Wißing zum Abschied: "Frauenfußball ist explodiert"

Nach fast 50 Jahren in Diensten der SGS Essen geht Willi Wißing zum Ende des Jahres in den wohlverdienten Ruhestand. In dieser Zeit hat der 65 Jahre alte langjährige Geschäftsführer eine ganze Menge auf die Beine gestellt. Damals war er eigentlich nur als Spieler zur A-Jugend eines neu gegründeten Vereins gekommen, doch ehe er sich versah, trainierte er die Jugendmannschaften und zog wenig später selbst die Fäden bei der SG Essen-Schönebeck. Erfolgreich. Die Frauen, deren Mannschaft er selbst mitgegründet hat, spielen jetzt seit 14 Jahren in der Allianz Frauen-Bundesliga und haben sich von einem Abstiegskandidaten zum besten Team im Fußball-Westen entwickelt.

Wißing hat in Essen wirklich Großes auf die Beine gestellt, das weiß auch SGS-Trainer Daniel Kraus, der im zweiten Jahr an der Ardelhütte tätig ist. "Ich habe den Verein in Jena ja auch lange aus der Fremde beobachtet und verfolgt, und man muss schon sagen: Der Frauenfußball in Essen ist mit Willi Wißing verbunden. Man muss den Hut davor ziehen, was dieser kleine Verein geschafft hat." Auch Wißing muss dieser Tage selbst ein wenig staunen, wenn er auf seine Zeit bei der SGS zurückblickt. Zum neuen Jahr übergibt er die Verantwortung dann komplett in die Hände von Philipp Symanzik. Im DFB.de-Interview spricht Wißing mit Mitarbeiterin Kristina Jäger über den Abschied, seine Zeit bei der SGS und seine Zukunftspläne.

DFB.de: Ihre Zeit als Geschäftsführer der SGS geht zu Ende. Kommt ein bisschen Wehmut auf, wenn Sie daran denken?

Willi Wißing: Nein, Wehmut nicht. Es ist eben eine Entwicklung. Ich konnte mich ja im letzten Jahr schon gedanklich darauf vorbereiten und habe mich etwas rausgezogen. Und ich muss sagen, ich genieße es richtig (lacht). Ich muss ja auch zugeben, ich werde älter, bin nicht mehr ganz so dynamisch. Da ist es durchaus angenehm, wenn man ein bisschen kürzertreten kann. Und die letzten Spiele waren schon schön, als ich mich ganz ungezwungen auf der Tribüne mit den Menschen unterhalten konnte, die ich schon lange kenne, aber für die ich an Spieltagen nie Zeit hatte. Das ist eine andere Erfahrung, aber das macht Spaß.

DFB.de: Erinnern Sie sich noch an die Anfänge in der Bundesliga?

Wißing: Oh ja, sehr genau sogar. Der Aufstieg 2004 war ja eigentlich gar nicht so geplant. Wir wollten uns für die damals neugegründeten 2. Liga qualifizieren. Und dann sind wir sogar Meister in der Regionalliga geworden und waren plötzlich in der Bundesliga dabei. Ich habe dann zu Ralf Agolli (damals Trainer in Essen, Anm.d.Red.) gesagt: 'Was machen wir jetzt?' Der Aufsichtsrat sprach sich dann dafür aus, das Abenteuer Bundesliga mal für ein Jahr zu wagen. Länger hätten wir uns das ohnehin nicht leisten können.

DFB.de: Inzwischen sind es 14 Jahre und die SGS hat die Konkurrenz aus dem Westen hinter sich gelassen. Eine beeindruckende Entwicklung.

Wißing: Ja, das stimmt. Wir arbeiten hier mit bescheidenen Mitteln, haben einen der geringsten Etats der Liga. Mir war es immer wichtig, nicht mehr Geld auszugeben, als wir haben. Der Geldbeutel bestimmt das System, aber wir können nicht anders arbeiten. Wir haben unseren Weg gefunden und halten an unserem Konzept fest. Wir setzten auf junge Spielerinnen - die meisten kommen aus der Region - die sich bei uns weiterentwickeln können. Und die Mädels wissen, dass sie hier bei uns auch spielen. Hinzu kommt, dass wir den Spielerinnen auch eine Perspektive außerhalb des Fußballs bieten. Das Gesamtpaket stimmt und auch sportlich müssen wir uns nicht verstecken.

