WM 1970: Overath sichert Platz drei

Overath erzielt sein erstes WM-Tor

Spielbericht:

Das kleine Finale reizt keinen Profi sonderlich, zumal wenn es bei glühender Hitze stattfindet. Aber 85.000 säumen die Ränge des Azteken-Stadions. Deutschland spielt ganz in weiß, Kapitän Uwe Seeler holt mit seinem 71. Einsatz Rekordnationalspieler Paul Janes ein. Nettes Beiwerk zu einem wenig aufregenden Spiel. Gerd Müller hat die erste Chance. Kaum zu glauben, dass er freistehend den Torwart anschießt. Erstmals wird er bei dieser WM leer ausgehen, Torschützenkönig wird er trotzdem – als erster Deutscher!

Wolfgang Overath macht es nach 27 Minuten besser: Über Seeler und Müller kommt der Ball zu dem Kölner, der sein hervorragendes Turnier mit seinem ersten WM-Tor überhaupt krönt. Gegen seinen Flachschuss aus 12 Metern ist Mazurkiewicz machtlos. Dann darf sich Sepp Maiers Vertreter Horst Wolter, der mangels Spielpraxis nervös beginnt, auszeichnen. Er boxt Kopfbälle von Cortes und Maneiro aus dem Winkel. Uruguay drückt jetzt, Castillo tankt sich durch, ist aber nicht konzentriert genug für einen präzisen Abschluss.

"Wie gut, daß Pause ist. Wenn das so weitergeht!", protokolliert der Kicker. Schnellinger kommt als Erster wieder auf den Rasen, mit bandagiertem Oberschenkel. Er macht Spurt- und Schussversuche, dann resigniert er und verhilft Max Lorenz, schon 1966 in England tatenloser WM-Reservist, zu seinem Debüt. Kaum auf der WM-Bühne, wagt der Braunschweiger einen Fernschuss. Gern genommene Entlastung in einem Spiel, in dem die Deutschen immer stärker in die Defensive geraten. Vogts und Wolter verhindern den Ausgleich, auf der Gegenseite trifft Seeler die Latte (53.). Es ist das Signal für eine Wende im Spiel, nun ist der Ball wieder häufiger in der Hälfte der Uruguayer. Aber nicht für lange. Nach 61 Minuten köpft Joker Esperrago an den Pfosten. "Was haben wir heute für einen Dusel", liest man im Kicker. Was auch für die Rettungsaktion von Vogts gilt, der für den schon überwundenen Wolter per Kopf auf der Linie klärt. Schön bringt Löhr für Libuda, dem die WM nicht lange genug dauern kann. Sichtlich verärgert schlürft der Schalker vom Platz. Nicht der letzte Misston: nach 80 Minuten bleibt Wolter benommen liegen, Widersacher Ancheta, der Libero, hat den Zusammenprall besser überstanden. Aber der Torwart rappelt sich wieder auf und rettet in der 86. Minute mit einer Glanzparade nach Anchetas Kopfball den Sieg und Platz drei. Nach dem Schlusspfiff des italienischen Schiedsrichters tauschen die Spieler die Trikots und die Deutschen drehen im Himmelblau der Uruguayer eine Ehrenrunde mit der mexikanischen Fahne, um sich beim Publikum zu bedanken. Versöhnliches Ende einer großartigen WM, von der fast alle Teilnehmer schwärmen, es sei "die schönste überhaupt" gewesen. Auch die, die vier Jahre später Weltmeister werden.

Zurück in Deutschland, werden sie in Frankfurt von rund 60.000 Menschen an einem hellichten Dienstag auf der Fahrt zum Römerberg und beim Empfang dort begeistert gefeiert. Ganz so, wie es die Bild-Zeitung am 19. Juni unter der Überschrift "Bitte, empfangt sie wie Weltmeister!" gefordert hat: "Sie haben unseren Jubel für ihre Leistungen verdient. Zeigt ihnen, daß ihr stolz auf sie seid. Dankt ihnen durch eine herrliche Begrüßung in Frankfurt, dankt den Spielern auch mit einem Willkommen in ihren Heimatstädten für die dramatischsten Spiele, die je eine deutsche Mannschaft bestritten hat."

