Welt- und Europameister Cullmann: "Absolut nicht vorhersehbar"

Seinen 70. Geburtstag, der auf den heutigen Freitag fällt, feiert er nach. Irgendwann, wenn er wieder da ist. Bernd Cullmann, Welt- und Europameister und ewiger Profi des 1. FC Köln, umrundet gerade in Österreich einen See und lässt es sich gut gehen. Denn es geht ihm gut - "dem Alter entsprechend". Im Gespräch mit DFB.de blickt der 40-malige Nationalspieler auf seine erlebnisreiche Karriere zurück.

Bernd Cullmann über...

... sein Karrierefazit: Meine Fußballkarriere war für mich ganz toll. In meinen jungen Jahren hat keiner gesagt: "Der wird mal Profi!" Das war absolut nicht vorhersehbar, auch für mich nicht. Mein Vorzug war sicher meine Vielseitigkeit. Ich konnte Libero spielen und als Sechser, habe trotzdem Tore gemacht - in Porz war ich Mittelstürmer. Ich möchte diese Zeit nicht missen. Was gibt es Schöneres, als sein Hobby zum Beruf zu machen?

... seine Karrierehelfer: Viel habe ich Wolfgang Weber zu verdanken. Er ist wie ich in Porz aufgewachsen, wir gingen in dieselbe Schule und denselben Verein. Als er es dann zum 1. FC Köln schaffte, hat er den Verantwortlichen gesagt: "Guckt euch den Cullmann mal an, der kann was!" Wer weiß, was sonst geworden wäre? Es ist eine feste Freundschaft entstanden, die immer noch hält. Seit 20 Jahren gehen wir mit unseren Frauen zusammen zu den Heimspielen des 1. FC Köln.

... seinen Status als Weltmeister: Ich habe mich anfangs etwas schwer damit getan, weil ich 1974 ja nicht im Endspiel dabei war und nur in der Vorrunde gespielt habe (alle drei Partien; Anm. d. Red.). Heute sehe ich das etwas anders, zumal ich gegen Australien ein Tor gemacht habe - und ein Tor bei einer WM ist schon was Besonderes. Ich sage aber auch: Mir ist damals keine große Ungerechtigkeit widerfahren, als Helmut Schön mich nach dem DDR-Spiel aus der Mannschaft nahm. Ich hatte wirklich nicht überragend gespielt. Für mich kam Rainer Bonhof rein, und der hat es ja sehr gut gemacht. Damals ist zwischen uns sogar eine Freundschaft geboren, obwohl wir Konkurrenten waren. Aber dass ich später nicht noch mal eingewechselt wurde, fand ich schade. Besonders im Finale, als die Holländer so einen Druck gemacht haben. Wenn mir ein Länderspiel fehlt, dann das WM-Finale 1974. Aber Schön hat halt nicht gern gewechselt.

... das DDR-Spiel: Das letzte Vorrundenspiel in Hamburg war der Knackpunkt bei dieser WM. Weil wir es verloren, kamen wir in die leichtere Zwischenrundengruppe und gingen den Brasilianern und Holländern aus dem Weg. Aber dass es mit Absicht geschehen sei, wie immer mal gemunkelt wird, weise ich zurück. Bundestrainer Schön kam ja aus Dresden, mit seinem Kollegen Georg Buschner hatte er Differenzen. Er wollte das Spiel unbedingt gewinnen, so war es für ihn eine menschliche Katastrophe. Es war eben kein normales Spiel, und wir waren alle etwas befangen. Ich habe auf dem Platz keine zwei Sätze mit meinem Gegenspieler Kreische geredet, normal war das nicht. Später ging Berti Vogts mit einem Satz unserer Trikots in die DDR-Kabine zum Tauschen, ein Trikottausch auf dem Platz war ja nicht gewünscht. Ich habe noch das mit der Nummer 7 (Jürgen Pommerenke; Anm. d. Red.).

... die WM in Argentinien: Damals bin ich mit einigen anderen Kölnern noch in den Kader gerutscht, weil wir mit Köln das Double gewonnen und stark gespielt hatten. Zuvor war ich zwei Jahre nicht in der Nationalmannschaft, weil es im Verein nicht so lief. Ich hatte meine Differenzen mit Trainer Hennes Weisweiler. In Argentinien habe ich dann gar nicht gespielt (dreimal saß Cullmann auf der Bank; Anm. d. Red.), und es war auch so keine schöne WM. Unser Quartier lag 70 Kilometer weg von Cordoba, da standen nur vier Häuser. Wir wurden streng bewacht vom argentinischen Militär, und es fehlte an Ablenkung. Niemand büchste aus, aber das kam ja eh nie vor. (lacht) Nur einmal die Woche durfte jeder nach Hause telefonieren, und das TV-Programm war natürlich spanisch, wir verstanden nichts. Im Vergleich zu heute waren die Verhältnisse in Ascochinga undenkbar.

