WM 1966: Mit viel Härte ins Halbfinale

Im Sommer nimmt Deutschland zum 19. Mal an einer WM-Endrunde teil. DFB.de dokumentiert in einer 106-teiligen Serie alle Spiele seit 1934. Sie enthält die obligatorischen Daten und Fakten, eine kurze Übersicht zur jeweiligen Ausgangslage und den Spielbericht. Darüber hinaus finden sich in der Rubrik "Stimmen zum Spiel" Zitate, die das unmittelbar danach Gesagte oder Geschriebene festhalten und das Ereignis wieder aufleben lassen.

23. Juli in Sheffield - WM-Viertelfinale in England: Deutschland - Uruguay 4:0

Vor dem Spiel:

Haller bekam seinen Platz zurück, für Krämer war die WM schon wieder vorbei. Es war die einzige Änderung, wenn sie auch dazu führte, dass Deutschland quasi ohne Rechtsaußen spielte. Haller und Seeler sollten sich den Job teilen. Es war erst das dritte Länderspiel gegen Uruguay, bei einer WM war es die Premiere. Als die Mannschaft erfuhr, auf wen sie als nächstes traf, dachte sich Tilkowski: "Ab sofort wissen wir, was wir bei der Abfahrt zum nächsten Spielort Sheffield nicht vergessen dürfen: die Schienbeinschoner." Siggi Held schien sie nicht zu fürchten und flachste: "Die Urus sollen schreckliches Heimweh haben. Davon werden wir sie heute erlösen."

Die Südamerikaner brauchten mit Bus und Bahn sechs Stunden für ihre Anreise an den Spielort. Am Spieltag gab es schon um 11 Uhr Mittagessen, immer vier Stunden vor Anpfiff – so wollte es Trainer Ondino Viera. Erst dann gab er auch die Aufstellung bekannt. Da erst erfuhr der Stürmer Salva von seinem WM-Debüt, auch Rechtsaußen Silva kam neu ins Team. Nach zweimal 0:0 in der Vorrunde und insgesamt nur zwei Toren mussten sie reagieren. Schließlich wollten sie zum dritten Mal Weltmeister werden und die Ehre Südamerikas retten, Brasilien war bereits ausgeschieden. Als Titelprämie winkten jedem "Uru" umgerechnet rund 25.000 DM.



Im Sommer nimmt Deutschland zum 19. Mal an einer WM-Endrunde teil. DFB.de dokumentiert in einer 106-teiligen Serie alle Spiele seit 1934. Sie enthält die obligatorischen Daten und Fakten, eine kurze Übersicht zur jeweiligen Ausgangslage und den Spielbericht. Darüber hinaus finden sich in der Rubrik "Stimmen zum Spiel" Zitate, die das unmittelbar danach Gesagte oder Geschriebene festhalten und das Ereignis wieder aufleben lassen.

23. Juli in Sheffield - WM-Viertelfinale in England: Deutschland - Uruguay 4:0

Vor dem Spiel:

Haller bekam seinen Platz zurück, für Krämer war die WM schon wieder vorbei. Es war die einzige Änderung, wenn sie auch dazu führte, dass Deutschland quasi ohne Rechtsaußen spielte. Haller und Seeler sollten sich den Job teilen. Es war erst das dritte Länderspiel gegen Uruguay, bei einer WM war es die Premiere. Als die Mannschaft erfuhr, auf wen sie als nächstes traf, dachte sich Tilkowski: "Ab sofort wissen wir, was wir bei der Abfahrt zum nächsten Spielort Sheffield nicht vergessen dürfen: die Schienbeinschoner." Siggi Held schien sie nicht zu fürchten und flachste: "Die Urus sollen schreckliches Heimweh haben. Davon werden wir sie heute erlösen."

Die Südamerikaner brauchten mit Bus und Bahn sechs Stunden für ihre Anreise an den Spielort. Am Spieltag gab es schon um 11 Uhr Mittagessen, immer vier Stunden vor Anpfiff – so wollte es Trainer Ondino Viera. Erst dann gab er auch die Aufstellung bekannt. Da erst erfuhr der Stürmer Salva von seinem WM-Debüt, auch Rechtsaußen Silva kam neu ins Team. Nach zweimal 0:0 in der Vorrunde und insgesamt nur zwei Toren mussten sie reagieren. Schließlich wollten sie zum dritten Mal Weltmeister werden und die Ehre Südamerikas retten, Brasilien war bereits ausgeschieden. Als Titelprämie winkten jedem "Uru" umgerechnet rund 25.000 DM.

