochen erstreckte – vom 26. Juni bis 17. Juli 2011. In vier WM-Städten (Frankfurt, Bochum, Augsburg und Wolfsburg) wurde sogar Public Viewing angeboten – ein Novum für den Frauenfußball. Dessen gestiegener Stellenwert wurde auch von der Fifa dokumentiert, die statt der ursprünglich eingeplanten 7,6 Millionen US-Dollar die Prämien auf 10 Millionen aufrundete. Die öffentlich-rechtlichen Sender und Eurosport übertrugen alle 32 Spiele live, in diesem Punkt war man mit den Männern schon gleichgezogen.

Teilnehmer: Mit 126 Meldungen wurde ein neuer Rekord aufgestellt. Doch wieder war nur für 16 Mannschaften Platz, auch wenn die Fifa schon überlegte, auf 20 bis 24 aufzustocken. Es blieb 2011 letztmals beim Modus der vier Vierergruppen, für die kein Geringerer als Günter Netzer am 29. November 2010 in Frankfurt die Lose zog. Am Proporz änderte sich fast nichts: Europa bekam fünf Plätze, Amerika von Nord bis Süd auch, Asien drei, Afrika zwei und Ozeanien einen. Aus der Riege der acht Dauerbrenner schied diesmal China aus, das erstmals eine WM verpasste. Für Kolumbien, Mexiko und Äquatorialguinea war es die erste WM-Teilnahme.

Turnierverlauf: Das Turnier startete im kleinen, aber ausverkauften, Stadion von Sinsheim mit der Partie Nigeria – Frankreich (0:1). Das Eröffnungsspiel mit entsprechendem Vorprogramm fand allerdings erst drei Stunden später im Berliner Olympiastadion statt, wo 73.680 Menschen einen 2:1-Sieg der Deutschen gegen Kanada sahen. Damit war der Ton in Gruppe A gesetzt, die Sieger des 1. Spieltags setzten sich auch durch. Das stand schon nach dem 2. Spieltag fest, so dass es bei Deutschland – Frankreich (4:2) nur noch um den Gruppensieg ging. Nigeria tröstete sich mit dem dritten Platz vor Kanada.

Auch in Gruppe B war die Spannung schnell raus. Die Japanerinnen waren nach zwei Siegen schon weiter und konnten sich ein 0:2 gegen England leisten, das damit Erster wurde. Mexikos Minimalchance wurde von Neuseeland zerstört, das ein 0:2 durch zwei Treffer nach der 89. Minute noch ausglich.

Ein ähnliches Bild in Gruppe C, wo Schweden und die USA im letzten Spiel auch nur noch den Gruppensieg ausspielten. Der ging an die Skandinavierinnen, die drei Minimalisten-Sieg (1:0, 1:0 und 2:1) ein fuhren. Für Nordkorea und Kolumbien war nach zwei Spielen alles vorbei, entsprechend lustlos gingen sie im direkten Duell (0:0) zu Werke. Kurios: Nachdem zwei Spielerinnen Nordkoreas des Dopings überführt wurden, verlangte die FIFA von allen anderen eine Dopingprobe, der sich die Delegation mit einer allzu hastigen Abreise entzog.

Gruppe D brachte einen Favoritensieg (Brasilien holte neun Punkte) und eine Überraschung: Australien warf Norwegen nach 0:1-Rückstand raus (2:1). Erstmals musste der Weltmeister von 1995 nach der Vorrunde abreisen. Weniger verwunderlich, dass das auch für Äquatorial-Guinea galt. Die punktlosen Afrikanerinnen sorgten zumindest für den heitersten Moment der Vorrunde, als im Spiel gegen Australien (2:3) eine Verteidigerin einen Pfostenabpraller im Stile einer Torhüterin festhielt und den Ball dann lässig ihrer Nummer 1 zurollte. Die ungarische Schiedsrichterin verstand offenbar nicht, was da geschah und ließ das Spiel weiterlaufen statt Elfmeter zu geben.

