WM 1966: Emmerichs Traumtor gegen Spanien

Im Sommer nimmt Deutschland zum 19. Mal an einer WM-Endrunde teil. DFB.de dokumentiert in einer 106-teiligen Serie alle Spiele seit 1934. Sie enthält die obligatorischen Daten und Fakten, eine kurze Übersicht zur jeweiligen Ausgangslage und den Spielbericht. Darüber hinaus finden sich in der Rubrik "Stimmen zum Spiel" Zitate, die das unmittelbar danach Gesagte oder Geschriebene festhalten und das Ereignis wieder aufleben lassen.

20. Juli in Birmingham - drittes WM-Gruppenspiel in England: Deutschland - Spanien 2:1

Vor dem Spiel:

Die Personallage, das unbefriedigende Spiel und die Situation in der Gruppe erforderten Veränderungen. Der stets an sich zweifelnde Overath rechnete mit seiner Verbannung, doch Co-Trainer Dettmar Cramer beruhigte ihn schon am Vortag: "Dein Platz ist Dir sicher!" In anderen Fragen fiel die Entscheidung noch später. Schön schlug sich damit laut Cramer "zwei Tage und zwei Nächte" herum, dann entschied er am Morgen des Spiels, zwei Neue zu bringen: Werner Krämer aus Duisburg ersetzte Albert Brülls und die Herausnahme des darüber stark verärgerten Helmut Haller (Schön versprach ihm, es sei "kein Abschied für immer") sorgte für Umbauten im Mittelfeld. Seeler wurde zurückgezogen, agierte als Halbstürmer, Siggi Held rückte von Linksaußen auf den Mittelstürmerposten und machte Platz für Lothar Emmerich. Der gab sein WM-Debüt, sehr zur Freude der Bild-Zeitung ("Jetzt muss Emma ran!"). Nur Sepp Herberger blieb skeptisch: "Wenn der ein Tor schießt, kriegt ihr ihn nicht mehr raus aus der Mannschaft!" Mancher hielt ihn noch für taktisch unreif.

Damit bildeten die Dortmunder Shootingstars der Saison 1965/1966 (Europapokalsieger) nun auch im DFB-Team ein Sturmgespann. Für Emmerich war es erst das zweite Länderspiel. Es hatte sich im Training angedeutet, als Schön im Spiel A gegen B Haller und Emmerich jeweils eine Halbzeit im A-Team spielen lässt. Deutschland genügte ein Punkt zum Weiterkommen, Spanien musste gewinnen. Trainer Villalonga brachte gleich fünf Neue, ließ sogar seine Stars Suarez, Pirri und Kapitän Gento überraschend draußen.

Auf der Fahrt zum Spiel verunfallte der Bus mit den deutschen Spielerfrauen, auch einige Funktionäre, Reporter, Fans und Herberger waren an Bord. Die meisten kamen mit dem Schrecken und leichten Schürfwunden davon. Nur den Fahrer und DFB-Vertreter Alf Riemke (Oberschenkelbruch) erwischte es bei dem Zusammenprall mit einem Lkw schwerer. Riemke blieb noch zwei Wochen über das WM-Ende hinaus im Krankenhaus.



Im Sommer nimmt Deutschland zum 19. Mal an einer WM-Endrunde teil. DFB.de dokumentiert in einer 106-teiligen Serie alle Spiele seit 1934. Sie enthält die obligatorischen Daten und Fakten, eine kurze Übersicht zur jeweiligen Ausgangslage und den Spielbericht. Darüber hinaus finden sich in der Rubrik "Stimmen zum Spiel" Zitate, die das unmittelbar danach Gesagte oder Geschriebene festhalten und das Ereignis wieder aufleben lassen.

20. Juli in Birmingham - drittes WM-Gruppenspiel in England: Deutschland - Spanien 2:1

Vor dem Spiel:

Die Personallage, das unbefriedigende Spiel und die Situation in der Gruppe erforderten Veränderungen. Der stets an sich zweifelnde Overath rechnete mit seiner Verbannung, doch Co-Trainer Dettmar Cramer beruhigte ihn schon am Vortag: "Dein Platz ist Dir sicher!" In anderen Fragen fiel die Entscheidung noch später. Schön schlug sich damit laut Cramer "zwei Tage und zwei Nächte" herum, dann entschied er am Morgen des Spiels, zwei Neue zu bringen: Werner Krämer aus Duisburg ersetzte Albert Brülls und die Herausnahme des darüber stark verärgerten Helmut Haller (Schön versprach ihm, es sei "kein Abschied für immer") sorgte für Umbauten im Mittelfeld. Seeler wurde zurückgezogen, agierte als Halbstürmer, Siggi Held rückte von Linksaußen auf den Mittelstürmerposten und machte Platz für Lothar Emmerich. Der gab sein WM-Debüt, sehr zur Freude der Bild-Zeitung ("Jetzt muss Emma ran!"). Nur Sepp Herberger blieb skeptisch: "Wenn der ein Tor schießt, kriegt ihr ihn nicht mehr raus aus der Mannschaft!" Mancher hielt ihn noch für taktisch unreif.