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Nächstes "Skandalspiel" mit üblen Fouls

Spielbericht:

Nun überträgt wieder das noch junge ZDF, am Mikro sitzt Werner Schneyder, und wieder bekommt es ein Skandalspiel. Schon in der ersten Minute tritt Silva dem am Boden liegenden Tilkowski ins Gesicht, es gibt eine Behandlungspause und gleich eine Verwarnung. Es ist die Ouvertüre zu einer weiteren Fußballschlacht. Zunächst beeindrucken die "Urus" auch sportlich. Cortes knallt aus 25 Metern drauf, Tilkowski lenkt an die Latte und hat Glück, dass er den Abpraller beim Runterfallen zu fassen kriegt. In der sechsten Minute der große Aufreger: Schnellinger rettet auf der Linie reflexartig mit der linken Hand nach einem Schuss des quirligen Rocha. Tilkowski: "Wir warten wie Lämmer auf der Schlachtbank auf den Elfmeterpfiff." Doch der Schiedsrichter sieht es nicht, es geht alles sehr schnell. Ein Foto spricht zwar Bände, doch das sieht man erst am nächsten Tag in allen Zeitungen. Die Uruguayer bestürmen den Schiedsrichter und sind fortan nicht mehr zu bändigen. "Die haben dann Rache geschworen", erinnert sich Weber noch Jahrzehnte später in einer ARD-Dokumentation. "Sie stürmten unentwegt und das 1:0 schien nur noch eine Frage der nächsten Minuten", erinnert sich Overath. Schön ordert an, dass Schnellinger und Beckenbauer die Plätze tauschen. Der zweikampfstärkere Mailänder soll Wirbelwind Rocha, mit dem Beckenbauer so seine Probleme hat, schon im Mittelfeld stellen. Noch aufgedrehter sind die Uruguayer, als Siggi Held aus rund 20 Metern abzieht, dabei Hallers Bein trifft und der abgefälschte Ball neben dem linken Pfosten einschlägt. Die FIFA gibt das Tor Haller, warum auch immer. Das 1:0 (13.) kommt zur rechten Zeit, es hat nicht gut ausgesehen für die Deutsche bis dahin. Tilkowski wird weiter geprüft; mal von Silva, mal von Rocha, mal von Perez, mal von Goncalves. Fünf Torschüsse binnen sechs Minuten. Aber auch die Härten nehmen zu, Schiedsrichter Finney verwarnt Cortes nach einem Rambo-Foul an Held. Auch Ubinas holt sich eine Verwarnung ab, die 1966 noch mündlich ausgesprochen und im Notizbuch festgehalten wird. Silva drängt sich als nächster auf, fällt nacheinander Haller und Weber. Trotz allem geht es noch mit 22 Spielern in die Kabinen.

Vier Spielminuten ist es einer weniger. Horacio Troche, ausgerechnet der Kapitän, geht mit schlechtem Beispiel voran, verpasst Emmerich mit dem Knie einen Leberhaken und wird des Feldes verwiesen. Was der Schiedsrichter übersieht, meldet der arabische Linienrichter. Beim Abgang versucht er noch, einen Deutschen mitzunehmen und ohrfeigt Seeler, doch der ist zwar empört, schlägt aber nicht zurück. "Hätte Uwe in gerechtem Manneszorn zurückgeschlagen, man hätte es verstanden", heißt es im WM-Buch aus dem Fischer-Verlag. Der nächste Sünder wird sogar von der Polizei abgeführt: Der zweite Platzverweis für einen Uruguayer ist die unmittelbare Folge eines Fouls von Silva an Haller, aber auch die unausweichliche nach einer zunehmenden Verrohung des Spiels. Finney kann nicht länger zusehen, dass hier mehr nach Knochen denn nach Bällen getreten wird. Silva weigert sich zu gehen, er muss tatsächlich von zwei "Bobbys" abgeführt werden, ohne Handschellen. Noch macht sich die Überzahl nicht bemerkbar, auch wenn sich Beckenbauer, Emmerich (Außenpfosten) und Seeler endlich Chancen bieten.

Nach 70 Minuten endlich die Entscheidung. Wie gegen die Schweiz schwebt Beckenbauer geradezu durch die gegnerischen Reihen, spielt Doppelpass mit Seeler und schiebt eiskalt an Mazurkiewicz vorbei. Dann belohnt sich Kapitän Seeler selbst für seine starke Leistung, trifft aus 17 Metern fulminant unter die Latte. In die Jubeltraube mischt sich auch ein deutscher "Flitzer" in Lederhosen. Nun resignieren die "Urus" und Helmut Haller kommt zu seinem dritten WM-Tor in England, als ein Verteidiger am Strafraum den Ball verliert, macht es der "Italiener" mit links. Was trotz der Höhe des Sieges nicht für die Mannschaft gilt. Es war ein schweres Spiel und ein hartes Stück Arbeit. Bezeichnend, dass Tilkowski zu den besten Deutschen gehört. Ein Sonderlob verdienen sich auch Ausputzer Willi Schulz und Verteidiger Horst-Dieter Höttges, Haller bietet seine beste Leistung bei der WM und ist kein Wackelkandidat mehr, und Seeler ist wie so oft das kämpferische Vorbild, das ein Kapitän sein soll.