... die EM 1980: In Italien war ich mit Rainer Bonhof letzter "Überlebender" der Weltmeistertruppe, wobei Bonhof verletzt ausfiel. Unter Jupp Derwall hatte ich nach 1978 alle Spiele gemacht, einige als Libero. Während der EM nahm er mich nach dem ersten Spiel raus, beim dritten war ich wieder drin und im Finale gegen Belgien wurde ich Gott sei Dank eingewechselt. So konnte ich meine Karriere als Europameister beenden. Abends haben wir gefeiert, aber zuhause gab es nichts mehr. Erst als die neue Saison begann, wurde ich noch vom Verein geehrt.

... seinen größten Erfolg: Ich wurde zwar Weltmeister und Europameister, aber das Double mit dem 1. FC Köln würde ich noch etwas höher bewerten. Ganz einfach, weil ich dazu viel mehr beigetragen habe. Zu den wichtigsten Spielen zähle ich unser DFB-Pokalfinale 1978 gegen Fortuna Düsseldorf, als mir ein Tor gelang.

... seine Treue zum 1. FC Köln: Ich habe als Profi nur für den FC gespielt, und ein Wechsel war eigentlich auch nicht nötig, da ich die erfolgreichste Zeit des Vereins miterlebte. An der Seite von Spielern wie Overath, Flohe oder Löhr - und wir spielten ja fast immer vorne mit. Bloß als Hennes Weisweiler 1976 kam, hatte ich Abwanderungsgedanken. Otto Rehhagel wollte mich nach Dortmund holen, das hätte ich fast gemacht, da hätte ich nicht mal umziehen müssen. Die Entfernung sprach gegen einen anderen Wechsel, den heute wohl kaum einer mehr abgelehnt hätte: 1977 wollten mich die Bayern als Beckenbauer-Nachfolger holen, ich hatte mich schon mit Trainer Dettmar Cramer getroffen. Aber zum Glück verbesserte sich mein Verhältnis mit Weisweiler, und ich blieb in Köln.

Fakten zu Bernd Cullmann

  • 40 A-Länderspiele von 1973 bis 1980 (sechs Tore)
  • Fünf B-Länderspiele
  • Drei Juniorenländerspiele
  • 341 Bundesligaspiele von 1970 bis 1983 (29 Tore)
  • Weltmeister 1974
  • Europameister 1980
  • Deutscher Meister 1978
  • DFB-Pokalsieger 1978, 1980 und 1983
[um]

Seinen 70. Geburtstag, der auf den heutigen Freitag fällt, feiert er nach. Irgendwann, wenn er wieder da ist. Bernd Cullmann, Welt- und Europameister und ewiger Profi des 1. FC Köln, umrundet gerade in Österreich einen See und lässt es sich gut gehen. Denn es geht ihm gut - "dem Alter entsprechend". Im Gespräch mit DFB.de blickt der 40-malige Nationalspieler auf seine erlebnisreiche Karriere zurück.

Bernd Cullmann über...

... sein Karrierefazit: Meine Fußballkarriere war für mich ganz toll. In meinen jungen Jahren hat keiner gesagt: "Der wird mal Profi!" Das war absolut nicht vorhersehbar, auch für mich nicht. Mein Vorzug war sicher meine Vielseitigkeit. Ich konnte Libero spielen und als Sechser, habe trotzdem Tore gemacht - in Porz war ich Mittelstürmer. Ich möchte diese Zeit nicht missen. Was gibt es Schöneres, als sein Hobby zum Beruf zu machen?

... seine Karrierehelfer: Viel habe ich Wolfgang Weber zu verdanken. Er ist wie ich in Porz aufgewachsen, wir gingen in dieselbe Schule und denselben Verein. Als er es dann zum 1. FC Köln schaffte, hat er den Verantwortlichen gesagt: "Guckt euch den Cullmann mal an, der kann was!" Wer weiß, was sonst geworden wäre? Es ist eine feste Freundschaft entstanden, die immer noch hält. Seit 20 Jahren gehen wir mit unseren Frauen zusammen zu den Heimspielen des 1. FC Köln.

... seinen Status als Weltmeister: Ich habe mich anfangs etwas schwer damit getan, weil ich 1974 ja nicht im Endspiel dabei war und nur in der Vorrunde gespielt habe (alle drei Partien; Anm. d. Red.). Heute sehe ich das etwas anders, zumal ich gegen Australien ein Tor gemacht habe - und ein Tor bei einer WM ist schon was Besonderes. Ich sage aber auch: Mir ist damals keine große Ungerechtigkeit widerfahren, als Helmut Schön mich nach dem DDR-Spiel aus der Mannschaft nahm. Ich hatte wirklich nicht überragend gespielt. Für mich kam Rainer Bonhof rein, und der hat es ja sehr gut gemacht. Damals ist zwischen uns sogar eine Freundschaft geboren, obwohl wir Konkurrenten waren. Aber dass ich später nicht noch mal eingewechselt wurde, fand ich schade. Besonders im Finale, als die Holländer so einen Druck gemacht haben. Wenn mir ein Länderspiel fehlt, dann das WM-Finale 1974. Aber Schön hat halt nicht gern gewechselt.

