Vor 60 Jahren: Mauerbau teilt auch Fußball-Deutschland

Der Tag, der deutsche Geschichte schrieb, jährt sich heute zum 60. Mal. Die Ereignisse in Berlin an jenem Sonntag, dem 13. August 1961, überraschten die Bürger in beiden Teilen des nach dem Krieg geteilten Deutschlands ebenso wie jene in der Stadt. Die DDR errichtete im Rahmen "der Grenzsicherung" eine Mauer quer durch Berlin, um den Massenexodus ihrer Bürger in den "Goldenen Westen" zu stoppen. Auch Fußball-Deutschland war nun entzweit. DFB.de blickt auf spektakuläre Fluchten und tragische Schicksale zurück.

Der Mauerbau erschwerte natürlich auch den Fußballern des Ostteils, sich abzusetzen. Bis dahin war es noch einfacher gewesen –-und von Anbeginn ein Thema. Eine vollständige Auflistung gibt es nicht, die 17 bei Wikipedia geführten Namen sind jedenfalls nur eine recht beliebige Auswahl. Fakt ist: Die DDR existierte noch kein Jahr, da machten die ersten Fußballer schon "rüber". Weil die Kommunisten aus dem ehemaligen Deutschen Meister Dresdner SC eine Betriebssportgemeinschaft machen wollten, setzte sich fast die ganze Mannschaft 1950 gen Westen ab, darunter der spätere Bundestrainer Helmut Schön (zu Hertha BSC, später FC St. Pauli und Trainer des SV Wiesbaden), Danach schlug er die Trainerlaufbahn ein und wurde bekanntlich mit der DFB-Auswahl 1974 Welt- und Europameister - in (West-) Deutschland.

Tilgung der Namen aus DDR-Statistiken

Auch ein Mitglied des Weltmeisterkaders von 1954, Fritz Laband aus Wismar (später HSV), entkam über die "grüne Grenze" zwischen den deutschen Staaten. Spätere Bundesligatrainer wie Dietrich Weise oder Otto Knefler suchten ebenfalls ihr Glück im Westen. Im September 1959 flohen mit Horst Assmy und Rolf Fritzsche (Vorwärts Berlin) erstmals zwei DDR-Nationalspieler. Assmy landete über Tennis Borussia Berlin bei Schalke 04. Fritzsche sorgte im Westen unverschuldet für einen Skandal, weil er 1960 für den FK Pirmasens vor Ablauf seiner Sperre im Pokalhalbfinale in Karlsruhe eingesetzt wurde, das deshalb wiederholt werden musste - denn der Südwestdeutsche Verband hatte irrtümlich eine Genehmigung erteilt.

Der "Verrat" der Nationalspieler wurde im Osten mit der Tilgung ihrer Namen aus allen Statistiken bestraft. Gleich in der ersten Nacht nach dem Mauerbau setzte sich Emil Poklitar, Torjäger des BFC Dynamo Berlin, mit seinem Mitspieler Rolf Starost ab. Beide waren 1961 mit ihrer Mannschaft bei einem Testspiel in Kopenhagen, ohne sie kehrte der BFC zurück. Poklitar meldete sich zunächst bei Tennis Borussia Berlin im Westen an, machte aber wegen einer einsetzenden Sperre (ein Jahr) kein Spiel. Der Verband der DDR strich derweil seine neun Saisontore 1961/1962 aus den Annalen, so als hätte Poklitar nie existiert.

Da nun als "Republikflüchtling" gebrandmarkt, wurde ihm der Boden in Berlin schließlich zu heiß, und er wechselte in die BRD. Nach einer Episode beim Freiburger FC (1962 bis 1964) blühte er beim 1. FC Saarbrücken richtig auf und kam in 126 Regionalligaeinsätzen (damals 2. Liga) zu 99 Toren. Später wirkte der Flüchtling der ersten Mauerstunde als Trainer bei unterklassigen Vereinen und als Sportlehrer an einem Saarbrücker Gymnasium. 

Polywka spielt als erster DDR-Kicker in der Bundesliga

Der erste DDR-Kicker, der in der Bundesliga zum Einsatz kam, war Michael Polywka aus Jena. Über die westdeutsche Botschaft Stockholms gelangte er 1966 zu Eintracht Braunschweig, die ihn wochenlang auf der Nordseeinsel Helgoland versteckte. Sein Pech: Wegen der obligatorischen Sperre verpasste er ausgerechnet die Meistersaison 1966/1967.