DFB.de: Beste Beispiele sind aktuell Lea Schüller (20) oder Jana Feldkamp (19), die zuletzt beide Nationalmannschafts-Luft schnuppern durften...

Wißing: Auf jeden Fall. Und sie sind nicht die einzigen. Inzwischen haben wir mit Linda Dallmann, Sara Doorsoun, Lisa Weiß und Jacqueline Klasen ein paar Spielerinnen, die immer wieder zum Kreis der Nationalmannschaft gehören. Das macht mich ein Stück weit stolz, denn es zeigt, dass unser Weg richtig ist. 

DFB.de: Seit 1973 gibt es Frauenfußball in Essen und Sie haben die Entwicklung miterlebt und vorangetrieben. Wie hat er sich in der Zeit verändert.

Wißing: Also, ich würde sagen, dass sich der Frauenfußball vor allem in den letzten zehn Jahren enorm weiterentwickelt hat. Alles ist viel athletischer geworden, viel schneller und viel professioneller natürlich auch. Wenn ich überlege, mit welcher Mannschaft wir damals aufgestiegen, von den Mädels könnte vielleicht eine heute noch mithalten. Nicht nur bei den Spielerinnen hat eine starke Entwicklung stattgefunden, auch bei den Trainern, die heute alle top ausgebildet sind. Der Frauenfußball ist richtig explodiert, das ist der helle Wahnsinn. Damals fand hier in Essen das erste U 19-Länderspiel statt, heute überlegt man, ob man nicht eine U 15-WM ausrichtet.

DFB.de: Was waren besonders einschneidende Erlebnisse für Sie mit der SGS?

Wißing: Eines war auf jeden Fall der Einzug ins DFB-Pokalfinale 2014. Auch wenn wir gegen Frankfurt verloren haben, seitdem wünschen sich hier alle, das noch einmal erleben zu können. Für mich war das eine der intensivsten Zeiten, die ich mit Essen erlebt habe. In den Wochen vorher war so viel zu organisieren. Aber es war auch eine sehr schöne Zeit, denn wir haben uns damit einen langen Traum erfüllt. Auch der Umzug ins Stadion Essen war ein Meilenstein für uns und ein schöner Umbruch. Nicht nur unsere Spielerinnen sind begeistert, auch für die Gegner ist das immer wieder etwas besonderes. Das Stadion ist toll, die Atmosphäre super. Und wir konnten bisher jedes Jahr den Zuschauerschnitt steigern.

DFB.de: Sie geben das Zepter jetzt ab an Philipp Symanzik. Welche Aufgaben stehen dem neuen Geschäftsführer der SGS jetzt bevor?

Wißing: Wir haben noch eine Menge Ideen, die wir umsetzten möchten.

DFB.de: Wir? Sie gehen doch in Rente?

Wißing: Das ist richtig, aber ich kehre dem Verein ja nicht den Rücken. Hauptamtlich ist Schluss und ich werde mich definitiv auch zurücknehmen. Schließlich bin ich Opa geworden und will gerne viel Zeit mit meiner Enkelin verbringen. Aber ehrenamtlich werde ich die SGS natürlich weiter unterstützen. Wo Hilfe gebraucht wird, bin ich da. Das Gute ist, dass ich mich jetzt um Dinge kümmern kann, die im Alltagsgeschäft einfach liegen bleiben oder für die zu wenig Zeit ist, um sie effizient voranzutreiben.

DFB.de: Was wäre das?

Wißing: Wie gesagt, wir haben einige Ideen. Wir müssen Partner suchen, die uns dabei helfen, die Infrastruktur hier zu verbessern. Die Trainingssituation ist für uns nicht optimal, das wollen wir dringend ändern. Das ist finanziell natürlich nicht einfach, aber auch da sind wir auf der Suche nach neuen Sponsoren. Außerdem soll das Projekt "Elite-Schule des Sports" vorangetrieben werden, damit die Mädels Fußball und Ausbildung besser unter einen Hut bekommen. Die Professionalisierung des Frauenfußballs geht auch an uns nicht vorbei und da wollen wir natürlich wettbewerbsfähig bleiben. Wir haben uns in der Bundesliga etabliert, sind inzwischen die beste Mannschaft im Westen. Jetzt wollen wir in den nächsten Jahren mal Champions League spielen. Und ich weiß: Unsere Mannschaft kann oben anklopfen.

