Werder-Coach Horsch: "Abstiegskampf ist immer Stress"

Der Klassenverbleib ist perfekt: Dank eines 2:1 beim MSV Duisburg hat sich der SV Werder Bremen eine weitere Saison in der FLYERALARM Frauen-Bundesliga gesichert. Im DFB.de-Interview ordnet Trainer Thomas Horsch die Rettung zwei Spieltage vor Schluss ein. Gleichzeitig spricht der 52-Jährige über seine eigene Zukunft und eine fröhliche Heimreise im Bus nach Bremen.

DFB.de: Herr Horsch, unter Ihrer Verantwortung hat die Mannschaft gegen Leverkusen und Duisburg gewonnen und gleichzeitig klar in Sand verloren. Spiegeln alleine diese drei Begegnungen die gesamte Saison wider?

Thomas Horsch: Ich weiß nicht, ob man das so sagen kann. Ich habe dieses Team die gesamte Saison über beobachtet. Natürlich war es auch ein Ritt auf der Rasierklinge. Wir haben als Aufsteiger vor der Saison sechs Leistungsträgerinnen verloren. Die Mannschaft hat dann Punkte gegen die direkten Konkurrenten geholt. Das war gut und wichtig. Aber je enger das jetzt wurde und je mehr sich die Saison dem Ende entgegen geneigt hat, desto anstrengender wurde es auch in mentaler Hinsicht. Das hat man den Mädels in Sand angemerkt, als wir es schon hätten klar machen können. Und das war jetzt in Duisburg ab der 70. Minute wieder der Fall. Sie wollten es unbedingt klar machen. Aber sie hatten auch Stress, diese Aufgabe zu bewältigen. Deswegen sind wir einfach überglücklich, dass wir den Klassenverbleib jetzt vorzeitig geschafft haben.

DFB.de: Ist ein Ballast abgefallen?

Horsch: Absolut. Das merkt man den Mädels an. Das habe ich in den Gesprächen unmittelbar nach Spielschluss deutlich mitbekommen. Wir haben ja einige Spielerinnen dabei, die schon lange dabei sind und auch den Abstieg miterleben mussten.

DFB.de: Die Aufsteiger in die FLYERALARM Frauen-Bundesliga sind fast immer auch wieder die ersten Absteiger. Dieser Statistik haben Sie sich widersetzt.

Horsch: Ich kann den Spielerinnen nur meine Anerkennung dafür aussprechen. Heute haben wir den Deckel drauf gemacht. Hut ab!

DFB.de: Welche Rolle haben Sie dabei eingenommen?

Horsch: Das ist eine Wechselwirkung. Natürlich spielt der Trainer auch irgendwie eine Rolle. Ich kenne Abstiegskampf. Ich habe es in der Männer-Bundesliga erlebt, ich habe es in der 3. Liga erlebt. Diese Erfahrung habe ich jetzt bei den Werder-Frauen eingebracht. Ich habe versucht, die nötige Ruhe auszustrahlen. Aber Abstiegskampf ist immer Stress. Das geht an einem nicht spurlos vorbei. Man sitzt vorher im Hotel und überlegt sich alle möglichen Szenarien. Man kann froh sein, wenn man draußen sitzen kann und nicht auf dem Platz stehen und den Pass zum Mitspieler oder zur Mitspielerin bringen muss. Diese Aufgabe besteht nicht jeder. Unsere Mädels haben sie jetzt bestanden.

DFB.de: Fühlt sich Abstiegskampf in der Frauen-Bundesliga anders an als bei den Männern?

Horsch: Grundsätzlich - wenn man direkt am Platz steht - nicht. Beim Männerfußball ist es natürlich so, dass für die Stadt Bremen und den SV Werder einfach noch viel mehr dranhängt. Ich denke dabei nicht nur an die ganzen Mitarbeiter des Vereins. Das ist in der Frauen-Bundesliga vielleicht nicht der Fall. Aber man muss dennoch ganz klar sagen, dass das Projekt Frauenfußball bei Werder auch analysiert wurde, weil jeder die finanzielle Situation bei Werder kennt. Wenn man absteigt, wird natürlich alles hinterfragt. So haben wir sportlich ein Statement abgegeben und sind in der Liga geblieben. Jetzt können wir planen. Das war ein wichtiger Schritt, um dieses Projekt dauerhaft in der Bundesliga zu etablieren.

DFB.de: Ist der Klassenverbleib also nur der erste Schritt? Ist aus Ihrer Sicht mehr möglich, als immer nur Abstiegskampf?

Horsch: Das ist eine Floskel, die man in solchen Situationen gerne sagt. Aber die Wahrheit ist doch, dass man in einer Liga mit zwölf Mannschaften immer relativ nah am Tabellenende ist. Natürlich möchten wir so früh es geht, einen Abstand da reinbekommen. Das ist jedoch alles noch ein Blick in die Glaskugel.