Im November 1976 entkamen die Hallenser Nachwuchsspieler Norbert Nachtweih und Torwart Jürgen Pahl in Bursa bei einem U-Länderspiel gegen die Türkei und kamen bei Eintracht Frankfurt unter, wo sie 1980 UEFA-Pokalsieger wurden. Nachtweih machte noch Karriere bei den Bayern und wurde mit dem FCB viermal Meister.

Eigendorf verunglückt tödlich: War die Stasi verantwortlich?

Tragische Berühmtheit erlangte Lutz Eigendorf, der sich 1979 vom BFC Dynamo Berlin absetzte und in Kaiserslautern und Braunschweig spielte. Doch die Stasi verlor ihn nie aus dem Blick. Höchstwahrscheinlich war sie für den tödlichen Autounfall verantwortlich, den Eigendorf im März 1983 hatte. Auf gerader Fahrbahn prallte er gegen einen Baum, vermutlich wurde er geblendet oder "verblitzt", wie es in einer Stasi-Notiz über mögliche Arten, ihn auszuschalten, heißt. Eigendorf hatte wohl mit seinem systemkritischen Interview vor der Berliner Mauer die Rache der Stasi provoziert. 

Im selben Jahr verlor Serienmeister BFC Dynamo zwei Hoffnungsträger: Falko Götz und Dirk Schlegel flohen in Belgrad aus dem Hintereingang eines Plattenladens, den die Spione der Staatsmacht nicht im Blick hatten. Mit Hilfe der BRD-Botschaft gelangten sie in den Westen und spielten zunächst beide für Bayer Leverkusen. Götz brachte es bei 1860 München und Hertha BSC zum anerkannten Bundesligatrainer.

Spektakuläre Flucht von Frank Lippmann

Unvergessen ist die Geschichte von Frank Lippmann, der beim legendären Dresdner Gastspiel in Uerdingen (3:7) im März 1986 die Laune der Dynamo-Verantwortlichen durch seine Flucht mit dem Fahrstuhl aus dem Mannschaftshotel zusätzlich trübte. In der Tiefgarage wartete ein Bekannter, der Lippmann in die Freiheit fuhr. Seine Karriere (22 Bundesligaspiele für Nürnberg und Waldhof Mannheim) verlief dann weniger spektakulär.

Weiter brachte es Axel Kruse, er war einer der letzten Flüchtlinge. Der Rostocker konnte den Mauerfall nicht mehr abwarten und setzte sich am 8. Juli 1989 wie einst Poklitar in Kopenhagen ab. Kruse debütierte im Februar 1990 für Hertha BSC, als sich die deutsche Einheit schon anbahnte, war von Sperren keine Rede mehr.

Thom und Sammer erst nach dem Mauerfall in die Bundesliga

Vier Tage nach Axel Kruse entkamen André Köhler, Jens König und Thomas Weiß von Wismut Aue und wurden von Eintracht Frankfurt aufgenommen. Sportlich lohnte sich das nicht. Nur Köhler kam zu vier Bundesligaeinsätzen.

Der goldene Westen glänzte für so manchen Republikflüchtling nur von außen betrachtet. Das traf auch für den letzten Fußballer zu. Der Berliner Mathias Morack setzte sich mit seiner Frau am 7. November 1989 über die tschechische Grenze ab, scheiterte daran, bei 1860 München unterzukommen und kickte ein paar Wochen für den Kreisligisten TSV Eslam in der Oberpfalz. Im Februar 1990 kehrte er ins nun freiheitliche Berlin zurück. Bei Union Berlin und Stahl Brandenburg erlebte Morack noch ein paar Profijahre.

Was für Rohdiamanten im Osten auf ihre Bergung warteten, wurde dann mit dem Mauerfall deutlich. Andreas Thom vom BFC Dynamo war der erste legale Überläufer ("Abjehaun wär ick nie"), der ab Februar 1990 noch zu Lebzeiten der DDR bei Bayer Leverkusen einen Vertrag unterschrieb und es auch im Westen zum Nationalspieler brachte (Vizeeuropameister 1992). Viele folgten, einer wurde 1996 Europameister und sogar als bis dato letzter Deutscher Europas Fußballer des Jahres: Matthias Sammer. Weil die Mauer, die heute vor 60 Jahren errichtet wurde, zum Glück seit nunmehr 32 Jahren schon wieder Geschichte ist.