Schon am ersten Tag des Viertelfinals wurde die allgemeine Freude über das bis dahin begeistert aufgenommene Turnier gedämpft, denn Gastgeber Deutschland schied in Frankfurt gegen Japan aus (0:1 nach Verlängerung). Auch für England war Schluss, die Frauen setzten die Männer-Tradition fort und verloren ein Elfmeterschießen – gegen Frankreich. Das benötigte am nächsten Tag auch die USA, um Brasilien auszuschalten. Torhüterin Hope Sola war Amerikas Heldin, sie hielt einen Elfmeter, während ihre Kolleginnen alle fünf verwandelten. Die andere Heldin hieß Abby Wambach, die in der Nachspielzeit der Verlängerung mit ihrem Tor zum 2:2 das Elfmeterschießen erst möglich machte. Und wieder musste die damals beste Fußballerin der Welt, Marta (die beide Tore erzielte), ungekrönt abreisen. Nur die Schwedinnen kamen während der regulären Spielzeit zum Sieg – 3:1 gegen Australien.

Frankreich und Schweden hatten sich mit dem Halbfinaleinzug zugleich Olympiatickets gesichert, mehr Grund zur Freude stellte sich dann nicht mehr ein. Beide Europäer blieben auf der Strecke: Frankreich unterlag den USA ebenso mit 1:3 wie Schweden Japan, das erstmals in ein WM-Finale einzog.

Das Spiel um Platz 3 ging an Schweden, das Frankreich in Unterzahl 2:1 schlug.

Am Sonntag, den 17. Juli, sah Frankfurt das Finale, das niemand auf dem Zettel hatte: USA gegen Japan. Auch den Sieger hatten die wenigsten vorhergesehen, er wurde am Elfmeterpunkt ermittelt. Nach 120 packenden Minuten, in denen Japan zwei US-Führungen ausglich, zeigten die Favoritinnen Nerven. Die USA verschoss drei Elfmeter, Japan nur einen und so ging der WM-Pokal erstmals ins Land der aufgehenden Sonne. Dass sie die Champions der torärmsten WM wurden (2,69 im Schnitt), störte sie herzlich wenig.

Das Abschneiden der Deutschen:

Nach zwei WM-Triumphen auf fremden Erdteilen war Deutschland als Gastgeber erst recht Favorit und der Traum vom Hattrick grassierte durch die Lande. In einer Kicker-Umfrage eine Woche vor dem Turnier trauten 72,3 % der Teilnehmer der Mannschaft von Silvia Neid den Titel zu und der Trainer von Frauenmeister Turbine Potsdam, Bernd Schröder, sagte: "Alles außer dem Finale wäre eine Enttäuschung." Neid war noch am Tag vor dem Auftakt unsicher, wie ihre erste Elf aussehen sollte – es war die Qual der Wahl. Sie hielt das Team für besser als die Champions von 2007, von denen noch 13 im 20er-Kader standen. "Heute haben wir sehr viel mehr Auswahl, besonders im Spiel nach vorne", betonte Neid den Unterschied. Ein 11:0 zum Auftakt wie 2003 war nicht mehr zu erwarten, aber selbst ein 2:1 über Kanada riss die Massen in Berlin (73.000) und vor den Bildschirmen (15,4 Millionen) zu Jubelstürmen hin. "Das fängt ja gut an!", lobte der Kicker den Auftakt, zu dem wie 2007 Kerstin Garefrekes das erste Tor beisteuerte, Nummer zwei ging auf das Konto von Celia Okoyina da Mbabi, die erfrischend aufspielte, aber ebenso wie Birgit Prinz ausgewechselt wurde. Saßen doch mit Alexandra Popp und Inka Grings hochkarätige Alternativen für den Sturm auf der Bank. Steffi Jones, Weltmeisterin von 2003 und Präsidentin des WM-Ok, atmete auf: "Die Mannschaft hat die erste Hürde genommen. Das ist gut fürs Selbstbewusstsein."

Vier Tage später ging es in Frankfurt gegen WM-Dauergast Nigeria und wieder wurde es kein leichter Sieg, diesmal war es zudem ein schlechtes Spiel. Das Tor des Tages aber schoss eine Deutsche – Simone Laudehr öffnete bereits den Weg ins Viertelfinale. Für Euphorie bestand wenig Anlass, der Kicker bemängelte "eine zähe, hektische und unansehnliche Begegnung". Immerhin ließen die DFB-Elfen keine Chance Nigerias zu. Für die meiste Aufregung sorgte die Auswechslung der Rekordspielerin Birgit Prinz nach 52 enttäuschenden Minuten. Das Defilee an der Ersatzbank entlang geriet zum Frustausbruch, "ihre Mitspielerinnen wurden von ihr mehr geschlagen als abgeklatscht", notierte der Kicker. Plötzlich, bei ihrer fünften und letzten WM, gab es eine Debatte um die Prinz-Rolle. Die sich verstärkte, als sie sich gegen Frankreich auf der Bank wiederfand, wo sie auch blieb. Für sie stürmte Inka Grings – und wie. Zwei der vier Treffer zum Sieg über die Französinnen gingen auf ihr Konto, darunter ein Elfmeter, und das 4:2 von Okoyino da Mbabi legte sie vor. Nur mit dem 1:0 von Garefrekes hatte sie nichts zu tun. Vieles stimmte wieder im deutschen Team. Das Publikum in Mönchengladbach war versöhnt, auf dem Papier war es eine perfekte Vorrunde mit drei Siegen. Nun ging es gegen Japan und Okinyo da Mbabi versprach: "Wir werden uns jetzt nicht auf diesem Sieg ausruhen. Japan wird der nächste harte Brocken."

