Werder gegen Bayern: Kutzop und das Elferdrama

Es sind Duelle, die sich ins kollektive Gedächtnis der Fußballfans eingebrannt haben. Spiele für die ganz großen Emotionen - Begeisterung und Entsetzen, Siegestaumel und tiefe Trauer. Begegnungen, die Millionen von Menschen in ihren Bann ziehen, jedes Mal aufs Neue. Unvergessene Momente der Bundesligahistorie, 90 Minuten für die Ewigkeit, die normale Partien zu Klassikern gemacht haben.

Ein Spiel und seine Geschichte: In einer neuen Serie schaut der DFB.de-Autor und Historiker Udo Muras immer freitags während der Saison in die Chronik von ganz besonderen Bundesliga-Duellen, die aktuell anstehen. Heute: Werder Bremen gegen FC Bayern.

Gipfeltreffen der Ewigen Tabelle

Dass diese Partie für den Meisterschaftsausgang einmal nicht relevant sein könnte - so wie es am Samstag (ab 15.30 Uhr, live bei Sky) der fall sein könnte -, hat man sich eigentlich kaum vorstellen können. Zuletzt war es vor rund 20 Jahren der Fall, dass sich zu Beginn der Rückrunde weder Werder Bremen noch der FC Bayern München ernsthaft Titelchancen ausrechnen konnten.

Ein Spitzenspiel ist es am 20. Spieltag der Saison 2010/2011 gewissermaßen doch, denn in der Ewigen Tabelle der Bundesliga belegen sie die beiden ersten Plätze. Das spricht für eine glorreiche Vergangenheit, die sich auch in so mancher der bisher 89 Partien widerspiegelt.

Premiere 1965, 26 Werder- und 38 Bayern-Siege

Erstaunliche Fakten hat diese Paarung produziert, unglaubliche Tore und tiefe Wunden. Beide haben sich ziemlich oft wehgetan seit der Premiere 1965. Gegenseitig haben sie sich mit Vergnügen die Meisterschaft vermasselt, und jeder ist des anderen Angstgegner, denn jeder hat am häufigsten gegen den anderen verloren. 26 Siege gegen die Bayern sind nur Werder geglückt, und Bayern hat die Bremer gar 38-mal geschlagen – auch ein Rekord.

Was nach einem Widerspruch aussieht, ist das Resultat einer leidenschaftlichen Beziehung, in der sich die Kontrahenten oft auf Augenhöhe bewegten und rein gar nichts schenkten. Schon gar nicht, als die Trainer Otto Rehhagel und Udo Lattek und die Manager Willi Lemke und Uli Hoeneß hießen – sie verkörperten die Rivalität der Klubs, die in den Achtzigern unter dem Etikett „Klassenkampf“ firmierte.

Erstes von 282 Toren durch Sepp Piontek

Als alles im Dezember 1965 begann, lagen formal noch Welten zwischen den Hansestädtern als aktueller Meister und dem noch unbedeutenden Aufsteiger aus dem Süden. Doch wer siegte? Die Bayern – 3:1 nach 0:1. Der Kaiser selbst sorgte mit einem verwandelten Elfmeter für die Entscheidung, nachdem Sepp Piontek das erste von mittlerweile 282 Toren in diesem Duell geköpft hatte.

Im Rückspiel (1:1) gab es für die Bayern schon vor dem Anstoß Pfiffe, weil sie mit Rücksicht auf das anstehende Pokalfinale fünf Reservisten einsetzten. Das haben sie in der Folge nie mehr gewagt, denn das Weserstadion wurde zum wahren Schrecken zweier Münchner Spielergenerationen. Nirgendwo sonst verloren die Bayern öfter (19-mal), und als Otto Rehhagel Werders Trainer wurde, haben sie dort nie gewonnen.

