WM 1998: Perfekter Turnierstart dank Möller und Klinsmann

Im Sommer nimmt Deutschland zum 19. Mal an einer WM-Endrunde teil. DFB.de dokumentiert in einer 106-teiligen Serie alle Spiele seit 1934. Sie enthält die obligatorischen Daten und Fakten, eine kurze Übersicht zur jeweiligen Ausgangslage und den Spielbericht. Darüber hinaus finden sich in der Rubrik "Stimmen zum Spiel" Zitate, die das unmittelbar danach Gesagte oder Geschriebene festhalten und das Ereignis wieder aufleben lassen.

15. Juni 1998 in Paris - erstes Gruppenspiel: Deutschland - USA 2:0

Vor dem Spiel:

Das Festhalten an Bundestrainer Berti Vogts machte sich spätestens 1996 bezahlt. Als Europameister fuhr Deutschland nun nach Frankreich, noch immer aber standen einige 90er-Weltmeister im Kader. Auf Jürgen Kohler, Thomas Häßler, Jürgen Klinsmann, Andreas Köpke, Andy Möller und die Rückkehrer Stefan Reuter und Olaf Thon konnte Vogts nicht verzichten. Und kurz vor der WM versöhnte er sich mit dem 37-jährigen Lothar Matthäus, den er vor der EM 1996 aussortiert hatte, der aber bei Bayern München einen glänzenden Libero gab. Noch saß der auf der Bank, als Abwehrchef wurde Thon, der seit 1990 kein Turnier mehr gespielt hatte, auserkoren.

Nie hatte Deutschland einen älteren WM-Kader (im Schnitt: 29,81 Jahre). Bayern München stellte sechs Spieler, von Überraschungsmeister 1. FC Kaiserslautern schaffte es nur einer - Olaf Marschall. Die hohe Zeit der Legionäre war vorbei, nur die neue Nummer eins, Andreas Köpke (Marseille), Verteidiger Christian Ziege (AC Mailand) und das Sturmduo Jürgen Klinsmann (Tottenham)/Oliver Bierhoff (Udinese) spielten noch im Ausland.

Klinsmann war der neue Kapitän, das änderte sich auch nach Matthäus' Rückkehr nicht. Der Kapitän gab die Richtung vor: "Unser großes Ziel ist es, Weltmeister zu werden." Die Mannschaft hatte ihr Quartier im Les Mas d’Artigny in St. Paul de Vence bei Nizza, direkt an der Côte d’Azur. Zum ersten Spiel flog sie nach Paris.

Vogts kannte die Aufstellung schon beim Abflug, die Spieler ließ er bis 16.45 Uhr am Spieltag zappeln. Sicher war nur der Ausfall von Thomas Helmer. "Wir sind jetzt bereit, in die WM zu starten, die Mannschaft ist fit", versprach Vogts auf der letzten Pressekonferenz vor dem Spiel. Bundeskanzler Helmut Kohl kam zu einer Stippvisite nach Nizza und prophezeite ein 3:1, im übrigen habe er sich "das Datum des Endspiels schon im Kalender eingetragen".

Gegen die USA spielte man erstmals bei einer WM. Mit dem Ex-Lauterer Tom Dooley, dem Ex-Saarbrücker Eric Wynalda, den Wolfsburgern Claudio Reyna und Chad Deering und dem Karlsruher David Regis standen fünf Spieler im US-Kader, die ihrem Trainer Steve Sampson viel über den Gegner erzählen konnten. Weil sie in der Vorbereitung Brasilien 1:0 geschlagen hatten, strotzten die US-Boys vor Selbstvertrauen. Dooley: "Wer den Weltmeister geschlagen hat, kann auch Deutschland schlagen."



Im Sommer nimmt Deutschland zum 19. Mal an einer WM-Endrunde teil. DFB.de dokumentiert in einer 106-teiligen Serie alle Spiele seit 1934. Sie enthält die obligatorischen Daten und Fakten, eine kurze Übersicht zur jeweiligen Ausgangslage und den Spielbericht. Darüber hinaus finden sich in der Rubrik "Stimmen zum Spiel" Zitate, die das unmittelbar danach Gesagte oder Geschriebene festhalten und das Ereignis wieder aufleben lassen.