Damit bildeten die Dortmunder Shootingstars der Saison 1965/1966 (Europapokalsieger) nun auch im DFB-Team ein Sturmgespann. Für Emmerich war es erst das zweite Länderspiel. Es hatte sich im Training angedeutet, als Schön im Spiel A gegen B Haller und Emmerich jeweils eine Halbzeit im A-Team spielen lässt. Deutschland genügte ein Punkt zum Weiterkommen, Spanien musste gewinnen. Trainer Villalonga brachte gleich fünf Neue, ließ sogar seine Stars Suarez, Pirri und Kapitän Gento überraschend draußen.

Auf der Fahrt zum Spiel verunfallte der Bus mit den deutschen Spielerfrauen, auch einige Funktionäre, Reporter, Fans und Herberger waren an Bord. Die meisten kamen mit dem Schrecken und leichten Schürfwunden davon. Nur den Fahrer und DFB-Vertreter Alf Riemke (Oberschenkelbruch) erwischte es bei dem Zusammenprall mit einem Lkw schwerer. Riemke blieb noch zwei Wochen über das WM-Ende hinaus im Krankenhaus.

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Tor macht Emmerich berühmt

Spielbericht:

Wieder spielt Deutschland in Birmingham, diesmal aber in den traditionellen schwarzen Hosen. Die ARD überträgt das Abendspiel (Anpfiff: 19.30 Uhr), Rudi Michel kommentiert an diesem Mittwoch. Die Heimat sieht die bis dahin schwächste deutsche Halbzeit und eine absolut verdiente spanische Führung, die einer der Neuen erzielt: Fusté darf ein Amancio-Zuspiel im Strafraum mit der Brust annehmen und an Tilkowski vorbei schlenzen. Vergebens hofft Michel noch: "Abseits, oder?" Nein. Erstmals in England liegt die deutsche Mannschaft zurück. Drei Minuten zuvor hat Beckenbauer die erste deutsche Chance vergeben, die zweite vergibt Held als direkte Antwort auf das 0:1 knapp. Dann ein Kopfball von Seeler, "den wir alle schon im Netz sehen" (Sport Magazin), aber Iribar kommt noch dran (31.). Zwei Minuten später kommt er nicht mehr dran, wie kann er auch mit dem Geschoss rechnen, das Lothar Emmerich auf einen Schlag berühmt macht? Nach Helds Einwurf in den Strafraum lässt "Emma" den Ball noch einmal aufspringen und drischt ihn dann Zentimeter von der Seitenauslinie mit dem Außenspann aus etwa sieben Metern an Iribars Kopf vorbei unter die Latte. Das erinnert an Rahn. In Overaths Biographie "Ja, mein Temperament" liest sich das so: "Ja, und dann kam das sagenhafte Tor von Lothar Emmerich, ein Tor, das nur Emma schießen kann. Aus einem unmöglichen Winkel, fast auf der Torauslinie stehend, knallte er auf den Kasten. Und zur großen Verwunderung unserer Spieler und zum großen Entsetzen der Spanier zappelte das Leder im Netz."

Schön schrieb in seinen Memoiren: "Wenn ich rückblickend an 'Emmas' Tor sensationelles Tor denke, wäre es mir lieber gewesen, ein anderer hätte es geschossen. Von nun an war ich, insgeheim, auf Emmerich festgelegt und mußte ihn auch im Endspiel bringen – wo er dann weitgehend ausfiel."

In Birmingham aber geht dank "Emma" ein Ruck durch die Mannschaft, endlich laufen die Kombinationen. Zuversicht gewinnt die Oberhand über die Angst vor dem Versagen. Noch vor der Pause hat Beckenbauer das 2:1 auf dem Fuß, trifft aber nur Iribar. Nach Wiederanpfiff dringt Seeler in den Strafraum ein, Gallego legt ihn. Für deutsche Beobachter ein "klarer Elfmeter", für den Brasilianer an der Pfeife, Herrn Marques, nicht. Auch nicht, als Sanchis Emmerich legt. Das Spiel wogt hin und her, noch hat sich keiner den Sieg verdient. Nach einer Stunde rettet Höttges spektakulär für Tilkowski, erst gegen Amancio, dann gegen Marcelino. Dafür bezahlt er mit einer Zerrung, drei Minuten wird der Bremer behandelt, dann kehrt er bandagiert zurück. "Unsere Abwehr hat pausenlos zu tun, es gibt keine Verschnaufpause", protokolliert das Sport Magazin. Einen der wenigen Entlastungsangriffe in dieser Phase vertändelt Krämer, der seine Aufstellung nicht rechtfertigen kann. Beckenbauer schießt aus 20 Metern weit daneben, aber immerhin schießt er mal – im Gegensatz zum Argentinien-Spiel. Fast gelingt Emmerich sein zweites Tor, Iribar hat etwas dagegen (74.). Dann endlich die Entscheidung. Sie fällt über den linken Flügel, auf den Held einfach mal ausgewichen ist. Seine flache Flanke drückt Seeler aus fünf Metern ein, er kann sich den Ball sogar noch zurecht legen. Es ist der Sieg, den Krämer noch ausbauen kann, aber er kommt nicht an Emmerichs Flanke heran. Das Tor wäre leer gewesen. Noch einmal scheitert Seeler an Iribar, dann ist es vorbei und 5000 Schlachtenbummler besingen wieder mal den wunderschönen Tag, "so schön wie heute".

