Vor zehn Jahren: Das große Trainerbeben

Was passierte im deutschen Fußball vor fünf Jahren? Vor 25, 50 oder 100 Jahren? Der Historiker und Autor Udo Muras hat in den Archiven gesucht und blickt auf die wichtigsten Jahrestage zurück. Die DFB-Wochenschau auf DFB.de.

30. Januar

Vor 90 Jahren kommt es in Frankfurt zu einer Doppelveranstaltung. Zunächst trifft der FSV auf den ruhmreichen Karlsruher FV, dann die Eintracht auf den amtierenden Meister SpVgg. Fürth. Zu den beiden "Gesellschaftsspielen" kommen rund 10.000 Zuschauer. Die Gastgeber unterliegen beide, der FSV mit 1:2, die Eintracht mit 3:5 – aber nach 0:4-Rückstand macht sie es noch mal spannend.

Noch um Punkte, aber doch nicht mehr um die Meisterschaft geht es in München, wo der FC Bayern am letzten Spieltag den neuen bayerischen Meister 1. FC Nürnberg empfängt. Der Club gewinnt vor 16.000 Zuschauern mit 5:3. "Der Club bewies…durch seine Leistungen, dass er den Titel zu Recht führt", lobt der kicker. In Berlin ist dagegen noch alles offen, auch weil das Spitzenspiel zwischen der Hertha und Tennis Borussia vor 25.000 Zuschauer keinen Sieger hat. Es hat nicht mal Tore und ist doch "technisch eines der besten der ganzen Saison", wie der kicker notiert.

Am selben Tag beschließt die Vereinigung der (erstklassigen) süddeutschen Bezirksligavereine in Stuttgart, dass "die Einführung des Berufsspielertums einmütig als dem Sinne und der Aufgabe der Deutschen Fußballbewegung zuwiderlaufend" betrachtet und deshalb abgelehnt werde.

Vor zehn Jahren beginnt der 19. Bundesligaspieltag mit vier Dienstagspartien. Nur dem VfB Stuttgart (3:2 vs. Bielefeld) gelingt ein Heimsieg, Mario Gomez trifft doppelt. Der VfL Wolfsburg trennt sich von Eintracht Frankfurt 2:2. In München (vs. Bochum) und Mönchengladbach (vs. Nürnberg) fallen gar keine Tore und doch haben die Spiele Konsequenzen – für zwei Trainer.

31. Januar

Vor 80 Jahren trifft die Nationalmannschaft in Düsseldorf auf die Niederlande (2:2). Vor 60.000 Zuschauern entwickelt sich ein spannendes Spiel, das vier Tore, zwei Torschützen, aber keinen Sieger hervorbringt. Der Augsburger Ernst Lehner bringt die DFB-Elf zweimal in Führung (26., 75.), doch Henk van Spandonck egalisiert sie (40., 90.). Es wird vorläufig der letzte Ausgleichstreffer sein, den das Herberger-Team kassiert. Die folgenden zehn Spiele in 1937 wird es gewinnen.

In Frankfurt wird am selben Tag das Spitzenspiel des Südwestens zwischen der Eintracht und Wormatia Worms nach 55 Minuten beim Stand von 2:2 abgebrochen. Der Boden am Bornheimer Hang, 1937 auch Heimat der Eintracht, ist zu tief. Der kicker schreibt: "Die Zuschauer protestierten zuerst ein wenig, aber Best (Schiedsrichter; Anm. d. Red.) war im Recht. Gesundheit über alles! Zwischen den Toren lag ein verzweifeltes Kämpfen gegen die Gesetze der Schwerkraft, um den Ball und mit dem Gegner. Alle Spieler behielten dabei ihre Nerven. Das war schön. Und es war ein Glück, daß bei unentschiedenem Stand abgebrochen wurde, denn so bleibt nirgends ein bitterer Geschmack zurück, und Frankfurt sieht den Großkampf noch einmal." 15.000 Zuschauer ziehen enttäuscht vorzeitig ab.

Vor 25 Jahren endet die Bundesligakarriere von Torwart Harald Schumacher, den alle Toni nennen. Nach der Rückkehr von Raimond Aumann verlässt der Europameister den FC Bayern, dem er in der Krisensaison 1991/1992 in acht Bundesligaspielen zur Verfügung gestanden hat. Der 37-Jährige sagt nach seinem letzten Training: "Es war wunderbar in München, aber ich werde nicht mehr gebraucht."

