WM 2002: Dank Ballack ins Halbfinale

Im Sommer nimmt Deutschland zum 19. Mal an einer WM-Endrunde teil. DFB.de dokumentiert in einer 106-teiligen Serie alle Spiele seit 1934. Sie enthält die obligatorischen Daten und Fakten, eine kurze Übersicht zur jeweiligen Ausgangslage und den Spielbericht. Darüber hinaus finden sich in der Rubrik "Stimmen zum Spiel" Zitate, die das unmittelbar danach Gesagte oder Geschriebene festhalten und das Ereignis wieder aufleben lassen.

21. Juni 2002 in Ulsan - Viertelfinale: Deutschland - USA 1:0

Vor dem Spiel:

Die Art und Weise, wie Deutschland seine Spiele gewann, stieß im Ausland auf wenig Gegenliebe. Eine dänische Zeitung schrieb von "Holzschuh-Fußball" und der Ex-Leverkusener Bum-kun Cha sagte im südkoreanischen Fernsehen, er habe nie ein schlechteres Spiel von Deutschland gesehen. Das ließ Teamchef Rudi Völler explodieren: Cha habe wohl in Leverkusen "ein paar Kopfbälle zu viel gemacht". Aber er gestand auch ein: "Ich bin ja selbst unser größter Kritiker und weiß auch, dass wir nicht noch einmal so schlecht spielen dürfen wie in der ersten Halbzeit gegen Paraguay. Wir müssen uns gewaltig steigern, wenn wir das Halbfinale erreichen wollen. Aber wir haben schon mehr erreicht, als man uns im Vorfeld zugetraut hat."

Weil dem so war, stieg im Mannschaftskreis nach dem Paraguay-Spiel eine spontane Fete, Völler erlaubte angesichts von sechs Tagen bis zum nächsten Spiel "ein, zwei Bier" und den Besuch der Familien. Die Mannschaft, der man so wenig zugetraut hatte, hatte schon viel erreicht. DFB-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder fand: "Alles, was jetzt noch kommt, ist eine Zugabe." Seinem Kapitän durfte er damit aber nicht kommen. Oliver Kahn: "Gar nichts ist erreicht. Jetzt haben wir eine Riesenmöglichkeit und die wollen wir beim Schopf packen."

Schon am nächsten Tag sank die Stimmung, als sich die Nachricht vom Tod des ersten deutschen Ehrenspielführers, Fritz Walter, verbreitete. DFB-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder und Generalsekretär Horst R. Schmidt reisten sofort ab, um den Verband bei der Beerdigung zu vertreten. Miroslav Klose, wie Walter ein Kaiserslauterer, versprach sein nächstes Tor seinem Idol zu widmen und Bild rief die Parole aus: "Wir gewinnen für Fritz Walter!"

Aber mit welcher Aufstellung? Alle Gesperrten standen wieder zur Verfügung, doch zumindest Carsten Ramelow blieb auf der Bank. Völler testete mit Sebastian Kehl den dritten Libero, Marko Rehmer flog wieder aus der Dreierkette. Dietmar Hamann (für Jens Jeremies) und Christian Ziege (für Marco Bode) kehrten auf ihre Mittelfeldposten zurück. Matchwinner Oliver Neuville behielt seinen Platz im Sturm neben Klose, obwohl der sich – so diplomatisch wie möglich – für Carsten Jancker aussprach ("Die meisten Tore habe ich ja mit Carsten zusammen gemacht").

Gegen die Amerikaner, 1998 in Paris der Auftaktgegner (2:0), war Deutschland Favorit, das gab selbst Völler zu. Im März hatte man sie in Rostock noch 4:2 geschlagen. In Asien hatten sie sich wacker geschlagen, Portugal und im Achtelfinale Mexiko besiegt – und nun die Deutschen im Visier. Der Wahl-Nürnberger Anthony Sanneh wollte für diesen Fall im Halbfinale nackt spielen. Kommentar in der Berliner BZ: "Der blanke Wahnsinn." Kapitän Claudio Reyna, ein Ex-Wolfsburger, glaubte: "Alles ist möglich gegen Deutschland. Uns kommt zugute, dass einige wie ich in Deutschland gespielt haben."