Vor dem Treffen in Wolfsburg stellte sich hoher Besuch im Teamhotel ein. Die Bundeskanzlerin gratulierte zum Viertelfinaleinzug und war beim Abendessen dabei. Als Glücksbringerin ging Angela Merkel definitiv nicht in die Geschichte des deutschen Frauenfußballs ein. Denn in Wolfsburg war der Weg der DFB-Elf zu Ende. Nach 15 WM-Partien ohne Niederlage, davon 14 Siegen, gab es zum Entsetzen der 26.067 Menschen in Wolfsburg und 17 Millionen an den Bildschirmen ein bitteres 0:1 in der Verlängerung gegen disziplinierte Japanerinnen. Das Tor, das wilde Diskussionen in Deutschland auslöste, fiel nach 108 Minuten und bei dem Schuss von Karina Manuyama sah ausgerechnet die umjubelte Torhüterin von 2007, Nadine Angerer, nicht gut aus (Kicker-Note 5). Was half das Chancen-Plus (9:3) ohne eine Vollstreckerin? Auch Grings hatte einen schwachen Tag und die Weltkarriere von Birgit Prinz endete nach 214 Spielen mit einem weiteren, letzten Bankeinsatz. Ihre Stimmung war auf dem Tiefpunkt, aber diejenigen, die gespielt hatten, fühlten sich kaum besser. Linda Bresonik: "Alles ist weg. Titel, Olympia, unfassbar." Wie immer in solchen Fällen stand die Trainerin besonders in der Kritik, zum Beispiel wegen ihrer Auswechslungen, aber Theo Zwanziger stärkte ihr den Rücken. Vor der WM hatte er ihren Vertrag bis 2016 verlängert "und wenn sie will", sagte er nach dem Aus, "kann sie noch bis 2020 bleiben."

Fakten:

Tore: 86 (2,69)

Torschützenkönigin: Homare Sawa (Japan/5)

Beste Spielerin: Homare Sawa

Goldener Handschuh: Hope Solo (USA)

Zuschauer: 845.711 (26.428)

 

Stimmen:

Josef Blatter (Fifa-Präsident): "Der Frauenfußball ist der große Gewinner."

Silvia Neid: "Wir haben jetzt lange Zeit, uns auf die WM 2013 vorzubereiten. Eins ist klar: es gibt keinen großen Neuaufbau."

Lira Bajramaj (DFB-Spielerin): "Die WM war traumhaft. Schade, dass wir den Fans nicht das geben konnten was sie eigentlich wollten."

Doris Fitschen (Mitglied im WM-OK): "Insgesamt wollten wir einfach zu viel. Natürlich Weltmeisterinnen werden, den Frauenfußball auf die nächste Stufe bringen, das Sommermärchen wiederholen: das alles unter einen Hut zu bringen, war ein schwieriger Spagat, an dem wir teilweise gescheitert sind."

Norio Sasaki (Trainer Japans): "Mit unserer Leistung wollten wir den Menschen in den von der Erdbebenkatastrophe betroffenen Gebieten dabei helfen, wieder Mut zu finden."

[um]

Am 20. Juli beginnt in Australien und Neuseeland die neunte Frauen-WMDeutschland war bisher immer dabei. Ein Rückblick auf die bisherigen WM-Turniere mit besonderem Fokus auf das DFB-Team. Heute: die WM 2011 in Deutschland.