DFB.de: Die Philosophie bleibt aber, dass Sie weiterhin auf den eigenen Nachwuchs setzen?

Horsch: Ja, klar. Aber gut wäre es natürlich, wenn uns nicht wieder mehrere Leistungsträgerinnen verlassen würden. Wichtig wäre es aus meiner Sicht, mal die Basis zusammen zu halten und punktuell zu verstärken. Dazu ganz klar ein paar Spielerinnen aus dem eigenen Nachwuchs. Das wird und sollte der weitere Weg sein.

DFB.de: Ihr Vertrag endet im Sommer. Wie geht es mit Ihnen weiter?

Horsch: Das ist noch offen. Es wird in den nächsten Tagen Gespräche geben. Danach sehen wir weiter.

DFB.de: Wie haben Sie die Zeit als Trainer der Werder-Frauen erlebt?

Horsch: Ich kenne den weiblichen Fußball ja schon aus dem Auswahlbereich und den Nachwuchsteams beim DFB. Ich habe hier bisher eine mega-angenehme Arbeitsatmosphäre erlebt. Das war schon fast enthusiastisch. Unser Team war wirklich mit Leib und Seele dabei und bringt für den Sport wirklich eine Menge Opfer.

DFB.de: Viele gehen nebenbei arbeiten, zur Schule oder sie studieren. Und trotzdem stehen sie teilweise sechsmal in der Woche auf dem Platz.

Horsch: Das ist die Praxis. Davor habe ich größten Respekt. Und die Spielerinnen kommen auch nicht alle aus Bremen, sondern wohnen zeitweise in einem Appartement. Und trotzdem geben sie für ihren Sport und ihren Verein immer alles. Das ist gar nicht hoch genug zu bewerten.

DFB.de: Wird nun auf der Rückfahrt aus Duisburg nach Bremen das eine oder andere Kaltgetränk konsumiert?

Horsch: Auf jeden Fall. Und das absolut zurecht. Jetzt spürt man, wie die ganze Belastung bei den Mädels abfällt. Wir freuen uns nun auf ein Heimspiel gegen Potsdam und zum Abschluss ein Auswärtsduell in Wolfsburg. Das ist einfach die pure Freude. Jetzt können wir es genießen.

[sw]

Der Klassenverbleib ist perfekt: Dank eines 2:1 beim MSV Duisburg hat sich der SV Werder Bremen eine weitere Saison in der FLYERALARM Frauen-Bundesliga gesichert. Im DFB.de-Interview ordnet Trainer Thomas Horsch die Rettung zwei Spieltage vor Schluss ein. Gleichzeitig spricht der 52-Jährige über seine eigene Zukunft und eine fröhliche Heimreise im Bus nach Bremen.

DFB.de: Herr Horsch, unter Ihrer Verantwortung hat die Mannschaft gegen Leverkusen und Duisburg gewonnen und gleichzeitig klar in Sand verloren. Spiegeln alleine diese drei Begegnungen die gesamte Saison wider?

Thomas Horsch: Ich weiß nicht, ob man das so sagen kann. Ich habe dieses Team die gesamte Saison über beobachtet. Natürlich war es auch ein Ritt auf der Rasierklinge. Wir haben als Aufsteiger vor der Saison sechs Leistungsträgerinnen verloren. Die Mannschaft hat dann Punkte gegen die direkten Konkurrenten geholt. Das war gut und wichtig. Aber je enger das jetzt wurde und je mehr sich die Saison dem Ende entgegen geneigt hat, desto anstrengender wurde es auch in mentaler Hinsicht. Das hat man den Mädels in Sand angemerkt, als wir es schon hätten klar machen können. Und das war jetzt in Duisburg ab der 70. Minute wieder der Fall. Sie wollten es unbedingt klar machen. Aber sie hatten auch Stress, diese Aufgabe zu bewältigen. Deswegen sind wir einfach überglücklich, dass wir den Klassenverbleib jetzt vorzeitig geschafft haben.

DFB.de: Ist ein Ballast abgefallen?

Horsch: Absolut. Das merkt man den Mädels an. Das habe ich in den Gesprächen unmittelbar nach Spielschluss deutlich mitbekommen. Wir haben ja einige Spielerinnen dabei, die schon lange dabei sind und auch den Abstieg miterleben mussten.

DFB.de: Die Aufsteiger in die FLYERALARM Frauen-Bundesliga sind fast immer auch wieder die ersten Absteiger. Dieser Statistik haben Sie sich widersetzt.

