Waldner: "Mein Vater war kein Durchschnitt"

Im Schnitt haben deutsche Nationalspieler 13 Länderspiele absolviert, dabei zwei Tore erzielt und für etwa 1000 Minuten auf dem Platz gestanden. Diesen Werten besonders nah kommt ein Spieler: Erwin Waldner. 2015 ist der "Durchschnitts-Nationalspieler" gestorben. Im CdN-Magazin schreibt Erwin Waldner jr. über seinen Vater.

Wenn ich an meinen Vater denke, fällt mir zuerst sein Ehrgeiz ein. Zu seiner Art, Fußball zu spielen, passt das eigentlich nicht. Er war technisch herausragend, leichtfüßig, schnell. Er hatte den Okocha-Trick drauf, noch bevor Okocha geboren war. "Nur, dass ich den Ball als letzten Akt volley ins Tor geschossen habe", hat er dazu mal gesagt.

"Viel in seine Karriere investiert"

Wie gesagt, mein Vater war ehrgeizig, er hat hart und akribisch gearbeitet und viel in seine Karriere investiert. Er hat auf seine Ernährung geachtet, auf seine Fitness, hat spezielle Übungen gemacht für die Stabilität, für seinen Bauch. Mein Opa war alles andere als sportlich, auch bei den Brüdern meines Vaters war das Talent für den Fußball nicht ausgeprägt. Umso mehr hat mein Vater es als Geschenk verstanden, dass er so gut mit dem Ball umgehen konnte und umso mehr hat er sich diesem Geschenk verpflichtet gefühlt.

Als ich 1966 auf die Welt kam, war seine Karriere beendet. Als Fußballer habe ich ihn danach bei Prominenten-Spielen erlebt, bei seinen Auftritten für die Alten Herren oder die Traditionsmannschaft des VfB Stuttgart. Er hat mich oft mitgenommen, und je älter und besser ich wurde, desto häufiger durfte ich als Jungspund bei den Alten mitkicken. Man kann schon sagen, dass er mich in meiner Karriere immer gefördert hat. Von den Anfängen bei uns auf der großen Wiesn, über den TB Neckarhausen und den FV 09 Nürtingen bis in die Jugend und in den Profikader des VfB Stuttgart.

Nachfolger von Fritz Walter

Bei den Stuttgarter Kickers habe ich später noch einige Einsätze in der 2. Liga absolviert, aber keine Frage: Mein Vater hat es erheblich weiter gebracht. Seine größten Erfolge waren die Pokalsiege 1954 und 1958 mit dem VfB, "seinem" Verein. Sein bestes Spiel war ein Länderspiel. Beim 1:2 gegen die Sowjetunion im September 1956 war er mit Abstand bester Mann. So haben es damals die Zeitungen geschrieben, und so hat er es auch selbst gesehen. Wenn mein Vater als "Durchschnitts-Nationalspieler" beschrieben wird, dann wird ihm das nur der Statistik nach gerecht.

Mein Vater war kein Durchschnitt - nicht als Fußballer, nicht als Mensch. Er war ein Einzelgänger, manche beschreiben ihn als eigenwillig, ich würde eher sagen, dass er charakterstark war. Er hatte seine Meinung und hat sich nicht gescheut, sie auch zu sagen. Etwa als er die Einladung zu einem Länderspiel in der Sowjetunion ausgeschlagen hat, weil Sepp Herberger ihm nicht garantieren wollte, dass er auch zum Einsatz kommen wird. "Ich fliege doch nicht nach Moskau, um dann 90 Minuten auf der Bank zu sitzen", hat er gesagt.

Rückkehr in Nationalelf abgelehnt

Ähnlich war es später, als Helmut Schön ihn nach seiner Rückkehr aus Italien zu einer Rückkehr in die Nationalmannschaft überreden wollte. Mein Vater sagte ab. Weil er ein sehr ehrlicher Mensch war, und diese Ehrlichkeit hatte er auch sich gegenüber. Er war damals schon Mitte 30, hatte drei Kinder, das Haus wurde gebaut. Ihm war es einfach zu viel, er hat sich die Mehrbelastung nicht zugetraut.

Es ist schwer zu sagen, wie mein Vater seine Karriere eingeschätzt hat. Einerseits war er froh über das Erreichte, er hat Titel gewonnen, für Deutschland gespielt, die Erfahrung im Ausland gesammelt. Andererseits war sein Talent so außerordentlich, dass selbst Fritz Walter zu ihm gesagt hat: "Du wirst mal mein Nachfolger."

Derlei Dimensionen hat die Laufbahn meines Vaters nicht bekommen. Mitunter stand er sich mit seiner Sturheit möglicherweise selbst im Weg. Wobei ich diese Eigenschaft immer geschätzt habe. Als zentralen Wert hat er seinen Kindern Aufrichtigkeit vermittelt. So lässt sich über uns Waldners bei allen Unterschieden sagen, dass wir immer geradeaus sind und uns nicht verbiegen lassen. Und das ist mehr wert, als ein Länderspiel mehr oder weniger in der Statistik stehen zu haben.