Rahmenbedingungen: Im Rennen um die Ausrichtung der sechsten Frauen-WM waren zuletzt nur noch zwei Länder übrig. Am 30. Oktober 2007 fiel die Entscheidung auf Deutschland, das eine 1212-seitige Bewerbung abgegeben hatte, und gegen Kanada. DFB-Präsident Theo Zwanziger war nicht überrascht, denn "vielen ist die WM 2006 noch in bester Erinnerung, die tolle Atmosphäre, die schönen Stadien, das fröhliche Miteinander der Fans." Deutschland wollte der Fußballwelt ein zweites Sommermärchen schenken. In neun Stadien zog die WM ein, die sich wie gehabt über drei Wochen erstreckte – vom 26. Juni bis 17. Juli 2011. In vier WM-Städten (Frankfurt, Bochum, Augsburg und Wolfsburg) wurde sogar Public Viewing angeboten – ein Novum für den Frauenfußball. Dessen gestiegener Stellenwert wurde auch von der Fifa dokumentiert, die statt der ursprünglich eingeplanten 7,6 Millionen US-Dollar die Prämien auf 10 Millionen aufrundete. Die öffentlich-rechtlichen Sender und Eurosport übertrugen alle 32 Spiele live, in diesem Punkt war man mit den Männern schon gleichgezogen.

Teilnehmer: Mit 126 Meldungen wurde ein neuer Rekord aufgestellt. Doch wieder war nur für 16 Mannschaften Platz, auch wenn die Fifa schon überlegte, auf 20 bis 24 aufzustocken. Es blieb 2011 letztmals beim Modus der vier Vierergruppen, für die kein Geringerer als Günter Netzer am 29. November 2010 in Frankfurt die Lose zog. Am Proporz änderte sich fast nichts: Europa bekam fünf Plätze, Amerika von Nord bis Süd auch, Asien drei, Afrika zwei und Ozeanien einen. Aus der Riege der acht Dauerbrenner schied diesmal China aus, das erstmals eine WM verpasste. Für Kolumbien, Mexiko und Äquatorialguinea war es die erste WM-Teilnahme.

Turnierverlauf: Das Turnier startete im kleinen, aber ausverkauften, Stadion von Sinsheim mit der Partie Nigeria – Frankreich (0:1). Das Eröffnungsspiel mit entsprechendem Vorprogramm fand allerdings erst drei Stunden später im Berliner Olympiastadion statt, wo 73.680 Menschen einen 2:1-Sieg der Deutschen gegen Kanada sahen. Damit war der Ton in Gruppe A gesetzt, die Sieger des 1. Spieltags setzten sich auch durch. Das stand schon nach dem 2. Spieltag fest, so dass es bei Deutschland – Frankreich (4:2) nur noch um den Gruppensieg ging. Nigeria tröstete sich mit dem dritten Platz vor Kanada.

Auch in Gruppe B war die Spannung schnell raus. Die Japanerinnen waren nach zwei Siegen schon weiter und konnten sich ein 0:2 gegen England leisten, das damit Erster wurde. Mexikos Minimalchance wurde von Neuseeland zerstört, das ein 0:2 durch zwei Treffer nach der 89. Minute noch ausglich.

Ein ähnliches Bild in Gruppe C, wo Schweden und die USA im letzten Spiel auch nur noch den Gruppensieg ausspielten. Der ging an die Skandinavierinnen, die drei Minimalisten-Sieg (1:0, 1:0 und 2:1) ein fuhren. Für Nordkorea und Kolumbien war nach zwei Spielen alles vorbei, entsprechend lustlos gingen sie im direkten Duell (0:0) zu Werke. Kurios: Nachdem zwei Spielerinnen Nordkoreas des Dopings überführt wurden, verlangte die FIFA von allen anderen eine Dopingprobe, der sich die Delegation mit einer allzu hastigen Abreise entzog.

Gruppe D brachte einen Favoritensieg (Brasilien holte neun Punkte) und eine Überraschung: Australien warf Norwegen nach 0:1-Rückstand raus (2:1). Erstmals musste der Weltmeister von 1995 nach der Vorrunde abreisen. Weniger verwunderlich, dass das auch für Äquatorial-Guinea galt. Die punktlosen Afrikanerinnen sorgten zumindest für den heitersten Moment der Vorrunde, als im Spiel gegen Australien (2:3) eine Verteidigerin einen Pfostenabpraller im Stile einer Torhüterin festhielt und den Ball dann lässig ihrer Nummer 1 zurollte. Die ungarische Schiedsrichterin verstand offenbar nicht, was da geschah und ließ das Spiel weiterlaufen statt Elfmeter zu geben.