FCB: 19 Jahre Wartezeit bis zum nächsten Auswärtssieg

Die Serie begann nach Bremens einziger Abstiegssaison 1979/1980, als der FC Bayern wiederum Meister wurde. Nach dem 4:1 vom 3. November 1979 mit zwei Toren von Dieter Hoeneß mussten sie unglaubliche 19 Jahre warten, ehe sie am 4. April 1998 wieder jubeln durften. Mehmet Scholls Doppelschlag brach den Bann, Carsten Jancker sorgte für den 3:0-Endstand.

Während Bremens Jens Todt geknickt von einer „Katastrophe“ sprach („Wir haben uns regelrecht vorführen lassen“), schöpfte Bayern neuen Mut im Titelkampf 1997/1998. Uli Hoeneß sagte: „So muss man spielen, wenn man Meister werden will.“

Endlich hatte das Weserstadion seinen Schrecken verloren für den Rekordmeister, seitdem gab es fünf weitere Siege. Wie im Vorjahr, als ein sensationeller Freistoß von Arjen Robben Bayerns 3:2 sicherte.

Unvergessenes Einwurftor durch Reinders

Wer so oft gegeneinander spielt, hat natürlich mehr Chancen, Momente für die Ewigkeit zu kreieren. Besonders in den 80er-Jahren gab es einige unvergessliche Spiele. Ins Kuriositätenkabinett der Bundesligahistorie ging beispielsweise der 21. August 1982 ein, als Werder durch ein Einwurftor von Uwe Reinders 1:0 gewann. Offiziell war es ein Eigentor, denn Torwart Jean-Marie Pfaff war noch mit den Fingern dran gewesen, sonst hätte es Abstoß gegeben.

„Das war ein Tor, das in die Geschichte eingehen wird“, brüllte der Stadionsprecher und nannte in Unkenntnis der Regeln als Torschützen oder besser Torwerfer dennoch Uwe Reinders. Der Belgier Pfaff reflektierte sein verpatztes Bundesligasdebüt so: „Es war ein Moment des Unglücks. Gerade als ich den Ball packen wollte, wehte ihn der Wind wieder hoch.“ Immerhin freute er sich über ausnahmslos aufmunternde Fanpost.

Böse Briefe erhielt dagegen Klaus Augenthaler nach seinem Foul an Nationalstürmer Rudi Völler am 23. November 1985 im Olympiastadion, das Bayern trotz 45-minütiger Unterzahl mit 3:1 gewann. Der Platzverweis für Lothar Matthäus nach einem Tritt gegen Bruno Pezzey löste bei der Elf von Udo Lattek eine Trotzreaktion aus, und wieder traf der eingewechselte Werder-Schreck Dieter Hoeneß zweimal.

"Das wichtigste Spiel meines Lebens"

Rudi Völler indes fiel bis zum Rückspiel mit Adduktorenabriss aus, das ebenfalls in die Historie eingehen sollte. Für Otto Rehhagel war es damals gar „das wichtigste Spiel meines Lebens.“ Zum Glück sollte er später noch Schöneres erleben dürfen als am 22. April 1986.

Da lag die Meisterschale für Werder quasi schon auf dem Präsentierteller, als es beim Stand von 0:0 im Hit zwischen dem Ersten und dem Zweiten in der 89. Minute einen Handelfmeter gab. Ein Sieg an diesem vorletzten Spieltag hätte den Hanseaten vorzeitig den Titel beschert, der Strafstoß war also ein Match- und Meisterschaftball.

Ausgerechnet Völler hatte ihn bei seinem Comeback herausgeholt - und dass Sören Lerby der Ball in Wahrheit nur ins Gesicht gesprungen war, empfand so mancher als ausgleichende Ungerechtigkeit für das Augenthaler-Foul. Doch was dann geschah, beschäftigt die Beteiligten noch heute.