[Erwin Waldner jr.]

Im Schnitt haben deutsche Nationalspieler 13 Länderspiele absolviert, dabei zwei Tore erzielt und für etwa 1000 Minuten auf dem Platz gestanden. Diesen Werten besonders nah kommt ein Spieler: Erwin Waldner. 2015 ist der "Durchschnitts-Nationalspieler" gestorben. Im CdN-Magazin schreibt Erwin Waldner jr. über seinen Vater.

Wenn ich an meinen Vater denke, fällt mir zuerst sein Ehrgeiz ein. Zu seiner Art, Fußball zu spielen, passt das eigentlich nicht. Er war technisch herausragend, leichtfüßig, schnell. Er hatte den Okocha-Trick drauf, noch bevor Okocha geboren war. "Nur, dass ich den Ball als letzten Akt volley ins Tor geschossen habe", hat er dazu mal gesagt.

"Viel in seine Karriere investiert"

Wie gesagt, mein Vater war ehrgeizig, er hat hart und akribisch gearbeitet und viel in seine Karriere investiert. Er hat auf seine Ernährung geachtet, auf seine Fitness, hat spezielle Übungen gemacht für die Stabilität, für seinen Bauch. Mein Opa war alles andere als sportlich, auch bei den Brüdern meines Vaters war das Talent für den Fußball nicht ausgeprägt. Umso mehr hat mein Vater es als Geschenk verstanden, dass er so gut mit dem Ball umgehen konnte und umso mehr hat er sich diesem Geschenk verpflichtet gefühlt.

Als ich 1966 auf die Welt kam, war seine Karriere beendet. Als Fußballer habe ich ihn danach bei Prominenten-Spielen erlebt, bei seinen Auftritten für die Alten Herren oder die Traditionsmannschaft des VfB Stuttgart. Er hat mich oft mitgenommen, und je älter und besser ich wurde, desto häufiger durfte ich als Jungspund bei den Alten mitkicken. Man kann schon sagen, dass er mich in meiner Karriere immer gefördert hat. Von den Anfängen bei uns auf der großen Wiesn, über den TB Neckarhausen und den FV 09 Nürtingen bis in die Jugend und in den Profikader des VfB Stuttgart.

Nachfolger von Fritz Walter

Bei den Stuttgarter Kickers habe ich später noch einige Einsätze in der 2. Liga absolviert, aber keine Frage: Mein Vater hat es erheblich weiter gebracht. Seine größten Erfolge waren die Pokalsiege 1954 und 1958 mit dem VfB, "seinem" Verein. Sein bestes Spiel war ein Länderspiel. Beim 1:2 gegen die Sowjetunion im September 1956 war er mit Abstand bester Mann. So haben es damals die Zeitungen geschrieben, und so hat er es auch selbst gesehen. Wenn mein Vater als "Durchschnitts-Nationalspieler" beschrieben wird, dann wird ihm das nur der Statistik nach gerecht.

Mein Vater war kein Durchschnitt - nicht als Fußballer, nicht als Mensch. Er war ein Einzelgänger, manche beschreiben ihn als eigenwillig, ich würde eher sagen, dass er charakterstark war. Er hatte seine Meinung und hat sich nicht gescheut, sie auch zu sagen. Etwa als er die Einladung zu einem Länderspiel in der Sowjetunion ausgeschlagen hat, weil Sepp Herberger ihm nicht garantieren wollte, dass er auch zum Einsatz kommen wird. "Ich fliege doch nicht nach Moskau, um dann 90 Minuten auf der Bank zu sitzen", hat er gesagt.

Rückkehr in Nationalelf abgelehnt

Ähnlich war es später, als Helmut Schön ihn nach seiner Rückkehr aus Italien zu einer Rückkehr in die Nationalmannschaft überreden wollte. Mein Vater sagte ab. Weil er ein sehr ehrlicher Mensch war, und diese Ehrlichkeit hatte er auch sich gegenüber. Er war damals schon Mitte 30, hatte drei Kinder, das Haus wurde gebaut. Ihm war es einfach zu viel, er hat sich die Mehrbelastung nicht zugetraut.

Es ist schwer zu sagen, wie mein Vater seine Karriere eingeschätzt hat. Einerseits war er froh über das Erreichte, er hat Titel gewonnen, für Deutschland gespielt, die Erfahrung im Ausland gesammelt. Andererseits war sein Talent so außerordentlich, dass selbst Fritz Walter zu ihm gesagt hat: "Du wirst mal mein Nachfolger."

Derlei Dimensionen hat die Laufbahn meines Vaters nicht bekommen. Mitunter stand er sich mit seiner Sturheit möglicherweise selbst im Weg. Wobei ich diese Eigenschaft immer geschätzt habe. Als zentralen Wert hat er seinen Kindern Aufrichtigkeit vermittelt. So lässt sich über uns Waldners bei allen Unterschieden sagen, dass wir immer geradeaus sind und uns nicht verbiegen lassen. Und das ist mehr wert, als ein Länderspiel mehr oder weniger in der Statistik stehen zu haben.

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