15. Juni 1998 in Paris - erstes Gruppenspiel: Deutschland - USA 2:0

Vor dem Spiel:

Das Festhalten an Bundestrainer Berti Vogts machte sich spätestens 1996 bezahlt. Als Europameister fuhr Deutschland nun nach Frankreich, noch immer aber standen einige 90er-Weltmeister im Kader. Auf Jürgen Kohler, Thomas Häßler, Jürgen Klinsmann, Andreas Köpke, Andy Möller und die Rückkehrer Stefan Reuter und Olaf Thon konnte Vogts nicht verzichten. Und kurz vor der WM versöhnte er sich mit dem 37-jährigen Lothar Matthäus, den er vor der EM 1996 aussortiert hatte, der aber bei Bayern München einen glänzenden Libero gab. Noch saß der auf der Bank, als Abwehrchef wurde Thon, der seit 1990 kein Turnier mehr gespielt hatte, auserkoren.

Nie hatte Deutschland einen älteren WM-Kader (im Schnitt: 29,81 Jahre). Bayern München stellte sechs Spieler, von Überraschungsmeister 1. FC Kaiserslautern schaffte es nur einer - Olaf Marschall. Die hohe Zeit der Legionäre war vorbei, nur die neue Nummer eins, Andreas Köpke (Marseille), Verteidiger Christian Ziege (AC Mailand) und das Sturmduo Jürgen Klinsmann (Tottenham)/Oliver Bierhoff (Udinese) spielten noch im Ausland.

Klinsmann war der neue Kapitän, das änderte sich auch nach Matthäus' Rückkehr nicht. Der Kapitän gab die Richtung vor: "Unser großes Ziel ist es, Weltmeister zu werden." Die Mannschaft hatte ihr Quartier im Les Mas d’Artigny in St. Paul de Vence bei Nizza, direkt an der Côte d’Azur. Zum ersten Spiel flog sie nach Paris.

Vogts kannte die Aufstellung schon beim Abflug, die Spieler ließ er bis 16.45 Uhr am Spieltag zappeln. Sicher war nur der Ausfall von Thomas Helmer. "Wir sind jetzt bereit, in die WM zu starten, die Mannschaft ist fit", versprach Vogts auf der letzten Pressekonferenz vor dem Spiel. Bundeskanzler Helmut Kohl kam zu einer Stippvisite nach Nizza und prophezeite ein 3:1, im übrigen habe er sich "das Datum des Endspiels schon im Kalender eingetragen".

Gegen die USA spielte man erstmals bei einer WM. Mit dem Ex-Lauterer Tom Dooley, dem Ex-Saarbrücker Eric Wynalda, den Wolfsburgern Claudio Reyna und Chad Deering und dem Karlsruher David Regis standen fünf Spieler im US-Kader, die ihrem Trainer Steve Sampson viel über den Gegner erzählen konnten. Weil sie in der Vorbereitung Brasilien 1:0 geschlagen hatten, strotzten die US-Boys vor Selbstvertrauen. Dooley: "Wer den Weltmeister geschlagen hat, kann auch Deutschland schlagen."

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Start nach Maß mit schnellem Tor

Spielbericht:

Für Deutschland beginnt die WM an einem Montagabend um 21 Uhr. Die Leser der Bild sind darauf vorbereitet worden, dass Thomas Häßler nicht spiele und sehen sich getäuscht. Der Karlsruher ist einer von fünf, die schon 1990 beim Finale in Rom auf dem Platz standen, und soll mit Andy Möller hinter den Spitzen spielen. Für den zuvor noch erkrankten Christian Ziege spielt auf der linken Seite Jörg Heinrich. Die Abwehr besteht aus einer Dreierkette, Libero ist Olaf Thon. Für Lothar Matthäus bleibt nur ein Platz auf der Bank, aber dessen Ansprüche sind bescheiden: "Ich bin hier, um mich zu bewegen."