128 Sekunden, um nervös zu werden

Michael Kutzop, einer der sichersten Elfmeterschützen der Bundesliga, musste lange auf den einzigen Ball warten, den Bayerns Co-Trainer Egon Coordes vor Wut weggedroschen hatte. Zu lange. Exakt 128 Sekunden. Er bekam Zeit, nervös zu werden, und so versagte Kutzop („Vielleicht habe ich da einfach zu viel Zeit gehabt nachzudenken“) unter dem riesigen Erwartungsdruck. Er traf nur den Pfosten und erhielt nachts hämische Anrufe von dankbaren Bayern-Fans.

Nur die wenigsten wissen, dass auch ein eventuelles Tor nicht gezählt hätte. Denn Schiedsrichter Volker Roth sagte ihm im Kabinengang, er hätte den Elfmeter wegen seines verzögerten Anlaufs ohnehin wiederholen lassen.

"Du bist schuld, dass ich nie Deutscher Meister geworden bin"

Wie auch immer, spätestens seit jenem Dienstag vor fast 25 Jahren sprechen gegnerische Fans oft vom Bayern-Dusel. Denn München nutzte die Chance und fing Werder vier Tage später noch ab und wurde Meister. Den Elfmeter zeigt Rudi Völler den Kindern seiner Fußballschule auf Mallorca noch heute, und wenn er seinen Freund Kutzop wiedersieht, frozzelt er gern: „Du bist schuld, dass ich nie Deutscher Meister geworden bin.“

Als es Werder endlich schaffte, war Völler gerade weg. Und auf dem Weg zum Titel 1988 war das 3:1 Ende März gegen die Bayern vorentscheidend. Elfmeter für beide leiteten den Torreigen ein, dann hatte Karl-Heinz Riedle seinen großen Auftritt und schoss zwei Treffer. Den Vier-Punkte-Vorsprung ließ sich Werder nicht mehr nehmen.

Freibier für Zickler?

Im September 1990 stürzte ein Traumtor von Uli Borowka aus rund 35 Metern die Bayern von der Spitze – wer es je gesehen hat, wird es nie vergessen. Ein Tor und zwei Punkte, die den Bayern in der Abrechnung 1990/1991 zum Titel fehlten. Es war die Phase, als Werder zwölfmal in Serie nicht gegen Bayern verlor (1988 bis 1994) – selbst dann nicht, als Oliver Reck in München den Ball ins eigene Tor köpfte. Auch ein Rekord.

Im letzten Spiel der Saison 1994/1995 verdarben dann wiederum die Münchner Werder die Meisterfete. Obwohl es für sie selbst um nichts mehr ging, schlugen sie die Mannschaft ihres künftigen Trainers Otto Rehhagel 3:1.

Es war eines der größten Spiele von Alexander Zickler (zwei Tore), der an jenem 17. Juni 1995 in Dortmund sicher Freibier bis zum Abwinken bekommen hätte. Denn Bremens Pech war Dortmunds Meister-Glück. Und es begründete die schwierige Beziehung zwischen den Bayern-Profis und Otto Rehhagel, der nicht mal seine erste Münchner Saison überstand.

Blaues Auge für Beckenbauer

Kurz nach seiner Entlassung nahmen die Bremer im Mai 1996 Revanche und verdarben den nun von Franz Beckenbauer trainierten Bayern die Titelchancen. Obwohl nach einem Doppelschlag Emil Kostadinows bereits 2:0 vorne liegend, verlor der Gast mit 2:3. Matchwinner war Marco Bode, der ebenfalls doppelt traf.

Franz Beckenbauer schlich angeschlagen aus dem Stadion, und das blaue Auge, das er sich beim Training durch einen unkontrolliert fliegenden Ball zugezogen hatte, passte zur Situation beim Rekordmeister. Werders Fans sangen derweil spöttisch „Ohne Otto habt ihr keine Chance“, und Stürmer Bernd Hobsch gab zu: „Wir haben heute auch ein bisschen für Otto Rehhagel gespielt.“ Willi Lemke beglich alte Rechnungen: „Die Bayern haben uns im Vorjahr die Meisterschaft geklaut, nun haben wir Revanche geübt. Es steht 1:1.“

Bremer Meisterjubel in München

Einmal noch vermasselte Werder den Bayern den Titel, aus ureigenstem Interesse. Am 8. Mai 2004 gewannen sie im Gegensatz zu 1986 das Spitzenspiel (3:1) und wurden vorzeitig Meister – und das in München. Rund 150.000 Menschen wollten Karten, 63.000 waren letztlich gekommen, um ein packendes Meisterfinale zu sehen.