[kj]

Nach fast 50 Jahren in Diensten der SGS Essen geht Willi Wißing zum Ende des Jahres in den wohlverdienten Ruhestand. In dieser Zeit hat der 65 Jahre alte langjährige Geschäftsführer eine ganze Menge auf die Beine gestellt. Damals war er eigentlich nur als Spieler zur A-Jugend eines neu gegründeten Vereins gekommen, doch ehe er sich versah, trainierte er die Jugendmannschaften und zog wenig später selbst die Fäden bei der SG Essen-Schönebeck. Erfolgreich. Die Frauen, deren Mannschaft er selbst mitgegründet hat, spielen jetzt seit 14 Jahren in der Allianz Frauen-Bundesliga und haben sich von einem Abstiegskandidaten zum besten Team im Fußball-Westen entwickelt.

Wißing hat in Essen wirklich Großes auf die Beine gestellt, das weiß auch SGS-Trainer Daniel Kraus, der im zweiten Jahr an der Ardelhütte tätig ist. "Ich habe den Verein in Jena ja auch lange aus der Fremde beobachtet und verfolgt, und man muss schon sagen: Der Frauenfußball in Essen ist mit Willi Wißing verbunden. Man muss den Hut davor ziehen, was dieser kleine Verein geschafft hat." Auch Wißing muss dieser Tage selbst ein wenig staunen, wenn er auf seine Zeit bei der SGS zurückblickt. Zum neuen Jahr übergibt er die Verantwortung dann komplett in die Hände von Philipp Symanzik. Im DFB.de-Interview spricht Wißing mit Mitarbeiterin Kristina Jäger über den Abschied, seine Zeit bei der SGS und seine Zukunftspläne.

DFB.de: Ihre Zeit als Geschäftsführer der SGS geht zu Ende. Kommt ein bisschen Wehmut auf, wenn Sie daran denken?

Willi Wißing: Nein, Wehmut nicht. Es ist eben eine Entwicklung. Ich konnte mich ja im letzten Jahr schon gedanklich darauf vorbereiten und habe mich etwas rausgezogen. Und ich muss sagen, ich genieße es richtig (lacht). Ich muss ja auch zugeben, ich werde älter, bin nicht mehr ganz so dynamisch. Da ist es durchaus angenehm, wenn man ein bisschen kürzertreten kann. Und die letzten Spiele waren schon schön, als ich mich ganz ungezwungen auf der Tribüne mit den Menschen unterhalten konnte, die ich schon lange kenne, aber für die ich an Spieltagen nie Zeit hatte. Das ist eine andere Erfahrung, aber das macht Spaß.

DFB.de: Erinnern Sie sich noch an die Anfänge in der Bundesliga?

Wißing: Oh ja, sehr genau sogar. Der Aufstieg 2004 war ja eigentlich gar nicht so geplant. Wir wollten uns für die damals neugegründeten 2. Liga qualifizieren. Und dann sind wir sogar Meister in der Regionalliga geworden und waren plötzlich in der Bundesliga dabei. Ich habe dann zu Ralf Agolli (damals Trainer in Essen, Anm.d.Red.) gesagt: 'Was machen wir jetzt?' Der Aufsichtsrat sprach sich dann dafür aus, das Abenteuer Bundesliga mal für ein Jahr zu wagen. Länger hätten wir uns das ohnehin nicht leisten können.

DFB.de: Inzwischen sind es 14 Jahre und die SGS hat die Konkurrenz aus dem Westen hinter sich gelassen. Eine beeindruckende Entwicklung.

Wißing: Ja, das stimmt. Wir arbeiten hier mit bescheidenen Mitteln, haben einen der geringsten Etats der Liga. Mir war es immer wichtig, nicht mehr Geld auszugeben, als wir haben. Der Geldbeutel bestimmt das System, aber wir können nicht anders arbeiten. Wir haben unseren Weg gefunden und halten an unserem Konzept fest. Wir setzten auf junge Spielerinnen - die meisten kommen aus der Region - die sich bei uns weiterentwickeln können. Und die Mädels wissen, dass sie hier bei uns auch spielen. Hinzu kommt, dass wir den Spielerinnen auch eine Perspektive außerhalb des Fußballs bieten. Das Gesamtpaket stimmt und auch sportlich müssen wir uns nicht verstecken.