15.000 Deutsche sind im Prinzenpark und einige hundert ohne Karten davor, 300 wollen auch so rein und machen Randale, 20 werden verhaftet. Das Spiel wird in der ARD übertragen, 26,61 Millionen schalten ein. Reporter ist Gerd Rubenbauer, auch das erinnert an Rom…

Erstmals seit 36 Jahren ist kein Bayern-Spieler in einer deutschen WM-Startelf, obwohl doch sechs im Kader stehen. Jens Jeremies wird zwar zu den "Roten" wechseln, gehört aber noch zu 1860 München. Mit 24 Jahren ist Jeremies der Jüngste, das Durchschnittsalter der Anfangsformation beträgt 30,36 Jahre, was die L’Equipe zu dem Wortspiel "Jurassic-Park im Prinzenpark" veranlasst.

Die deutsche Elf drängt gleich auf die Führung und wird nach acht Minuten belohnt. Eine Ecke von Thon köpft Jürgen Klinsmann trotz starker Bedrängnis auf Möller, der den Ball mit der Stirn nur leicht touchiert. Es reicht, um die Verteidiger auf der Linie zu überwinden - 1:0! "Ist doch schön, dass es Geheimtraining gibt", witzelt Rubenbauer. Vogts hat den Reportern gesagt, man habe bei Ecken einiges einstudiert. Man sieht es. 1:0 nach acht Minuten und 22 Sekunden - schneller als 1998 ist das erste deutsche WM-Tor nie gefallen.

Beflügelnd wirkt es nicht, viele Sicherheitspässe werden gespielt, die Verteidiger stehen weit hinten und erwarten einen wütenden Gegner - der nicht kommt. Wenn es brennt, dann im Strafraum der Amerikaner. Möller, vom 30. Tor im 80. Länderspiel offenbar angestachelt, prüft US-Keeper Casey Keller aus 20 Metern. Oliver Bierhoff verzieht einen Volleyschuss, Heinrichs Flanke von der Grundlinie verpassen Freund und Feind. Andreas Köpke muss nur einen 30-Meter-Schuss von Chad Deering halten, es geht mit einer Hand. "Gegen diese Amis war mehr drin - warum klappte nach 'ner halben Stunde bloß nichts mehr?", fragt Bild in ihrem Spielprotokoll.

Halbzeit. Die Amerikaner bringen den Neu-Leverkusener Franky Hejduk und der zeigt gleich mal, dass er da ist: Sein Kopfball ist die größte Chance des US-Teams, Köpke taucht ins bedrohte Eck und hält (51.). Da ist Häßler schon draußen, nach einem Tritt von Cobi Jones kann "Icke" nicht mehr auftreten (Diagnose: Bänderzerrung), für ihn kommt Bayerns Dietmar Hamann. Nun schaltet sich Jürgen Kohler mit in den Angriff ein, flankt von links auf Klinsmann, der knapp verzieht.

Lange muss er sich nicht ärgern: In der 65. Minute gewinnt Jeremies einen Pressschlag, der Ball prallt in den Lauf von Bierhoff, der in Rechtsaußenposition vors Tor flankt. Dooley ist bei Klinsmann, unterläuft aber die Hereingabe, der Kapitän stoppt noch gekonnt mit der Brust und verwandelt mit rechts ins lange Eck. ARD-Experte Günter Netzer sagt später im Studio: "Das schönste Tor, das er je gemacht hat." Es ist die Entscheidung. Klinsmann bedankt sich bei Bierhoff und wird später sagen: "Das ging nicht besser. Unsere Partnerschaft im Sturm - sie macht mir sehr viel Spaß."

Während die Fans nun nach Matthäus rufen, bringt Vogts Ziege für Stefan Reuter ("Da wollte ich ein Zeichen für die nächsten Spiele setzen."). Das Spiel über die Flügel gefällt dem Bundestrainer gar nicht. Schlecht auch: Mit Jeremies, Heinrich und Hamann handeln sich drei Spieler Gelb ein und sind von einer Sperre bedroht. Sportlich droht an diesem Tag nichts mehr, die Amerikaner geben sich geschlagen, zwei Verzweiflungsschüsse von Claudio Reyna und Tab Ramos zischen am Tor vorbei.