Aufstellung: Wolter – Vogts, Schnellinger (46. Lorenz), Fichtel, Patzke – Seeler, Overath, Weber – Libuda (75. Löhr), Müller, Held.

Tore: 1:0 Overath (27.)

Zuschauer: 104.403



Im Sommer nimmt Deutschland zum 19. Mal an einer WM-Endrunde teil. DFB.de dokumentiert in einer 106-teiligen Serie alle Spiele seit 1934. Sie enthält die obligatorischen Daten und Fakten, eine kurze Übersicht zur jeweiligen Ausgangslage und den Spielbericht. Darüber hinaus finden sich in der Rubrik "Stimmen zum Spiel" Zitate, die das unmittelbar danach Gesagte oder Geschriebene festhalten und das Ereignis wieder aufleben lassen.

20. Juni in Mexiko City - Spiel um Platz drei: Deutschland - Uruguay 1:0

Vor dem Spiel:

Helmut Schön tauschte fünf Spieler aus, nur im Falle Beckenbauers (Schulterverletzung) und Grabowskis (Blasen an den Füßen) war er dazu gezwungen. Ersatztorwart Wolter, die Verteidiger Weber und Fichtel und die Außenstürmer Libuda und Held kamen in die Elf. Haller nicht, obwohl das die Bild ihren Lesern versprach. Pausieren durften ferner Maier, Schulz und Löhr. Schön hatte diesmal nur drei Feldspieler auf der Bank. Warum? Da Willi Schulz seine Fußballschuhe wohl absichtlich nicht mitgenommen hatte, stand er zwar auf dem Spielberichtsbogen, war aber nicht einsatzbereit. Hintergrund: Er war verärgert über seine Rolle bei dieser WM, nun wollte er kein Trostpflaster mehr. Improvisation war auch nicht möglich, denn in seiner Größe waren keine Ersatzschuhe vorhanden. Schulz zeigte sich später amüsiert über Schöns Zorn: "Mann, hat der Lange geschimpft."

Uruguay hatte Brasilien einen großen Kampf geliefert, war nach Führung aber noch 1:3 unterlegen. Zum vierten Mal traf man auf die Deutschen, wie 1966 wieder bei einer WM.

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Overath erzielt sein erstes WM-Tor

Spielbericht:

Das kleine Finale reizt keinen Profi sonderlich, zumal wenn es bei glühender Hitze stattfindet. Aber 85.000 säumen die Ränge des Azteken-Stadions. Deutschland spielt ganz in weiß, Kapitän Uwe Seeler holt mit seinem 71. Einsatz Rekordnationalspieler Paul Janes ein. Nettes Beiwerk zu einem wenig aufregenden Spiel. Gerd Müller hat die erste Chance. Kaum zu glauben, dass er freistehend den Torwart anschießt. Erstmals wird er bei dieser WM leer ausgehen, Torschützenkönig wird er trotzdem – als erster Deutscher!

Wolfgang Overath macht es nach 27 Minuten besser: Über Seeler und Müller kommt der Ball zu dem Kölner, der sein hervorragendes Turnier mit seinem ersten WM-Tor überhaupt krönt. Gegen seinen Flachschuss aus 12 Metern ist Mazurkiewicz machtlos. Dann darf sich Sepp Maiers Vertreter Horst Wolter, der mangels Spielpraxis nervös beginnt, auszeichnen. Er boxt Kopfbälle von Cortes und Maneiro aus dem Winkel. Uruguay drückt jetzt, Castillo tankt sich durch, ist aber nicht konzentriert genug für einen präzisen Abschluss.

