Weltmeister Wolfgang Overath wird 75

"Ich hänge am Fußball. Ohne Fußball kann ich nicht leben. Ich würde Trainer werden, wenn ich keine Familie hätte. 14 Jahre bin ich herumgewandert. Das reicht." So sprach Wolfgang Overath, einer der größten Spieler des deutschen Fußballs, im August 1977, drei Monate nach seinem Abschiedsspiel. 41 Jahre ist das jetzt her, am heutigen Samstag wird er 75 und ohne den Fußball kann er noch immer nicht leben.

Dienstags und donnerstags kickt er mit Kumpels in der Halle. Er ist dort der Älteste und eher nicht der Schnellste, aber gewiss noch immer der Ehrgeizigste. Schluss ist erst, wenn sein Team gewonnen hat. So war es immer. Fußball ist ein Spiel für ihn, aber kein Spaß. Auch nicht dienstags und donnerstags in der Halle am Kölner Geißbockheim. Neulich erst hat er zwei Mitspieler zusammengefaltet und sich anschließend telefonisch entschuldigt: "Sorry, so bin ich halt!"

Zurück auf der Kölner Ehrentribüne

Sie wissen ja, wie er war. Gewiss der Größte seines Klubs! Nur Hans Schäfer, 20 Jahre vor ihm Kölns erster Weltmeister, steht vielleicht noch auf seiner Stufe in der Ruhmeshalle seines 1. FC Köln. Da werden sich die Generationen wohl ewig streiten. Nur wer diese beiden nie hat spielen sehen, könnte Lukas Podolski ganz oben sehen.

Es wird Overath, der einst als Spieler "unter meinen Feinden viele Journalisten" wähnte, freuen, dass ihn zu seinem Jubiläum kaum ein Medium von Rang vergessen hat. So hat er dieser Tage wieder bei seinem Lieblingsitaliener in Bonn empfangen und von früher erzählt. Nicht, weil er so von sich eingenommen wäre, sondern weil er eben immer wieder darum gebeten wird und höflich genug ist, die Wünsche der Fragensteller zu beantworten. Ansonsten lebt der Vater zweier Söhne und Adoptivvater einer Tochter aus Brasilien gut und gerne in der Gegenwart, macht sich seit vielen Jahren schon um Obdachlose und Notleidende verdient und bedankt sich jeden Tag dafür, "dass der da oben mich auf die Sonnenseite des Lebens gestellt hat". Immer stand er dort auch nicht.

Bis vor sieben Jahren stand er in der Öffentlichkeit, als Präsident seines 1. FC Köln auf einer Plattform, wo man mit Teamgeist und Vereinsliebe allein nicht existieren kann. Wo er keine Doppelpässe spielen und keine Traumpässe schlagen konnte und wo die Gegner nicht einfach durch ein andersfarbiges Trikot zu erkennen waren. Wolfgang Overath hatte sich in einem Alter, in dem andere in Rente gehen, 2004 noch mal aufgeopfert für seinen FC im Wissen darum, dass man in verantwortlicher Position eben auch für alles verantwortlich gemacht wird. Und dass der Denkmalschutz spätestens im Abstiegskampf verfällt. Im November 2011 trat er zurück und die Mitglieder des Klubs, für den er sein Fußballer-Leben lang spielte, verweigerten die Entlastung des Vorstands. Das war also der Dank für sieben Jahre ehrenamtlicher Tätigkeit an vorderster Front. Jahrelang ging er nicht mehr ins Stadion, jetzt ist der Zorn endlich verraucht und man sieht ihn wieder auf der Ehrentribüne.

"Man braucht Biss, wenn man im Fußball etwas erreichen will"

Glücklicher war gewiss seine Zeit als Aktiver. Es war dieser brennende Ehrgeiz, der aus dem Riesen-Talent aus einfachen Verhältnissen einen Weltstar und wohlhabenden Mann gemacht hat. Sein Motto lesen wir wieder häufiger in diesen Tagen: "Man braucht diesen Biss, wenn man im Fußball etwas erreichen will."

DFB-Trainer Dettmar Cramer war einer der ersten, der sein Talent erkannte und setzte durch, dass ein 16-Jähriger aus Siegburg am Rhein bereits mit den 18-Jährigen für Deutschland spielen durfte. In der sogenannten "Schüler-Mannschaft" trug Overath am 18. Juni 1960 beim 1:0 gegen Dänemark in Vejle erstmals den Adler; er fehlte auch in den folgenden zwölf Spielen nicht, dann wurde er zu alt. Und dann kam die Bundesliga, in die Overath trotz Offerten aus Dortmund, Leverkusen und Offenbach mit dem 1. FC Köln ging, weil ihn dessen Präsident Franz Kremer mit seiner Persönlichkeit so beeindruckte. Kremer war der Vater der Bundesliga, Overath ihr erstes Wunderkind.