Schon am ersten Tag des Viertelfinals wurde die allgemeine Freude über das bis dahin begeistert aufgenommene Turnier gedämpft, denn Gastgeber Deutschland schied in Frankfurt gegen Japan aus (0:1 nach Verlängerung). Auch für England war Schluss, die Frauen setzten die Männer-Tradition fort und verloren ein Elfmeterschießen – gegen Frankreich. Das benötigte am nächsten Tag auch die USA, um Brasilien auszuschalten. Torhüterin Hope Sola war Amerikas Heldin, sie hielt einen Elfmeter, während ihre Kolleginnen alle fünf verwandelten. Die andere Heldin hieß Abby Wambach, die in der Nachspielzeit der Verlängerung mit ihrem Tor zum 2:2 das Elfmeterschießen erst möglich machte. Und wieder musste die damals beste Fußballerin der Welt, Marta (die beide Tore erzielte), ungekrönt abreisen. Nur die Schwedinnen kamen während der regulären Spielzeit zum Sieg – 3:1 gegen Australien.

Frankreich und Schweden hatten sich mit dem Halbfinaleinzug zugleich Olympiatickets gesichert, mehr Grund zur Freude stellte sich dann nicht mehr ein. Beide Europäer blieben auf der Strecke: Frankreich unterlag den USA ebenso mit 1:3 wie Schweden Japan, das erstmals in ein WM-Finale einzog.

Das Spiel um Platz 3 ging an Schweden, das Frankreich in Unterzahl 2:1 schlug.

Am Sonntag, den 17. Juli, sah Frankfurt das Finale, das niemand auf dem Zettel hatte: USA gegen Japan. Auch den Sieger hatten die wenigsten vorhergesehen, er wurde am Elfmeterpunkt ermittelt. Nach 120 packenden Minuten, in denen Japan zwei US-Führungen ausglich, zeigten die Favoritinnen Nerven. Die USA verschoss drei Elfmeter, Japan nur einen und so ging der WM-Pokal erstmals ins Land der aufgehenden Sonne. Dass sie die Champions der torärmsten WM wurden (2,69 im Schnitt), störte sie herzlich wenig.

Das Abschneiden der Deutschen:

Nach zwei WM-Triumphen auf fremden Erdteilen war Deutschland als Gastgeber erst recht Favorit und der Traum vom Hattrick grassierte durch die Lande. In einer Kicker-Umfrage eine Woche vor dem Turnier trauten 72,3 % der Teilnehmer der Mannschaft von Silvia Neid den Titel zu und der Trainer von Frauenmeister Turbine Potsdam, Bernd Schröder, sagte: "Alles außer dem Finale wäre eine Enttäuschung." Neid war noch am Tag vor dem Auftakt unsicher, wie ihre erste Elf aussehen sollte – es war die Qual der Wahl. Sie hielt das Team für besser als die Champions von 2007, von denen noch 13 im 20er-Kader standen. "Heute haben wir sehr viel mehr Auswahl, besonders im Spiel nach vorne", betonte Neid den Unterschied. Ein 11:0 zum Auftakt wie 2003 war nicht mehr zu erwarten, aber selbst ein 2:1 über Kanada riss die Massen in Berlin (73.000) und vor den Bildschirmen (15,4 Millionen) zu Jubelstürmen hin. "Das fängt ja gut an!", lobte der Kicker den Auftakt, zu dem wie 2007 Kerstin Garefrekes das erste Tor beisteuerte, Nummer zwei ging auf das Konto von Celia Okoyina da Mbabi, die erfrischend aufspielte, aber ebenso wie Birgit Prinz ausgewechselt wurde. Saßen doch mit Alexandra Popp und Inka Grings hochkarätige Alternativen für den Sturm auf der Bank. Steffi Jones, Weltmeisterin von 2003 und Präsidentin des WM-Ok, atmete auf: "Die Mannschaft hat die erste Hürde genommen. Das ist gut fürs Selbstbewusstsein."

