"Wir wollen Teil eines Kulturwandels sein"

Das Magazin 11Freunde setzt im neuen Heft einen Themenschwerpunkt und berichtet ausführlich über homophobes Denken und Verhalten im Fußball. Gleichzeitig hat das Monatsmagazin einen Aufruf verbreitet, den 800 Fußballspieler*innen unterschrieben haben, unter ihnen aktuelle und ehemalige Nationalspieler*innen. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) hat im Heft eine Anzeige geschaltet und unterstützt die jetzt startende Social-Media-Kampagne "Ihr könnt auf uns zählen". Zuletzt wurde eine Anlaufstelle für geschlechtliche und sexuelle Vielfalt im Fußball geschaffen. DFB-Präsident Fritz Keller und Anlaufstellen-Leiter Christian Rudolph sprechen im DFB.de-Interview über den "Fußball für alle".

DFB.de: Herr Keller, warum war es dem DFB, und auch Ihnen ganz persönlich, ein wichtiges Anliegen, diese Anlaufstelle zu schaffen - und welche Hoffnungen verbinden Sie mit ihr?

Fritz Keller: Fußball ist für alle. Ausrufezeichen. Auf dem Rasen und auf den Tribünen. Diese Vielfalt wollen wir leben. Dafür müssen wir sie aber auch fördern und noch bestehende Hürden abbauen. Mit der Einrichtung dieser Stelle wollen wir ein Zeichen setzen und das Signal aussenden: Das Thema geschlechtliche und sexuelle Vielfalt ist dem DFB und seinen Landesverbänden wichtig, weil uns die Menschen wichtig sind. Wir wollen keine Spieler*innen und keine Fans verlieren, weil sie sich diskriminiert oder nicht willkommen fühlen. Jede*r muss frei von Diskriminierungen und frei von Angst Fußball spielen oder anschauen können. Und wenn der Fußball für alle zugänglich sein soll, dann muss der Fußball auch für alle da sein - sie stärken und ihnen Gemeinschaft und Schutz vor Anfeindungen bieten.

DFB.de: Herr Rudolph, weshalb ist wichtig, dass es eine Anlaufstelle für geschlechtliche und sexuelle Vielfalt im Fußball gibt? 

Christian Rudolph: Weil Menschen, die etwa eine Diskriminierungserfahrung aufgrund ihrer sexuellen Identität erlebt haben, so eine Anlaufstelle brauchen. Oder für die Fußballer*innen, die einfach nur wissen wollen, bei welchem Verein in ihrer Nähe man entspannt kicken kann. Der DFB hat aus meiner Sicht ein extrem wichtiges Signal gesetzt. Jetzt müssen wir mit der Arbeit anfangen.

DFB.de: Wo sehen Sie Handlungsbedarf?

Rudolph: Der DFB hat 21 Landesverbände, von denen bislang vier Ansprechpartner*innen für LSBTI+ haben. Und dies bei insgesamt mehr als sieben Millionen Mitgliedern. Da gibt es genug zu tun. In den vergangenen zwei Jahren hat sich der Dialog stark verbessert. Der DFB, hier allen voran die Abteilung Gesellschaftliche Verantwortung, hat uns als Community eingeladen und nicht bloß Symbolpolitik betrieben, sondern wir haben gemeinsam Maßnahmen umgesetzt. Etwa die Einführung von Unisex-Toiletten bei Länderspielen und dem DFB-Pokalfinale oder das Hissen der Regenbogen-Flagge vor der DFB-Zentrale. Das waren wichtige Momente, die jetzt von DFB-Präsident Fritz Keller mit der Einrichtung einer Stelle untermauert werden.

Keller: In Deutschland hat sich bis heute noch kein aktiver Profispieler zu seiner Homosexualität bekannt, aber auch im Amateurfußball ist ein Coming-Out noch lange keine Selbstverständlichkeit. Das wird es aber hoffentlich eines Tages, und die Strategien, die nun auch von Christian Rudolph gemeinsam mit dem DFB entwickelt werden, sollen dazu beitragen. Wir wollen aufklären und sensibilisieren - für Sprache, für den Umgang miteinander in der Kabine und auf dem Platz. Spieler*innen, Trainer*innen, aber auch Funktionär*innen und Berater*innen, Ehrenamtliche. Alle. Wir wollen Teil eines Kulturwandels sein.

DFB.de: Herr Keller, hat der Fußball schon Fortschritte gemacht?

Keller: Unsere gesamte Gesellschaft hat Fortschritte gemacht und der Fußball als Teil dieser Gesellschaft auch. Aber es gibt noch viel zu tun. Und hierbei wollen wir als Fußball vorangehen und Unterstützer*innen aus weiteren gesellschaftlichen Bereichen gewinnen. Wir wollen auf dem Weg zur Europameisterschaft 2024 in Deutschland weitere Fortschritte machen. Denn dieses Turnier steht unter dem Motto "EURO für alle".