Gleich das erste Tor der Kölner, damals in Saarbrücken, ging auf das Konto des damals 19-Jährigen. Und so wie es aussah, schien dieser junge Mann jede Woche ein Tor zu schießen. Denn so war es auch am 2., am 3. und am 4. Spieltag der Premierensaison. Dieser Startrekord hielt bis 1994, ehe ein gewisser Fredi Bobic aus Stuttgart gar in den ersten fünf Bundesligaspielen traf.

Nach fünf Bundesligaspielen ins DFB-Team berufen

Bundestrainer Sepp Herberger hatte 1963 genau mitgezählt und berief Overath zum Länderspiel gegen die Türkei in Frankfurt. 20 Minuten vor Schluss kam er noch zum Einsatz und machte seine Sache gut. "Ihn hätten wir gern von Anfang an gesehen", monierte das Sport Magazin. Aber wieder hatte er einen Rekord, den er sich mit dem Schalker Reinhard alias "Stan" Libuda und Duisburgs Werner Krämer teilte. Nach nur fünf Bundesligaspielen in der Nationalmannschaft zu debütieren – das sollte es fast 40 Jahre nicht geben, ehe Rudi Völler in schweren Zeiten den Herthaner Arne Friedrich 2002 nach nur zwei Einsätzen beförderte.

Wolfgang Overath stellte so einige Rekorde auf, die er irgendwann los wurde. 1964 war er mit gerade 20 Jahren der jüngste Meisterspieler, denn sein 1. FC holte auf Anhieb die Schale und er war immer dabei gewesen. Aber danach kamen noch ein gutes Dutzend meisterliche Teenager. Auch den Titel des Rekordspielers der Bundesliga, den er 1973 ausgerechnet an seinem 30. Geburtstag mit seinem 300. Einsatz vom Braunschweiger Peter Kaack erbte, war nicht von Dauer. Aber als er 1977 abtrat, hatte er ihn noch, mit 409 Einsätzen nur für seinen 1. FC (407 in der Startelf, nur eine Rote Karte). Es war noch die Zeit, in der Spieler in ihrer ganzen Karriere nur für einen Verein aufliefen.



"Ich hänge am Fußball. Ohne Fußball kann ich nicht leben. Ich würde Trainer werden, wenn ich keine Familie hätte. 14 Jahre bin ich herumgewandert. Das reicht." So sprach Wolfgang Overath, einer der größten Spieler des deutschen Fußballs, im August 1977, drei Monate nach seinem Abschiedsspiel. 41 Jahre ist das jetzt her, am heutigen Samstag wird er 75 und ohne den Fußball kann er noch immer nicht leben.

Dienstags und donnerstags kickt er mit Kumpels in der Halle. Er ist dort der Älteste und eher nicht der Schnellste, aber gewiss noch immer der Ehrgeizigste. Schluss ist erst, wenn sein Team gewonnen hat. So war es immer. Fußball ist ein Spiel für ihn, aber kein Spaß. Auch nicht dienstags und donnerstags in der Halle am Kölner Geißbockheim. Neulich erst hat er zwei Mitspieler zusammengefaltet und sich anschließend telefonisch entschuldigt: "Sorry, so bin ich halt!"

Zurück auf der Kölner Ehrentribüne

Sie wissen ja, wie er war. Gewiss der Größte seines Klubs! Nur Hans Schäfer, 20 Jahre vor ihm Kölns erster Weltmeister, steht vielleicht noch auf seiner Stufe in der Ruhmeshalle seines 1. FC Köln. Da werden sich die Generationen wohl ewig streiten. Nur wer diese beiden nie hat spielen sehen, könnte Lukas Podolski ganz oben sehen.

Es wird Overath, der einst als Spieler "unter meinen Feinden viele Journalisten" wähnte, freuen, dass ihn zu seinem Jubiläum kaum ein Medium von Rang vergessen hat. So hat er dieser Tage wieder bei seinem Lieblingsitaliener in Bonn empfangen und von früher erzählt. Nicht, weil er so von sich eingenommen wäre, sondern weil er eben immer wieder darum gebeten wird und höflich genug ist, die Wünsche der Fragensteller zu beantworten. Ansonsten lebt der Vater zweier Söhne und Adoptivvater einer Tochter aus Brasilien gut und gerne in der Gegenwart, macht sich seit vielen Jahren schon um Obdachlose und Notleidende verdient und bedankt sich jeden Tag dafür, "dass der da oben mich auf die Sonnenseite des Lebens gestellt hat". Immer stand er dort auch nicht.