DFB.de: Beste Beispiele sind aktuell Lea Schüller (20) oder Jana Feldkamp (19), die zuletzt beide Nationalmannschafts-Luft schnuppern durften...

Wißing: Auf jeden Fall. Und sie sind nicht die einzigen. Inzwischen haben wir mit Linda Dallmann, Sara Doorsoun, Lisa Weiß und Jacqueline Klasen ein paar Spielerinnen, die immer wieder zum Kreis der Nationalmannschaft gehören. Das macht mich ein Stück weit stolz, denn es zeigt, dass unser Weg richtig ist. 

DFB.de: Seit 1973 gibt es Frauenfußball in Essen und Sie haben die Entwicklung miterlebt und vorangetrieben. Wie hat er sich in der Zeit verändert.

Wißing: Also, ich würde sagen, dass sich der Frauenfußball vor allem in den letzten zehn Jahren enorm weiterentwickelt hat. Alles ist viel athletischer geworden, viel schneller und viel professioneller natürlich auch. Wenn ich überlege, mit welcher Mannschaft wir damals aufgestiegen, von den Mädels könnte vielleicht eine heute noch mithalten. Nicht nur bei den Spielerinnen hat eine starke Entwicklung stattgefunden, auch bei den Trainern, die heute alle top ausgebildet sind. Der Frauenfußball ist richtig explodiert, das ist der helle Wahnsinn. Damals fand hier in Essen das erste U 19-Länderspiel statt, heute überlegt man, ob man nicht eine U 15-WM ausrichtet.

DFB.de: Was waren besonders einschneidende Erlebnisse für Sie mit der SGS?

Wißing: Eines war auf jeden Fall der Einzug ins DFB-Pokalfinale 2014. Auch wenn wir gegen Frankfurt verloren haben, seitdem wünschen sich hier alle, das noch einmal erleben zu können. Für mich war das eine der intensivsten Zeiten, die ich mit Essen erlebt habe. In den Wochen vorher war so viel zu organisieren. Aber es war auch eine sehr schöne Zeit, denn wir haben uns damit einen langen Traum erfüllt. Auch der Umzug ins Stadion Essen war ein Meilenstein für uns und ein schöner Umbruch. Nicht nur unsere Spielerinnen sind begeistert, auch für die Gegner ist das immer wieder etwas besonderes. Das Stadion ist toll, die Atmosphäre super. Und wir konnten bisher jedes Jahr den Zuschauerschnitt steigern.

DFB.de: Sie geben das Zepter jetzt ab an Philipp Symanzik. Welche Aufgaben stehen dem neuen Geschäftsführer der SGS jetzt bevor?

Wißing: Wir haben noch eine Menge Ideen, die wir umsetzten möchten.

DFB.de: Wir? Sie gehen doch in Rente?

Wißing: Das ist richtig, aber ich kehre dem Verein ja nicht den Rücken. Hauptamtlich ist Schluss und ich werde mich definitiv auch zurücknehmen. Schließlich bin ich Opa geworden und will gerne viel Zeit mit meiner Enkelin verbringen. Aber ehrenamtlich werde ich die SGS natürlich weiter unterstützen. Wo Hilfe gebraucht wird, bin ich da. Das Gute ist, dass ich mich jetzt um Dinge kümmern kann, die im Alltagsgeschäft einfach liegen bleiben oder für die zu wenig Zeit ist, um sie effizient voranzutreiben.

DFB.de: Was wäre das?

Wißing: Wie gesagt, wir haben einige Ideen. Wir müssen Partner suchen, die uns dabei helfen, die Infrastruktur hier zu verbessern. Die Trainingssituation ist für uns nicht optimal, das wollen wir dringend ändern. Das ist finanziell natürlich nicht einfach, aber auch da sind wir auf der Suche nach neuen Sponsoren. Außerdem soll das Projekt "Elite-Schule des Sports" vorangetrieben werden, damit die Mädels Fußball und Ausbildung besser unter einen Hut bekommen. Die Professionalisierung des Frauenfußballs geht auch an uns nicht vorbei und da wollen wir natürlich wettbewerbsfähig bleiben. Wir haben uns in der Bundesliga etabliert, sind inzwischen die beste Mannschaft im Westen. Jetzt wollen wir in den nächsten Jahren mal Champions League spielen. Und ich weiß: Unsere Mannschaft kann oben anklopfen.

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