Uruguay hingegen hat dem Ruf des südamerikanischen Fußballs keinen Gefallen getan. Auch nach dem Spiel nicht, als Cortes noch im Kabinengang dem Schiedsrichter einen Tritt versetzt und für sechs Länderspiele vom eigenen Verband gesperrt wird.

Aufstellung: Tilkowski – Höttges, Schulz, Weber, Schnellinger – Haller, Beckenbauer, Overath – Held, Seeler, Emmerich.

Tore: 1:0 Haller (11.), 2:0 Beckenbauer (70.), 3:0 Seeler (76.), 4:0 Haller (84.)

Platzverweise: Troche (50.), Silva (55.)

Zuschauer: 33.751

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"Das hatte doch mit Fußball nichts zu tun"

Stimmen zum Spiel:

Helmut Schön: "Die Uruguayer waren ein starker Gegner. In der ersten Halbzeit haben sie uns schön zugesetzt. Unsere Mannschaft brauchte einige Zeit, bis sie auf den starken Gegner eingestellt war. Es ist meine Überzeugung, dass wir auch gegen elf Uruguayer siegreich geblieben wären. Das war bisher unsere beste Leistung auf diesem Turnier."

Ondino Viera (Trainer Uruguays): "Bei uns in Südamerika wären weder Troche noch Silva vom Platz gestellt worden. Gegen eine komplette Mannschaft hätte Deutschland nie gewonnen."

Juan Lopez (Co-Trainer Urugays): "Hundert solche Spiele – und 99-mal gehen wir als Sieger vom Platz. Vielleicht hatte der sogenannte Schiedsrichter gute Gründe, Troche und Silva vom Platz zu stellen. Aber dann hätten auch ein paar deutsche Spieler vorzeitig in die Kabine gemusst. Der Schiedsrichter muss wohl mal zum Optiker, denn er braucht eine Brille. War nicht Roches Schuss ein Tor und war das etwa kein klares Handspiel von Schnellinger?"

Helmut Haller: "Das hatte doch mit Fußball nichts zu tun. Wenn man mit Doppelpassspiel am Gegner vorbei wollte, kam sofort die Sense."

Wolfgang Overath: "Es waren eigentlich ganz nette Burschen. Nur ein bisschen unbeherrscht."

Willi Schulz: "Da heißt es immer, die Deutschen spielen zu hart. Das Gegenteil ist der Fall, wir sind zu weich. Wenn man mit Südamerikanern spielt, muss man mit allem rechnen."

Lothar Emmerich: "Troche hat mir mit einem Haken auf die Leber geschlagen. Es tut mir jetzt noch weh."

Horacio Troche (Uruguays Kapitän): "Das war nie ein Platzverweis. Der deutsche Spieler hat sich nur angestellt. Ich habe ihn überhaupt nicht berührt."

"Man braucht die keineswegs überzeugende Partie der deutschen Mannschaft nicht zu beschönigen. Doch bei dieser Art von beinahe vorsätzlicher Körperverletzung, die von den Südamerikanern zur Weltmeisterschaft nach England importiert wurde, kann einem tatsächlich alle Lust am Fußballspielen vergehen." (Abendzeitung/München)

"Uruguay hat allen Grund, den britischen Schiedsrichter Finney zu kritisieren, vor allem weil er ein klares Handspiel von Schnellinger, das ein Tor verhinderte, nicht ahndete… Allerdings, worüber zu diskutieren ist, das ist alleine die Höhe der Niederlage, denn die Deutschen haben zu Recht gewonnen." (El Pais/Montevideo)

"Bester Spieler war Beckenbauer. Ein Riese in der Verteidigung und ein perfekter Verbindungsmann. Der deutsche Angriff aber sah nie so gefährlich aus, wie es das Ergebnis besagt." (News oft the World/England)

"Wir müssen zugeben, dass Deutschland die Uruguayer provozierte. Natürlich kann man die uruguayischen Foulspiele nicht übersehen, aber einige deutsche Spieler schauspielerten wie in einer Wagner-Oper." (Sunday Times/England)

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