Im Sommer nimmt Deutschland zum 19. Mal an einer WM-Endrunde teil. DFB.de dokumentiert in einer 106-teiligen Serie alle Spiele seit 1934. Sie enthält die obligatorischen Daten und Fakten, eine kurze Übersicht zur jeweiligen Ausgangslage und den Spielbericht. Darüber hinaus finden sich in der Rubrik "Stimmen zum Spiel" Zitate, die das unmittelbar danach Gesagte oder Geschriebene festhalten und das Ereignis wieder aufleben lassen.

21. Juni 2002 in Ulsan - Viertelfinale: Deutschland - USA 1:0

Vor dem Spiel:

Die Art und Weise, wie Deutschland seine Spiele gewann, stieß im Ausland auf wenig Gegenliebe. Eine dänische Zeitung schrieb von "Holzschuh-Fußball" und der Ex-Leverkusener Bum-kun Cha sagte im südkoreanischen Fernsehen, er habe nie ein schlechteres Spiel von Deutschland gesehen. Das ließ Teamchef Rudi Völler explodieren: Cha habe wohl in Leverkusen "ein paar Kopfbälle zu viel gemacht". Aber er gestand auch ein: "Ich bin ja selbst unser größter Kritiker und weiß auch, dass wir nicht noch einmal so schlecht spielen dürfen wie in der ersten Halbzeit gegen Paraguay. Wir müssen uns gewaltig steigern, wenn wir das Halbfinale erreichen wollen. Aber wir haben schon mehr erreicht, als man uns im Vorfeld zugetraut hat."

Weil dem so war, stieg im Mannschaftskreis nach dem Paraguay-Spiel eine spontane Fete, Völler erlaubte angesichts von sechs Tagen bis zum nächsten Spiel "ein, zwei Bier" und den Besuch der Familien. Die Mannschaft, der man so wenig zugetraut hatte, hatte schon viel erreicht. DFB-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder fand: "Alles, was jetzt noch kommt, ist eine Zugabe." Seinem Kapitän durfte er damit aber nicht kommen. Oliver Kahn: "Gar nichts ist erreicht. Jetzt haben wir eine Riesenmöglichkeit und die wollen wir beim Schopf packen."

Schon am nächsten Tag sank die Stimmung, als sich die Nachricht vom Tod des ersten deutschen Ehrenspielführers, Fritz Walter, verbreitete. DFB-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder und Generalsekretär Horst R. Schmidt reisten sofort ab, um den Verband bei der Beerdigung zu vertreten. Miroslav Klose, wie Walter ein Kaiserslauterer, versprach sein nächstes Tor seinem Idol zu widmen und Bild rief die Parole aus: "Wir gewinnen für Fritz Walter!"

Aber mit welcher Aufstellung? Alle Gesperrten standen wieder zur Verfügung, doch zumindest Carsten Ramelow blieb auf der Bank. Völler testete mit Sebastian Kehl den dritten Libero, Marko Rehmer flog wieder aus der Dreierkette. Dietmar Hamann (für Jens Jeremies) und Christian Ziege (für Marco Bode) kehrten auf ihre Mittelfeldposten zurück. Matchwinner Oliver Neuville behielt seinen Platz im Sturm neben Klose, obwohl der sich – so diplomatisch wie möglich – für Carsten Jancker aussprach ("Die meisten Tore habe ich ja mit Carsten zusammen gemacht").

Gegen die Amerikaner, 1998 in Paris der Auftaktgegner (2:0), war Deutschland Favorit, das gab selbst Völler zu. Im März hatte man sie in Rostock noch 4:2 geschlagen. In Asien hatten sie sich wacker geschlagen, Portugal und im Achtelfinale Mexiko besiegt – und nun die Deutschen im Visier. Der Wahl-Nürnberger Anthony Sanneh wollte für diesen Fall im Halbfinale nackt spielen. Kommentar in der Berliner BZ: "Der blanke Wahnsinn." Kapitän Claudio Reyna, ein Ex-Wolfsburger, glaubte: "Alles ist möglich gegen Deutschland. Uns kommt zugute, dass einige wie ich in Deutschland gespielt haben."