Hatte Uli Hoeneß nicht kämpferisch gefordert: „Wir müssen die Bremer niedermachen, wegfegen“? Doch sie wurden mehrheitlich enttäuscht. Eine brillante Werder-Auswahl führte schon zur Pause mit 3:0, auch weil Oliver Kahn nicht seinen besten Tag hatte. Ivan Klasnic, Johan Micoud und Ailton schossen die Tore zu Werders bis dato letzter Meisterschaft – und dass es in München geschah, war doppelt schön für die Hanseaten.

Bremens Manager Klaus Allofs frohlockte denn auch: „Den Versuchen aus München, uns nervös zu machen, haben wir sensationell standgehalten.“

Klinsmann-Niederlage und Ribery-Traumsolo

Heute würde er sich wohl über den einen oder anderen Giftpfeil aus München durchaus freuen – würde das doch bedeuten, dass Werder ein Konkurrent auf Augenhöhe wäre. Doch seit Mai 2004 reichte es nur noch zu einigen Bremer Nadelstichen gegen die Bayern, wie das legendäre 5:2 in München zum Wiesn-Beginn 2008.

Es war der Anfang vom Ende der kurzen Ära des Bayern-Trainers Jürgen Klinsmann. Und wieder sprach man in Bremen von Revanche, hatten die Bayern doch im Vorjahr in Bremen gar mit 4:0 gewonnen. Dank eines überragenden Franck Ribery, der mit einem Solo übers halbe Feld einen der vielen magischen Momente lieferte, für den dieses Duell steht. Fortsetzung folgt ganz gewiss. Schon am Samstag?

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Es sind Duelle, die sich ins kollektive Gedächtnis der Fußballfans eingebrannt haben. Spiele für die ganz großen Emotionen - Begeisterung und Entsetzen, Siegestaumel und tiefe Trauer. Begegnungen, die Millionen von Menschen in ihren Bann ziehen, jedes Mal aufs Neue. Unvergessene Momente der Bundesligahistorie, 90 Minuten für die Ewigkeit, die normale Partien zu Klassikern gemacht haben.

Ein Spiel und seine Geschichte: In einer neuen Serie schaut der DFB.de-Autor und Historiker Udo Muras immer freitags während der Saison in die Chronik von ganz besonderen Bundesliga-Duellen, die aktuell anstehen. Heute: Werder Bremen gegen FC Bayern.

Gipfeltreffen der Ewigen Tabelle

Dass diese Partie für den Meisterschaftsausgang einmal nicht relevant sein könnte - so wie es am Samstag (ab 15.30 Uhr, live bei Sky) der fall sein könnte -, hat man sich eigentlich kaum vorstellen können. Zuletzt war es vor rund 20 Jahren der Fall, dass sich zu Beginn der Rückrunde weder Werder Bremen noch der FC Bayern München ernsthaft Titelchancen ausrechnen konnten.

Ein Spitzenspiel ist es am 20. Spieltag der Saison 2010/2011 gewissermaßen doch, denn in der Ewigen Tabelle der Bundesliga belegen sie die beiden ersten Plätze. Das spricht für eine glorreiche Vergangenheit, die sich auch in so mancher der bisher 89 Partien widerspiegelt.

Premiere 1965, 26 Werder- und 38 Bayern-Siege

Erstaunliche Fakten hat diese Paarung produziert, unglaubliche Tore und tiefe Wunden. Beide haben sich ziemlich oft wehgetan seit der Premiere 1965. Gegenseitig haben sie sich mit Vergnügen die Meisterschaft vermasselt, und jeder ist des anderen Angstgegner, denn jeder hat am häufigsten gegen den anderen verloren. 26 Siege gegen die Bayern sind nur Werder geglückt, und Bayern hat die Bremer gar 38-mal geschlagen – auch ein Rekord.