... das DDR-Spiel: Das letzte Vorrundenspiel in Hamburg war der Knackpunkt bei dieser WM. Weil wir es verloren, kamen wir in die leichtere Zwischenrundengruppe und gingen den Brasilianern und Holländern aus dem Weg. Aber dass es mit Absicht geschehen sei, wie immer mal gemunkelt wird, weise ich zurück. Bundestrainer Schön kam ja aus Dresden, mit seinem Kollegen Georg Buschner hatte er Differenzen. Er wollte das Spiel unbedingt gewinnen, so war es für ihn eine menschliche Katastrophe. Es war eben kein normales Spiel, und wir waren alle etwas befangen. Ich habe auf dem Platz keine zwei Sätze mit meinem Gegenspieler Kreische geredet, normal war das nicht. Später ging Berti Vogts mit einem Satz unserer Trikots in die DDR-Kabine zum Tauschen, ein Trikottausch auf dem Platz war ja nicht gewünscht. Ich habe noch das mit der Nummer 7 (Jürgen Pommerenke; Anm. d. Red.).

... die WM in Argentinien: Damals bin ich mit einigen anderen Kölnern noch in den Kader gerutscht, weil wir mit Köln das Double gewonnen und stark gespielt hatten. Zuvor war ich zwei Jahre nicht in der Nationalmannschaft, weil es im Verein nicht so lief. Ich hatte meine Differenzen mit Trainer Hennes Weisweiler. In Argentinien habe ich dann gar nicht gespielt (dreimal saß Cullmann auf der Bank; Anm. d. Red.), und es war auch so keine schöne WM. Unser Quartier lag 70 Kilometer weg von Cordoba, da standen nur vier Häuser. Wir wurden streng bewacht vom argentinischen Militär, und es fehlte an Ablenkung. Niemand büchste aus, aber das kam ja eh nie vor. (lacht) Nur einmal die Woche durfte jeder nach Hause telefonieren, und das TV-Programm war natürlich spanisch, wir verstanden nichts. Im Vergleich zu heute waren die Verhältnisse in Ascochinga undenkbar.

... die EM 1980: In Italien war ich mit Rainer Bonhof letzter "Überlebender" der Weltmeistertruppe, wobei Bonhof verletzt ausfiel. Unter Jupp Derwall hatte ich nach 1978 alle Spiele gemacht, einige als Libero. Während der EM nahm er mich nach dem ersten Spiel raus, beim dritten war ich wieder drin und im Finale gegen Belgien wurde ich Gott sei Dank eingewechselt. So konnte ich meine Karriere als Europameister beenden. Abends haben wir gefeiert, aber zuhause gab es nichts mehr. Erst als die neue Saison begann, wurde ich noch vom Verein geehrt.

... seinen größten Erfolg: Ich wurde zwar Weltmeister und Europameister, aber das Double mit dem 1. FC Köln würde ich noch etwas höher bewerten. Ganz einfach, weil ich dazu viel mehr beigetragen habe. Zu den wichtigsten Spielen zähle ich unser DFB-Pokalfinale 1978 gegen Fortuna Düsseldorf, als mir ein Tor gelang.

... seine Treue zum 1. FC Köln: Ich habe als Profi nur für den FC gespielt, und ein Wechsel war eigentlich auch nicht nötig, da ich die erfolgreichste Zeit des Vereins miterlebte. An der Seite von Spielern wie Overath, Flohe oder Löhr - und wir spielten ja fast immer vorne mit. Bloß als Hennes Weisweiler 1976 kam, hatte ich Abwanderungsgedanken. Otto Rehhagel wollte mich nach Dortmund holen, das hätte ich fast gemacht, da hätte ich nicht mal umziehen müssen. Die Entfernung sprach gegen einen anderen Wechsel, den heute wohl kaum einer mehr abgelehnt hätte: 1977 wollten mich die Bayern als Beckenbauer-Nachfolger holen, ich hatte mich schon mit Trainer Dettmar Cramer getroffen. Aber zum Glück verbesserte sich mein Verhältnis mit Weisweiler, und ich blieb in Köln.

Fakten zu Bernd Cullmann

  • 40 A-Länderspiele von 1973 bis 1980 (sechs Tore)
  • Fünf B-Länderspiele
  • Drei Juniorenländerspiele
  • 341 Bundesligaspiele von 1970 bis 1983 (29 Tore)
  • Weltmeister 1974
  • Europameister 1980
  • Deutscher Meister 1978
  • DFB-Pokalsieger 1978, 1980 und 1983
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