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Chancenplus der USA - am Ende jubelt das DFB-Team

Spielbericht:

Zum zweiten Mal in seiner WM-Historie spielt Deutschland in einer Halle. Nach dem Auftaktspiel in Sapporo ist auch das Viertelfinale in Ulsan nichts für Frischluftfanatiker. Das Spiel wird an diesem Freitag um 20.30 Uhr angepfiffen, zuhause ist es wieder früher Nachmittag (13.30 Uhr). Für das ZDF (19,38 Millionen Zuschauer) kommentiert Johannes B. Kerner, für Premiere Marcel Reif. Die deutsche Mannschaft spielt mit Trauerflor, zu Ehren von Fritz Walter.

Traurig ist auch die Vorstellung der Mannschaft, die zur Pause schon 0:3 hätte zurückliegen können. Aber sie haben ja Oliver Kahn, der den durchbrechenden Landon Donovan zweimal zur Verzweiflung treibt und auch ein Geschoss von Eddie Lewis entschärft. Das Tor aber fällt auf der anderen Seite, bei der ersten wirklich gefährlichen Szene im US-Strafraum. Christian Ziege flankt einen Freistoß an den Fünfmeterraum, wo sich Michael Ballack gegen Sanneh durchsetzt und einköpft – schon das achte deutsche Kopfballtor bei dieser WM. Beinahe fällt die schmeichelhafte Pausenführung noch höher aus, denn auch "Goldköpfchen" Miroslav Klose hat eine Großchance, trifft nach Neuvilles Flanke aber nur den Pfosten. Halbzeit.

In der zweiten Hälfte sehen die Zuschauer gleich wieder einen großartigen Kahn, der sein 50. und womöglich bestes Länderspiel macht. Im Gegensatz zum schottischen Schiedsrichter Mr. Dallas. Als Greg Berhalter aus fünf Metern zum Schuss kommt, springt der Ball von Kahns Körper an die Hand von Torsten Frings, der den Pfosten bewacht. Klarer Elfmeter, aber es gibt keinen. Deutschland im Glück am Tag, da sie für Fritz Walter spielen. Auch in der 64. Minute, als Kahn sein Tor für eine Rettungsaktion per Kopf verlässt und Reynas Heber aus 45 Metern knapp neben den leeren Kasten geht. Völler stärkt die Defensive, Jens Jeremies löst den diesmal schwachen Bernd Schneider ab.

In der Schlussphase tauscht Völler die Stürmer, aber das Bild ändert sich kaum. "Das Spielerische bei der deutschen Mannschaft fällt unters Armenrecht", lästert Marcel Reif. In vorletzter Minute köpft Sanneh ans Außennetz. Das kann Deutschland auch, bei einem Konter setzt Joker Marco Bode auch einen Akzent. Es läuft schon die 92. Minute, als Deutschland ein letztes Mal aufatmen kann, Jeremies wirft sich in einen Schuss von Clint Mathis. Dann ist es vorbei und die Deutschen reißen die Arme hoch. Sie gewinnen ein Spiel, das sie nach Torschüssen (11:16) verloren hätten. Während der einzige Torschuss aufs Tor auch reingeht, scheitern die Amerikaner gleich sechsmal an dem Wächter des deutschen Gehäuses – Oliver Kahn, in der japanischen Presse fortan als "Schutzgott-Gorilla" geführt.

Die Deutschen stehen unter den letzten Vier, schon zum zehnten Mal - Weltrekord. Kahn, Bode, Ballack und Thomas Linke lassen sich zu Boden fallen. "Sie sehen aus wie Gladiatoren", schreibt die WELT, "die Mannschaft ist mit ihren Kräften am Ende." Nicht aber mit ihren Träumen.

Aufstellung: Kahn – Linke, Kehl, Metzelder – Frings, Hamann, Schneider (59. Jeremies), Ballack, Ziege – Klose (88. Bierhoff), Neuville (80. Bode)

Tore: 1:0 Ballack (39.)