Was nach einem Widerspruch aussieht, ist das Resultat einer leidenschaftlichen Beziehung, in der sich die Kontrahenten oft auf Augenhöhe bewegten und rein gar nichts schenkten. Schon gar nicht, als die Trainer Otto Rehhagel und Udo Lattek und die Manager Willi Lemke und Uli Hoeneß hießen – sie verkörperten die Rivalität der Klubs, die in den Achtzigern unter dem Etikett „Klassenkampf“ firmierte.

Erstes von 282 Toren durch Sepp Piontek

Als alles im Dezember 1965 begann, lagen formal noch Welten zwischen den Hansestädtern als aktueller Meister und dem noch unbedeutenden Aufsteiger aus dem Süden. Doch wer siegte? Die Bayern – 3:1 nach 0:1. Der Kaiser selbst sorgte mit einem verwandelten Elfmeter für die Entscheidung, nachdem Sepp Piontek das erste von mittlerweile 282 Toren in diesem Duell geköpft hatte.

Im Rückspiel (1:1) gab es für die Bayern schon vor dem Anstoß Pfiffe, weil sie mit Rücksicht auf das anstehende Pokalfinale fünf Reservisten einsetzten. Das haben sie in der Folge nie mehr gewagt, denn das Weserstadion wurde zum wahren Schrecken zweier Münchner Spielergenerationen. Nirgendwo sonst verloren die Bayern öfter (19-mal), und als Otto Rehhagel Werders Trainer wurde, haben sie dort nie gewonnen.

FCB: 19 Jahre Wartezeit bis zum nächsten Auswärtssieg

Die Serie begann nach Bremens einziger Abstiegssaison 1979/1980, als der FC Bayern wiederum Meister wurde. Nach dem 4:1 vom 3. November 1979 mit zwei Toren von Dieter Hoeneß mussten sie unglaubliche 19 Jahre warten, ehe sie am 4. April 1998 wieder jubeln durften. Mehmet Scholls Doppelschlag brach den Bann, Carsten Jancker sorgte für den 3:0-Endstand.

Während Bremens Jens Todt geknickt von einer „Katastrophe“ sprach („Wir haben uns regelrecht vorführen lassen“), schöpfte Bayern neuen Mut im Titelkampf 1997/1998. Uli Hoeneß sagte: „So muss man spielen, wenn man Meister werden will.“

Endlich hatte das Weserstadion seinen Schrecken verloren für den Rekordmeister, seitdem gab es fünf weitere Siege. Wie im Vorjahr, als ein sensationeller Freistoß von Arjen Robben Bayerns 3:2 sicherte.

Unvergessenes Einwurftor durch Reinders

Wer so oft gegeneinander spielt, hat natürlich mehr Chancen, Momente für die Ewigkeit zu kreieren. Besonders in den 80er-Jahren gab es einige unvergessliche Spiele. Ins Kuriositätenkabinett der Bundesligahistorie ging beispielsweise der 21. August 1982 ein, als Werder durch ein Einwurftor von Uwe Reinders 1:0 gewann. Offiziell war es ein Eigentor, denn Torwart Jean-Marie Pfaff war noch mit den Fingern dran gewesen, sonst hätte es Abstoß gegeben.

„Das war ein Tor, das in die Geschichte eingehen wird“, brüllte der Stadionsprecher und nannte in Unkenntnis der Regeln als Torschützen oder besser Torwerfer dennoch Uwe Reinders. Der Belgier Pfaff reflektierte sein verpatztes Bundesligasdebüt so: „Es war ein Moment des Unglücks. Gerade als ich den Ball packen wollte, wehte ihn der Wind wieder hoch.“ Immerhin freute er sich über ausnahmslos aufmunternde Fanpost.