Vor zehn Jahren geschieht Einmaliges in der Bundesliga. Gleich bei drei Vereinen gibt es eine Trainertrennung. Zwei Entlassungen und ein Rücktritt als Folge eines Wochenspieltags, der es in sich hat. Es beginnt am Morgen um neun, als Jupp Heynckes nach dem 0:0 gegen den 1. FC Nürnberg seinen Posten bei Borussia Mönchengladbach samt vollgetanktem Dienstwagen zur Verfügung stellt. Morddrohungen waren in den Tagen zuvor eingegangen, die Polizei fuhr Streife vor seinem Anwesen. "Er fühlte sich nicht mehr stark genug. Ich bin tief getroffen", sagt Präsident Wilfried Königs. Nachfolger wird sein Assistent Jos Luhukay. Am Nachmittag kommt Meister Bayern München einen Tag nach dem enttäuschenden 0:0 gegen Aufsteiger VfL Bochum zu dem Schluss, sich von Felix Magath zu trennen – und holt seinen Vorgänger Ottmar Hitzfeld zurück. Bayern handelt "aus Sorge, gänzlich aus den Champions League-Rängen zu verschwinden". Magath erhält noch am Abend desselben Tages eine Anfrage vom HSV, der sich nach dem 1:1 gegen Energie Cottbus von Thomas Doll trennen will und wird. Magath lehnt ab. Trotzdem beendet der HSV in der Nacht zum 1. Februar nach 79 Bundesligaspielen die Zusammenarbeit. Sein Nachfolger wird Huub Stevens.

Am selben Tag wird der 19. Spieltag abgeschlossen. Das punktgleiche Spitzenduo marschiert weiter im Gleichschritt. Werder Bremen gewinnt 2:0 in Leverkusen, Schalke quält sich zu einem 2:1 gegen Aufsteiger Alemannia Aachen. Schlusslicht Mainz 05 feiert den dritten Saisonsieg – 1:0 gegen Dortmund. Hannover 96 kommt gegen Hertha BSC zu einem unerwarteten 5:0-Erfolg, Ein Debütant auf Berliner Seite wird den Tag nie vergessen: der 18 Jahre alte Verteidiger Jerome Boateng lernt die Bundesliga gleich von ihrer Schattenseite kennen.

1. Februar

Vor 75 Jahren unterliegt die Nationalmannschaft in Wien, damals zum Deutschen Reich gehörig, der Schweiz mit 1:2. 30.000 Zuschauer sind erwartungsfroh ins Prater-Stadion gekommen, enttäuscht ziehen sie wieder von dannen. Der kicker schreibt: "Kein Wunder, dass sich die Abwanderung der Massen in einer Stille vollzog, die der berühmten Grabesstille verdammt ähnlich war." Die Tore auf schwerem Boden fallen in den letzten 20 Minuten. Karl Decker von Vienna Wien bringt "Groß-Deutschland" in Führung (71.), schon im Gegenzug fällt der Ausgleich und zwei Minuten vor Schluss überwindet Kappenberger den Berliner Torwart Helmut Jahn. Er und Kaiserslauterns Fritz Walter sind die einzigen Nicht-Wiener in Herbergers Elf, Kriegserfordernisse erschweren den Einsatz anderer Spieler aus dem Reich. Dort läuft mancherorts parallel der Spielbetrieb.

In Niedersachsen behauptet Werder Bremen nach einem 3:0 gegen Hannover 96 die Tabellenführung in der Sechser-Staffel. Für 96 steht das Spiel unter schlimmen Vorzeichen: Am Tag zuvor hat man erfahren, dass ihr ehemaliger Spieler Ernst Deike "sein junges Leben für Deutschlands Zukunft an der Ostfront gegeben hat" (kicker), weshalb dessen Bruder Fritz ausfällt. 4500 Zuschauer aber sind dankbar für jede Ablenkung im dritten Kriegswinter. In der Nordmark regiert der HSV, bei Altona 93 triumphiert er deutlich mit 9:1. In Sachsen führt SC Planitz (3:2 bei Tura Leipzig) knapp vor dem Dresdener SC (6:2 gegen Fortuna Leipzig). Hertha BSC hofft in der Brandenburg-Staffel wieder auf den Titel, die Hauptstädter schlagen Union Oberschöneweide 3:2, aber oben bleibt Blau-Weiß, das den Brandenburger SC 6:4 abfertigt.

Vor 20 Jahren erzielt Dietmar Beiersdorfer, zu Saisonbeginn nach Reggiana gewechselt, sein erstes Tor in Italiens Serie A. Es rettet dem Aufsteiger einen Punkt gegen den SSC Neapel (1:1).