Zuschauer: 37.337

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"Kahn, der Schutzgott-Gorilla"

Stimmen zum Spiel:

Rudi Völler: "Das einzig Positive ist, dass wir jetzt unter den letzten Vier sind. Wir freuen uns, klar: Aber genauso ehrlich sage ich: ich habe richtig gelitten. Wir waren zu pomadig, zu ängstlich. Wir haben den Druck, gewinnen zu müssen, nicht verkraftet und uns in der 2. Halbzeit nie aus der Umklammerung der Amis befreien können."

Gerhard Mayer-Vorfelder: "Wir brauchen uns nicht zu entschuldigen, dass wir im Halbfinale sind, aber mit der Leistung kann man gar nicht zufrieden sein."

Rainer Calmund (Mitglied der DFB-Delegation): "In einigen Szenen waren der liebe Gott und der Papst auf unserer Seite. Außer Kahn hat keiner Normalform erreicht."

Oliver Kahn: "Der nervliche Druck in den letzten Minuten war ein Wahnsinn. Da verlierst Du unheimlich viel Substanz. Wir haben schwach gespielt, doch wir haben gefightet. Und das, obwohl einige von uns schon über 70 Saisonspiele in den Knochen stecken. Ich bin sehr stolz auf die Truppe, weil uns das nach der EM-Pleite keiner zugetraut hat."

Michael Ballack: "Das war ein hartes Stück Arbeit, die Amerikaner haben 90 Minuten lang Tempo gemacht. Wir sind heilfroh, dass wir im Halbfinale stehen."

Franz Beckenbauer: "Wenn wir Olli Kahn nicht hätten, wären wir längst zuhause. Das wird nicht ewig gut gehen. Klar ist: im Halbfinale müssen wir uns steigern."

Bruce Arena (Trainer der USA): "Wir haben unglücklich verloren. Die Deutschen haben ein großartiges Tor gemacht und wenn sie es machen ist es schwer, wieder auszugleichen."

Tony Sanneh (USA): "Das war ein typisch deutsches Spiel. Sie können noch so schlecht spielen, sie gewinnen immer."

Brad Friedel (USA): "Der Mann des Tages ist Oliver Kahn. Er ist der beste Torwart der Welt. Wir hätten gewinnen können. Jeder hat gesehen, dass wir die bessere Mannschaft waren."

"Kahn gegen Amerika 1:0 – Der Kopf von Ballack und die Hand von Frings halfen auch noch mit. Dieses Viertelfinale wird nicht in die Fußball-Lehrbücher eingehen…" (Bild)

"Mit Kahn und Glück ins Halbfinale- Rudi Völlers Team enttäuscht erneut, auch mit Kehl wackelt die Abwehr…Ein Trost bleibt: Spielerisch schlechter als gegen Paraguay und die USA kann es nun gegen Südkorea nicht werden. Nur besser!" (kicker)

"Man findet wirklich niemanden, der jubelt. Jeremies weist noch mal auf den ‚sensationellen Zusammenhalt‘ in der Mannschaft hin. Jeder hat für jeden gekämpft, und das stimmt auch. Aber mehr war nicht." (Die Welt)

"Die Deutschen spielen weder gut noch schlecht. Sie spielen eigentlich etwas anderes als Fußball, aber am Ende gewinnen sie." (El Pais/Spanien)

"Ballack ist der Topf, Kahn der Deckel." (La Stampa/Italien)

"Deutschland hat seinen Mythos wach gehalten. Man muss schon Deutscher sein, um das zu schätzen." (L'Equipe/Frankreich)

"Eigentlich ist nicht Deutschland im Halbfinale, sondern Kahn." (Tagesanzeiger/Schweiz)

"Kahn, der Schutzgott-Gorilla, hat die neue deutsche Mannschaft ins Halbfinale gebracht. Solange Herr Gorilla da ist, verliert Deutschland nicht." (Nikkan Sports/Japan)

"Das ist der Schutzgott. Kahn hat die vollkommen fertige Mannschaft gerettet." (Chunichi Sports/Japan)

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