Böse Briefe erhielt dagegen Klaus Augenthaler nach seinem Foul an Nationalstürmer Rudi Völler am 23. November 1985 im Olympiastadion, das Bayern trotz 45-minütiger Unterzahl mit 3:1 gewann. Der Platzverweis für Lothar Matthäus nach einem Tritt gegen Bruno Pezzey löste bei der Elf von Udo Lattek eine Trotzreaktion aus, und wieder traf der eingewechselte Werder-Schreck Dieter Hoeneß zweimal.

"Das wichtigste Spiel meines Lebens"

Rudi Völler indes fiel bis zum Rückspiel mit Adduktorenabriss aus, das ebenfalls in die Historie eingehen sollte. Für Otto Rehhagel war es damals gar „das wichtigste Spiel meines Lebens.“ Zum Glück sollte er später noch Schöneres erleben dürfen als am 22. April 1986.

Da lag die Meisterschale für Werder quasi schon auf dem Präsentierteller, als es beim Stand von 0:0 im Hit zwischen dem Ersten und dem Zweiten in der 89. Minute einen Handelfmeter gab. Ein Sieg an diesem vorletzten Spieltag hätte den Hanseaten vorzeitig den Titel beschert, der Strafstoß war also ein Match- und Meisterschaftball.

Ausgerechnet Völler hatte ihn bei seinem Comeback herausgeholt - und dass Sören Lerby der Ball in Wahrheit nur ins Gesicht gesprungen war, empfand so mancher als ausgleichende Ungerechtigkeit für das Augenthaler-Foul. Doch was dann geschah, beschäftigt die Beteiligten noch heute.

128 Sekunden, um nervös zu werden

Michael Kutzop, einer der sichersten Elfmeterschützen der Bundesliga, musste lange auf den einzigen Ball warten, den Bayerns Co-Trainer Egon Coordes vor Wut weggedroschen hatte. Zu lange. Exakt 128 Sekunden. Er bekam Zeit, nervös zu werden, und so versagte Kutzop („Vielleicht habe ich da einfach zu viel Zeit gehabt nachzudenken“) unter dem riesigen Erwartungsdruck. Er traf nur den Pfosten und erhielt nachts hämische Anrufe von dankbaren Bayern-Fans.

Nur die wenigsten wissen, dass auch ein eventuelles Tor nicht gezählt hätte. Denn Schiedsrichter Volker Roth sagte ihm im Kabinengang, er hätte den Elfmeter wegen seines verzögerten Anlaufs ohnehin wiederholen lassen.

"Du bist schuld, dass ich nie Deutscher Meister geworden bin"

Wie auch immer, spätestens seit jenem Dienstag vor fast 25 Jahren sprechen gegnerische Fans oft vom Bayern-Dusel. Denn München nutzte die Chance und fing Werder vier Tage später noch ab und wurde Meister. Den Elfmeter zeigt Rudi Völler den Kindern seiner Fußballschule auf Mallorca noch heute, und wenn er seinen Freund Kutzop wiedersieht, frozzelt er gern: „Du bist schuld, dass ich nie Deutscher Meister geworden bin.“

Als es Werder endlich schaffte, war Völler gerade weg. Und auf dem Weg zum Titel 1988 war das 3:1 Ende März gegen die Bayern vorentscheidend. Elfmeter für beide leiteten den Torreigen ein, dann hatte Karl-Heinz Riedle seinen großen Auftritt und schoss zwei Treffer. Den Vier-Punkte-Vorsprung ließ sich Werder nicht mehr nehmen.

Freibier für Zickler?

Im September 1990 stürzte ein Traumtor von Uli Borowka aus rund 35 Metern die Bayern von der Spitze – wer es je gesehen hat, wird es nie vergessen. Ein Tor und zwei Punkte, die den Bayern in der Abrechnung 1990/1991 zum Titel fehlten. Es war die Phase, als Werder zwölfmal in Serie nicht gegen Bayern verlor (1988 bis 1994) – selbst dann nicht, als Oliver Reck in München den Ball ins eigene Tor köpfte. Auch ein Rekord.