2. Februar

Vor 70 Jahren findet der 19. Spieltag der Oberliga Süd statt. Tabellenführer 1. FC Nürnberg kommt auch dank zweier Morlock-Tore zu einem 4:2-Heimsieg über Aufsteiger 1. FC Bamberg und beendet die Hinrunde mit 32:6 Punkten. Platz zwei nimmt 1860 München ein (26:10), das gegen Kellerkind Phönix Ludwigshafen 2:0 gewinnt. Auch der Dritte kommt aus Bayern: Schwaben Augsburg (25:11), das den höchsten Tagessieg verbucht (5:0 vs. VfR Mannheim). Mit zwei Nachholspielen noch aussichtsreich im Rennen liegt der VfB Stuttgart (24:10), der beim Karlsruher FV 2:2 spielt. Auswärtssiege schaffen nur die Stuttgarter Kickers (4:2 bei Schlusslicht VfL Neckarau) und Kickers Offenbach (4:1 in Aschaffenburg). Den Kickers hilft das Pech der Viktoria, die in der zweiten Hälfte wegen Verletzung von Torwart Hans Ricker einen Feldspieler in den Kasten stellen muss, der noch drei Treffer kassiert. Kurios: Erst am Vortag wird auf der Stuttgarter Verbandstagung die Abstiegsregel für die laufende Saison 1946/47 festgelegt – die letzten sechs (!) müssen runter.

Am selben Tag freut sich der HSV nur kurz über seinen Derby-Sieg gegen die Concordia (2:1) vor 10.000 Zuschauer, den der wird wegen des unberechtigten Einsatzes des Spielers Jonka annulliert.

Vor 30 Jahren erhält Zweitligist Schalke 04 einen neuen Präsidenten: Es ist ein alter Bekannter. Auf einer turbulenten Generalversammlung wählen die Mitglieder zum dritten Mal Günter Siebert ins Amt. Ordner führen während der Stimmenauszählung einen Betrunkenen ab, der mit einer Pistole herumfuchtelt.

Vor 10 Jahren gerät das Comeback von Bayern-Trainer Ottmar Hitzfeld in der Bundesliga zum Reinfall. Der Meister verliert beim 1. FC Nürnberg mit 0:3. Der Club ist nunmehr neun Spiele ungeschlagen und liegt nur noch zwei Plätze hinter den Bayern, die auf Rang vier kaum noch Chancen auf die Titelverteidigung haben. Nürnbergs Markus Schroth gewinnt in seinem 18. Bundesligaspiel erstmals gegen die Bayern, wozu er mit seinem Tor zum 2:0 selbst beiträgt. Für Bayern-Torwart Oliver Kahn geht dagegen eine Serie von 18 Spielen ohne Pleite gegen Nürnberg zu Ende.

3. Februar

Vor 60 Jahren gibt es in den Oberligen zwei neue Tabellenführer, im Süden und im Norden. Im Süden zieht der Karlsruher SC (3:0 vs. VfB Stuttgart) am punktgleichen 1. FC Nürnberg vorbei, der seine erste Auswärtsniederlage der Saison 1956/1957 bei den Bayern quittieren muss (0:1). Das Tor des Tages erzielt Peter Velhorn vor 33.000 Zuschauern. Bayerns Spielausschussvorsitzender Conny Heidkamp: "Das war der schönste Sieg der Saison!" Im Norden regiert wieder der HSV, nach einem 3:1 über Arminia Hannover (zwei Tore von Uwe Seeler) hat er weniger Minuspunkte als Holstein Kiel (0:0 vs. Concordia). In diesen beiden Staffeln gibt es keine Auswärtssiege. Im Westen kann Tabellenführer Duisburger SV seinen Heimvorteil nicht nutzen und gibt gegen Westfalia Herne (1:1) einen Punkt ab. Verfolger Borussia Dortmund feiert bei Schwarz-Weiß Essen ein unglaubliches 9:0-Schützenfest, das zur Pause (2:0) noch niemand kommen sieht. Drei Tore erzielt Alfred Kelbassa. Schalke 04 und Rot-Weiß Essen können sich vor 35.000 Zuschauern nicht auf einen Sieger einigen (2:2), insgesamt enden vier der acht West-Partien Unentschieden. Im Südwesten ist Kaiserslautern unangefochten und nähert sich nach dem 5:0 über den FK Pirmasens der 100-Tore-Grenze (89), die Walter-Brüder treffen jeweils einmal.

Vor 50 Jahren wird das Achtelfinale des DFB-Pokals eröffnet. Da zwischen dem 1. FC Köln und dem HSV auch nach 120 Minuten keine Tore fallen, geht es in die Wiederholung.