Horsch: Ich kann den Spielerinnen nur meine Anerkennung dafür aussprechen. Heute haben wir den Deckel drauf gemacht. Hut ab!

DFB.de: Welche Rolle haben Sie dabei eingenommen?

Horsch: Das ist eine Wechselwirkung. Natürlich spielt der Trainer auch irgendwie eine Rolle. Ich kenne Abstiegskampf. Ich habe es in der Männer-Bundesliga erlebt, ich habe es in der 3. Liga erlebt. Diese Erfahrung habe ich jetzt bei den Werder-Frauen eingebracht. Ich habe versucht, die nötige Ruhe auszustrahlen. Aber Abstiegskampf ist immer Stress. Das geht an einem nicht spurlos vorbei. Man sitzt vorher im Hotel und überlegt sich alle möglichen Szenarien. Man kann froh sein, wenn man draußen sitzen kann und nicht auf dem Platz stehen und den Pass zum Mitspieler oder zur Mitspielerin bringen muss. Diese Aufgabe besteht nicht jeder. Unsere Mädels haben sie jetzt bestanden.

DFB.de: Fühlt sich Abstiegskampf in der Frauen-Bundesliga anders an als bei den Männern?

Horsch: Grundsätzlich - wenn man direkt am Platz steht - nicht. Beim Männerfußball ist es natürlich so, dass für die Stadt Bremen und den SV Werder einfach noch viel mehr dranhängt. Ich denke dabei nicht nur an die ganzen Mitarbeiter des Vereins. Das ist in der Frauen-Bundesliga vielleicht nicht der Fall. Aber man muss dennoch ganz klar sagen, dass das Projekt Frauenfußball bei Werder auch analysiert wurde, weil jeder die finanzielle Situation bei Werder kennt. Wenn man absteigt, wird natürlich alles hinterfragt. So haben wir sportlich ein Statement abgegeben und sind in der Liga geblieben. Jetzt können wir planen. Das war ein wichtiger Schritt, um dieses Projekt dauerhaft in der Bundesliga zu etablieren.

DFB.de: Ist der Klassenverbleib also nur der erste Schritt? Ist aus Ihrer Sicht mehr möglich, als immer nur Abstiegskampf?

Horsch: Das ist eine Floskel, die man in solchen Situationen gerne sagt. Aber die Wahrheit ist doch, dass man in einer Liga mit zwölf Mannschaften immer relativ nah am Tabellenende ist. Natürlich möchten wir so früh es geht, einen Abstand da reinbekommen. Das ist jedoch alles noch ein Blick in die Glaskugel.

DFB.de: Die Philosophie bleibt aber, dass Sie weiterhin auf den eigenen Nachwuchs setzen?

Horsch: Ja, klar. Aber gut wäre es natürlich, wenn uns nicht wieder mehrere Leistungsträgerinnen verlassen würden. Wichtig wäre es aus meiner Sicht, mal die Basis zusammen zu halten und punktuell zu verstärken. Dazu ganz klar ein paar Spielerinnen aus dem eigenen Nachwuchs. Das wird und sollte der weitere Weg sein.

DFB.de: Ihr Vertrag endet im Sommer. Wie geht es mit Ihnen weiter?

Horsch: Das ist noch offen. Es wird in den nächsten Tagen Gespräche geben. Danach sehen wir weiter.

DFB.de: Wie haben Sie die Zeit als Trainer der Werder-Frauen erlebt?

Horsch: Ich kenne den weiblichen Fußball ja schon aus dem Auswahlbereich und den Nachwuchsteams beim DFB. Ich habe hier bisher eine mega-angenehme Arbeitsatmosphäre erlebt. Das war schon fast enthusiastisch. Unser Team war wirklich mit Leib und Seele dabei und bringt für den Sport wirklich eine Menge Opfer.

DFB.de: Viele gehen nebenbei arbeiten, zur Schule oder sie studieren. Und trotzdem stehen sie teilweise sechsmal in der Woche auf dem Platz.

Horsch: Das ist die Praxis. Davor habe ich größten Respekt. Und die Spielerinnen kommen auch nicht alle aus Bremen, sondern wohnen zeitweise in einem Appartement. Und trotzdem geben sie für ihren Sport und ihren Verein immer alles. Das ist gar nicht hoch genug zu bewerten.

DFB.de: Wird nun auf der Rückfahrt aus Duisburg nach Bremen das eine oder andere Kaltgetränk konsumiert?

Horsch: Auf jeden Fall. Und das absolut zurecht. Jetzt spürt man, wie die ganze Belastung bei den Mädels abfällt. Wir freuen uns nun auf ein Heimspiel gegen Potsdam und zum Abschluss ein Auswärtsduell in Wolfsburg. Das ist einfach die pure Freude. Jetzt können wir es genießen.

###more###