DFB.de: Aber ist der Spitzenfußball tatsächlich so weit, dass Spielerinnen und Spieler zu einer gleichgeschlechtlichen Liebesbeziehung stehen können?

Keller: Die Zeit ist reif, dass wir damit gelassen und selbstverständlich umgehen. Sollte demnächst ein aktueller Bundesligaspieler seine Homosexualität öffentlich machen, bin ich sehr zuversichtlich, dass er breite Unterstützung erfahren wird. Es wird Anfeindungen über Social Media geben, die lassen sich derzeit leider nicht vermeiden, aber noch mehr Zuspruch. Ich erwarte viel Zustimmung und sehr viel Gelassenheit. Unsere Aufgabe ist es dabei, unsere Spieler*innen auf ihrem persönlichen Weg bestmöglich zu unterstützen und ihnen eine sichere Umgebung im Fußball zu bieten. Dafür setze ich mich ein.

DFB.de: Der DFB hat die Stelle gemeinsam mit dem Lesben- und Schwulenverband in Deutschland LSVD eingerichtet. Warum hat der DFB sie nicht direkt im Verband angesiedelt? 

Keller: Mit dem LSVD haben wir einen starken Partner mit der größtmöglichen Expertise, Erfahrung und Glaubwürdigkeit an unserer Seite, mit dem wir schon seit Jahren zusammenarbeiten. Diese erfolgreiche Arbeit wollen wir nun noch einmal professionalisieren. Es geht bei diesen sensiblen und auch privaten Themen ganz stark um Vertrauen - das hoffen wir mit einer unabhängigen Stelle zu stärken.

DFB.de: Herr Rudolph, worauf kommt es jetzt an? 

Rudolph: Wichtig ist es jetzt, die Anlaufstelle weiter bekannt zu machen, im Fußball, auch beim DFB in den verschiedenen Direktionen. Ich stelle mich gerade den einzelnen Abteilungen im DFB vor. Klare Zielvorgabe: Die Anlaufstelle ist das Bindeglied zwischen dem Amateur- und dem Spitzenfußball sowie der Community und soll einfach den Dialog fördern. Wir sind auch schon dabei, die Sport Pride zu planen. Und demnächst bekommt die Anlaufstelle eine eigene Homepage. Wir als Fußball müssen bei diesem Anliegen jetzt einen Sprung machen. Wäre doch echt schade, wenn wir hier nicht etwas entspannter miteinander leben könnten.

[al/th]

Das Magazin 11Freunde setzt im neuen Heft einen Themenschwerpunkt und berichtet ausführlich über homophobes Denken und Verhalten im Fußball. Gleichzeitig hat das Monatsmagazin einen Aufruf verbreitet, den 800 Fußballspieler*innen unterschrieben haben, unter ihnen aktuelle und ehemalige Nationalspieler*innen. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) hat im Heft eine Anzeige geschaltet und unterstützt die jetzt startende Social-Media-Kampagne "Ihr könnt auf uns zählen". Zuletzt wurde eine Anlaufstelle für geschlechtliche und sexuelle Vielfalt im Fußball geschaffen. DFB-Präsident Fritz Keller und Anlaufstellen-Leiter Christian Rudolph sprechen im DFB.de-Interview über den "Fußball für alle".

DFB.de: Herr Keller, warum war es dem DFB, und auch Ihnen ganz persönlich, ein wichtiges Anliegen, diese Anlaufstelle zu schaffen - und welche Hoffnungen verbinden Sie mit ihr?

Fritz Keller: Fußball ist für alle. Ausrufezeichen. Auf dem Rasen und auf den Tribünen. Diese Vielfalt wollen wir leben. Dafür müssen wir sie aber auch fördern und noch bestehende Hürden abbauen. Mit der Einrichtung dieser Stelle wollen wir ein Zeichen setzen und das Signal aussenden: Das Thema geschlechtliche und sexuelle Vielfalt ist dem DFB und seinen Landesverbänden wichtig, weil uns die Menschen wichtig sind. Wir wollen keine Spieler*innen und keine Fans verlieren, weil sie sich diskriminiert oder nicht willkommen fühlen. Jede*r muss frei von Diskriminierungen und frei von Angst Fußball spielen oder anschauen können. Und wenn der Fußball für alle zugänglich sein soll, dann muss der Fußball auch für alle da sein - sie stärken und ihnen Gemeinschaft und Schutz vor Anfeindungen bieten.

DFB.de: Herr Rudolph, weshalb ist wichtig, dass es eine Anlaufstelle für geschlechtliche und sexuelle Vielfalt im Fußball gibt? 

Christian Rudolph: Weil Menschen, die etwa eine Diskriminierungserfahrung aufgrund ihrer sexuellen Identität erlebt haben, so eine Anlaufstelle brauchen. Oder für die Fußballer*innen, die einfach nur wissen wollen, bei welchem Verein in ihrer Nähe man entspannt kicken kann. Der DFB hat aus meiner Sicht ein extrem wichtiges Signal gesetzt. Jetzt müssen wir mit der Arbeit anfangen.