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Der Tag, der deutsche Geschichte schrieb, jährt sich heute zum 60. Mal. Die Ereignisse in Berlin an jenem Sonntag, dem 13. August 1961, überraschten die Bürger in beiden Teilen des nach dem Krieg geteilten Deutschlands ebenso wie jene in der Stadt. Die DDR errichtete im Rahmen "der Grenzsicherung" eine Mauer quer durch Berlin, um den Massenexodus ihrer Bürger in den "Goldenen Westen" zu stoppen. Auch Fußball-Deutschland war nun entzweit. DFB.de blickt auf spektakuläre Fluchten und tragische Schicksale zurück.

Der Mauerbau erschwerte natürlich auch den Fußballern des Ostteils, sich abzusetzen. Bis dahin war es noch einfacher gewesen –-und von Anbeginn ein Thema. Eine vollständige Auflistung gibt es nicht, die 17 bei Wikipedia geführten Namen sind jedenfalls nur eine recht beliebige Auswahl. Fakt ist: Die DDR existierte noch kein Jahr, da machten die ersten Fußballer schon "rüber". Weil die Kommunisten aus dem ehemaligen Deutschen Meister Dresdner SC eine Betriebssportgemeinschaft machen wollten, setzte sich fast die ganze Mannschaft 1950 gen Westen ab, darunter der spätere Bundestrainer Helmut Schön (zu Hertha BSC, später FC St. Pauli und Trainer des SV Wiesbaden), Danach schlug er die Trainerlaufbahn ein und wurde bekanntlich mit der DFB-Auswahl 1974 Welt- und Europameister - in (West-) Deutschland.

Tilgung der Namen aus DDR-Statistiken

Auch ein Mitglied des Weltmeisterkaders von 1954, Fritz Laband aus Wismar (später HSV), entkam über die "grüne Grenze" zwischen den deutschen Staaten. Spätere Bundesligatrainer wie Dietrich Weise oder Otto Knefler suchten ebenfalls ihr Glück im Westen. Im September 1959 flohen mit Horst Assmy und Rolf Fritzsche (Vorwärts Berlin) erstmals zwei DDR-Nationalspieler. Assmy landete über Tennis Borussia Berlin bei Schalke 04. Fritzsche sorgte im Westen unverschuldet für einen Skandal, weil er 1960 für den FK Pirmasens vor Ablauf seiner Sperre im Pokalhalbfinale in Karlsruhe eingesetzt wurde, das deshalb wiederholt werden musste - denn der Südwestdeutsche Verband hatte irrtümlich eine Genehmigung erteilt.

Der "Verrat" der Nationalspieler wurde im Osten mit der Tilgung ihrer Namen aus allen Statistiken bestraft. Gleich in der ersten Nacht nach dem Mauerbau setzte sich Emil Poklitar, Torjäger des BFC Dynamo Berlin, mit seinem Mitspieler Rolf Starost ab. Beide waren 1961 mit ihrer Mannschaft bei einem Testspiel in Kopenhagen, ohne sie kehrte der BFC zurück. Poklitar meldete sich zunächst bei Tennis Borussia Berlin im Westen an, machte aber wegen einer einsetzenden Sperre (ein Jahr) kein Spiel. Der Verband der DDR strich derweil seine neun Saisontore 1961/1962 aus den Annalen, so als hätte Poklitar nie existiert.

Da nun als "Republikflüchtling" gebrandmarkt, wurde ihm der Boden in Berlin schließlich zu heiß, und er wechselte in die BRD. Nach einer Episode beim Freiburger FC (1962 bis 1964) blühte er beim 1. FC Saarbrücken richtig auf und kam in 126 Regionalligaeinsätzen (damals 2. Liga) zu 99 Toren. Später wirkte der Flüchtling der ersten Mauerstunde als Trainer bei unterklassigen Vereinen und als Sportlehrer an einem Saarbrücker Gymnasium. 

Polywka spielt als erster DDR-Kicker in der Bundesliga

Der erste DDR-Kicker, der in der Bundesliga zum Einsatz kam, war Michael Polywka aus Jena. Über die westdeutsche Botschaft Stockholms gelangte er 1966 zu Eintracht Braunschweig, die ihn wochenlang auf der Nordseeinsel Helgoland versteckte. Sein Pech: Wegen der obligatorischen Sperre verpasste er ausgerechnet die Meistersaison 1966/1967.