Vor zehn Jahren wird der 20. Bundesligaspieltag fortgesetzt. Der Effekt des Trainerwechsels setzt nur in Mönchengladbach bei, mit Jos Luhukay stürmt die Borussia in Bielefeld zum ersten Auswärtssieg der Saison (2:0). Der HSV dagegen verliert in Berlin unglücklich mit 1:2 und bleibt Letzter. In der Nachspielzeit trifft Joker Mineiro in seinem ersten Einsatz für die Hertha per Traumtor. "Ich habe kurz überlegt, dass es vielleicht ein Risiko ist, aus dieser Entfernung abzuziehen." Nur der VfL Wolfsburg kann noch einen Heimsieg (3:2 vs. Leverkusen) verbuchen. Aufsteiger Alemannia Aachen trennt nach dem 1:4 gegen Hannover 96 nur noch die Tordifferenz von einem Abstiegsplatz. Das Publikum fordert nach der dritten Pleite in Folge den Rauswurf von Trainer Michael Frontzeck, der Gelassenheit demonstriert: "Als Ur-Gladbacher hat man es in Aachen halt ohnehin schwer."

4. Februar

Vor 50 Jahren wird das Achtelfinale des DFB-Pokals fortgesetzt. Die beiden Münchner Bundesligisten, Schalke 04 und Alemannia Aachen erreichen das Viertelfinale. Die Bayern gewinnen 3:1 in Erkenschwick (zwei Müller-Tore), 1860 mit 1:0 gegen Meiderich. Willi Kraus schießt Schalkes 1:0 beim VfB Stuttgart und Alemannia feiert beim 4:2 gegen den KSC ihren Hattrick-Torschützen Erwin Hoffmann. Borussia Neunkirchen trennt sich von Werder Bremen 1:1 n.V., ebenso Schwarz-Weiß Essen und Fortuna Düsseldorf. Zwischen Kaiserslautern und Zweitligist Kickers Offenbach fallen keine Tore. Mit HSV – Köln (am Vortag) müssen daher vier Achtelfinalpartien wiederholt werden – Rekord.

Am selben Tag schlägt Borussia Dortmund in einem Nachholspiel der Bundesliga Tabellenführer Eintracht Frankfurt mit 3:1 und greift selbst noch mal ins Titelrennen ein.

Vor zehn Jahren titelt der kicker: "Schalke – der neue Titelfavorit". Denn die Königsblauen gewinnen das Spitzenspiel am Sonntag bei Werder Bremen mit 2:0 und setzen sich mit drei Zählern von Werder ab. Beide Tore erzielt der Däne Peter Lövenkrands. Werder-Manager Klaus Allofs anerkennend: "Man muss schon sehr gut spielen, um uns zu schlagen." Auch die zweite Partie des Tages gewinnt der Gast. Ein Kopfball von Mario Gomez ist das einzige Tor des Tages zwischen Borussia Dortmund und dem VfB Stuttgart, der sich auf Platz drei festsetzt.

5. Februar

Vor 40 Jahren findet der 21. Bundesliga-Spieltag statt, abgesehen vom Borussen-Derby zwischen Meister Gladbach und Aufsteiger Dortmund. Die Verfolger wissen den Spielausfall nicht zu nutzen, an einem Tag mit sechs Unentschieden punktet im oberen Tabellendrittel nur der FC Bayern doppelt (1:0 vs. Hertha BSC). Eintracht Braunschweig bleibt zwar Zweiter, lässt aber einen Zähler bei Schlusslicht TeBe Berlin (0:0), dessen überragender Torwart Volkmar Groß für den kicker der Mann des Tages ist. Auch der MSV Duisburg, vor dem Spieltag Dritter, liefert sich mit dem VfL Bochum einen Abnutzungskampf ohne Tore. Acht fallen dagegen im Spiel mit der größten Kulisse.

Weil HSV-Manager Peter Krohn in der ganzen Stadt Freikarten zum Heimspiel gegen Rot-Weiß Essen (5:3) verschenkt, zahlen nur 18.000 der 48.000 im Volksparkstadion Eintritt. Sie sehen drei Tore eines künftigen HSV-Stürmers. "Ein Hrubesch reicht nicht", titelt der kicker nach Essens Pleite. Im Rhein-Derby verspielt Köln gegen Fortuna Düsseldorf eine 2:0-Führung, Wolfgang Seel gleicht in der 88. Minute aus und drängt sich für höhere Aufgaben auf. "Er gehört in die Nationalelf", sagt Mitspieler Josef Hickersberger. Auch in Saarbrücken wendet sich das Spiel, Kaiserslauterns 2:0-Führung macht Harry Ellbracht mit einem Doppelschlag zunichte. In Schalke treffen zwei Königsblaue ins Tor und doch gibt es nur ein 1:1 gegen Eintracht Frankfurt, Helmut Kremers überwindet seinen eigenen Keeper. Der KSC gewinnt Land im Abstiegskampf und schlägt Werder Bremen mit 3:1, Winfried Schäfer sorgt für die Entscheidung im Wildpark.