DFB.de: Wo sehen Sie Handlungsbedarf?

Rudolph: Der DFB hat 21 Landesverbände, von denen bislang vier Ansprechpartner*innen für LSBTI+ haben. Und dies bei insgesamt mehr als sieben Millionen Mitgliedern. Da gibt es genug zu tun. In den vergangenen zwei Jahren hat sich der Dialog stark verbessert. Der DFB, hier allen voran die Abteilung Gesellschaftliche Verantwortung, hat uns als Community eingeladen und nicht bloß Symbolpolitik betrieben, sondern wir haben gemeinsam Maßnahmen umgesetzt. Etwa die Einführung von Unisex-Toiletten bei Länderspielen und dem DFB-Pokalfinale oder das Hissen der Regenbogen-Flagge vor der DFB-Zentrale. Das waren wichtige Momente, die jetzt von DFB-Präsident Fritz Keller mit der Einrichtung einer Stelle untermauert werden.

Keller: In Deutschland hat sich bis heute noch kein aktiver Profispieler zu seiner Homosexualität bekannt, aber auch im Amateurfußball ist ein Coming-Out noch lange keine Selbstverständlichkeit. Das wird es aber hoffentlich eines Tages, und die Strategien, die nun auch von Christian Rudolph gemeinsam mit dem DFB entwickelt werden, sollen dazu beitragen. Wir wollen aufklären und sensibilisieren - für Sprache, für den Umgang miteinander in der Kabine und auf dem Platz. Spieler*innen, Trainer*innen, aber auch Funktionär*innen und Berater*innen, Ehrenamtliche. Alle. Wir wollen Teil eines Kulturwandels sein.

DFB.de: Herr Keller, hat der Fußball schon Fortschritte gemacht?

Keller: Unsere gesamte Gesellschaft hat Fortschritte gemacht und der Fußball als Teil dieser Gesellschaft auch. Aber es gibt noch viel zu tun. Und hierbei wollen wir als Fußball vorangehen und Unterstützer*innen aus weiteren gesellschaftlichen Bereichen gewinnen. Wir wollen auf dem Weg zur Europameisterschaft 2024 in Deutschland weitere Fortschritte machen. Denn dieses Turnier steht unter dem Motto "EURO für alle".

DFB.de: Aber ist der Spitzenfußball tatsächlich so weit, dass Spielerinnen und Spieler zu einer gleichgeschlechtlichen Liebesbeziehung stehen können?

Keller: Die Zeit ist reif, dass wir damit gelassen und selbstverständlich umgehen. Sollte demnächst ein aktueller Bundesligaspieler seine Homosexualität öffentlich machen, bin ich sehr zuversichtlich, dass er breite Unterstützung erfahren wird. Es wird Anfeindungen über Social Media geben, die lassen sich derzeit leider nicht vermeiden, aber noch mehr Zuspruch. Ich erwarte viel Zustimmung und sehr viel Gelassenheit. Unsere Aufgabe ist es dabei, unsere Spieler*innen auf ihrem persönlichen Weg bestmöglich zu unterstützen und ihnen eine sichere Umgebung im Fußball zu bieten. Dafür setze ich mich ein.

DFB.de: Der DFB hat die Stelle gemeinsam mit dem Lesben- und Schwulenverband in Deutschland LSVD eingerichtet. Warum hat der DFB sie nicht direkt im Verband angesiedelt? 

Keller: Mit dem LSVD haben wir einen starken Partner mit der größtmöglichen Expertise, Erfahrung und Glaubwürdigkeit an unserer Seite, mit dem wir schon seit Jahren zusammenarbeiten. Diese erfolgreiche Arbeit wollen wir nun noch einmal professionalisieren. Es geht bei diesen sensiblen und auch privaten Themen ganz stark um Vertrauen - das hoffen wir mit einer unabhängigen Stelle zu stärken.

DFB.de: Herr Rudolph, worauf kommt es jetzt an? 

Rudolph: Wichtig ist es jetzt, die Anlaufstelle weiter bekannt zu machen, im Fußball, auch beim DFB in den verschiedenen Direktionen. Ich stelle mich gerade den einzelnen Abteilungen im DFB vor. Klare Zielvorgabe: Die Anlaufstelle ist das Bindeglied zwischen dem Amateur- und dem Spitzenfußball sowie der Community und soll einfach den Dialog fördern. Wir sind auch schon dabei, die Sport Pride zu planen. Und demnächst bekommt die Anlaufstelle eine eigene Homepage. Wir als Fußball müssen bei diesem Anliegen jetzt einen Sprung machen. Wäre doch echt schade, wenn wir hier nicht etwas entspannter miteinander leben könnten.

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