Mehr passiert nicht, aber alle sind sich einig: Da ist noch mehr drin für das deutsche Team. Der Kaiser weiß sogar ganz genau, wie viel noch fehlt. Franz Beckenbauer ist der Meinung, "dass unsere Spieler erst 60 Prozent ihres Potenzials abgerufen haben. Wer Weltmeister werden will, muss einfach noch Reserven haben", schreibt er in seiner Bild-Kolumne. Daran glaubt auch die Mannschaft. Als der Bus auf der Rückfahrt das Finalstadion von Paris, das "Stade de France" passiert, singen sie plötzlich: "Da wollen wir hin."

Aufstellung: Köpke - Wörns, Thon, Kohler - Reuter (67. Ziege), Jeremies, Heinrich - Häßler (49. Hamann), Möller (88. Babbel) - Klinsmann, Bierhoff

Tore: 1:0 Möller (8.), 2:0 Klinsmann (66.)

Zuschauer: 43.815

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"Es war am Ende ein Arbeitssieg"

Stimmen zum Spiel:

Berti Vogts: "Der Start ist gelungen, aber mit dem Spiel kann ich nicht zufrieden sein. Wir haben die Ordnung nicht gehabt, die Positionen sind nicht gehalten worden, aber man hat gekämpft. Erst nachdem Didi Hamann im Spiel war, hat die Mannschaft die Ordnung wiedergefunden. Jeremies, Kohler und Köpke, die großartig gespielt haben, konnten das zu null halten. Jetzt müssen wir den Rhythmus finden."

Jürgen Klinsmann: "Es war heute nicht einfach für uns, die Amerikaner haben in der Abwehr sehr gut gestalten. Unser Sieg ist hochverdient, es ist ein optimaler Beginn. Wir hatten heute im Mittelfeld ein zu großes Loch. Wir sind froh über die drei Punkte, denn nach der Vorbereitung wussten wir nicht wo wir stehen."

Andreas Möller: "Das Tor war im Training einstudiert. Berti Vogts hat mir gesagt: 'Geh in den Fünfer rein, dann machst Du es.' Es war ein absoluter Glücksmoment. Im Vorfeld habe ich sogar schon davon geträumt. Dass es Wirklichkeit wurde, hat mich wahnsinnig gefreut. Ich denke, dass ich noch viel, viel besser spielen kann als gegen die USA."

Steve Sampson (Trainer der USA): "Wir haben über weite Strecken mitgehalten. Man darf ja nicht vergessen, dass Deutschland einer der Favoriten auf den Weltmeistertitel ist. Das Tor von Klinsmann zum 2:0 entsprach nicht dem Spielverlauf."

"Den Pflichtsieg zum WM-Auftakt konnte die deutsche Mannschaft problemlos einfahren. Doch mit überzeugendem Auftreten hatten die neunzig Minuten und der 2:0-Erfolg über die USA nur in wenigen Phasen etwas zu tun." (Kicker)

"Der erste Sieg ist in trockenen Tüchern. Unsere Elf hat die Start-Aufgabe USA gelöst. Aber um Weltmeister zu werden - da muß noch reiniges besser werden. Dem deutschen Spiel fehlte bis zuletzt die Souveränität. Es war am Ende ein Arbeitssieg." (Bild)

"Note eins für Deutschland" (Le Figaro/Frankreich)

"Jeremies ist ein würdiger Nachfolger von Buchwald und Eilts als Arbeiter im Schatten" (L’Equipe/Frankreich)

"Deutschland begann wie immer - solide, aber grau." (El Mundo Deportivo/Spanien)

"Deutschland begibt sich auf den üblichen Pfad." (The Times/England)

"Die Amerikaner gerieten in diesem Duell wie kleine Jungs gegen Männer in Panik." (Boston Globe/USA)

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