"Wie gut, daß Pause ist. Wenn das so weitergeht!", protokolliert der Kicker. Schnellinger kommt als Erster wieder auf den Rasen, mit bandagiertem Oberschenkel. Er macht Spurt- und Schussversuche, dann resigniert er und verhilft Max Lorenz, schon 1966 in England tatenloser WM-Reservist, zu seinem Debüt. Kaum auf der WM-Bühne, wagt der Braunschweiger einen Fernschuss. Gern genommene Entlastung in einem Spiel, in dem die Deutschen immer stärker in die Defensive geraten. Vogts und Wolter verhindern den Ausgleich, auf der Gegenseite trifft Seeler die Latte (53.). Es ist das Signal für eine Wende im Spiel, nun ist der Ball wieder häufiger in der Hälfte der Uruguayer. Aber nicht für lange. Nach 61 Minuten köpft Joker Esperrago an den Pfosten. "Was haben wir heute für einen Dusel", liest man im Kicker. Was auch für die Rettungsaktion von Vogts gilt, der für den schon überwundenen Wolter per Kopf auf der Linie klärt. Schön bringt Löhr für Libuda, dem die WM nicht lange genug dauern kann. Sichtlich verärgert schlürft der Schalker vom Platz. Nicht der letzte Misston: nach 80 Minuten bleibt Wolter benommen liegen, Widersacher Ancheta, der Libero, hat den Zusammenprall besser überstanden. Aber der Torwart rappelt sich wieder auf und rettet in der 86. Minute mit einer Glanzparade nach Anchetas Kopfball den Sieg und Platz drei. Nach dem Schlusspfiff des italienischen Schiedsrichters tauschen die Spieler die Trikots und die Deutschen drehen im Himmelblau der Uruguayer eine Ehrenrunde mit der mexikanischen Fahne, um sich beim Publikum zu bedanken. Versöhnliches Ende einer großartigen WM, von der fast alle Teilnehmer schwärmen, es sei "die schönste überhaupt" gewesen. Auch die, die vier Jahre später Weltmeister werden.

Zurück in Deutschland, werden sie in Frankfurt von rund 60.000 Menschen an einem hellichten Dienstag auf der Fahrt zum Römerberg und beim Empfang dort begeistert gefeiert. Ganz so, wie es die Bild-Zeitung am 19. Juni unter der Überschrift "Bitte, empfangt sie wie Weltmeister!" gefordert hat: "Sie haben unseren Jubel für ihre Leistungen verdient. Zeigt ihnen, daß ihr stolz auf sie seid. Dankt ihnen durch eine herrliche Begrüßung in Frankfurt, dankt den Spielern auch mit einem Willkommen in ihren Heimatstädten für die dramatischsten Spiele, die je eine deutsche Mannschaft bestritten hat."

Aufstellung: Wolter – Vogts, Schnellinger (46. Lorenz), Fichtel, Patzke – Seeler, Overath, Weber – Libuda (75. Löhr), Müller, Held.

Tore: 1:0 Overath (27.)

Zuschauer: 104.403

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"Hatten das Glück, das gegen Italien fehlte"

Stimmen zum Spiel:

Helmut Schön: "Heute hatten wir das Glück, das uns im Spiel gegen Italien fehlte. Ein Lob meinen Spielern, die sich restlos eingesetzt haben und trotz der vergangen schweren Spiele nochmals vorbildlich kämpften. Wir wollten nicht auf Defensive spielen, aber die Mannschaft war einfach am Ende."

Juan Eduardo Hohberg (Trainer Uruguays): "Ich bin sehr zufrieden mit meinen Spielern, nicht aber mit dem Resultat. Die Chancenauswertung war mangelhaft. Ich muss nochmals darauf hinweisen, dass wir während des ganzen Turniers von der FIFA stark benachteiligt wurden und nur deshalb nicht ins Endspiel gekommen sind."

Wolfgang Overath: "Heute stand uns das Glück zur Seite. Ich war in den letzten 15 Minuten mit meinen Kräften am Ende."

Gerd Müller: "Gegen diese gut organisierte Deckung war es für mich sehr schwer, da ich allzu oft isoliert und auf mich allein gestellt war."

"Man wird die deutsche Mannschaft nicht an diesem mißglückten Auftritt messen. Die zusammengekratzten Reserven reichten nicht mehr zu größeren Taten." (Die Welt)

"So waren es am Schluß der Kampfgeist und die Einsatzbereitschaft der ganzen Mannschaft, die das Fundament für diesen Sieg legten. Wenn in den letzten 90 Minuten, die von der deutschen Elf in diesem Turnier absolviert werden mußten, manches auch nicht mehr so erfreulich aussah, so tat dies dem hervorragenden Eindruck, den Deutschlands Nationalelf hier in Mexiko hinterließ, keinen Abbruch." (Kicker)

"Beide Mannschaften waren in einem ramponierten Zustand. Nichtsdestotrotz konnte die Welt sehen, daß sie durchaus würdig gewesen wären, bis ins Finale vorzustoßen." (El Pais/Montevideo)

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