Bis vor sieben Jahren stand er in der Öffentlichkeit, als Präsident seines 1. FC Köln auf einer Plattform, wo man mit Teamgeist und Vereinsliebe allein nicht existieren kann. Wo er keine Doppelpässe spielen und keine Traumpässe schlagen konnte und wo die Gegner nicht einfach durch ein andersfarbiges Trikot zu erkennen waren. Wolfgang Overath hatte sich in einem Alter, in dem andere in Rente gehen, 2004 noch mal aufgeopfert für seinen FC im Wissen darum, dass man in verantwortlicher Position eben auch für alles verantwortlich gemacht wird. Und dass der Denkmalschutz spätestens im Abstiegskampf verfällt. Im November 2011 trat er zurück und die Mitglieder des Klubs, für den er sein Fußballer-Leben lang spielte, verweigerten die Entlastung des Vorstands. Das war also der Dank für sieben Jahre ehrenamtlicher Tätigkeit an vorderster Front. Jahrelang ging er nicht mehr ins Stadion, jetzt ist der Zorn endlich verraucht und man sieht ihn wieder auf der Ehrentribüne.

"Man braucht Biss, wenn man im Fußball etwas erreichen will"

Glücklicher war gewiss seine Zeit als Aktiver. Es war dieser brennende Ehrgeiz, der aus dem Riesen-Talent aus einfachen Verhältnissen einen Weltstar und wohlhabenden Mann gemacht hat. Sein Motto lesen wir wieder häufiger in diesen Tagen: "Man braucht diesen Biss, wenn man im Fußball etwas erreichen will."

DFB-Trainer Dettmar Cramer war einer der ersten, der sein Talent erkannte und setzte durch, dass ein 16-Jähriger aus Siegburg am Rhein bereits mit den 18-Jährigen für Deutschland spielen durfte. In der sogenannten "Schüler-Mannschaft" trug Overath am 18. Juni 1960 beim 1:0 gegen Dänemark in Vejle erstmals den Adler; er fehlte auch in den folgenden zwölf Spielen nicht, dann wurde er zu alt. Und dann kam die Bundesliga, in die Overath trotz Offerten aus Dortmund, Leverkusen und Offenbach mit dem 1. FC Köln ging, weil ihn dessen Präsident Franz Kremer mit seiner Persönlichkeit so beeindruckte. Kremer war der Vater der Bundesliga, Overath ihr erstes Wunderkind.

Gleich das erste Tor der Kölner, damals in Saarbrücken, ging auf das Konto des damals 19-Jährigen. Und so wie es aussah, schien dieser junge Mann jede Woche ein Tor zu schießen. Denn so war es auch am 2., am 3. und am 4. Spieltag der Premierensaison. Dieser Startrekord hielt bis 1994, ehe ein gewisser Fredi Bobic aus Stuttgart gar in den ersten fünf Bundesligaspielen traf.

Nach fünf Bundesligaspielen ins DFB-Team berufen

Bundestrainer Sepp Herberger hatte 1963 genau mitgezählt und berief Overath zum Länderspiel gegen die Türkei in Frankfurt. 20 Minuten vor Schluss kam er noch zum Einsatz und machte seine Sache gut. "Ihn hätten wir gern von Anfang an gesehen", monierte das Sport Magazin. Aber wieder hatte er einen Rekord, den er sich mit dem Schalker Reinhard alias "Stan" Libuda und Duisburgs Werner Krämer teilte. Nach nur fünf Bundesligaspielen in der Nationalmannschaft zu debütieren – das sollte es fast 40 Jahre nicht geben, ehe Rudi Völler in schweren Zeiten den Herthaner Arne Friedrich 2002 nach nur zwei Einsätzen beförderte.

Wolfgang Overath stellte so einige Rekorde auf, die er irgendwann los wurde. 1964 war er mit gerade 20 Jahren der jüngste Meisterspieler, denn sein 1. FC holte auf Anhieb die Schale und er war immer dabei gewesen. Aber danach kamen noch ein gutes Dutzend meisterliche Teenager. Auch den Titel des Rekordspielers der Bundesliga, den er 1973 ausgerechnet an seinem 30. Geburtstag mit seinem 300. Einsatz vom Braunschweiger Peter Kaack erbte, war nicht von Dauer. Aber als er 1977 abtrat, hatte er ihn noch, mit 409 Einsätzen nur für seinen 1. FC (407 in der Startelf, nur eine Rote Karte). Es war noch die Zeit, in der Spieler in ihrer ganzen Karriere nur für einen Verein aufliefen.