Als Gruppensieger zieht Deutschland ins Viertelfinale ein und entgeht so Gastgeber England, mit dem es nun die Argentinier zu tun bekommen.

Aufstellung: Tilkowski – Höttges, Schulz, Weber, Schnellinger – Beckenbauer, Overath – Krämer, Held, Seeler, Emmerich.

Tore: 0:1 Fusté (23.), 1:1 Emmerich (39.), 2:1 Seeler (83.)

Zuschauer: 45.187

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Emmerich: "Ich habe nicht einfach losgeknallt"

Stimmen zum Spiel:

Helmut Schön: "Ich kann meine Mannschaft nur loben. Sie hat großartig gekämpft. Emmerichs Tor hat unsere Mannschaft mächtig aufgerüttelt, so dass der Sieg wohl auf Grund der zweiten Halbzeit verdient war. Ein Kompliment den Spaniern, die wohl ihr bestes Spiel in England lieferten. Die 90 Minuten haben für uns, die wir auf der Bank saßen, Nerven gekostet."

Jose Villalonga (Trainer Spaniens): "Ich beglückwünsche die deutsche Mannschaft zum ersten Platz. Sie hat ihn in jeder Weise verdient. Trotzdem bin ich mit der Meinung der heute aufgelaufenen spanischen Elf zufrieden. Sie spielte immerhin erstmals in dieser Formation zusammen und hat es der guten deutschen Mannschaft sehr schwer gemacht." Kurz danach trat er zurück.

Hermann Gößmann (DFB-Präsident): "Ein verdienter Sieg unserer Mannschaft, die sich in der zweiten Halbzeit sehr gesteigert hat. Insgesamt herrschte eine freundlichere Atmosphäre als beim Argentinien-Spiel. Der Sieg ist für uns natürlich sehr erfreulich."

Lothar Emmerich: "Ich habe nicht einfach losgeknallt, sondern blitzschnell die Lage gepeilt und instinktiv, und zum Glück den Ball voll treffend, den richtigen Winkel erwischt. Ich habe den Ball dann gar nicht mehr gesehen und erst der Jubel verriet mir, dass es ein Tor war."

Siggi Held: "Ich freue mich über Emmas herrliches Tor. Es gab ihm so viel Selbstvertrauen, dass er beinahe noch ein zweites und drittes geschossen hätte und sogar geschickt mitkombinierte."

Willi Schulz: "Wir wohnen viel zu schön, als dass einer von uns Lust hätte, nach drei Spielen schon nach Hause zu fahren!"

Helmut Haller: "Einer kann nur spielen, wenn zwei für den gleichen Posten da sind. Ich freue mich genauso, als wenn ich mitgespielt hätte."

Fernando Gallego (Kapitän Spaniens): "Gegen Uwe Seeler zu bestehen, ist eine Kunst! Selten habe ich mit einem Spieler so viel zu tun gehabt, der so unermüdlich kämpfte, so fair spielte und so prachtvolle Kopfball-Leistungen bot."

"Wenn auch die spielerischen Mittel nicht ausreichten, um die Spanier in die Knie zu zwingen, so wurden sie doch mit letztem Einsatz niedergekämpft. Es war unwahrscheinlich, wie sich unsere Elf in kämpferischer Hinsicht zu steigern wußte." (Sport Magazin)

"Der Jubel ist groß. In der Tat, man kann stolz auf die Mannschaft sein…Die frischen, ehrgeizigen Spanier entfesselten jedoch ungeahnte Kräfte. Ihnen zu widerstehen, das bedurfte der ganzen Konzentration der deutschen Abwehrkräfte. Oft genug sah es verdammt brenzlig in Tilkowskis näherer Umgebung aus." (Süddeutsche Zeitung)

"Mit dem 2:1 endete die Geschichte der spanischen Auswahl in England. Fustes Tor war eine Seifenblase der Hoffnung, Emmerichs Tor leitete den Untergang ein, Seeler gab den Spaniern den Gnadenstoß. In der Kabine herrschte tiefe Trauer." (Marca/Madrid)

"Der Villa-Park krachte nur so mit Applaus von der ersten bis zur letzten Minute. Das Spiel war ein reich verdienter Triumph für Deutschland, ein Kredit für Spanien und ein totaler Sieg für das Fußballspiel." (Daily Telegraph/England)

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