Vier Tage später ging es in Frankfurt gegen WM-Dauergast Nigeria und wieder wurde es kein leichter Sieg, diesmal war es zudem ein schlechtes Spiel. Das Tor des Tages aber schoss eine Deutsche – Simone Laudehr öffnete bereits den Weg ins Viertelfinale. Für Euphorie bestand wenig Anlass, der Kicker bemängelte "eine zähe, hektische und unansehnliche Begegnung". Immerhin ließen die DFB-Elfen keine Chance Nigerias zu. Für die meiste Aufregung sorgte die Auswechslung der Rekordspielerin Birgit Prinz nach 52 enttäuschenden Minuten. Das Defilee an der Ersatzbank entlang geriet zum Frustausbruch, "ihre Mitspielerinnen wurden von ihr mehr geschlagen als abgeklatscht", notierte der Kicker. Plötzlich, bei ihrer fünften und letzten WM, gab es eine Debatte um die Prinz-Rolle. Die sich verstärkte, als sie sich gegen Frankreich auf der Bank wiederfand, wo sie auch blieb. Für sie stürmte Inka Grings – und wie. Zwei der vier Treffer zum Sieg über die Französinnen gingen auf ihr Konto, darunter ein Elfmeter, und das 4:2 von Okoyino da Mbabi legte sie vor. Nur mit dem 1:0 von Garefrekes hatte sie nichts zu tun. Vieles stimmte wieder im deutschen Team. Das Publikum in Mönchengladbach war versöhnt, auf dem Papier war es eine perfekte Vorrunde mit drei Siegen. Nun ging es gegen Japan und Okinyo da Mbabi versprach: "Wir werden uns jetzt nicht auf diesem Sieg ausruhen. Japan wird der nächste harte Brocken."

Vor dem Treffen in Wolfsburg stellte sich hoher Besuch im Teamhotel ein. Die Bundeskanzlerin gratulierte zum Viertelfinaleinzug und war beim Abendessen dabei. Als Glücksbringerin ging Angela Merkel definitiv nicht in die Geschichte des deutschen Frauenfußballs ein. Denn in Wolfsburg war der Weg der DFB-Elf zu Ende. Nach 15 WM-Partien ohne Niederlage, davon 14 Siegen, gab es zum Entsetzen der 26.067 Menschen in Wolfsburg und 17 Millionen an den Bildschirmen ein bitteres 0:1 in der Verlängerung gegen disziplinierte Japanerinnen. Das Tor, das wilde Diskussionen in Deutschland auslöste, fiel nach 108 Minuten und bei dem Schuss von Karina Manuyama sah ausgerechnet die umjubelte Torhüterin von 2007, Nadine Angerer, nicht gut aus (Kicker-Note 5). Was half das Chancen-Plus (9:3) ohne eine Vollstreckerin? Auch Grings hatte einen schwachen Tag und die Weltkarriere von Birgit Prinz endete nach 214 Spielen mit einem weiteren, letzten Bankeinsatz. Ihre Stimmung war auf dem Tiefpunkt, aber diejenigen, die gespielt hatten, fühlten sich kaum besser. Linda Bresonik: "Alles ist weg. Titel, Olympia, unfassbar." Wie immer in solchen Fällen stand die Trainerin besonders in der Kritik, zum Beispiel wegen ihrer Auswechslungen, aber Theo Zwanziger stärkte ihr den Rücken. Vor der WM hatte er ihren Vertrag bis 2016 verlängert "und wenn sie will", sagte er nach dem Aus, "kann sie noch bis 2020 bleiben."

Fakten:

Tore: 86 (2,69)

Torschützenkönigin: Homare Sawa (Japan/5)

Beste Spielerin: Homare Sawa

Goldener Handschuh: Hope Solo (USA)

Zuschauer: 845.711 (26.428)

 

Stimmen:

Josef Blatter (Fifa-Präsident): "Der Frauenfußball ist der große Gewinner."

Silvia Neid: "Wir haben jetzt lange Zeit, uns auf die WM 2013 vorzubereiten. Eins ist klar: es gibt keinen großen Neuaufbau."

Lira Bajramaj (DFB-Spielerin): "Die WM war traumhaft. Schade, dass wir den Fans nicht das geben konnten was sie eigentlich wollten."

Doris Fitschen (Mitglied im WM-OK): "Insgesamt wollten wir einfach zu viel. Natürlich Weltmeisterinnen werden, den Frauenfußball auf die nächste Stufe bringen, das Sommermärchen wiederholen: das alles unter einen Hut zu bringen, war ein schwieriger Spagat, an dem wir teilweise gescheitert sind."

Norio Sasaki (Trainer Japans): "Mit unserer Leistung wollten wir den Menschen in den von der Erdbebenkatastrophe betroffenen Gebieten dabei helfen, wieder Mut zu finden."

###more###