Im November 1976 entkamen die Hallenser Nachwuchsspieler Norbert Nachtweih und Torwart Jürgen Pahl in Bursa bei einem U-Länderspiel gegen die Türkei und kamen bei Eintracht Frankfurt unter, wo sie 1980 UEFA-Pokalsieger wurden. Nachtweih machte noch Karriere bei den Bayern und wurde mit dem FCB viermal Meister.

Eigendorf verunglückt tödlich: War die Stasi verantwortlich?

Tragische Berühmtheit erlangte Lutz Eigendorf, der sich 1979 vom BFC Dynamo Berlin absetzte und in Kaiserslautern und Braunschweig spielte. Doch die Stasi verlor ihn nie aus dem Blick. Höchstwahrscheinlich war sie für den tödlichen Autounfall verantwortlich, den Eigendorf im März 1983 hatte. Auf gerader Fahrbahn prallte er gegen einen Baum, vermutlich wurde er geblendet oder "verblitzt", wie es in einer Stasi-Notiz über mögliche Arten, ihn auszuschalten, heißt. Eigendorf hatte wohl mit seinem systemkritischen Interview vor der Berliner Mauer die Rache der Stasi provoziert. 

Im selben Jahr verlor Serienmeister BFC Dynamo zwei Hoffnungsträger: Falko Götz und Dirk Schlegel flohen in Belgrad aus dem Hintereingang eines Plattenladens, den die Spione der Staatsmacht nicht im Blick hatten. Mit Hilfe der BRD-Botschaft gelangten sie in den Westen und spielten zunächst beide für Bayer Leverkusen. Götz brachte es bei 1860 München und Hertha BSC zum anerkannten Bundesligatrainer.

Spektakuläre Flucht von Frank Lippmann

Unvergessen ist die Geschichte von Frank Lippmann, der beim legendären Dresdner Gastspiel in Uerdingen (3:7) im März 1986 die Laune der Dynamo-Verantwortlichen durch seine Flucht mit dem Fahrstuhl aus dem Mannschaftshotel zusätzlich trübte. In der Tiefgarage wartete ein Bekannter, der Lippmann in die Freiheit fuhr. Seine Karriere (22 Bundesligaspiele für Nürnberg und Waldhof Mannheim) verlief dann weniger spektakulär.

Weiter brachte es Axel Kruse, er war einer der letzten Flüchtlinge. Der Rostocker konnte den Mauerfall nicht mehr abwarten und setzte sich am 8. Juli 1989 wie einst Poklitar in Kopenhagen ab. Kruse debütierte im Februar 1990 für Hertha BSC, als sich die deutsche Einheit schon anbahnte, war von Sperren keine Rede mehr.

Thom und Sammer erst nach dem Mauerfall in die Bundesliga

Vier Tage nach Axel Kruse entkamen André Köhler, Jens König und Thomas Weiß von Wismut Aue und wurden von Eintracht Frankfurt aufgenommen. Sportlich lohnte sich das nicht. Nur Köhler kam zu vier Bundesligaeinsätzen.

Der goldene Westen glänzte für so manchen Republikflüchtling nur von außen betrachtet. Das traf auch für den letzten Fußballer zu. Der Berliner Mathias Morack setzte sich mit seiner Frau am 7. November 1989 über die tschechische Grenze ab, scheiterte daran, bei 1860 München unterzukommen und kickte ein paar Wochen für den Kreisligisten TSV Eslam in der Oberpfalz. Im Februar 1990 kehrte er ins nun freiheitliche Berlin zurück. Bei Union Berlin und Stahl Brandenburg erlebte Morack noch ein paar Profijahre.

Was für Rohdiamanten im Osten auf ihre Bergung warteten, wurde dann mit dem Mauerfall deutlich. Andreas Thom vom BFC Dynamo war der erste legale Überläufer ("Abjehaun wär ick nie"), der ab Februar 1990 noch zu Lebzeiten der DDR bei Bayer Leverkusen einen Vertrag unterschrieb und es auch im Westen zum Nationalspieler brachte (Vizeeuropameister 1992). Viele folgten, einer wurde 1996 Europameister und sogar als bis dato letzter Deutscher Europas Fußballer des Jahres: Matthias Sammer. Weil die Mauer, die heute vor 60 Jahren errichtet wurde, zum Glück seit nunmehr 32 Jahren schon wieder Geschichte ist.

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