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Teilnahme an drei WM-Endrunden - Weltmeister 1974

Ein Spieler für die Ewigkeit ist er allemal. Wer kann schon sagen, an drei WM-Endrunden teilgenommen zu haben, in zwei Finals und in zwei Jahrhundert-Spielen damals in Mexiko gestanden zu haben – und wer darf sich Weltmeister nennen? Am 7. Juli 1974 trat Overath auf dem Höhepunkt seiner Karriere aus der Nationalelf zurück, nach dem 81. Länderspiel, dem 2:1 gegen die Niederlande. Es war eine Genugtuung für entgangene Siegerweihen bei den Dramen von Wembley 1966 und Mexiko City 1970.

Und für die Schmähungen der Zuschauer, derentwegen er im April 1974 auf der Rückfahrt aus München, wo sie ihn besonders ausgepfiffen hatten, seinen WM-Verzicht beschloss. Zum Glück ignorierte Bundestrainer Helmut Schön diesen Beschluss des ewig sensiblen Genies einfach und bestellte ihn nach Malente. Als er dann gegen Australien traf und sie ihn feierten, raunte er nur: "So wandelbar ist die Gunst der Massen."

Dauerduell zwischen Overath und Netzer

Dass die Fans ihn außerhalb Kölns nicht liebten, lag auch an seinem ewigen Rivalen Günter Netzer, der bei der EM 1972 in Brüssel seinen Durchbruch zu Europas Fußballer des Jahres schaffte, während Overath wegen einer Leistenverletzung fehlte. Es war der einzige Moment, in dem der Mönchengladbacher Netzer wirklich hoch über ihm stand. Im Ansehen der Fußball-Anhänger stieg Netzer noch durch seinen Wechsel zu Real Madrid – als erster Deutscher. Diesen Mann wollten sie bei der WM die Fäden ziehen sehen, nicht den oft launischen Overath.

Dass der Ehrgeizigere das Dauerduell der Spielmacher jener Epoche gegen den Genialeren gewann, spricht Bände. Netzer oder Overath? Die große Schicksalsfrage für den deutschen Fußball beantwortete Bundestrainer Helmut Schön meist zu Gunsten des Kölners, der schon bald vom Stürmer zum Dirigenten reifte und im Verein die Kapitänsbinde erhielt.

765 Spiele für seinen 1. FC Köln

Wie so manches Genie des Weltfußballs machte auch er alles buchstäblich mit links, seine Pässe kamen an der Schnur gezogen mindestens so sicher beim Adressaten an wie die Paket-Post. Während Netzer, mit dem er sich privat so gut verstand, dass sie sich schon mal telefonisch über Trainer Hennes Weisweiler austauschten, mit dem beide so ihre Probleme hatten, in die weite Welt zog, blieb Overath immer in Köln: 765 Spiele wurden gezählt, 287 Tore. Eine Treue, die nicht allzu reichlich belohnt wurde.

Zu der ersten Meisterschaft kam keine mehr hinzu, 1968 und 1977 wurde er Pokalsieger, die Endspiele 1971 und 1973 verloren die Kölner in der Verlängerung. Während Netzer zwei Mal Fußballer des Jahres wurde, war Overath das nicht vergönnt. Er wusste auch wieso: "Ich habe zu viele Journalisten unter meinen Feinden." Das sagte er 1973 und würde es noch heute sagen, weil der zur Offenheit neigende Rheinländer so manchen Reporter zur Rede stellte, der nach seiner Meinung an der Wahrheit vorbei geschrieben hatte. Da war er nicht minder hitzig als auf dem Feld, was ihm den Titel "Vulkan vom Rhein" einbrachte.

"Habe alles erreicht, was es im Fußball zu erreichen gibt"

"Sicher wäre es in 14 Jahren auch einmal möglich gewesen, den Overath zu wählen. Schließlich habe auch ich alles erreicht, was es im Fußball zu erreichen gibt", sagte er nach seinem Abschiedsspiel, zu dem die Nationalmannschaft ins Müngersdorfer Stadion gekommen war. Dass er im Zorn ging, ist allgemein bekannt – weil Weisweiler ihn im wiederholten Pokalfinale von 1977 als Höhepunkt monatelanger Auseinandersetzungen auf die Bank gesetzt hatte. Weniger bekannt ist, dass Kölns Präsident Peter Weiand ihm trotz allem noch einen Dreijahresvertrag geben wollte. Doch Overath war fast 34 und schlug aus, so wie er auch Offerten aus allen Richtungen ausschlug.

Selbst in Chicago waren sie heiß auf ihn, aber seine Frau sagte demonstrativ: "Du kannst gehen – ich bleibe hier!" Das war ein gewichtiger Grund, ein anderer war seine Ehrlichkeit. "Ich bekam bei meinem Abschiedsspiel sehr viel Geld. Wenn ich woanders weitergemacht hätte, wäre das ja Betrug an den Zuschauern gewesen." So war er und so ist er noch heute – mit 75. Herzlichen Glückwunsch, Wolfgang Overath!

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