Im letzten Spiel der Saison 1994/1995 verdarben dann wiederum die Münchner Werder die Meisterfete. Obwohl es für sie selbst um nichts mehr ging, schlugen sie die Mannschaft ihres künftigen Trainers Otto Rehhagel 3:1.

Es war eines der größten Spiele von Alexander Zickler (zwei Tore), der an jenem 17. Juni 1995 in Dortmund sicher Freibier bis zum Abwinken bekommen hätte. Denn Bremens Pech war Dortmunds Meister-Glück. Und es begründete die schwierige Beziehung zwischen den Bayern-Profis und Otto Rehhagel, der nicht mal seine erste Münchner Saison überstand.

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Blaues Auge für Beckenbauer

Kurz nach seiner Entlassung nahmen die Bremer im Mai 1996 Revanche und verdarben den nun von Franz Beckenbauer trainierten Bayern die Titelchancen. Obwohl nach einem Doppelschlag Emil Kostadinows bereits 2:0 vorne liegend, verlor der Gast mit 2:3. Matchwinner war Marco Bode, der ebenfalls doppelt traf.

Franz Beckenbauer schlich angeschlagen aus dem Stadion, und das blaue Auge, das er sich beim Training durch einen unkontrolliert fliegenden Ball zugezogen hatte, passte zur Situation beim Rekordmeister. Werders Fans sangen derweil spöttisch „Ohne Otto habt ihr keine Chance“, und Stürmer Bernd Hobsch gab zu: „Wir haben heute auch ein bisschen für Otto Rehhagel gespielt.“ Willi Lemke beglich alte Rechnungen: „Die Bayern haben uns im Vorjahr die Meisterschaft geklaut, nun haben wir Revanche geübt. Es steht 1:1.“

Bremer Meisterjubel in München

Einmal noch vermasselte Werder den Bayern den Titel, aus ureigenstem Interesse. Am 8. Mai 2004 gewannen sie im Gegensatz zu 1986 das Spitzenspiel (3:1) und wurden vorzeitig Meister – und das in München. Rund 150.000 Menschen wollten Karten, 63.000 waren letztlich gekommen, um ein packendes Meisterfinale zu sehen.

Hatte Uli Hoeneß nicht kämpferisch gefordert: „Wir müssen die Bremer niedermachen, wegfegen“? Doch sie wurden mehrheitlich enttäuscht. Eine brillante Werder-Auswahl führte schon zur Pause mit 3:0, auch weil Oliver Kahn nicht seinen besten Tag hatte. Ivan Klasnic, Johan Micoud und Ailton schossen die Tore zu Werders bis dato letzter Meisterschaft – und dass es in München geschah, war doppelt schön für die Hanseaten.

Bremens Manager Klaus Allofs frohlockte denn auch: „Den Versuchen aus München, uns nervös zu machen, haben wir sensationell standgehalten.“

Klinsmann-Niederlage und Ribery-Traumsolo

Heute würde er sich wohl über den einen oder anderen Giftpfeil aus München durchaus freuen – würde das doch bedeuten, dass Werder ein Konkurrent auf Augenhöhe wäre. Doch seit Mai 2004 reichte es nur noch zu einigen Bremer Nadelstichen gegen die Bayern, wie das legendäre 5:2 in München zum Wiesn-Beginn 2008.

Es war der Anfang vom Ende der kurzen Ära des Bayern-Trainers Jürgen Klinsmann. Und wieder sprach man in Bremen von Revanche, hatten die Bayern doch im Vorjahr in Bremen gar mit 4:0 gewonnen. Dank eines überragenden Franck Ribery, der mit einem Solo übers halbe Feld einen der vielen magischen Momente lieferte, für den dieses Duell steht. Fortsetzung folgt ganz gewiss. Schon am Samstag?